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Benzin-Ersatz Methanol soll Ozon-Werte senken

Auch wenn die wenigsten Auto­fahrer es wahrhaben wollen: Kraftfahrzeuge sind eine der Haupt­quellen für die zunehmende Luftver­schmutzung. Bei der Verbrennung von Benzin und Diesel setzen unsere fahrbaren Untersätze Schadstoffe frei, die für den Smog in Ballungszen­tren und gesundheitsgefährdende Ozonkonzentrationen am Boden ebenso verantwortlich sind wie für sauren Regen und den Treibhaus­effekt.

Viele Alternativen zu den her­kömmlichen Treibstoffen wurden be­reits erwogen: Wasserstoff und Bioal­kohol, komprimiertes und verflüssig­tes Erdgas, Solarenergie und Strom aus der Steckdose. Keine Substanz aber vereint derart viele Vorteile in sich wie der simple Alkohol Metha­nol. Zu diesem Schluss kam jedenfalls die Kalifornische Energiekommis­sion, die bis zum Jahr 1993 rund 5000 methanolgetriebene Autos auf den Highways des amerikanischen Bun­desstaates testen wird. US-Präsident George Bush wollte die Autoherstel­ler sogar dazu verpflichten, schon ab 1997 eine Million Fahrzeuge, angetrieben von „sauberen“ Kraftstoffen, auf die Straßen amerikanischer Großstädte zu bringen – ein Vorstoß, der beim Gerangel um die Neufassung des Luftreinhaltungsgesetzes allerdings auf der Strecke blieb.

Warum die Aufregung? Bei der Verbrennung von Methanol entsteht deutlich weniger Ozon als mit herkömmlichen Kraftstoffen. Diese Form des Sauerstoffs, die in rund 30 Kilometer Höhe als Schutzschild gegen die krebserregende UV-Strahlung dient, ist am Boden ein gefährliches Gift. Zu hohe Ozonkonzentrationen können besonders Kindern und älteren Menschen, aber auch Asthmatikern gefährlich werden. Atemnot, Husten und Brustschmerzen sind die Folgen, außerdem steht Ozon im Verdacht, auch bleibende Schäden der Lunge zu verursachen.

Nach einer Darstellung des Weißen Hauses lebt rund die Hälfte der amerikanischen Bevölkerung in Gebieten, in denen die gesetzlichen Grenz­werte für Ozon nicht eingehalten wer­den. So kam es 1988 in Los Angeles, begünstigt durch den heißen Som­mer, an 176 Tagen des Jahres zu über­höhten Ozonkonzentrationen. Auch in der Bundesrepublik kommt es in diesen Tagen laufend zu erheblichen Überschreitungen des Richtwertes von 120 Mikrogramm Ozon pro Ku­bikmeter Luft, wie er vom Verband Deutscher Ingenieure empfohlen wurde.

Eine Studie, die jüngst im amerika­nischen Wissenschaftsmagazin „Science“ veröffentlicht wurde, be­legt, dass der Einsatz von Methanol die Luftqualität im Großraum Los Angeles deutlich verbessern könnte. Der sofortige Einsatz von reinem Me­thanol (M 100) könnte demnach im Jahr 2000 die Spitzenwerte für Ozon fast so stark reduzieren wie ein totales Verbot von Kraftfahrzeugen. Mit ei­nem Gemisch aus 85 Prozent Metha­nol und 15 Prozent Benzin (M 85) wä­re noch eine 30prozentige Reduktion zu erreichen. Dr. Axel Friedrich, zu­ständiger Fachgebietsleiter beim Berliner Umweltbundesamt und einer der Kritiker der Methanoltechnologie, ist allerdings der Meinung, dass die amerikanischen Modellrechnungen nicht auf deutsche Verhältnisse übertragen werden können.

