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Maßnahmen gegen Sommersmog

Die von Umweltminister Klaus Töpfer in der letzten Woche vorgelegte Sommersmog-Verordnung der Bundesregierung ist unter Beschuß geraten, noch bevor sie dem Bundesrat zur Beratung zugeleitet werden konnte. Die Festlegung von Konzentrationswerten für Stickoxide, Benzol und Ruß erleichtert zwar verkehrsrechtliche Maßnahmen durch die örtlichen Behörden – eine deutliche Verminderung des bodennahen Ozons aber wird Kritikern zufolge durch die neue Verordnung nicht erreicht.

Erst wird gemessen, ab dem 1. Juli 1995 darf dann gehandelt werden. Mit diesem Datum treten die neuen Konzentrationswerte in Kraft, die nach langem Tauziehen zwischen Umwelt- Verkehrs- und Wirtschaftsministerium festgelegt wurden. Ziel der Verordnung ist es, den verkehrsbedingten Sommersmog zu bekämpfen. Als Indikatorsubstanzen wählte man Stickoxide (NOx), Benzol und Ruß. Während Benzol und Ruß vor allem wegen ihres krebserregenden Potentials von Bedeutung sind, führen Stickoxide zusammen mit flüchtigen Kohlenwasserstoffen unter Sonneneinstrahlung zur Bildung des Reizgases Ozon.

Der „Ernstfall“ tritt nach dem Willen der Bundesregierung ein, wenn im Jahresmittel mehr als 160 Mikrogramm NOx pro Kubikmeter Luft gemessen, oder aber kurzfristig 320 Mikrogramm (μg) überschritten werden. Für Ruß gilt zunächst ein Jahresmittelwert von 14 μg, der zum 1. Juli 1998 auf 8 μg abgesenkt wird. Auch bei Benzol sind zwei Stufen vorgesehen: Im ersten Schritt gilt ein Konzentrationswert von 15 μg, der drei Jahre später auf 10 μg reduziert wird.

Aus Stichproben weiß man, daß sämtliche Werte vielerorts deutlich überschritten werden, besonders wenn die Meßungen – wie vorgesehen – in engen Straßenschluchten mit geringer Luftzirkulation ausgeführt werden.

Die „erforderlichen Verkehrsmaßnahmen“ – sprich Umleitungen und Straßensperrungen, Geschwindigkeitsbeschränkungen und Fahrverbote – scheinen daher unvermeidlich, drohen aber erst in zwei Jahren. Welche Schritte dann im Einzelnen eingeleitet werden, bleibt den zuständigen Verkehrsbehörden überlassen. „Wir können nicht von Bonn aus beurteilen, welche Maßnahmen vor Ort sinnvoll sind“, begründet Töpfer das Verfahren. Eine Verwaltungsvorschrift, die jetzt noch zwischen der Bundesregierung und den Ländern ausgehandelt werden muß, soll jedoch Prioritäten setzen und eine „Harmonisierung“ der Bemühungen erreichen.

Den Kommunen bleibt trotz der scheinbar großzügig bemessenen Frist bis zum Juli 1995 nicht viel Zeit: Während Staub und Schwefeldioxid, Ozon und Stickoxide bereits flächendeckend erfaßt werden, fehlen die Geräte zur Meßung von Benzol und Ruß. Sie kosten zwischen 100000 und 300000 Mark pro Anlage und müßen trotz technischer Unvollkommenheiten bei der Rußmeßung spätestens im Sommer 1994 einsatzbereit sein, damit ein Jahr später die geforderten Jahresdurchschnittswerte zur Verfügung stehen.

Von den Neuanschaffungen – in der Stadt Hamburg werden beispielsweise vier neue Geräte benötigt – profitieren in erster Linie die Anwohner vielbefahrener Straßen. Sie leiden am stärksten unter den krebserregenden Benzol- und Ruß-Emissionen der Autos. Mit der Festschreibung von Konzentrationswerten wird ihnen ein mächtiges Druckmittel in die Hand gegeben, denn kaum ein Straßenverkehrsamt wird sich dem Vorwurf aussetzen wollen, dem Überschreiten dieser Werte tatenlos zuzusehen. Bis zu zehn zusätzliche Leukämiefälle pro 100000 Einwohner gehen nach Schätzungen allein auf das Konto des leichtflüchtigen Kohlenwasserstoffs Benzol, der zu 90 Prozent im Zusammenhang mit dem Kraftfahrzeugverkehr freigesetzt wird.

Allzu hohe Konzentrationen dieses Schadstoffes sollen gemäß der neuen Verordnung nun in erster Linie durch verkehrsplanende und verkehrslenkende Maßnahmen verhindert werden, was letztlich aber nur zu einer Umverteilung der Schadstoffe führen würde. Fahrverbote sind erst an zweiter Stelle vorgesehen, wobei Autos, die mit einem Katalysator ausgestattet sind, sowie Diesel mit einem Partikelwert von weniger als 0,08 Gramm je Kilometer verschont blieben.

Durch einen geregelten Drei-Wege-Katalysator kann nämlich der Ausstoß an Stickoxiden um 90 Prozent, der an Benzol um bis zu 85 Prozent reduziert werden. Im Stadtverkehr allerdings werden diese Werte in der Regel deutlich unterschritten, weil die optimale Betriebstemperatur auf den meist nur kurzen Strecken nicht erreicht wird. Gegenwärtig sind etwa 40 Prozent der deutschen Fahrzeugflotte mit einem Katalysator ausgerüstet; die 100-Prozent Marke hofft Töpfer in fünf Jahren zu erreichen, wenn die „schmutzigen“ Wagen älterer Baujahre weitgehend von den Straßen verschwunden sind.

Von der jetzt vorgelegten Sommersmog-Verordnung erwartet der Umweltminister jedoch nicht nur die Reduktion krebserregender Stoffe in der Atemluft. Zusammen mit anderen Maßnahmen glaubt Töpfer vielmehr eine „deutliche Minderung der Emissionen von Vorläufersubstanzen für Ozon“ bewirken zu können – und zwar „trotz der erwarteten Zunahme des Verkehrs.“

Ganz anders sieht dies das Berliner Umweltbundesamt. Von lokalen Maßnahmen seien keine großen Änderungen bei den Vorläufersubstanzen zu erwarten, hieß es aus der zentralen Umweltbehörde des Bundes, die auch für die wissenschaftliche Beratung des Ministers zuständig ist. Selbst weitgehende Sperrungen der Innenstädte brächten demnach lediglich „Veränderungen im Prozentbereich“, erklärte Pressesprecher Dr. Holger Brackemann.

Nötig seien dagegen Reduktionen der Vorläufersubstanzen um 70 bis 80 Prozent, um die 120 μg pro Kubikmeter Luft nicht wesentlich zu überschreiten, die vom VDI als Orientierungswert für Risikogruppen angesetzt werden. Auch die Ausrüstung der gesamten Pkw-Flotte mit geregeltem Drei-Wege-Kat würde dafür nicht ausreichen.

Gefordert sei deshalb ein generelles Tempolimit von 100 Stundenkilometern auf Autobahnen und Tempo 80 auf Landstraßen, sagte Dr. Klaus Kübler, stellvertretender Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion in der Enquete-Kommission „Schutz der Erdatmosphäre“. Erst vor wenigen Wochen war die Hessische Landesregierung mit einer „Ozon-Verordnung“ vorgeprescht und hatte Töpfer damit unter Zugzwang gesetzt.

