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Neues Benzin schont die Umwelt

Eine verblüffende Variante, die zunehmende Luftverschmutzung in den Griff zu bekommen, wurde in den Vereinigten Staaten entwickelt. Nicht mit Bio-Alkohol, Wasserstoff oder Solarkraft sollen die Automobile des 21. Jahrhunderts angetrieben werden, sondern mit – Benzin. Die achtgrößte amerikanische Ölgesellschaft, Atlantic Richfield (Arco), hat nach eigenen Angaben einen Kraftstoff entwickelt, dessen Verbrennung gegenüber normalem Benzin wesentlich umweltfreundlicher sein soll.

Nach Auskunft der Ölgesellschaft könnte der Treibstoff mit der Bezeichnung EC-X (für Emission Control-Experimental) die Menge gesundheits- und umweltschädigender Abgase um fast die Hälfte reduzieren. EC-X ist bereits marktreif, wird aber vermutlich erst Mitte der neunziger Jahre an die Zapfsäulen amerikanischer Tankstellen gelangen.

Der Treibstoff ist zwar teurer als herkömmliches Benzin, hat aber gegenüber anderen Substanzen wie Methanol den Vorteil, daß er in allen Fahrzeugen ohne Umbauten problemlos genutzt werden kann, ohne zu einem Leistungsverlust zu führen. Die Autofahrer werden vermutlich ab 1995 gezwungen sein, den Preisaufschlag für EC-X hinzunehmen.

Dann wird nämlich der Vorschlag der US-Umweltbehörde (EPA) bindend, „umweltfreundliches“ Benzin in den Großräumen Baltimore, Chicago, Hartford, Houston, Los Angeles, Milwaukee, New York City, Philadelphia und San Diego einzuführen.

87 weitere Regionen können dieser Regelung auf eigenen Wunsch beitreten; insgesamt wäre dann mehr als die Hälfte des amerikanischen Benzins „schadstoffarm“ gemäß den Richtlinien der EPA. Unabhängig davon steht der Bundesstaat Kalifornien bereits kurz vor der Verabschiedung neuer Treibstoffnormen. Alle dort ansässigen Ölgesellschaften müssen dann „sauberes“ Benzin verkaufen oder auf alternative Kraftstoffe umsteigen.

Hintergrund der Bemühungen zur Luftreinhaltung ist der „Clean Air Act“, ein Gesetz, das einschneidende Maßnahmen zur Emissionskontrolle zwingend vorschreibt. Zwar wurden bei der Entwicklung verbrauchsarmer Motoren in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte gemacht, doch wurde der Verbesserung des Treibstoffs wenig Aufmerksamkeit zuteil. Erst in jüngster Zeit hat man damit begonnen, auch bei der Herstellung von Benzin an die Umwelt zu denken.

Ein Vorschlag der EPA sieht vor, einen Mindestgehalt von zwei Prozent Sauerstoff für Benzin zwingend vorzuschreiben, was zu einer vollständigeren Verbrennung führen würde. Dies ist durch die Addition von Methanol oder Ethanol zum Treibstoff möglich. Der Zusatz von Schwermetallen soll ebenfalls verboten werden; der Anteil der krebserregenden Chemikalie Benzol würde auf maximal ein Prozent begrenzt. In Deutschland sind derzeit noch fünf Prozent Benzol im Benzin erlaubt.

Der Direktor der EPA, William K. Reilly, kommentierte das neue Programm mit den Worten: „Es handelt sich hier um die vielversprechendste Maßnahme zur Reduktion von ozonbildenden Substanzen, giftigen Emissionen und Kohlenmonoxid in den Großstädten. Die Luftverschmutzung in Amerikas Ballungsräumen wird damit deutlich reduziert werden.“

(erschienen in „DIE WELT“ am 25. Juli 1991)

Viele Hürden für die Biologische Schädlingskontrolle

Die biologische Schädlingskontrolle, häufig gepriesen als umweltfreundliche Alternative zur industriellen Landwirtschaft, wird auf absehbare Zeit nur einen sehr kleinen Anteil am Weltmarkt erreichen. Dies war die ernüchternde Bilanz eines Symposiums der Firma Bayer, das kürzlich in Monheim bei Leverkusen stattfand.