Unbestritten ist jedoch, dass die Verbrennung des Methanols insgesamt weniger Schadstoffe freisetzt als die herkömmlicher Kraftstoffe. Die teilweise recht komplexen Bestandteile von Benzin und Diesel neigen nämlich dazu, nur unvollständig zu verbrennen. Dadurch wird das giftige Gas Kohlenmonoxid („Garagenkiller“) freigesetzt, außerdem krebserzeugende Substanzen wie Rußpartikel und Benzol. Zusätzlich entstehen in Nebenreaktionen Stickoxide (NOx), die am Boden die Ozonbildung fördern und für den sauren Regen mitverantwortlich sind. Auch wenn, wie Kritiker anmerken, bei der Methanolverbrennung die krebserregende Chemikalie Formaldehyd vermehrt gebildet wird, spricht die Gesamtbilanz doch eindeutig für diesen Treibstoff.

Charles Gray ist bei der amerikanischen Umweltschutzbehörde EPA zuständig für die Entwicklung der gesetzlichen Richtwerte für Autoabgase. Er ist einer der glühendsten Befürworter des Methanols und glaubt, dass die konsequente Weiterentwicklung methanolgetriebener Fahrzeuge nicht nur die Atemluft dramatisch entgiften könnte, sondern auch einen wichtigen Beitrag zur Kontrolle des Treibhauseffektes liefern würde. Das Methanolauto der Zukunft, so Gray, soll im Vergleich zu heutigen Fahrzeugen nur ein Fünftel des Kohlendioxids und gar nur ein Zehntel der übrigen Schadstoffe produzieren.

Zukunftsmusik? „Insgesamt kann die technische Entwicklung der Methanolmotoren im Pkw als abgeschlossen betrachtet werden. Die Bundesrepublik Deutschland ist hier weltweit führend“, so bilanzierte Bundesforschungsminister Heinz Riesenhuber bereits vor gut einem Jahr. Vorausgegangen war dieser Behauptung ein fünfjähriges Pilotprogramm des BMFT unter Beteiligung der Kraftfahrzeug- und Kraftstoffindustrie. Mehr als 100 Pkws und zwei Busse waren erprobt worden, teils mit Vier- und Sechs-Zylinder-Ottomotoren, teils mit Vergaser. Ergebnis des Langzeitprogramms, bei dem manche der getesteten Fahrzeuge über 100000 Kilometer zurücklegten:

„Ein praxisgerechter Betrieb der Fahrzeuge mit gewohnt gutem Fahrverhalten und teilweise mit Leistungssteigerungen ist möglich.“ Insgesamt, so fand auch das BMFT, werden weniger Schadstoffe freigesetzt, die Gefahr der Smogbildung verringert und die Emission von Rußpartikeln mit Methanoldieselmotoren fast vollständig vermieden.

Für Autohersteller wie Mercedes­-Benz ist das Thema bereits ein „alter Hut“. Der Bau eines speziellen Motors sei nicht nötig, teilte Dr. Lothar Krösch mit. Methanol unterscheidet sich vorwiegend im niedrigeren Ener­giegehalt pro Volumeneinheit von herkömmlichem Benzin. Die zerset­zenden und stromleitenden Eigen­schaften des Methanols führen aller­dings dazu, dass der Tank aus rost­freiem Stahl gefertigt werden muss. Auch verschiedene Motorbauteile müssen an die höheren Anforderun­gen angepasst werden. Die Mehrko­sten, die dadurch entstehen, werden auf etwa 600 Mark geschätzt.

Auf dem Genfer Autosalon präsen­tierte Mercedes erstmals ein Fahrzeug für den Mischbetrieb, das wechseln­de Anteile von herkömmlichem Ben­zin und Methanol „verdaut“. Es han­delt sich dabei um ein Modell der 300er-Serie, bei dem ein Sensor den Methanolanteil im Treibstoff ermit­telt und dann die Einspritzung steu­ert. Derartige Fahrzeuge. wie sie auch von Ford und General Motors ent­wickelt wurden, bieten den offen­sichtlichen Vorteil, dass zukünftige Käufer nicht auf Tankstellen ange­wiesen sein werden, an denen Metha­nol angeboten wird.