Trotz juristischer Unsicherheiten wurde in Wiesbaden beschlossen, ein Tempolimit zu verhängen, wenn mindestens drei der 33 Meßstellen des Landes Ozonwerte über 240 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft melden. Auf Autobahnen dürfen dann nur noch 90, auf Landstraßen 80 Stundenkilometer gefahren werden. Während Umwelt- und Verkehrsministerium in dem rot-grün regierten Bundesland an einem Strang ziehen und ein Tempolimit auch ohne Ozonalarm für sinnvoll halten, ist die Lage in Bonn weniger harmonisch:

Nach Darstellung des SPD-Umweltexperten Michael Müller leisteten sowohl das Bonner Verkehrs- als auch das Wirtschaftsministerium Widerstand gegen die ursprünglich von Töpfer vorgeschlagenen Konzentrationswerte für Ruß und Benzol, die nun erst ab 1998 gelten werden.

(Originalversion eines Artikels für die VDI-Nachrichten, erschienen am 30. Juli 1993)

Weitere Infos:

Hintergrundpapier Sommersmog des Umweltbundesamtes

Kola-Halbinsel: Die Zerstörung einer Landschaft

Die müden Augen hinter den klobigen Brillengläsern verraten, daß Jewgeni Kowalewski sich nicht besonders wohl fühlt. Der stellvertretende Bezirksdirektor des Amtes für Umweltschutz windet sich unter den bohrenden Fragen der ausländischen Journalisten, ist sichtlich bemüht, den Abgrund zwischen neuer Offenheit und altem Denken zu überwinden.

Was tun die kärglich ausgestatteten Behörden in Murmansk, 200 Kilometer nördlich des Polarkreises, gegen die Luftverschmutzung auf der Kola-Halbinsel? Wie lange noch sollen Schwefeldioxid und Schwermetalle aus den Hüttenwerken der Region auf die 1,2 Millionen Einwohner herabrieseln? Wie viele Unfälle hat es im Kernkraftwerk Kola nahe der Stadt Poljarnyje Sori gegeben, und was geschah mit den radioaktiven Abfällen von mehr als 100 Atom-U-Booten?

Der Russe Kowalewski wiegelt ab, verweist auf die gute Zusammenarbeit mit Norwegen, Finnland und Schweden, auf internationale Abkommen und auf die 30 Meßstationen seiner Behörde: „Wir hoffen, die meisten Probleme in drei bis fünf Jahren zu lösen.“ Eine kurze Stadtrundfahrt aber genügt, um jeglichen Optimismus im Keim zu ersticken: Vom Genuß des Trinkwassers, das in gelblich-brauner Tönung aus den Hähnen fließt, wird dringend abgeraten.

Die Grundversorgung der Bevölkerung scheint zwar gesichert. Wohin aber die Devisenmilliarden aus dem Verkauf von Nickel, Kupfer, Platin, von Kobalt, Palladium, Osmium und anderen seltenen Metallen geflossen sind, ist trotz intensiver Bemühungen nicht auszumachen. Große, triste Wohnblocks prägen das Bild der Stadt, die im Zweiten Weltkrieg von deutschen Bombern dem Erdboden gleichgemacht wurde.

Hoch oben über der Stadt steht das Kriegsdenkmal, das die Murmansker Aljoscha nennen und das an 1000 Tage Zweiter Weltkrieg in der Arktis erinnert. Rauchwolken aus Industrieschornsteinen trüben den Blick von hier aus. Doch was könnte man bei freier Sicht schon sehen? Der eisfreie Hafen, von dem aus eine halbe Million Einwohner versorgt wird, ist einer der größten Schiffsfriedhöfe der Welt.

In einer vorgelagerten Bucht zeugen die himmelwärts gerichteten Torsos Dutzender abgewrackter Schiffe von der ortsüblichen Entsorgungspraxis: Mit maximaler Geschwindigkeit werden Frachter und Tanker, Schlepper und Trawler auf den Strand gesteuert, wo sie auflaufen und dann ihrem Schicksal überlassen werden.

Knut Hauge, norwegischer Konsul von Murmansk, berichtet von 52 ausrangierten Atom-U-Booten allein im Hafen von Murmansk. Zusammen mit mehr oder weniger funktionstüchtigen U-Booten im benachbarten Sperrbezirk Seweromorsk kommt man auf 120 Kriegsschiffe der russischen Nordflotte mit jeweils einem oder zwei Atomreaktoren an Bord. Ein Atomkraftwerk mit vier Reaktoren, acht atomgetriebene Eisbrecher und fünf bekannte atomare Zwischenlager tragen zur atomaren Verseuchung der Kola-Halbinsel bei. Zivile Frachtschiffe im Hafen von Murmansk bilden zusätzliche Zwischenlager.

Erst Ende März war es wieder zu einem Unglück gekommen, als vor der Küste das amerikanische U-Boot „Grayling“ mit einem russischen Boot der Delta-III-Klasse zusammenstieß. Die Amerikaner formulierten eine höfliche Entschuldigung, aus Moskau kam nach mehrtägiger Verzögerung die Nachricht, Atomreaktor und Bewaffnung des eigenen Bootes seien unbeschädigt geblieben.

Auch ohne Unfälle ist die lang geübte Praxis im Umgang mit der Kernkraft erschreckend: Neben den Atom-U-Booten sind 132 Leuchttürme entlang der Küste mit Kernreaktoren ausgerüstet. Zusammen mit dem Kernkraftwerk Kola bei Poljarnyje Sori – laut Angaben der Internationalen Atomenergie-Organisation eine der zehn gefährlichsten Anlagen weltweit – produzieren sie gewaltige Mengen radioaktiven Abfalls. Uber ein Endlager verfügt Russland indes ebenso wenig wie westliche Atommächte.

Abgebrannte Brennstäbe wurden daher routinemäßig in der Barentssee versenkt. Mindestens 21 Reaktoren von ausgedienten U-Booten und Eisbrechern liegen am Meeresgrund. Flüssige radioaktive Abfälle wurden verdünnt und über Bord gekippt. Auf die Frage, was man sich dabei gedacht hat, weiß Kowalewski eine simple Antwort: ,,Auch die Amerikaner haben das lange Zeit gemacht, heute ist es verboten.“ Das Problem sei ohnehin nicht besonders dringend, weil die mehr als 10000 Container mit dem strahlenden Inhalt „sicherlich noch lange halten“.

Eine weitere Hinterlassenschaft der ehemaligen Sowjetunion sind eine Vielzahl von Kasernen, Flughäfen, Raketenbasen, Grenzbefestigungen und sonstigen militärischen Einrichtungen. Von rund 3500 nuklearen Sprengköpfen ist die Rede, von Raketen der Typen S 21 und Scud. Die vorerst letzte von 120 Atombomben explodierte am 24. Oktober 1991 – dem Tag der Vereinten Nationen – auf der Insel Nowaja Semlja, die seit 1955 als Testgelände herhalten muß. Die Gesamtsprengkraft seither beträgt rund 7000 Hiroschima-Bomben.

Mittwochs, freitags und an Sonntagen sind die eis- und schneebedeckten Straßen der Halbinsel für den Zivilverkehr freigegeben. An vier Tagen in der Woche bleiben die Verkehrswege den Soldaten vorbehalten – ein Verhältnis, das nach Meinung von Beobachtern die Machtverteilung im Staate widerspiegelt.

Über Reformen und Joint-Ventures wird viel geredet, echter Fortschritt indes bleibt dem Betrachter verborgen. Immer wieder erklären Regierungsvertreter und Konzernleiter, ohne Geld aus dem Westen ließe sich nichts bewegen. Der Gedanke, das größte Volk Europas könne sich aus eigener Kraft aus der Misere befreien, wird nirgendwo ernsthaft erwogen.