Obwohl bereits Tausende verschiedener Insekten, Fadenwürmer und Mikroorganismen erprobt wurden, wird weltweit nur jede zweihundertste Mark im Bereich des Pflanzenschutzes auf diese Winzlinge verwandt. Die Vereinigten Staaten und Kanada sind auf diesem Gebiet führend, Deutschland dagegen liegt noch deutlich unter dem weltweiten Durchschnitt.

In diesem Marktsegment, das jährlich immer noch beachtliche 170 Millionen Mark ausmacht, hat ein Bakterium mit dem wissenschaftlichen Namen Bacillus thuringiensis den Löwenanteil erobert. Diese Mikroorganismen, die weltweit verbreitet sind, produzieren bis zu 15 verschiedene Eiweiße, welche auf eine Vielzahl von Schädlingen tödlich wirken. Wenn etwa Schmetterlingsraupen oder Kartoffelkäfer sich über Pflanzen hermachen, die zuvor mit den Bazillen versehen wurden, gerät der Schmaus im Handumdrehen zur Henkersmahlzeit.

Grund sind die beim Verspeisen der „verbotenen Früchte“ mitgefressenen Bazillen. Die erwähnten Eiweiße beginnen sich nämlich im Verdauungstrakt der Schadinsekten aufzulösen und zersetzen dabei die Magenwände der unerwünschten Mitesser. Die Entdeckung der Gene, welche die Produktionsanleitungen für die tödlichen Eiweiße tragen, hat der Gentechnik eine große Spielwiese eröffnet, wie Professor Hans-Michael Poehling vom Institut für Pflanzenpathologie und Pflanzenschutz der Universität Göttingen erläuterte.

Dies eröffnete nämlich die Möglichkeit, die Gene auf ausgewählte Kulturpflanzen zu übertragen und diesen damit einen Schutzschild zu verleihen, auch ohne die nützlichen Bazillen zu bemühen. Diese Variante der biologischen Schädlingsbekämpfung, die sich in vielen unabhängigen Versuchen durchaus bewährt hat, ist allerdings in der Bundesrepublik noch nicht zugelassen; die Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen wird derzeit noch sehr kontrovers diskutiert. Der Einsatz der Bazillen selbst wird nach Poehlings Meinung durch gesetzliche Auflagen erschwert, die auf den Schutz des Trinkwassers abzielen.

„Das gibt dem Ganzen den Anschein, als wäre da etwas nicht in Ordnung.“ Andererseits, so gab Dr. F. Kolb vom Geschäftsbereich Pflanzenschutz der Bayer AG zu bedenken, rechtfertige die nahe Verwandtschaft von Bacillus thuringiensis mit dem Krankheitserreger Bacillus cereus durchaus die strengen Auflagen der Behörden. „Die Vermutung, biologische Agentien seien ,von Natur aus‘ unbedenklich für die Umwelt, ist völlig falsch.“

Trotzdem geben Teilerfolge vor allem beim Einsatz tierischer Nützlinge den Anreiz, die Forschung und Entwicklung weiter voranzutreiben. Im Treibhaus hat sich beispielsweise die Räuberische Gallmücke bewährt, um Blattläuse kurz zu halten. Die wesentlich kleineren Gallmücken bedienen sich dabei einer besonders perfiden Technik. Sie stechen ihren Kontrahenten in die Gelenke, lähmen die Blattläuse mit einem Sekret und saugen ihre Opfer an schließlich aus. Auch Fadenwürmer der Gattungen Heterorhabditis und Steinernema haben sich bei der Bekämpfung von bodenlebenden Schadinsekten bewährt.

Wie mühsam die Entwicklung von biologischen Verfahren zur Schädlingsbekämpfung sein kann, machte Professor Kurt Mendgen von der Universität Konstanz klar. Der Phytopathologe berichtete von den vielen Fehlschlägen bei seinen Feldversuchen gegen Gelbrost und Apfelfäule. Während zu Beginn der Vegetationsperiode die Blattoberflächen der Pflanzen noch sauber und glatt sind, finden sich im Laufe der Zeit immer mehr Bakterien, Pilze und Hefen ein. Nur bei einem geringen Anteil dieser Organismen handelt sich allerdings um Krankheitserreger. Da sich am Ende der Saison aber oft zwischen 100000 und einer Million Mikroben pro Quadratzentimeter Blattoberfläche versammelt haben, tobt ein ständiger Kampf um Lebensraum und Nahrung.

