Zum Hauptinhalt springen

Selumetinib – wirksam gegen Neurofibrome, aber nicht verfügbar

Eine seltene Erbkrankheit, die bei Kindern Nerventumore verursacht, kann offenbar mit dem Wirkstoff Selumetinib erfolgreich bekämpft werden, zeigt eine kleine Studie mit 24 Teilnehmern. Das als Neurofibromatose Typ 1 (NF1) bekannte Leiden verursacht häufig Geschulste, die nicht operiert werden können. Diese inoperablen plexiformen Neurofibrome wurden jedoch bei allen 24 Kindern in der Studie gebremst, und bei 17 von ihnen schrumpften sie sogar um 20 bis 50 Prozent.

Dr. Widemann vom US-Krebsforschungszentrum NCI leitet mehrere Studien zum Neurofibrom (Foto: NCI)

Den größten Erfolg erzielten die Wissenschaftler um Dr. Brigitte C. Widemann, Leiterin des Pediatric Oncology Branch am National Cancer Institute der USA bei einem Mädchen, das wegen sehr großer Neurofibrome an Hüfte und Unterleib ständig unter Schmerzen litt und an den Rollstuhl gefesselt war. Durch die Behandlung verringerte sich die Tumormasse fast um die Hälfte; sie musste auch keine Schmerzmedikamente mehr einnehmen und war wieder in der Lage, längere Strecken zu laufen. Wie der Webseite von Widemann zu entnehmen ist, sind nun gleich mehrere Folgestudien geplant, die den Nutzen von Selumetinib bei Kindern wie auch Erwachsenen beweisen sollen.

Die auch nach ihrem Entdecker Morbus Recklinghausen benannte Krankheit betrifft etwa jedes 3000ste Neugeborene, davon entwickeln ein Fünftel bis zur Hälfte die hier behandelten plexiformen Neurofibrome. Sie können, je nach Lage, zu Schmerzen und Entstellungen führen, zu Blindheit, geschwächten Gliedmaßen, oder auch zu Darm- und Blasenschwäche. Vielen kann durch eine Operationen geholfen werden, bei einem Viertel ist dies allerdings nicht möglich.

Prof. Victor-Felix Mautner, Leiter der Neurofibromatose-Ambulanz am Universitätsklinikum Eppendorf sprach von einer „bedeutsamen Arbeit“ für Menschen, die durch NF-1 entstellt werden. Trotz dieses Erfolges wird Selumetinib aber in Deutschland wohl auf längere Zeit nicht verfügbar sein. Die Firma AstraZeneca, die den Wirkstoff ursprünglich gegen Lungenkrebs entwickeln wollte, ist damit nämlich in einer großen Studie gescheitert. Die Folge ist, dass Selumetinib von den Behörden für die Behandlung nicht zugelassen wurde, und auch nicht für „individuelle Heilversuche“ zur Verfügung steht. „Und dies wird auch nicht so schnell passieren“, befürchtet Mautner.

(eine ausführliche Fachversion dieser Nachricht ist erschienen am 6. Januar 2017 bei Medscape)

Quelle:

Dombi E, et al.: Activity of Selumetinib in Neurofibromatosis Type 1-Related Plexiform Neurofibromas. N Engl J Med. 2016 Dec 29;375(26):2550-2560. doi: 10.1056/NEJMoa1605943.

Spinale Muskelatrophie: Hoffnung durch Antisense-Technik

Mithilfe einer neuartigen genetischen Technik ist es Wissenschaftlern erstmals gelungen, das Fortschreiten der Spinalen Muskelatrophie (SMA) bei Säuglingen und Kleinkindern zu verlangsamen – einer fatalen und bislang kaum aufzuhaltenden neurodegenerativen Erkrankung. „Dies ist eine vielversprechende Behandlungsmethode für die häufigste genetische Todesursache im Kindesalter“, so Prof. Christine Klein, Leiterin des Instituts für Neurogenetik an der Universität Lübeck und Vizepräsidentin der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). Darüber hinaus könne man davon ausgehen, dass die hier genutzte Methode der Antisense-Technik auch für andere Erkrankungen und Indikationen angepasst werden und dort ebenfalls erfolgreich sein könnte.