So auch in Zapoljanry und Nikel, wo 50000 Einwohner von der Verhüttung des gleichnamigen Metalls abhängig sind. Neben elf Tonnen giftiger Schwermetalle werden dabei jährlich 300000 Tonnen Schwefeldioxid freigesetzt. Das entspricht der siebenfachen Menge dessen, was das Nachbarland Norwegen mit seinen vier Millionen Einwohnern produziert. Auf 100 Quadratkilometern Taiga wächst nahe Nikel kein Baum mehr. In Zapoljanry, so berichtet eine Augenzeugin, sei es noch weitaus schlimmer. Die Behörden haben dort das Sammeln von Beeren und Pilzen verboten; beim Verzehr besteht Vergiftungsgefahr.

Mit westlicher Technologie ließe sich der Schadstoffausstoß der Erzhütten auf ein Zwanzigstel reduzieren, doch dafür fehlen umgerechnet 960 Millionen Mark. Trotz der Bereitschaft Norwegens und Finnlands, ein Siebtel der Kosten zu übernehmen, erklärte der russische Umweltminister Wiktor Dahiljan, sein Land sei zu arm, um die geplanten Maßnahmen zu bezahlen. Die Industriewüste lebt.

(erschienen in der WELT am 6. Juli 1993 als Bilanz einer mehrtägigen Journalistenreise, die letztlich von der norwegischen Regierung finanziert wurde. Und die hatte – wie mir später klar wurde – ein massives Interesse daran, mit Deutschland einen Mitfinanzier für die Linderung der grenzübergreifenden Umweltverschmutzung zu finden und im Vorfeld entsprechende Aufmerksamkeit zu schaffen…)

Ein Atlas kaputter Wälder

Der erste gesamtdeutsche Waldschadensbericht liegt nun auch als anschauliche Karte vor. Mitarbeiter des Berliner Umweltbundesamtes haben in Bilder gefaßt, was zuvor nur in langen Zahlenreihen festgehalten war: Die Abbildung zeigt den Anteil geschädigter Bäume am Gesamtbestand in Prozent. Vor allem in den neuen Ländern, aber auch im Bayerischen Wald ist die Situation am schlimmsten. Dort sind teilweise sieben von zehn Bäumen geschädigt.

Im statistischen Durchschnitt werden immerhin 36 Prozent aller deutschen Bäume als „gesund“ eingestuft, 39 Prozent des Bestandes ist „schwach geschädigt“ (Schadstufe 1), jeder vierte Baum weist „deutliche Schäden“ (Schadstufe 2 bis 4) auf.

Damit belegt die Bundesrepublik im europäischen Vergleich einen der letzten Plätze. Besonders gut geht es dem Wald in Osterreich, wo nur jeder 25ste Baum deutliche Schäden aufweist. Die Schweiz liegt gleichauf mit den alten Ländern der Bundesrepublik (jeder siebte Baum mit deutlichen Schäden); traurige Schlußlichter der Erhebung sind Polen, Großbritannien, die Tschechoslowakei und Weißrußland.

Bewertet wurde die Vergilbung von Nadeln und Blättern in Abhängigkeit von der Höhenlage sowie die Auslichtung der Baumkronen. Unter Federführung des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten wurden alte und neue Bundesländer mit einem engen Netz von vier Kilometern Maschenweite überdeckt. In jedem Quadrat nahmen Experten mindestens eine Stichprobe. Nie zuvor wurde der deutsche Wald, der 30 Prozent des bundesdeutschen Territoriums bedeckt, so gründlich überprüft.

Während sich der Zustand von Fichte und Kiefer seit 1986 leicht verbessert hat, nahmen die Schäden vor allem bei Buche und Eiche deutlich zu. Die jüngsten Forschungsergebnisse, so das Umweltbundesamt, bestätigen die Beteiligung von Luftschadstoffen als wesentliche Ursache der Schäden. Deren Reduzierung sei damit „entscheidende Voraussetzung zur Verbesserung des Zustandes der Wälder“.

(erschienen in „Die WELT“ am 3. Juli 1992)

Was wurde daraus? Obwohl die Belastung durch Luftschadstoffe deutlich zurückgegangen ist, und insbesondere der „saure Regen“ dank reduzierter Schwefelemmissionen abgenommen hat, geht es dem deutschen Wald noch immer schlecht. Einem Bericht des Landwirtschaftsministeriums (Download als pdf) entnehme ich, dass 2019 das bisher schlimmste Jahr war, wobei Experten die Dürresommer infolge des Klimawandels verantwortlich machen.

Warum Allergien zunehmen

Die Zunahme allergischer Erkrankungen in den letzten Jahrzehnten ist nicht mehr wegzudiskutieren. Welche Rolle dabei den Luftschadstoffen zukommt, ist zwar noch nicht zweifelsfrei geklärt, doch mehren sich die Hinweise darauf, daß unter anderem Feinstäube und Dieselrußpartikel eine Rolle spielen. Weniger eindeutig ist die Datenlage beim Tabakrauch. Hier stehen scheinbar überzeugenden Befunden, mit denen ein solcher Zusammenhang belegt werden soll, solche gegenüber, die Passivrauchen als Ursache allergischer Reaktionen nahezu ausschließen. Dies waren einige der Aussagen, die Anfang September beim Kongreß „Fortschritte der Allergologie, Immunologie und Dermatologie“ in Davos die Diskussion beherrschten.

Professor Dr. Brunello Wüthrich, Leiter der Allergiestation der Dermatologischen Klinik am Universitätsspital Zürich, legte Daten vor, die einen starken Zuwachs der Pollinose in diesem Jahrhundert eindeutig belegen. In der Schweiz wurden dazu erstmals 1926 Untersuchungen an 77.000 Personen angestellt, die eine Prävalenz von 0,82 Prozent ergaben. 1958 hatte sich dieser Wert bereits auf fünf Prozent erhöht; mittlerweile liegt er nach Wüthrichs eigenen Erhebungen bei rund zehn Prozent. Auch aus Japan, Schweden und der Bundesrepublik liegen gut gesicherte Erkenntnisse vor, die diesen Trend bestätigen.

„Die immer wieder diskutierte Frage, ob allergische Krankheiten in den letzten Jahrzehnten wirklich zugenommen haben, kann für die Pollinose eindeutig mit ja beantwortet werden. Klinische und tierexperimentelle Beobachtungen deuten darauf hin, daß, nebst genetischen Faktoren Luftschadstoffe entscheidend das Manifestwerden der Pollenallergie beeinflussen“, so Wüthrich.

Als mögliche Gründe für den Anstieg der Heuschnupfenprävalenz zog Wüthrich mehrere Faktoren in Betracht. Durch eine gezielte Bewirtschaftung von Äckern und Weideland kommt es heute zu wesentlich stärkeren Schwankungen der Pollenkonzentrationen für einzelne Arten. Auch gibt es Hinweise darauf, daß die Einführung neuer Arten zumindest lokal einen Anstieg der Pollinose bewirkte. Erwiesen ist auch, daß die Zunahme der Luftschadstoffe eine erhöhte Permeabilität der Epithelien für Allergene zur Folge hat.