Auch in finanzieller Hinsicht könn­te Methanol konkurrenzfähig sein. Zurzeit kostet eine Tonne Methanol auf dem Markt etwa 210 Mark, das bedeutet einen Literpreis von 16 Pfennig. Er ist aber sehr abhängig von der Ausgangs-Substanz und vom Herstellungsverfahren. Nach Schät­zungen der Internationalen Energie­agentur ist Methanol konkurrenzfä­hig, wenn der Erdölpreis über 20 Dol­lar pro Fass liegt – so wie es zurzeit als Folge der Irak-Krise der Fall ist. Für den Treibstoff, der ebenso wie Benzin und Diesel flüssig und leicht brenn­bar ist, wäre auch kein neues Vertei­lungsnetzwerk nötig. Bestehende Transport- und Lagervorrichtungen ließen sich ohne große Investitionen für Methanol nutzen.

Im Prinzip kann der zukunftsträch­tige Energieträger aus allen kohlen­stoffhaltigen Substanzen hergestellt werden. Die Möglichkeit, Methanol aus Erdgas oder Kohle, Erdölrück­ständen, Biomasse und sogar aus Ab­fall zu gewinnen, könnte diesen Treibstoff weltweit langfristig verfüg­bar machen, meint Dr. Hansgert Quadflieg, Leiter der Stabsstelle Pro­jektbegleitung beim TÜV Rheinland. Ökonomische Überlegungen konzen­trieren sich aber darauf, den „Alterna­tivkraftstoff Nummer eins“ aus Erd­gas herzustellen.

Da bei der Erdölgewinnung derzeit große Mengen an Methangas einfach abgefackelt werden, ließen sich durch die Umwandlung in Methanol gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Der Gesamtverbrauch an Primärenergie ginge zurück (es wür­de nämlich entsprechend weniger Benzin benötigt), gleichzeitig gelang­ten weniger Schadstoffe und Treib­hausgase in die Atmosphäre. Diese Lösung bietet sich vor allem für die USA an, da sie in Alaska über gewalti­ge Erdgasfelder verfügen.

Methanol für den deutschen Markt könnte aus bisher noch ungenutzten norwegischen Erdgasfeldern kom­men. Wie Quadflieg mitteilte, strebt Norwegen allerdings vor der kosten­intensiven Erschließung eine Abnah­megarantie der Bundesrepublik über einen längeren Zeitraum hinweg an. Dagegen bestehen auf deutscher Sei­te prinzipielle Bedenken gegenüber einer Preisgarantie bei schwanken­den Rohölpreisen. Ein Eingriff in den Mechanismus der freien Marktwirt­schaft, sprich Subventionen oder Steuererleichterungen, wird vom Wirtschaftsministerium abgelehnt.

(erschienen in der WELT am 16. August 1990. Letzte Aktualisierung am 18. März 2017)

Was ist daraus geworden? Aus der brasilianischen Botschaft bekam ich damals einen freundlichen Leserbrief mit Lob für den Artikel und dem Hinweis, dass in Brasilien zu dem Zeitpunkt bereits 4,5 Millionen Autos mit Äthanol (= Alkohol) unterwegs waren. Heute aber sehen wir bei einem Stop an der Tankstelle: Methanol hat sich nicht durchgesetzt. Beimischungen in geringer Konzentration werden aus Kostengründen nicht gemacht, lese ich in der Wikipedia. Und obwohl neben den USA auch Japan, China, Neuseeland und Südafrika mit der Technologie experimentiert haben, konnte sie sich nirgendwo durchsetzen. Der Hauptgrund dürfte die Entwicklung von Katalysatoren gewesen sein, wodurch die Emissionen an Kohlenwasserstoffen und Stickoxiden deutlich gesenkt wurden.

Technologiepark Heidelberg: Aus Forschern werden Unternehmer

Der „schnelle Transfer innovativen Wissens zu modernsten Produktionsmethoden“ wurde von Ministerpräsident Lothar Späth als eines der Hauptziele bei der Gründung des Technologieparks Heidelberg im November 1985 beschrieben: Anwendungsorientierte Forschung zum Wohle von Wirtschaft und Wissenschaft. Erste Früchte hat dieses Projekt bereits getragen. Die Wahl des Standortes Heidelberg mit seiner Vielzahl an internationalen Forschungsinstituten und der ältesten Universität auf deutschem Boden hat Manager und Wissenschaftler beflügelt.