Den Beweis, dass die Antisense-Technik funktionieren kann, haben nordamerikanische Neurologen mit einer Studie erbracht, über die sie in der Fachzeitschrift The Lancet berichten. Insgesamt 20 Säuglinge, die zwischen der dritten Lebenswoche und dem sechsten Lebensmonat an der Spinalen Muskelatrophie erkrankt waren, haben Richard S. Finkel vom Nemours Children´s Hospital und seine Kollegen behandelt.

Ursache der Erkrankung war in allen Fällen ein fehlendes bzw. defektes Gen für einen Nerven-Schutzfaktor (Survival Motor Neuron 1, SMN1). Ohne dieses Eiweiß gehen die Motoneuronen des Rückenmarks und des Hirnstammes zugrunde, die die Bewegungen einschließlich des Schluckens und des Atmens kontrollieren. Die Folgen sind fatal: Nicht einmal ein Viertel der Kinder überlebte bislang ohne künstliche Beatmung die Diagnose um mehr als zwei Jahre.

Vor diesem Hintergrund erhielten alle Teilnehmer den Wirkstoff Nusinersen in Form mehrerer Injektionen ins Nervenwasser des Rückenmarks. Zwar verstarben vier der 20 Babys trotz der Behandlung. Zum Zeitpunkt des Berichtes aber waren 16 noch am Leben. 13 von ihnen konnten ohne fremde Hilfe atmen, und bei 14 hatte sich die Muskelfunktion gebessert. Teilweise konnten diese Kleinkinder nun den Kopf aufrecht halten, greifen, stehen und sogar laufen. Solche Veränderungen hatte man bislang bei unbehandelten Kindern mit dieser Form von SMA nicht beobachtet. „Eine Heilung bedeutet das nicht“, sagt Prof. Klein, „aber die Therapie scheint wirksam zu sein.“

Die Neurologin hebt hervor, dass der molekulare Mechanismus der Methode wie geplant funktioniert hat: Nusinersen ist ein synthetisch hergestelltes Molekül, das spezifisch konstruiert wurde um ein Ersatzgen für SMN1 zu aktivieren, das fast baugleiche SMN2. Es könnte theoretisch ebenfalls den Nerven-Schutzfaktor liefern, der die Motoneuronen am Leben hält. Allerdings enthält SMN2 einen „Webfehler“, der die Übersetzung der Erbinformation in das rettende Eiweiß um 75 bis 90 Prozent verringert.

Diesen Webfehler konnte Nusinersen offenbar beheben. Das von Wissenschaftlern der Firma Ionis hergestellte synthetische Molekül heftet sich an einer genau vorausberechneten Stelle an ein Zwischenprodukt (Boten-RNS), welches die in SMN2 enthaltenen Erbinformationen an die Eiweißfabriken der Zellen übermittelt. Nusinersen verhindert dadurch, dass aus der SMN2-Boten-RNS ein Abschnitt entfernt wird und die Erbinformation unbrauchbar wird. Die Menge korrekt übersetzter Boten-RNS stieg um das 2,6-fache auf einen Anteil von 50 bis 69 %. Durch Messungen der Eiweißkonzentration im Rückenmark konnten die Forscher schließlich noch zeigen, dass die in dieser Studie behandelten Kinder um durchschnittlich 63,7 % Prozent mehr SMN-Protein bildeten, als unbehandelte Kinder.

Die Nebenwirkungen des Verfahrens wurden von den Patienten gut toleriert, sodass die genetische Therapie von Prof. Klein als „in akzeptabler Weise sicher“ eingestuft wird. Eine weitere, noch nicht veröffentlichte Studie mit Nusinersen bei älteren Patienten mit SMA war ebenfalls erfolgreich, teilte die Hersteller-Firma Ionis mit. Und unmittelbar vor Weihnachten gab die US-Zulassungsbehörde FDA bekannt, dass Nusinersen unter dem Handelsnamen Spinraza für die Behandlung der SMA sowohl bei Säuglingen als auch bei Erwachsenen zugelassen wurde (Inzwischen liegt auch eine Zulassung der europäischen Arzenimittelbehörde EMA vor).

„Als das weckt begründete Hoffnung auf die so lange erwartete Wende in der translationalen Anwendung von Erkenntnissen aus der Molekulargenetik von der reinen Diagnostik hin zu klinisch-therapeutischen Anwendungen im Sinne einer personalisierten Medizin“, so Prof. Klein. Die Antisense-Technik könne auch auf andere Erkrankungen angepasst werden, erwartet die DGN-Vizepräsidentin.