Die Frage „Sind die Pollen selbst aggressiver geworden?“ untersucht Professor Dr. Heidrun Behrendt vom Medizinischen Institut für Umwelthygiene der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf. Ein neues Forschungsgebiet, die Allergotoxikologie, beschäftigt sich mit dem Einfluß und der Wirkung von Schadstoffen auf die Induktion, die Auslösung und die Unterhaltung allergologischer Erkrankungen. Erschwert werden diese Untersuchungen dadurch, so Behrendt, daß die Schäden sich oft erst nach Jahren oder Jahrzehnten eindeutig bemerkbar machen. „Eine weitere Schwierigkeit ist, daß die biologische Wirkung von Umweltschadstoffen in der Regel keine akute ist, sondern durch die wiederholte Aufnahme kleiner Dosen hervorgerufen wird und das Zusammenwirken mehrerer Schadstoffe entweder gleichzeitig oder in Folge auftritt. Diese Kombinationswirkung macht es schwer, ursächliche Faktoren herauszuarbeiten.“

Als mögliche Übeltäter werden derzeit vor allem Luftschadstoffe wie Schwefeldioxid (SO2), Stickoxide (NOX), organische Kohlenwasserstoffe und Feinstaub verdächtigt. Diese Substanzen werden in den alten Bundesländern teilweise in Größenordnungen von mehreren Millionen Tonnen jährlich freigesetzt. Bei Dieselrußpartikeln beläuft sich diese Zahl auf 70.000 Tonnen, und auch die jährlich 32.000 Tonnen Pestizide könnten eine wichtige Rolle spielen.

Wichtig sind vor allem Staubpartikel, weil hier mehr als 1000 organische und anorganische Stoffe adsorbiert werden, die dann in Partikelform durch die Makrophagen des Immunsystems aufgenommen werden und dort ihre Wirkung entfalten.

Die Kombination der Schadstoffe mit Allergenen kann offensichtlich auf zwei Ebenen stattfinden; nämlich im Bereich des Organismus, wo die Sensibilisierung gefördert werden kann, oder aber auf der Ebene der Allergenträger, da die Pollen selbst gleichfalls den Luftschadstoffen ausgesetzt sind. So zeigen neue Studien, daß die Expression des Birkenpollenallergens in städtischen Regionen mit starkem Automobilverkehr deutlich verstärkt ist.

Der wissenschaftliche Leiter der Veranstaltung, Professor Dr. Siegfried Borelli, bezeichnete es als „durchaus nachvollziehbar“, daß Luftschadstoffe als Wegbereiter von Allergien dienen könnten. Borelli, der gleichzeitig Direktor der Dermatologischen Klinik der TU München sowie der Klinik für Dermatologie und Allergie Davos ist, schilderte das derzeitige Gedankengebäude: „Die Vorstellung geht dahin, nach der Emission in den frühen Morgenstunden gelangten Pollenkörner auf Grund der Lufterwärmung in höhere Luftschichten. Am Nachmittag kehrten diese Pollen, wie kleine Igel von Schwebstaubpartikeln aus der verschmutzten Luft besetzt, in die unteren Luftschichten zurück.“

Wie Professor Behrendt anhand eindrucksvoller elektronenmikroskopischer Aufnahmen zeigen konnte, werden die Pollen an den Kontaktstellen mit den Schadstoffpartikeln präaktiviert, so daß Eiweiße aus dem Polleninneren unter die Oberfläche gelangen. Im Organismus würden die Allergene dann in modifizierter Form rasch und in großen Mengen freigesetzt. Sowohl die Proteinzusammensetzung als auch das IgE-Bindungsmuster dieser Allergene sind dann nachweislich verändert.

(erschienen in der Pharmazeutischen Zeitung am 28. November 1991)

Ozon: Oben gut, unten schlecht

Während Hiobsbotschaften aus der Antarktis das Augenmerk auf das dortige Ozonloch lenken, will Umweltminister Klaus Töpfer mit strengeren Grenzwerten ein Zuviel an Ozon am Boden bekämpfen. In 30 bis 50 Kilometer Höhe bildet dieses Gas einen Schutzschild, der vor den UV-Strahlen der Sonne schützt – und damit auch vor Sonnenbrand, Hautkrebs und Augenkatarakten. In diesen Luftschichten ist Ozon daher ausdrücklich erwünscht.

Unerwünscht ist Ozon dagegen in Bodennähe. Dort bilden sich die Moleküle unter dem Einfluß energiereicher Strahlung – also vorwiegend im Sommer – aus Vorläufersubstanzen wie Stickoxiden (NOx) und ungesättigten Kohlenwasserstoffen. Beide Substanzen werden zum größten Teil durch den Kraftverkehr freigesetzt; der Anteil der Industrie an diesen Schadstoffen ist dagegen in den letzten Jahren rückläufig.

Die Ozonbildung am Boden soll vermieden werden, weil das Gas die menschlichen Atemwege reizt. Professor Michael Wagner vom Berliner Bundesgesundheitsamt warnt vor Hysterie, doch müsse man den kleinen Teil der Bevölkerung schützen, der auf Ozon besonders empfindlich reagiert.

Töpfer will nun bereits Alarm schlagen, wenn die Konzentration dieser Vorläufersubstanzen die Grenzwerte übersteigt. Berechnungen, die auf der komplizierten Chemie des Ozons beruhen, zeigen nämlich, daß beispielsweise ein Fahrverbot kaum noch wirksam ist, wenn die Ozongrenzwerte bereits überschritten sind.

Schwefeldioxid (SO2) spielt vor allem beim Wintersmog eine Rolle; das stinkende Gas, das bei fast allen Verbrennungsvorgängen frei wird, führt zu Kratzen im Hals und ist auch für den sauren Regen mitverantwortlich.

Die angestrebte Reduktion von Benzol und Dieselrußpartikeln soll dagegen die Belastung der Atemluft mit krebserregenden Substanzen verringern. Besonders Benzol, das in verhältnismäßig hohen Konzentrationen vorkommt, verursacht in Deutschland jährlich Tausende zusätzlicher Leukämiefälle.

(erschienen in „DIE WELT“ am 12. Oktober 1991 auf Seite 1)

Ende des Traums vom Fliegen

Vorbei sind die Zeiten, da man guten Gewissens in den – mehr oder weniger – wohlverdienten Urlaub fliegen konnte. Auch Geschäftsleute, die derzeit noch auf Kurzstrecken wie Köln-Frankfurt durch die Lüfte schweben, müssen sich auf kritische Fragen ihrer umweltbewußten Zeitgenossen gefaßt machen.

Der Traum vom Fliegen? Klimaforscher und Umweltschützer sind skeptisch: „Der Flugverkehr ist bereits heute ein spürbarer Faktor im Klimageschehen der Atmosphäre“, erklärte Professor Ulrich Schuhmann am Mittwoch auf einem Seminar des Forschungszentrums für Umwelt und Gesundheit in Frankfurt.

Schuhmann, der sich bei der Deutschen Forschungsanstalt für Luft und Raumfahrt (DLR) in Oberpfaffenhofen von Berufs wegen mit der Auswirkung des Luftverkehrs auf die Umwelt befaßt, präsentierte eine Studie, wonach jährlich rund 1700 Milliarden „Passagierkilometer“ zurückgelegt werden, Tendenz steigend.

Die Zahl, welche sich aus der Multiplikation der Flugpassagiere mit den zurückgelegten Kilometern ergibt, belegt, daß das Linienflugzeug längst zum Massenverkehrsmittel geworden ist. Bei jährlichen Zuwachsraten von annähernd sechs Prozent wird sich der zivile Flugverkehr bis zum Jahr 2005 verdoppeln.

Die Treibstoffmengen, die dabei verbrannt werden, sprechen ebenfalls für sich: 176000 Tonnen Kerosin jährlich, wobei der Anteil der Militärs auf etwa ein Viertel veranschlagt wird. 20 Mal mehr Treibstoff wird allerdings für den Verkehr insgesamt verbraucht, wobei Kraftfahrzeuge den weitaus größten Anteil haben. Die neuesten Zahlen der Deutschen Lufthansa belegen, daß Flugpassagiere noch verhältnismäßig sparsam unterwegs sind: Im Durchschnitt benötigen sie 6,2 Liter Kerosin für 100 Reisekilometer.