Mendgens Strategie ist es nun, die nützlichen Mikroorganismen, welche natürlicherweise auf der Blattoberfläche vorkommen, bei diesem Kampf ums Überleben zu begünstigen. Dazu werden die Nützlinge gezüchtet und in optimierten Gemischen ausgebracht, teilweise auch durch Nährstoffzusätze gefördert. Beim Gelbrost gelang es Mendgens Arbeitsgruppe, einen Pilz zu isolieren, der den Schädling regelrecht überwächst und ihm damit die Nahrungsgrundlage entzieht. Die Enttäuschung folgte auf dem Fuß, als sich herausstellte, daß der isolierte Nützling zwar bei hoher Luftfeuchtigkeit wuchs, nicht aber unter anderen Bedingungen. „In unserer Verzweiflung haben wir fast nur noch bei Regen gearbeitet und schließlich aufgegeben“, erläuterte der Biologe.

Stattdessen nahm man die Apelfäule in Angriff, die von einem weiteren Pilz, Botrytis cinarea, hervorgerufen wird. Über 800 verschiedene Bakterienarten wurden in einen Wachstumswettlauf mit dem Schädling geschickt, doch nur wenige waren erfolgreich. Hauptproblem bei dieser Versuchsreihe war die Tatsache, daß die meisten Nützlinge im Lagerhaus bei vier Grad Celsius dem Schadpilz nicht mehr Paroli bieten konnten.

Nur wenige Bakterienarten aus der Gattung Bacillus konnten diesen Härtetest bestehen. Ob diese sich auch in der Praxis bewähren, soll erstmals im kommenden Herbst in den Lagerhäusern der Produktionsgemeinschaft Bodensee erprobt werden. Die ernüchternde Bilanz des Botanikers nach jahrelangen Versuchen: „Biologische Systeme zur Schädlingsbekämpfung werden nie einen großen Markt haben, weil sie immer sehr genau auf die jeweilige Anwendung zugeschnitten werden müssen.“

In dieselbe Kerbe schlägt Dr. Mike Greaves von der Longs Ashton Research Station im englischen Bristol. Was den Pflanzenschutz durch Pilze und deren Stoffwechselprodukte angehe, so der Experte, hätten gerade in den USA viele Produkte die Erwartungen nicht erfüllt, die durch eine breitangelegte Berichterstattung in den Medien geweckt worden wären. Unter den über hundert Forschungsprojekten, von denen er Kenntnis habe, so Greaves, hätten allenfalls zehn eine reelle Chance, in absehbarer Zukunft auf dem Markt zu erscheinen.

Ein Faktor, der die Entwicklung biologischer Verfahren begünstigte, wird schon in Kürze entfallen: Die Kosten und die Dauer des Zulassungsverfahrens waren bisher verhältnismäßig niedrig, weil man davon ausging, daß natürlich vorkommende Organismen und deren Stoffwechselprodukte weniger Risiken in sich bergen als Substanzen, die in den Labors der chemischen Industrie synthetisiert werden.

Dabei übersah man geflissentlich, daß gerade Pilze dafür bekannt sind, eine Reihe von Giftstoffen zu produzieren, die auch dem menschlichen Organismus gefährlich werden können. Die amerikanische Umweltbehörde EPA ist momentan dabei, ihre Zulassungskriterien zu verschärfen und die Anzahl der Organismen, die nicht genehmigungsbedürfig sind, weiter zu reduzieren.

Ein weiterer Nachteil biologischer Verfahren besteht darin, daß der Umgang mit lebenden Organismen ein tiefes Verständnis des Wirkungsprinzips voraussetzt. „Die Landwirte sind daran gewöhnt, eine Chemikalie in den Tank zu füllen und diese zu verspritzen. Sie müssen lernen, daß die neuen Methoden mit lebenden Organismen arbeiten“, erklärte Greaves.