Während bei SMA die Übersetzung eines „schwachen“ Gens gefördert wird, ließe sich stattdessen auch das Ablesen schädlicher Gene verhindern. Im Tierversuch ist dies beispielsweise bei Mäusen schon gelungen, die als Modell für die Huntington´sche Krankheit dienten. Aber auch in klinischen Studien wurde und wird die Antisense-Technik bereits erprobt, beispielsweise gegen die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS), Rheuma, Asthma, Morbus Crohn sowie eine Vielzahl von Krebserkrankungen.

(Vorlage für eine Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie vom 5. Januar 2017)

Quellen:

Impfstoff gegen Ebola

Schon im kommenden Jahr könnte ein hochwirksamer Impfstoff gegen das gefürchtete Ebola-Virus in den besonders gefährdeten Ländern Afrikas zur Verfügung stehen. Grund für diesen Optimismus ist der Ausgang mehrerer Studien mit fast 6000 Menschen, die vorwiegend in Guinea in direkten oder indirekten Kontakt mit Ebola-Infizierten Personen gekommen waren, und die den neuen Impfstoff „rVSV-ZEBOV“ bekommen hatten.

In der Fachzeitschrift The Lancet berichten Forscher um die WHO-Angestellte Dr. Ana Maria Henao-Restrepo über Einzelheiten: Demnach wurden die Teilnehmer der Studie nach dem Losverfahren entweder sofort geimpft, oder mit einer Verzögerung von drei Wochen. In der ersten Gruppe waren nach zehn Tagen keine Viren mehr festzustellen, in der zweiten Gruppe erkrankten dagegen 23 Menschen an der Seuche. Knapp drei Monate lang schauten die Forscher auch nach möglichen Nebenwirkungen von rVSV-ZEBOV. Dabei kam es zu einem Fall von extrem hohem Fieber und einer Überempfindlichkeitsreaktion, die beide glimpflich ausgingen. Ansonsten traten lediglich milde Nebenwirkungen auf Kopfweh, Müdigkeit und Muskelschmerzen.

„Beim nächsten Mal gewappnet“ – WHO-Direktorin Kieny (Foto: WHO)

Der Impfstoff, der auf einem gentechnisch veränderten Virus (VSV) basiert, war zuvor an Affen getestet worden, wo er Neuinfektionen zu 100 Prozent verhindern konnte. Bei bereits infizierten Tieren verhinderte rVSV-ZEBOV den Ausbruch der Krankheit immerhin in jedem zweiten Fall. rVSV-ZEBOV wirkt möglicherweise nicht gegen alle Stämme des Ebola-Virus gleich gut. Besonders effektiv verhindert der Impfstoff aber den Ausbruch der Zaire-Variante von Ebola, die mit einer Sterblichkeit von bis zu 90 Prozent zu den tödlichsten Infektionskrankheiten überhaupt zählt.

Die Globale Impfallianz GAVI hat fünf Millionen Dollar zugesagt, um einen Vorrat von 300.000 Dosen des Impfstoffes anzulegen. „Wenn die nächste Epidemie kommt, werden wir gewappnet sein“, sagt die Studienleiterin Dr. Marie-Paule Kieny, Stellvertretende Generaldirektorin für Gesundheitssystem und Innovation der WHO in Genf.

(eine ausführliche Fachversion dieser Nachricht ist erschienen am 4. Januar 2017 bei Medscape)

Quellen:

Viele Forscher arbeiten an der Gentherapie

Mindestens sechs deutsche Arbeitsgruppen bereiten sich zur Zeit darauf vor, den Nutzen der Gentherapie bei verschiedenen Krankheiten des Menschen zu erproben. Beim Bonner Bundesforschungsministerium (BMFT), welches kürzlich 40 Millionen Mark zur Entwicklung der Methode bereitgestellt hatte, sind innerhalb weniger Monate 183 Anträge zu rund 300 Teilprojekten eingegangen, teilte Dr. Robert Hauer, zuständiger Referent im BMFT, auf Anfrage mit. „Wir gehen davon aus, daß jeder, der damit zu tun hat, auch einen Antrag gestellt hat.“ Allerdings sei man bei der überwiegenden Mehrzahl der Projekte noch weit von einer Anwendung am Menschen entfernt.