Rund 180 Arbeitsplätze haben die Firmen geschaffen, die sich am Rande des Universitätsgeländes niedergelassen haben. Doch der Geschäftsführer der Technologiepark Heidelberg GmbH, Karsten Schröder, kann einen weiteren Erfolg vorweisen. Da die Forschung auch schon erste Früchte trägt, wurde zusätzlich ein „Produktionspark“ erschlossen, in dem ebenfalls mehr als 150 Angestellte arbeiten.

Die Stadt Heidelberg betreibt, so Schröder, keine direkte Firmenförderung, stellt aber Räume bereit, hilft beim Überwinden bürokratischer Hürden und vermittelt Kontakte nach außen. Geht alles nach Plan, wird der zweite Bauabschnitt gegen Ende 1990 fertig gestellt.

Ein Mann der ersten Stunde ist Professor Christian Birr, der mit der Gründung seiner Firma Orpegen im Herbst 1982 der Eröffnung des Technologieparks um Jahre zuvorkam. Birr ist ehemaliger Angehöriger des Max-Planck-Institutes für medizinische Forschung, von dem er sich Ende 1983 trennte. Die Patentrechte, die er während seiner Karriere als Forscher erwarb, bilden einen wichtigen Teil des Know-hows, auf dem der Erfolg der Biotechnologie-Firma ruht.

Die Firma Heidelberg Instruments überträgt Erkenntnisse, die am Institut für angewandte Physik der Universität gewonnen wurden, in die Praxis. Ein Ergebnis dieser Zusammenarbeit: der erste Laseraugentomograph, mit dem Schnittbilder des menschlichen Auges erzeugt werden können.

Prominentes Gesicht: Auch Peter Gruss, langjähriger Präsident der Max-Planck-Gesellschaft war Unternehmer im Technologiepark Heidelberg (Foto: Axel Griesch via Wikimedia Commons)

Prominentes Gesicht: Auch Peter Gruss, langjähriger Präsident der Max-Planck-Gesellschaft war Unternehmer im Technologiepark Heidelberg (Foto: Axel Griesch via Wikimedia Commons)

Werner Franke, Ekkehard Bautz, Peter Gruß und Günter Hämmerling taten sich 1983 zusammen, um die Progen Biotechnik GmbH zu gründen. Die Wissenschaftler und Professoren der Universität und des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) wollten gemeinsam mit industriellen Investoren Reagenzien und Testverfahren für Diagnostik und Therapie entwickeln.

„Biologische Altlastensanierung“ nennt sich ein Verfahren, bei dem Mikroorganismen, die im verseuchten Boden leben, aktiviert werden, um giftige Lösungsmittel und Kohlenwasserstoffe zu beseitigen. Anfang dieser Woche begannen auf dem Gelände der ehemaligen Chemiefabrik Dr. Freund in Sandhausen bei Heidelberg Bohrarbeiten für das bisher größte Projekt dieser Art in Deutschland. Entwickelt wurde das Verfahren unter Förderung des Bundesministeriums für Forschung und Technologie (BMFT) durch die International Biotechnology Laboratories GmbH (lBL).

Um es den Mikroben zu ermöglichen, die Giftstoffe in unschädliches Kohlendioxid und Wasser zu zerlegen, werden spezielle Nährstoffe in den Boden eingepresst. Wie Karl Massholder mitteilte, werden im Rahmen der Zusammenarbeit mit den Instituten für Umweltphysik, Mikrobiologie und dem Chemischen Institut weitere 17 Schadensfälle bearbeitet. IBL ist außerdem an der Finanzierung von Doktorarbeiten beteiligt, die zu neuen Lösungen bei Umweltproblemen führen könnten.