So sind viele Organismen anfällig für Temperaturschwankungen. Wenn es beim Versand von Insekteneiern beispielsweise zu Verzögerungen kommt, schlüpfen die Tiere unterwegs, die Larven sind unter Umständen verhungert, bevor sie den Verbraucher erreichen. Für den Landwirt kann dies zu einem Ernteausfall führen, der durchaus existenzbedrohend sein kann – ein weiterer Grund dafür, daß die Experimentierfreudigkeit der Verbraucher enge Grenzen hat.

(erschienen in „DIE WELT“ am 21. Juni 1991)

Benzin-Ersatz Methanol soll Ozon-Werte senken

Auch wenn die wenigsten Auto­fahrer es wahrhaben wollen: Kraftfahrzeuge sind eine der Haupt­quellen für die zunehmende Luftver­schmutzung. Bei der Verbrennung von Benzin und Diesel setzen unsere fahrbaren Untersätze Schadstoffe frei, die für den Smog in Ballungszen­tren und gesundheitsgefährdende Ozonkonzentrationen am Boden ebenso verantwortlich sind wie für sauren Regen und den Treibhaus­effekt.

Viele Alternativen zu den her­kömmlichen Treibstoffen wurden be­reits erwogen: Wasserstoff und Bioal­kohol, komprimiertes und verflüssig­tes Erdgas, Solarenergie und Strom aus der Steckdose. Keine Substanz aber vereint derart viele Vorteile in sich wie der simple Alkohol Metha­nol. Zu diesem Schluss kam jedenfalls die Kalifornische Energiekommis­sion, die bis zum Jahr 1993 rund 5000 methanolgetriebene Autos auf den Highways des amerikanischen Bun­desstaates testen wird. US-Präsident George Bush wollte die Autoherstel­ler sogar dazu verpflichten, schon ab 1997 eine Million Fahrzeuge, angetrieben von „sauberen“ Kraftstoffen, auf die Straßen amerikanischer Großstädte zu bringen – ein Vorstoß, der beim Gerangel um die Neufassung des Luftreinhaltungsgesetzes allerdings auf der Strecke blieb.

Warum die Aufregung? Bei der Verbrennung von Methanol entsteht deutlich weniger Ozon als mit herkömmlichen Kraftstoffen. Diese Form des Sauerstoffs, die in rund 30 Kilometer Höhe als Schutzschild gegen die krebserregende UV-Strahlung dient, ist am Boden ein gefährliches Gift. Zu hohe Ozonkonzentrationen können besonders Kindern und älteren Menschen, aber auch Asthmatikern gefährlich werden. Atemnot, Husten und Brustschmerzen sind die Folgen, außerdem steht Ozon im Verdacht, auch bleibende Schäden der Lunge zu verursachen.

Nach einer Darstellung des Weißen Hauses lebt rund die Hälfte der amerikanischen Bevölkerung in Gebieten, in denen die gesetzlichen Grenz­werte für Ozon nicht eingehalten wer­den. So kam es 1988 in Los Angeles, begünstigt durch den heißen Som­mer, an 176 Tagen des Jahres zu über­höhten Ozonkonzentrationen. Auch in der Bundesrepublik kommt es in diesen Tagen laufend zu erheblichen Überschreitungen des Richtwertes von 120 Mikrogramm Ozon pro Ku­bikmeter Luft, wie er vom Verband Deutscher Ingenieure empfohlen wurde.

Eine Studie, die jüngst im amerika­nischen Wissenschaftsmagazin „Science“ veröffentlicht wurde, be­legt, dass der Einsatz von Methanol die Luftqualität im Großraum Los Angeles deutlich verbessern könnte. Der sofortige Einsatz von reinem Me­thanol (M 100) könnte demnach im Jahr 2000 die Spitzenwerte für Ozon fast so stark reduzieren wie ein totales Verbot von Kraftfahrzeugen. Mit ei­nem Gemisch aus 85 Prozent Metha­nol und 15 Prozent Benzin (M 85) wä­re noch eine 30prozentige Reduktion zu erreichen. Dr. Axel Friedrich, zu­ständiger Fachgebietsleiter beim Berliner Umweltbundesamt und einer der Kritiker der Methanoltechnologie, ist allerdings der Meinung, dass die amerikanischen Modellrechnungen nicht auf deutsche Verhältnisse übertragen werden können.