Dagegen laufen anderswo die Vorarbeiten schon seit Jahren. So wollen Wissenschaftler am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) in Berlin-Buch im September gleich drei Anträge zur Durchführung klinischer Studien einreichen: Dr. Michael Strauss plant in Zusammenarbeit mit Münchner und Hamburger Kliniken die Behandlung von Menschen mit erblich bedingten, extrem erhöhten, Blutfettwerten (familiäre Hypercholesterinämie).

Wegen eines Gendefekts sind die Zellen dieser Patienten nicht in der Lage, die „böse“ Form des Cholesterins – LDL – aus dem Blut zu fischen. Die resultierende Gefäßverstopfung führt dann oft schon im jugendlichen Alter zum Tod durch Herzinfarkt. Strauss hat deshalb „entkernte“ Hüllen von Hepatitis B Viren entwickelt, welche die Bauanleitung für das Cholesterin-fischende Eiweiß zumindest im Tierversuch in Leberzellen einschleusen können. Nach zahlreichen weiteren Tests sollen die Gen-Taxis dann im Sommer nächsten Jahres an einer kleinen Zahl von Patienten erprobt werden.

Zusammen mit Professor Bernd Dörken, der an der benachbarten Robert-Rössle-Klinik der Freien Universität Berlin arbeitet, will Strauss außerdem versuchen, Lebermetastasen und Hirntumoren durch das Einschmuggeln sogenannter Selbstmordgene zu attackieren. Die Methode, mit der amerikanische Wissenschaftler bereits erste Achtungserfolge erringen konnten, wirkt wie eine örtlich eng begrenzte Chemotherapie: Erst wird das Selbstmordgen mit Hilfe von Viren oder durch eine Injektion in den Tumor geschleust, dann wird den Patienten 14 Tage lang ein Medikament (Ganciclovir) verabreicht, das nur in Anwesenheit des Selbstmordgens zu einem giftigen Stoffwechselprodukt umgesetzt wird.

Ebenfalls am MDC plant Dr. Thomas Blankenstein eine „Impfung“ mit gentechnisch veränderten Brustkrebszellen. Dies soll die „normale“ Behandlung von an Brustkrebs erkrankten Frauen ergänzen und Rückfälle verhindern. Wiederum sind es Tierversuche an Mäusen und Ratten, aber auch erste Erfahrungsberichte der amerikanischen Kollegen, die Hoffnung machen. Nach Operation, Strahlen- und Chemotherapie noch verbleibende Tumorzellen, die für das Immunsystem unsichtbar sind, könnten womöglich mit derartigen „Krebsimpfungen“ enttarnt und vernichtet werden.

An der Universität Bonn will Professor Klaus Olek die Behandlung von Blutern verbessern. Ihnen soll es durch Gentransfer ermöglicht werden, fehlende Blutgerinnungsfaktoren selbst herzustellen und somit unabhängig von Plasmapräparaten zu werden. Dies würde die mit jeglichem Austausch von Körperflüssigkeiten verbundene Infektionsgefahr durch bekannte und unbekannte Krankheitserreger beseitigen. Auch die Firma Bayer ist auf diesem Gebiet aktiv, wenn auch nicht in Deutschland. Bereits 1992 wurde ein Abkommen mit der amerikanischen Firma Viagene geschlossen, mit dem Ziel, die Hämophilie-A durch die Übertragung von Erbinformattioen zu behandeln.

In Hamburg arbeitet Dr. Marcus Stockschlaeder am Universitätskrankenhaus Eppendorf an einem Verfahren, um die gesunden Blutzellen von Krebspatienten vor denjenigen Giften zu schützen, die im Rahmen einer Chemotherapie zum Einsatz kommen und an der Hautklinik der Universität Würzburg schließlich will Direktorin Professor Eva-Bettina Bröcker einer Meldung des Wissenschaftsmagazins „Nature“ zufolge den Schwarzen Hautkrebs (Melanom) attackieren.

Bei allem Optimismus warnen die beteiligten Wissenschaftler aber auch vor übertriebenen Hoffnungen. „Wirklich geheilt worden ist durch die Gentherapie bisher noch niemand“, betonte der Amerikaner French Anderson mit Blick auf die fast 80 Studien, die bisher weltweit begonnen wurden. Der Mann muß es wissen; schließlich war er derjenige, der den weltweit ersten Versuch geleitet hatte. Die beiden Mädchen mit der lebensbedrohlichen Immunschwäche ADA-Defizienz, die dabei im Herbst 1990 als erste Menschen fremde Gene erhielten, müssen zwar in mehrmonatigen Abständen in die Klinik, um ihre Behandlung auffrischen zu lassen. Die Krankheit selbst ist aber dennoch besiegt: Wie Anderson bekanntgab, sind Ashanti DeSilva und Cynthia Cutshall seit über zwei Jahren frei von Beschwerden.