(erschienen in der WELT am 6. Oktober 1989)

Forschung betreibt vor allem die deutsche Industrie

Rund eine Milliarde Mark werden in der Bundesrepublik jährlich für die Krebsforschung aufgebracht. Bei dieser Summe handelt es sich um eine grobe Annäherung, da offizielle Zahlenangaben nicht erhältlich sind. Das liegt nicht etwa daran, dass man Zahlen für die Krebsforschung hierzulande nicht veröffentlichen will.

Vielmehr lässt sich bei einem Großteil aller Forschungsgelder nicht von vornherein sagen, zu welchen praktischen Anwendungen sie später führen werden. Das betrifft besonders die Grundlagenforschung: So kommen zum Beispiel Fortschritte auf dem Gebiet der Molekularbiologie außer der Krebsforschung unter anderem auch der Herz-Kreislauf-Forschung sowie der Arzneimittel- und Impfstoffherstellung zugute.

DKFZ-Hauptgebäude

Flagschiff der Forschung: Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg. (Foto: Tobias Schwerdt)

Mit einer Milliarde Mark aber fließt in die Krebsforschung weniger als ein Fünfzigstel dessen, was Wirtschaft, Bund und Länder insgesamt für Forschung und Entwicklung ausgeben. Die Bundesregierung finanziert Krebsforschung im weitesten Sinne mit über 250 Millionen Mark, die vornehmlich über das Bundesforschungsministerium verteilt werden.

Die größten Summen werden allerdings von der Industrie ausgegeben. Allein die deutschen Pharmakonzerne lassen sich in diesem Jahr die Erforschung von Medikamenten zur Krebsbehandlung 400 Millionen Mark kosten. Hier geht es vor allem um die Verbesserung und Neuentwicklung von Wirkstoffen zur Hemmung des Zellwachstums (Zytostatika). Auch Substanzen, die an der Regulation des Immunsystems beteiligt sind, und solche mit hormonartiger Wirkung werden untersucht.

Andere Wirtschaftsbereiche forschen kräftig mit. So war vom Elektroriesen Siemens zu erfahren, dass die Neu- und Weiterentwicklung von Geräten, die vorwiegend in der Krebserkennung und -behandlung eingesetzt werden, jährlich zwischen 150 und 200 Millionen Mark verschlingt. Es handelt sich hier um Computertomographen, Mammographiegeräte sowie Systeme für Strahlentherapie und Ultraschalldiagnose.

Der Bund fördert vor allem die Grundlagenforschung: Von der Biotechnologie erwarte man sich entscheidende Hilfen für die menschliche Gesundheit. Besonders gelte dies für die weitere Aufklärung der Tumorentstehung und der Struktur-Funktionsbeziehungen in der Immunologie und Virologie, heißt es im Bundesbericht Forschung 1988.

Der größte Posten staatlicher Förderung entfällt dabei auf das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg, eine der 13 Großforschungseinrichtungen des Bundes. Die Arbeit der 1200 Forscher wird im laufenden Jahr 119 Millionen Mark kosten. Es folgt die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) mit über 35 Millionen Mark sowie die Gesellschaft für Strahlen- und Umweltforschung (GSF) in Neuherberg bei München, die 22,5 Millionen für die Krebsforschung ausgibt.

Der Beitrag gemeinnütziger Vereine, die ihre Mittel aus Spenden beziehen, darf nicht unterschätzt werden. Sie springen vor allem dort in die Bresche, wo eine schnelle und unbürokratische Hilfe nötig ist. Hier ist zum Beispiel der Verein zur Förderung der Krebsforschung in Deutschland zu nennen, der 1958 gegründet wurde mit dem primären Ziel, an der Universität Heidelberg ein Krebsforschungszentrum zu errichten. Aus Spendenmitteln wurde die Betriebsstufe I des Institutes finanziert, das später zur größten Forschungseinrichtung auf diesem Gebiet in der ganzen Bundesrepublik avancierte – dem DKFZ. Dieser Initialzündung sind mittlerweile mehr als eine halbe Milliarde Mark gefolgt.