Unbestritten ist jedoch, dass die Verbrennung des Methanols insgesamt weniger Schadstoffe freisetzt als die herkömmlicher Kraftstoffe. Die teilweise recht komplexen Bestandteile von Benzin und Diesel neigen nämlich dazu, nur unvollständig zu verbrennen. Dadurch wird das giftige Gas Kohlenmonoxid („Garagenkiller“) freigesetzt, außerdem krebserzeugende Substanzen wie Rußpartikel und Benzol. Zusätzlich entstehen in Nebenreaktionen Stickoxide (NOx), die am Boden die Ozonbildung fördern und für den sauren Regen mitverantwortlich sind. Auch wenn, wie Kritiker anmerken, bei der Methanolverbrennung die krebserregende Chemikalie Formaldehyd vermehrt gebildet wird, spricht die Gesamtbilanz doch eindeutig für diesen Treibstoff.

Charles Gray ist bei der amerikanischen Umweltschutzbehörde EPA zuständig für die Entwicklung der gesetzlichen Richtwerte für Autoabgase. Er ist einer der glühendsten Befürworter des Methanols und glaubt, dass die konsequente Weiterentwicklung methanolgetriebener Fahrzeuge nicht nur die Atemluft dramatisch entgiften könnte, sondern auch einen wichtigen Beitrag zur Kontrolle des Treibhauseffektes liefern würde. Das Methanolauto der Zukunft, so Gray, soll im Vergleich zu heutigen Fahrzeugen nur ein Fünftel des Kohlendioxids und gar nur ein Zehntel der übrigen Schadstoffe produzieren.

Zukunftsmusik? „Insgesamt kann die technische Entwicklung der Methanolmotoren im Pkw als abgeschlossen betrachtet werden. Die Bundesrepublik Deutschland ist hier weltweit führend“, so bilanzierte Bundesforschungsminister Heinz Riesenhuber bereits vor gut einem Jahr. Vorausgegangen war dieser Behauptung ein fünfjähriges Pilotprogramm des BMFT unter Beteiligung der Kraftfahrzeug- und Kraftstoffindustrie. Mehr als 100 Pkws und zwei Busse waren erprobt worden, teils mit Vier- und Sechs-Zylinder-Ottomotoren, teils mit Vergaser. Ergebnis des Langzeitprogramms, bei dem manche der getesteten Fahrzeuge über 100000 Kilometer zurücklegten:

„Ein praxisgerechter Betrieb der Fahrzeuge mit gewohnt gutem Fahrverhalten und teilweise mit Leistungssteigerungen ist möglich.“ Insgesamt, so fand auch das BMFT, werden weniger Schadstoffe freigesetzt, die Gefahr der Smogbildung verringert und die Emission von Rußpartikeln mit Methanoldieselmotoren fast vollständig vermieden.

Für Autohersteller wie Mercedes­-Benz ist das Thema bereits ein „alter Hut“. Der Bau eines speziellen Motors sei nicht nötig, teilte Dr. Lothar Krösch mit. Methanol unterscheidet sich vorwiegend im niedrigeren Ener­giegehalt pro Volumeneinheit von herkömmlichem Benzin. Die zerset­zenden und stromleitenden Eigen­schaften des Methanols führen aller­dings dazu, dass der Tank aus rost­freiem Stahl gefertigt werden muss. Auch verschiedene Motorbauteile müssen an die höheren Anforderun­gen angepasst werden. Die Mehrko­sten, die dadurch entstehen, werden auf etwa 600 Mark geschätzt.