Mehr Informationen zu Klinischen Studien gefordert

Der Sinn klinischer Studien ist vielen Krankenschwestern und Pflegern nicht bekannt. Dieser Mangel an Informationen erschwere dem onkologischen Pflegepersonal den Umgang mit den Ängsten der Patienten, bemängelte Rita Bodenmüller-Kroll auf dem 21. Deutschen Krebskongreß.

Von den Leitern klinischer Studien forderte die am Westdeutschen Tumorzentrum in Essen tätige Krankenschwester mehr Informationen über die Art der getesteten Substanzen, deren Dosierung, Verabreichung und Indikation. Exakte Angaben darüber, wo und wie die Nebenwirkungen der Therapie dokumentiert werden müssen, seien auch aus juristischer Sicht gefordert.

Bodenmüller-Kroll berichtete von ihren Erfahrungen bei einer klinischen Phase-I-Studie: Obwohl die Kranken Angst vor der Therapie mit einem neuen Zytostatikum gehabt hatten, war deren Erwartungshaltung dennoch hoch. Hier könne eine umfassende Information dazu beitragen, zu hohe Erwartungen und damit verbundene Enttäuschungen auch beim Pflegepersonal zu vermeiden. „Das Pflegepersonal kann Studien-Patienten nur kompetent betreuen, wenn ihm Ablauf und Zielsetzung der Studie bekannt sind. Denken Sie daran, wenn Sie wieder in ihre Klinik zurückkehren“, appelierte sie an die Delegierten.

(erschienen in der Ärzte-Zeitung am 10.3.1994)

Deutsche verweigern Organspende

Obwohl die Zahl der Organtransplantationen in Deutschland im vergangenen Jahr geringfügig zugenommen hat, sind die Wartelisten auch 1993 wieder länger geworden. Noch immer sterben zahlreiche Patienten, weil nicht genug Organe gespendet werden. Wie die Deutsche Stiftung Organtransplantation kürzlich bekanntgab, wurden 2164 Nieren, 505 Herzen, 590 Lebern, 45 Bauchspeicheldrüsen und 71 Lungen verpflanzt. Dies ergibt zusammen 3375 Organübertragungen. Erforderlich seien dagegen jährlich allein mindestens 3500 Nieren- und je 1000 Herz- und Lebertransplantationen.

Verschärft wird die Situation in jüngster Zeit nach Ansicht der Stiftung dadurch, daß immer mehr Angehörige ihre Zustimmung zur Organentnahme verweigern. Ihr Anteil ist von 19 Prozent im Jahr 1991 auf 25 Prozent im vergangenen Jahr gestiegen. Diese Entwicklung wird „insbesondere auf zum Teil reißerische Medienberichte“, beispielsweise über den Organhandel in Südamerika oder Indien, zurückgeführt. Die Zunahme der Transplantationen trotz rückläufiger Spendenbereitschaft war nur möglich, weil zahlreiche Organe aus Österreich, Belgien, den Niederlanden und Luxemburg hierzulande verpflanzt wurden.

(erschienen in der Süddeutschen Zeitung am 10.3.1994)

Hepatitis C: Impferfolg bei Schimpansen

Wissenschaftler der amerikanischen Chiron Corporation haben einen Impfstoff gegen das Hepatitis C Virus entwickelt, der an Schimpansen erfolgreich erprobt wurde. Den Tieren waren mutmaßliche Hüllproteine des Erregers mindestens drei Mal intramuskulär verabreicht worden. Der Impfstoff wurde mit Hilfe eines rekombinanten Vaccinia-Virus in menschlichen Zellkulturen gewonnen.