Auch ein flüchtiger Blick auf die Schadstoffbilanz läßt die Airlines in einem günstigen Licht erscheinen: Nach einer Untersuchung des TÜV Rheinland betragen die Emissionen durch Zivilflugzeuge nur einen kleinen Bruchteil dessen, was im Verkehr insgesamt in die Luft geblasen wird. 0,7 Prozent lautet der Wert für Kohlenmonoxid, 0,8 Prozent für Kohlenwasserstoffe, und auch bei den Stickoxiden macht der Anteil der Luftfahrt nur ein Sechzigste! der verkehrsgebundenen Belastungen aus.

Dennoch ist Vorsicht geboten. Die Verweilzeit der Schadstoffe wächst mit der Höhe, in der diese Substanzen entstehen. In bodennahen Schichten werden sie durch eine Vielzahl chemischer Reaktionen in etwa zwei Tagen umgewandelt; in zehn Kilometer Höhe muß man schon mit 30 Tagen rechnen.

In der darüber liegenden Luftschicht, die von der Concord ebenso durchflogen wird wie von einer Unzahl Militärjets, wird die Verweilzeit sogar in Jahren gemessen. Bedenklich ist auch, daß Stickoxide und Wasserdampf, der ebenfalls bei der Verbrennung entsteht, in den höheren Luftschichten normalerweise nur als Spurengase vorhanden sind. Das bedeutet, daß die Freisetzung dieser Gase die Zusammensetzung der Luft in diesen Schichten deutlich verändern kann.

Die komplexe Chemie der Atmosphäre führt dann zu einem scheinbar widersprüchlichen Verhalten der Stickoxide (NOx): In hohen Konzentrationen fördert NOx die Bildung von Ozon. Dies führt dazu, daß am Boden und bis in eine Höhe von etwa 15 Kilometern das für uns giftige Gas deutlich zugenommen hat. In niedrigen Konzentrationen fördern Stickoxide dagegen den Abbau von Ozon (O3), ein Vorgang, der schon seit geraumer Zeit in der hochliegenden Stratosphäre beobachtet wird. Diese Reaktion hat mit dazu beigetragen, daß der Vorrat an O3, welches in der Stratosphäre als Schutzschild vor krebserregenden UV-Strahlen wirkt, ständig abnimmt.

Als klimabildender Faktor könnte jedoch der von Flugzeugen abgegebene Wasserdampf noch weit drastischere Folgen haben. Wasserdampf spielt im Haushalt der Natur unter allen Treibhausgasen die wichtigste Rolle. Die zusätzlichen Wassertropfen aus den Triebwerken unserer Passagierjets entfalten ihre Wirkung vorwiegend als Kondensationskeime für die Bildung von Eiswolken (Cirruswolken). „Die Bewölkungszunahme aufgrund des Luftverkehrs ist heute bereits sichtbar“, erklärte Schuhmann, der diese Behauptung auch mit eindrucksvollen Satellitenaufnahmen belegen konnte.

Einige der gemessenen Kondensstreifen erreichten dabei Längen von bis zu 200 Kilometern bei einer Breite von zehn Kilometern. Die zusätzliche Bewölkung zwischen Frankfurt und Genua, gemessen an insgesamt 142 Tagen, betrug im Schnitt 0,4 Prozent.

„Diese Wolken aber haben einen weitaus größeren Einfluß auf den Treibhauseffekt als das Kohlendioxid“, betonte Schuhmann. Anders als „dicke“ Wolken können Cirruswolken die Temperatur am Boden erhöhen, weil sie für Sonnenlicht durchlässig sind, die von der Erde zurückgestrahlte Wärme aber nur zum Teil in den Weltraum entlassen. Modellrechnungen für die untersuchte Region gehen daher davon aus, daß die Temperatur dort im Mittel um 0,4 Grad Celsius erhöht wird.

Trotz dieses deutlichen Effekts war sich Schuhmann mit den anderen anwesenden Experten einig, daß die Diskussion um die ökologischen Auswirkungen des Flugverkehrs andere Probleme nicht verdrängen dürfe. Höchste Priorität sollte demnach ein weltweites Verbot der Fluorchlorkohlenwasserstoffe haben, die als Treibgase und Kühlmittel Verwendung finden. Sehr dringend sei auch die Verminderung der CO2-Massen aus Verbrennungsvorgängen, dann folge die Reduktion der Schadstoffe aus dem Verkehr am Boden, dann erst der Flugverkehr.

(erschienen in „DIE WELT“ am 9. August 1991)

Neues Benzin schont die Umwelt

Eine verblüffende Variante, die zunehmende Luftverschmutzung in den Griff zu bekommen, wurde in den Vereinigten Staaten entwickelt. Nicht mit Bio-Alkohol, Wasserstoff oder Solarkraft sollen die Automobile des 21. Jahrhunderts angetrieben werden, sondern mit – Benzin. Die achtgrößte amerikanische Ölgesellschaft, Atlantic Richfield (Arco), hat nach eigenen Angaben einen Kraftstoff entwickelt, dessen Verbrennung gegenüber normalem Benzin wesentlich umweltfreundlicher sein soll.

Nach Auskunft der Ölgesellschaft könnte der Treibstoff mit der Bezeichnung EC-X (für Emission Control-Experimental) die Menge gesundheits- und umweltschädigender Abgase um fast die Hälfte reduzieren. EC-X ist bereits marktreif, wird aber vermutlich erst Mitte der neunziger Jahre an die Zapfsäulen amerikanischer Tankstellen gelangen.

Der Treibstoff ist zwar teurer als herkömmliches Benzin, hat aber gegenüber anderen Substanzen wie Methanol den Vorteil, daß er in allen Fahrzeugen ohne Umbauten problemlos genutzt werden kann, ohne zu einem Leistungsverlust zu führen. Die Autofahrer werden vermutlich ab 1995 gezwungen sein, den Preisaufschlag für EC-X hinzunehmen.

Dann wird nämlich der Vorschlag der US-Umweltbehörde (EPA) bindend, „umweltfreundliches“ Benzin in den Großräumen Baltimore, Chicago, Hartford, Houston, Los Angeles, Milwaukee, New York City, Philadelphia und San Diego einzuführen.

87 weitere Regionen können dieser Regelung auf eigenen Wunsch beitreten; insgesamt wäre dann mehr als die Hälfte des amerikanischen Benzins „schadstoffarm“ gemäß den Richtlinien der EPA. Unabhängig davon steht der Bundesstaat Kalifornien bereits kurz vor der Verabschiedung neuer Treibstoffnormen. Alle dort ansässigen Ölgesellschaften müssen dann „sauberes“ Benzin verkaufen oder auf alternative Kraftstoffe umsteigen.

Hintergrund der Bemühungen zur Luftreinhaltung ist der „Clean Air Act“, ein Gesetz, das einschneidende Maßnahmen zur Emissionskontrolle zwingend vorschreibt. Zwar wurden bei der Entwicklung verbrauchsarmer Motoren in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte gemacht, doch wurde der Verbesserung des Treibstoffs wenig Aufmerksamkeit zuteil. Erst in jüngster Zeit hat man damit begonnen, auch bei der Herstellung von Benzin an die Umwelt zu denken.

Ein Vorschlag der EPA sieht vor, einen Mindestgehalt von zwei Prozent Sauerstoff für Benzin zwingend vorzuschreiben, was zu einer vollständigeren Verbrennung führen würde. Dies ist durch die Addition von Methanol oder Ethanol zum Treibstoff möglich. Der Zusatz von Schwermetallen soll ebenfalls verboten werden; der Anteil der krebserregenden Chemikalie Benzol würde auf maximal ein Prozent begrenzt. In Deutschland sind derzeit noch fünf Prozent Benzol im Benzin erlaubt.