Die klinische Versorgung von Krebspatienten lässt in Deutschland nach Angaben von Experten noch manche Wünsche offen. Obwohl seit 1981 der Auf- und Ausbau von Tumorzentren und onkologischen Schwerpunkten gefördert wurde, sind personelle und sachliche Mittel weiterhin knapp. Über 20 Tumorzentren – sie sind meist den Universitäten angeschlossen – gibt es mittlerweile in der Bundesrepublik. Dennoch findet längst nicht jeder Krebspatient ein Bett in einer dieser spezialisierten Kliniken, wie Dr. Volker Budach vom Westdeutschen Tumorzentrum in Essen beklagte.

Die Kapazitäten der Universitäten würden von Problemfällen voll in Anspruch genommen; hier suchten vor allem Patienten mit Rückfällen (Rezidiven) Rat, deren Erstbehandlung in anderen Krankenhäusern oder durch den Hausarzt erfolgte. „Die Finanzierung reicht hinten und vorne nicht“, meinte der Oberarzt im Gespräch mit der WELT.

Ohne die finanzielle Unterstützung aus Drittmitteln wie DFG und Deutsche Krebshilfe wäre nicht einmal die klinische Routine möglich. Gerade die medizinische Versorgung von Tumorpatienten erfordere nämlich einen immensen Aufwand an Personal und Sachmitteln, der dem einer Intensivstation durchaus vergleichbar sei.

Lücken in der Patientenversorgung versuchen zahlreiche Gesellschaften, Organisationen und Selbsthilfegruppen zu schließen, die sich um direkte Hilfe für Tumorpatienten bemühen. Die Deutsche Krebshilfe – mittlerweile eine der größten Bürgerinitiativen in der Bundesrepublik – führt ihren Kampf gegen den Krebs unter bewusstem Verzicht auf die Inanspruchnahme staatlicher Subventionen. Im vorigen Jahr setzte der Verein über 50 Millionen Mark an Spendengeldern ein.

Neben umfangreichen Forschungsprojekten ist die Organisation auf vielen anderen Gebieten tätig: Selbsthilfegruppen, alternativen Möglichkeiten der Krebsbekämpfung, Schmerztherapie. Es gibt kaum ein Gebiet, das von dem Verein nicht gefördert wird. Hilfe für den Betroffenen soll durch Information und Aufklärungsprogramme über die Bedeutung von Früherkennung und Prävention geleistet werden. Dazu bietet der Verein eine Vielzahl von Broschüren an, die für jedermann kostenlos erhältlich sind.

Eine weitere wichtige Einrichtung für Kranke und deren Angehörige ist der Krebsinformationsdienst (KID), eine telefonische Auskunftsstelle am DKFZ, die vom Bundesgesundheitsamt dieses Jahr noch mit 550 000 Mark unterstützt wird. Unter der Telefonnummer 0800 – 420 30 40 geben Experten dort werktags von sieben bis 20 Uhr Auskunft über Adressen, Therapien, Nachsorge, Prävention und Diagnostik sowie staatliche und karitative Hilfe. Mittlerweile ist es zu bestimmten Zeiten sogar möglich, die Informationen in türkischer Sprache zu erhalten. Ein fachübergreifendes Team tritt in Aktion, wenn die Anfragen nicht spontan beantwortet werden können.

(erschienen in der WELT am 21. August 1989)

59-info@2xWas ist daraus geworden? Der obige Artikel war damals schwer zu recherchieren, weil es keine Statistik gibt, die Forschungsausgaben für ganz Deutschland nach Sachgebieten auflistet! Sicher scheint nur, dass die staatliche Förderung im Vergleich zu den USA beschämend niedrig ist. Und dass die jährlichen Einnahmen aus der Tabaksteuer (zuletzt ca. 14 Milliarden Euro) die Forschungsausgaben um ein Vielfaches übertreffen. Selbst der Krebsinformationsdienst – sicher eine der besten Einrichtungen auf diesem Gebiet – hatte zwischendurch Finanzierungsprobleme, die jetzt aber behoben sind. Und aus Dr. Budach ist Prof. Budach geworden 😉