Auf dem Genfer Autosalon präsen­tierte Mercedes erstmals ein Fahrzeug für den Mischbetrieb, das wechseln­de Anteile von herkömmlichem Ben­zin und Methanol „verdaut“. Es han­delt sich dabei um ein Modell der 300er-Serie, bei dem ein Sensor den Methanolanteil im Treibstoff ermit­telt und dann die Einspritzung steu­ert. Derartige Fahrzeuge. wie sie auch von Ford und General Motors ent­wickelt wurden, bieten den offen­sichtlichen Vorteil, dass zukünftige Käufer nicht auf Tankstellen ange­wiesen sein werden, an denen Metha­nol angeboten wird.

Auch in finanzieller Hinsicht könn­te Methanol konkurrenzfähig sein. Zurzeit kostet eine Tonne Methanol auf dem Markt etwa 210 Mark, das bedeutet einen Literpreis von 16 Pfennig. Er ist aber sehr abhängig von der Ausgangs-Substanz und vom Herstellungsverfahren. Nach Schät­zungen der Internationalen Energie­agentur ist Methanol konkurrenzfä­hig, wenn der Erdölpreis über 20 Dol­lar pro Fass liegt – so wie es zurzeit als Folge der Irak-Krise der Fall ist. Für den Treibstoff, der ebenso wie Benzin und Diesel flüssig und leicht brenn­bar ist, wäre auch kein neues Vertei­lungsnetzwerk nötig. Bestehende Transport- und Lagervorrichtungen ließen sich ohne große Investitionen für Methanol nutzen.

Im Prinzip kann der zukunftsträch­tige Energieträger aus allen kohlen­stoffhaltigen Substanzen hergestellt werden. Die Möglichkeit, Methanol aus Erdgas oder Kohle, Erdölrück­ständen, Biomasse und sogar aus Ab­fall zu gewinnen, könnte diesen Treibstoff weltweit langfristig verfüg­bar machen, meint Dr. Hansgert Quadflieg, Leiter der Stabsstelle Pro­jektbegleitung beim TÜV Rheinland. Ökonomische Überlegungen konzen­trieren sich aber darauf, den „Alterna­tivkraftstoff Nummer eins“ aus Erd­gas herzustellen.

Da bei der Erdölgewinnung derzeit große Mengen an Methangas einfach abgefackelt werden, ließen sich durch die Umwandlung in Methanol gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Der Gesamtverbrauch an Primärenergie ginge zurück (es wür­de nämlich entsprechend weniger Benzin benötigt), gleichzeitig gelang­ten weniger Schadstoffe und Treib­hausgase in die Atmosphäre. Diese Lösung bietet sich vor allem für die USA an, da sie in Alaska über gewalti­ge Erdgasfelder verfügen.

Methanol für den deutschen Markt könnte aus bisher noch ungenutzten norwegischen Erdgasfeldern kom­men. Wie Quadflieg mitteilte, strebt Norwegen allerdings vor der kosten­intensiven Erschließung eine Abnah­megarantie der Bundesrepublik über einen längeren Zeitraum hinweg an. Dagegen bestehen auf deutscher Sei­te prinzipielle Bedenken gegenüber einer Preisgarantie bei schwanken­den Rohölpreisen. Ein Eingriff in den Mechanismus der freien Marktwirt­schaft, sprich Subventionen oder Steuererleichterungen, wird vom Wirtschaftsministerium abgelehnt.

(erschienen in der WELT am 16. August 1990. Letzte Aktualisierung am 18. März 2017)

Was ist daraus geworden? Aus der brasilianischen Botschaft bekam ich damals einen freundlichen Leserbrief mit Lob für den Artikel und dem Hinweis, dass in Brasilien zu dem Zeitpunkt bereits 4,5 Millionen Autos mit Äthanol (= Alkohol) unterwegs waren. Heute aber sehen wir bei einem Stop an der Tankstelle: Methanol hat sich nicht durchgesetzt. Beimischungen in geringer Konzentration werden aus Kostengründen nicht gemacht, lese ich in der Wikipedia. Und obwohl neben den USA auch Japan, China, Neuseeland und Südafrika mit der Technologie experimentiert haben, konnte sie sich nirgendwo durchsetzen. Der Hauptgrund dürfte die Entwicklung von Katalysatoren gewesen sein, wodurch die Emissionen an Kohlenwasserstoffen und Stickoxiden deutlich gesenkt wurden.