Der Direktor der EPA, William K. Reilly, kommentierte das neue Programm mit den Worten: „Es handelt sich hier um die vielversprechendste Maßnahme zur Reduktion von ozonbildenden Substanzen, giftigen Emissionen und Kohlenmonoxid in den Großstädten. Die Luftverschmutzung in Amerikas Ballungsräumen wird damit deutlich reduziert werden.“

(erschienen in „DIE WELT“ am 25. Juli 1991)

Zwischen Ökologie und Ökonomie

Dreißig Milliarden Dollar – das ist der Preis, den die Vereinigten Staaten jährlich für eine verbesserte Luftqualität aufbringen. Dennoch lebten 1989 rund 60 Millionen US-Bürger in Gegenden, wo die gesetzlichen Richtwerte für die Luftreinheit nicht eingehalten werden konnten.

Dieses drastische Beispiel macht deutlich, daß auch in einem der reichsten Länder der Welt nicht genug Geld vorhanden ist, um die zahllosen Ursachen der Umweltverschmutzung zu beseitigen. Wissenschaftler wie Politiker sehen sich daher gezwungen, den optimalen Einsatz der vorhandenen Mittel sicherzustellen. Zwei Volkswirte des unabhängigen Forschungsinstitutes Resources for the Future haben jetzt eine Kosten-Nutzen-Rechnung zur Ozonreduktion in städtischen Ballungszentren unternommen, deren überraschendes Ergebnis sie in der Fachzeitschrift „Science“ (Band 252, S. 252) veröffentlichten:

„Die Kosten für die geplanten Maßnahmen zur Ozonreduktion sind größer als der Nutzen“, fassen Alan Krupnick und Paul Portney ihre Resultate zusammen. Auch die beiden Ökonomen geben bereitwillig zu, daß die Rechnung „Geld gegen Gesundheit“ mit vielen Fragezeichen behaftet ist. „Es ist sehr unangenehm, das Pro und Contra künftiger Bemühungen zur Luftreinhaltung auf diese berechnende Art abwägen zu müssen. Wir alle hätten lieber grenzenlose Ressourcen, um jede erdenkliche Maßnahme auch umzusetzen.“

Die Wissenschaftler gehen in ihrer Untersuchung davon aus, daß bis zum Jahr 2004 zwischen 8,8 und 12,8 Milliarden Dollar benötigt würden, um die Menge des in den USA freigesetzten Ozons um ein Drittel zu reduzieren. Grundlage für diese Zahl ist eine Studie der Behörde zur Technikfolgenabschätzung OTA aus dem Jahr 1989, die zeigt, daß die Freisetzung von flüchtigen organischen Substanzen von elf auf sieben Millionen Tonnen jährlich verringert werden müßte. Flüchtige organische Substanzen wie Benzin sind neben den Stickoxiden aus dem Kraftverkehr die Hauptverursacher erhöhter Ozonwerte am Boden.

Eine Reduktion dieser Ozonwerte um 35 Prozent innerhalb der nächsten 13 Jahre würde nach Meinung von Krupnick und Portney die Häufigkeit von Asthmaanfällen verringern, Husten und Brustschmerzen wären seltener, und auch die Anzahl der Tage mit verringerter Leistungsfähigkeit für die Anwohner würde zurückgehen. Den Kosten in Höhe von rund zehn Milliarden Dollar stünde dann allerdings ein Nutzen gegenüber, der sich bestenfalls mit einer Milliarde Dollar beziffern läßt. Geht man von pessimistischen Annahmen aus, so stehen auf der Gewinn-Seite sogar nur 250 Millionen Dollar, was einem Vierzigstel der aufgewandten Geldmenge entsprechen würde.

Die Ökonomen veranschlagen dabei etwa die Kosten eines Asthmaanfalls auf 25 Dollar, verringerte Leistungsfähigkeit schlägt mit 20 Dollar täglich zu Buche, und ein Tag mit gelegentlichen Hustenanfällen wird mit fünf Dollar berechnet. Diese Zahlen wurden dann multipliziert mit der Anzahl von Komplikationen, die sich durch eine Reduktion der Ozonwerte verhindern ließen. Ein Asthmatiker hätte epidemiologischen Untersuchungen zufolge über eine Zeit von fünf Jahren hinweg im Schnitt einen Anfall weniger zu erdulden; Gesunde könnten sich darauf einstellen, daß ihnen alle zehn Jahre ein Tag mit reduzierter Leistungsfähigkeit erspart bliebe.

„Ich denke nicht, daß die Leute unsere Ergebnisse besonders schätzen werden“, sagte Portney, „aber wir liefern ja keine Entschuldigung dafür, die Luftverschmutzung zu ignorieren. Unsere Resultate legen aber nahe, daß es der Gesundheit mehr nutzt, wenn das Geld für andere Maßnahmen ausgegeben wird.“ Nach Ansicht der Volkswirte könnten die fraglichen zehn Milliarden Dollar weitaus sinnvoller in Aufklärungskampagnen über die Gefahren des Rauchens oder eine verbesserte medizinische Versorgung vor und unmittelbar nach der Geburt investiert werden.

(erschienen in „DIE WELT“ am 29. Mai 1991)

Umweltbelastung durch Ammoniak

Der Geruch von kleinen Mengen Ammoniak wird häufig mit würziger Landluft gleichgesetzt. Wenn aber jährlich in Europa 8,5 Millionen Tonnen emittiert werden, so scheint die Frage angebracht, wie sich diese enormen Mengen auf unsere Umwelt auswirken. Von den 22 bis 35 Millionen Tonnen Ammoniak, die jährlich weltweit freigesetzt werden, ist nur ein Zwanzigstel natürlichen Ursprungs.

Ammoniak trägt erheblich zur Verunreinigung der Luft bei und wird als möglicher Mitverursacher des Waldsterbens gehandelt. So die Bilanz eines vergangene Woche in Braunschweig veranstalteten Symposiums zum Thema „Ammoniak und Umwelt“. Hauptquellen des Gases sind landwirtschaftliche Betriebe, die Massentierhaltung betreiben und Äcker mit flüssigem und festen Mist düngen.

Nicht schön: Mit Gülle offensichtlich überdüngter Acker ist eine der Hauptquellen für umweltschädliches Ammoniak (Von Rasbak – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0 via Wikipedia)

In Deutschland stammen mit über 500.000 Tonnen Ammoniak mehr als die Hälfte der Gesamtmengen vom Rindvieh, ein Fünftel aus der Schweinezucht und ein Viertel aus Düngemitteln, berechnete Dr. Willem Asman vom dänischen Umweltforschungsinstitut. In der Atmosphäre kann das einmal freigesetzte Ammoniak dann weiter reagieren. Es entsteht Ammonium NH4+, das ebenso wie Ammoniak als Düngemittel wirkt und in Form von Schwebstaub (Aerosol), Regen oder Schnee zur Erdoberfläche zurückkehrt.

Zwei Drittel aller stickstoffhaltigen Ablagerungen in Deutschland stammen aus den beiden Verbindungen Ammoniak und Ammonium. Jahreszeitliche Schwankungen in diesen Ablagerungen könnten unter anderem beim explosionsartigen Algenwachstum eine Rolle spielen, so Asman. Nicht alle Pflanzen jedoch profitieren von dem herabrieselnden Stickstoff. Mehr als zwei Drittel der bedrohten Gefäßpflanzen in Mitteleuropa bevorzugen eine stickstoffarme Umgebung, so dass es zum Rückgang bestimmter Arten kommt.

Obwohl Ammoniak und seine Abkömmlinge zunächst zu einer Wachstumssteigerung führen können, rufen überhöhte Ablagerungen eine Beschädigung der schützenden Wachsschicht auf den Blättern und eine bleibende Schädigung des Wurzelsystems hervor.

Was den höheren Pflanzen schadet, gereicht einigen hochspezialisierten Bakterienarten zum Vorteil. Durch den vermehrten Ammoniakgehalt der Luft scheinen Nitrifikanten ideale Wachstumsbedingungen vorzufinden. Zwei Gattungen dieser Mikroorganismen wandeln Ammoniak über einem Zwischenschritt zu Salpetersäure um.

In jüngster Zeit wurden die Bakterien, die sich normalerweise im Boden aufhalten, auch auf historisch wertvollen Gebäuden beobachtet, berichteten Eva Spieck und Dr. Wolfgang Sand vom Institut für Allgemeine Botanik an der Universität Hamburg. Im Rahmen eines Verbundprojektes des Forschungsministeriums, das mit jährlich über 13 Millionen Mark gefördert wird, wurden von der Hamburger Arbeitsgruppe um Professor Eberhard Bock fast 30 Gebäude untersucht, vom Kölner Dom bis zur Münchner Pinakothek.

Die mikrobiologische Untersuchung ergab ein erschreckendes Bild: Bis zu 10.000 Nitrifikanten machten sich an den untersuchten Gebäuden an einem Gramm Gestein zu schaffen und schädigten mit ihren Stoffwechselprodukten die wertvolle Bausubstanz. Dabei waren die Natur- und Kunststeine oft mehrere Zentimeter tief mit den Mikroorganismen befallen.

Die winzigen Organismen konnten in einer Simulationsanlage sogar im Beton ihre Spuren hinterlassen und den getesteten Sandstein durch Auswaschung von Calcium-Carbonat seiner Kittsubstanz berauben. Ob man die zunehmende Umweltbelastung durch Ammoniak und seine Reaktionsprodukte durch technische Maßnahmen wird lindern können, scheint zweifelhaft.

Dr. Klaus Isermann von der Landwirtschaftlichen Versuchsstation Limburger Hof der BASF verweist darauf, dass bei der Pflanzenproduktion etwa zwei Drittel der eingebrachten Nährstoffe genutzt werden, während dieser Wert für die Tierproduktion maximal 20 Prozent erreicht. Der größte Teil der inländischen Pflanzenfrucht wiederum endet als Futter in den Mägen, der Rinder und Schweine, sodass in der Gesamtbilanz der Landwirtschaft kaum ein Viertel des eingesetzten Stickstoffes genutzt wird.

(erschienen in der WELT am 16. Oktober 1990. Letzte Aktualisierung am 15. April 2017. Das Symposium wurde auch in Buchform zusammengefasst in: Ammoniak in der Umwelt, Kreisläufe, Wirkungen, Minderung)

Was ist daraus geworden? Das Problem ist nach all der Zeit noch immer ungelöst. Laut Umweltbundesamt sanken die Emmission zwischen 1990 und 2014 gerade mal um sieben Prozent. Und weiter: „Im Jahr 2015 wurden die Ammoniak-Emissionen aus dem Düngereinsatz in Deutschland anhand überarbeiteter Methoden komplett neu berechnet. Dabei ergaben sich deutlich höhere Emissionswerte als bisher angenommen. Im Ergebnis wird die nationale Emissionshöchstmenge auch im Jahr 2014 mit 740 Tsd. t massiv überschritten.“Ammoniak bleibt damit eines der am meisten unterschätzten Umweltgifte.

Benzin-Ersatz Methanol soll Ozon-Werte senken

Auch wenn die wenigsten Auto­fahrer es wahrhaben wollen: Kraftfahrzeuge sind eine der Haupt­quellen für die zunehmende Luftver­schmutzung. Bei der Verbrennung von Benzin und Diesel setzen unsere fahrbaren Untersätze Schadstoffe frei, die für den Smog in Ballungszen­tren und gesundheitsgefährdende Ozonkonzentrationen am Boden ebenso verantwortlich sind wie für sauren Regen und den Treibhaus­effekt.

Viele Alternativen zu den her­kömmlichen Treibstoffen wurden be­reits erwogen: Wasserstoff und Bioal­kohol, komprimiertes und verflüssig­tes Erdgas, Solarenergie und Strom aus der Steckdose. Keine Substanz aber vereint derart viele Vorteile in sich wie der simple Alkohol Metha­nol. Zu diesem Schluss kam jedenfalls die Kalifornische Energiekommis­sion, die bis zum Jahr 1993 rund 5000 methanolgetriebene Autos auf den Highways des amerikanischen Bun­desstaates testen wird. US-Präsident George Bush wollte die Autoherstel­ler sogar dazu verpflichten, schon ab 1997 eine Million Fahrzeuge, angetrieben von „sauberen“ Kraftstoffen, auf die Straßen amerikanischer Großstädte zu bringen – ein Vorstoß, der beim Gerangel um die Neufassung des Luftreinhaltungsgesetzes allerdings auf der Strecke blieb.

Warum die Aufregung? Bei der Verbrennung von Methanol entsteht deutlich weniger Ozon als mit herkömmlichen Kraftstoffen. Diese Form des Sauerstoffs, die in rund 30 Kilometer Höhe als Schutzschild gegen die krebserregende UV-Strahlung dient, ist am Boden ein gefährliches Gift. Zu hohe Ozonkonzentrationen können besonders Kindern und älteren Menschen, aber auch Asthmatikern gefährlich werden. Atemnot, Husten und Brustschmerzen sind die Folgen, außerdem steht Ozon im Verdacht, auch bleibende Schäden der Lunge zu verursachen.

Nach einer Darstellung des Weißen Hauses lebt rund die Hälfte der amerikanischen Bevölkerung in Gebieten, in denen die gesetzlichen Grenz­werte für Ozon nicht eingehalten wer­den. So kam es 1988 in Los Angeles, begünstigt durch den heißen Som­mer, an 176 Tagen des Jahres zu über­höhten Ozonkonzentrationen. Auch in der Bundesrepublik kommt es in diesen Tagen laufend zu erheblichen Überschreitungen des Richtwertes von 120 Mikrogramm Ozon pro Ku­bikmeter Luft, wie er vom Verband Deutscher Ingenieure empfohlen wurde.

Eine Studie, die jüngst im amerika­nischen Wissenschaftsmagazin „Science“ veröffentlicht wurde, be­legt, dass der Einsatz von Methanol die Luftqualität im Großraum Los Angeles deutlich verbessern könnte. Der sofortige Einsatz von reinem Me­thanol (M 100) könnte demnach im Jahr 2000 die Spitzenwerte für Ozon fast so stark reduzieren wie ein totales Verbot von Kraftfahrzeugen. Mit ei­nem Gemisch aus 85 Prozent Metha­nol und 15 Prozent Benzin (M 85) wä­re noch eine 30prozentige Reduktion zu erreichen. Dr. Axel Friedrich, zu­ständiger Fachgebietsleiter beim Berliner Umweltbundesamt und einer der Kritiker der Methanoltechnologie, ist allerdings der Meinung, dass die amerikanischen Modellrechnungen nicht auf deutsche Verhältnisse übertragen werden können.

Unbestritten ist jedoch, dass die Verbrennung des Methanols insgesamt weniger Schadstoffe freisetzt als die herkömmlicher Kraftstoffe. Die teilweise recht komplexen Bestandteile von Benzin und Diesel neigen nämlich dazu, nur unvollständig zu verbrennen. Dadurch wird das giftige Gas Kohlenmonoxid („Garagenkiller“) freigesetzt, außerdem krebserzeugende Substanzen wie Rußpartikel und Benzol. Zusätzlich entstehen in Nebenreaktionen Stickoxide (NOx), die am Boden die Ozonbildung fördern und für den sauren Regen mitverantwortlich sind. Auch wenn, wie Kritiker anmerken, bei der Methanolverbrennung die krebserregende Chemikalie Formaldehyd vermehrt gebildet wird, spricht die Gesamtbilanz doch eindeutig für diesen Treibstoff.

Charles Gray ist bei der amerikanischen Umweltschutzbehörde EPA zuständig für die Entwicklung der gesetzlichen Richtwerte für Autoabgase. Er ist einer der glühendsten Befürworter des Methanols und glaubt, dass die konsequente Weiterentwicklung methanolgetriebener Fahrzeuge nicht nur die Atemluft dramatisch entgiften könnte, sondern auch einen wichtigen Beitrag zur Kontrolle des Treibhauseffektes liefern würde. Das Methanolauto der Zukunft, so Gray, soll im Vergleich zu heutigen Fahrzeugen nur ein Fünftel des Kohlendioxids und gar nur ein Zehntel der übrigen Schadstoffe produzieren.

Zukunftsmusik? „Insgesamt kann die technische Entwicklung der Methanolmotoren im Pkw als abgeschlossen betrachtet werden. Die Bundesrepublik Deutschland ist hier weltweit führend“, so bilanzierte Bundesforschungsminister Heinz Riesenhuber bereits vor gut einem Jahr. Vorausgegangen war dieser Behauptung ein fünfjähriges Pilotprogramm des BMFT unter Beteiligung der Kraftfahrzeug- und Kraftstoffindustrie. Mehr als 100 Pkws und zwei Busse waren erprobt worden, teils mit Vier- und Sechs-Zylinder-Ottomotoren, teils mit Vergaser. Ergebnis des Langzeitprogramms, bei dem manche der getesteten Fahrzeuge über 100000 Kilometer zurücklegten:

„Ein praxisgerechter Betrieb der Fahrzeuge mit gewohnt gutem Fahrverhalten und teilweise mit Leistungssteigerungen ist möglich.“ Insgesamt, so fand auch das BMFT, werden weniger Schadstoffe freigesetzt, die Gefahr der Smogbildung verringert und die Emission von Rußpartikeln mit Methanoldieselmotoren fast vollständig vermieden.

Für Autohersteller wie Mercedes­-Benz ist das Thema bereits ein „alter Hut“. Der Bau eines speziellen Motors sei nicht nötig, teilte Dr. Lothar Krösch mit. Methanol unterscheidet sich vorwiegend im niedrigeren Ener­giegehalt pro Volumeneinheit von herkömmlichem Benzin. Die zerset­zenden und stromleitenden Eigen­schaften des Methanols führen aller­dings dazu, dass der Tank aus rost­freiem Stahl gefertigt werden muss. Auch verschiedene Motorbauteile müssen an die höheren Anforderun­gen angepasst werden. Die Mehrko­sten, die dadurch entstehen, werden auf etwa 600 Mark geschätzt.

Auf dem Genfer Autosalon präsen­tierte Mercedes erstmals ein Fahrzeug für den Mischbetrieb, das wechseln­de Anteile von herkömmlichem Ben­zin und Methanol „verdaut“. Es han­delt sich dabei um ein Modell der 300er-Serie, bei dem ein Sensor den Methanolanteil im Treibstoff ermit­telt und dann die Einspritzung steu­ert. Derartige Fahrzeuge. wie sie auch von Ford und General Motors ent­wickelt wurden, bieten den offen­sichtlichen Vorteil, dass zukünftige Käufer nicht auf Tankstellen ange­wiesen sein werden, an denen Metha­nol angeboten wird.

Auch in finanzieller Hinsicht könn­te Methanol konkurrenzfähig sein. Zurzeit kostet eine Tonne Methanol auf dem Markt etwa 210 Mark, das bedeutet einen Literpreis von 16 Pfennig. Er ist aber sehr abhängig von der Ausgangs-Substanz und vom Herstellungsverfahren. Nach Schät­zungen der Internationalen Energie­agentur ist Methanol konkurrenzfä­hig, wenn der Erdölpreis über 20 Dol­lar pro Fass liegt – so wie es zurzeit als Folge der Irak-Krise der Fall ist. Für den Treibstoff, der ebenso wie Benzin und Diesel flüssig und leicht brenn­bar ist, wäre auch kein neues Vertei­lungsnetzwerk nötig. Bestehende Transport- und Lagervorrichtungen ließen sich ohne große Investitionen für Methanol nutzen.

Im Prinzip kann der zukunftsträch­tige Energieträger aus allen kohlen­stoffhaltigen Substanzen hergestellt werden. Die Möglichkeit, Methanol aus Erdgas oder Kohle, Erdölrück­ständen, Biomasse und sogar aus Ab­fall zu gewinnen, könnte diesen Treibstoff weltweit langfristig verfüg­bar machen, meint Dr. Hansgert Quadflieg, Leiter der Stabsstelle Pro­jektbegleitung beim TÜV Rheinland. Ökonomische Überlegungen konzen­trieren sich aber darauf, den „Alterna­tivkraftstoff Nummer eins“ aus Erd­gas herzustellen.

Da bei der Erdölgewinnung derzeit große Mengen an Methangas einfach abgefackelt werden, ließen sich durch die Umwandlung in Methanol gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Der Gesamtverbrauch an Primärenergie ginge zurück (es wür­de nämlich entsprechend weniger Benzin benötigt), gleichzeitig gelang­ten weniger Schadstoffe und Treib­hausgase in die Atmosphäre. Diese Lösung bietet sich vor allem für die USA an, da sie in Alaska über gewalti­ge Erdgasfelder verfügen.

Methanol für den deutschen Markt könnte aus bisher noch ungenutzten norwegischen Erdgasfeldern kom­men. Wie Quadflieg mitteilte, strebt Norwegen allerdings vor der kosten­intensiven Erschließung eine Abnah­megarantie der Bundesrepublik über einen längeren Zeitraum hinweg an. Dagegen bestehen auf deutscher Sei­te prinzipielle Bedenken gegenüber einer Preisgarantie bei schwanken­den Rohölpreisen. Ein Eingriff in den Mechanismus der freien Marktwirt­schaft, sprich Subventionen oder Steuererleichterungen, wird vom Wirtschaftsministerium abgelehnt.

(erschienen in der WELT am 16. August 1990. Letzte Aktualisierung am 18. März 2017)

Was ist daraus geworden? Aus der brasilianischen Botschaft bekam ich damals einen freundlichen Leserbrief mit Lob für den Artikel und dem Hinweis, dass in Brasilien zu dem Zeitpunkt bereits 4,5 Millionen Autos mit Äthanol (= Alkohol) unterwegs waren. Heute aber sehen wir bei einem Stop an der Tankstelle: Methanol hat sich nicht durchgesetzt. Beimischungen in geringer Konzentration werden aus Kostengründen nicht gemacht, lese ich in der Wikipedia. Und obwohl neben den USA auch Japan, China, Neuseeland und Südafrika mit der Technologie experimentiert haben, konnte sie sich nirgendwo durchsetzen. Der Hauptgrund dürfte die Entwicklung von Katalysatoren gewesen sein, wodurch die Emissionen an Kohlenwasserstoffen und Stickoxiden deutlich gesenkt wurden.