Fünf von sieben geimpften Schimpansen zeigten auch 33 Wochen nach der Injektion mit HCV weder eine Infektion, noch waren Leberschäden nachweisbar. Bei zwei weiteren Tieren – sie hatten nur geringe Mengen von Antikörpern gegen die Impfeiweiße gebildet – schlug die Infektion zwar an, nahm aber nur einen abgeschwächten Verlauf. Vier ungeschützte Kontrolltiere entwickelten dagegen eine akute Hepatitis mit einem chronischen Infektionsverlauf, berichtet die Arbeitsgruppe um Dr. Michael Houghton in den Proceedings of the National Academy of Sciences (Band 91, S.1294). Dieses Ergebnis sei „eine starke Ermutigung und Anlaß für Optimismus, eine effektive Kontrolle von HCV-Infektionen erreichen zu können“, schreiben die Wissenschaftler.

Die weltweite Prävalenz des Virus wird auf 0,4 bis 2 Prozent geschätzt. Die meist persistenten Infektionen führen in etwa der Hälfte aller Fälle zu einer chronischen Hepatitis und bei jedem Zehnten zur Leberzirrhose. Ein beträchtlicher Anteil dieser Patienten entwickelt wiederum ein primäres hepatozelluläres Karzinom. Durch die Entwicklung verschiedener Teste gegen zirkulierende HCV-Antikörper konnte das Infektionsrisiko durch Blut- und Blutprodukte zwar deutlich reduziert werden – eine Leistung für die Houghton und der am Center for Disease Control in Atlanta tätige Daniel Bradley mit dem Robert-Koch-Preis 1993 ausgezeichnet wurden.

Wesentlich häufiger als auf dem Blutweg wird HCV jedoch durch Kontakte im sozialen Umfeld übertragen, wie Studien mit Sexualpartnern und Haushaltsmitgliedern von Patienten, aber auch mit medizinischem Personal ergeben haben. Epidemiologische Untersuchungen in den USA haben außerdem gezeigt, daß sich für 40 Prozent aller Infizierten keinerlei Risikofaktoren ausmachen ließen. „Die Entwicklung eines Impfstoffes gegen HCV ist zur Verhinderung von Ansteckungen daher äußerst wünschenswert“, so Houghton.

Nachdem es der gleichen Arbeitsgruppe vor fünf Jahren gelungen war, das Erbmaterial des Erregers zu charakterisieren, wurde kürzlich ein Teil davon auf einen Vaccinia-Virus übertragen. Da HCV bisher elektronenmikroskopisch nicht dargestellt werden konnte, ist die Funktion der auf dem Genabschnitt kodierten Eiweiße (C, E1 und E2) nicht eindeutig geklärt. Die Forscher gehen jedoch davon aus, daß es sich bei C um einen Bestandteil des Viruskapsids handelt, während E1 und E2 wichtige Komponenten der Hülle des Erregers darstellen. Für die Versuche wurden die Glykoproteine E1 und E2 in einer Dosierung von jeweils 3 bis 40 µg pro Impfung benutzt. E1 und E2 entstammen menschlichen Zellkulturen (HeLa), die mit dem rekombinanten Vacciniavirus infiziert wurden und daraufhin die viralen Eiweiße in größeren Mengen produzierten. Zuvor hatte man diese Proteine in Hefe- und Insektenzellen erzeugt, ohne jedoch in Impfversuchen einen Schutz zu erreichen.

Trotz der ermutigenden Resultate verweist Houghton darauf, daß die Versuchstiere nur wenige Wochen nach der letzten Impfung mit HCV infiziert wurden. Außerdem sind gegenwärtig sechs verschiedene Genotypen des Erregers bekannt, die sich in der Zusammensetzung der mutmaßlichen Hüllproteine um bis zu 50 Prozent unterscheiden. Dies bedeutet, daß für einen allgemeinen Impfschutz eine multivalente Vakzine nötig sein könnte.

(erschienen in der Ärzte-Zeitung am 1.3.1994)

Quelle: Choo QL, Kuo G, Ralston R, et al. Vaccination of chimpanzees against infection by the hepatitis C virus. Proc Natl Acad Sci U S A. 1994;91(4):1294-1298 (freie Version) doi:10.1073/pnas.91.4.1294

Algen-Extrakt tötet Krebszellen ab

Amerikanische Wissenschaftler haben aus einer tropischen marinen Algenart eine Verbindung isoliert, deren biologische Wirkung auf Krebszellen derjenigen von Taxol ähnelt. „Curacin A“, so der Name der Substanz, findet sich in öligen Extrakten der Algenspecies Lyngbya majuscula, die nahe der Insel Curacao vor der Küste Venezuelas gesammelt wurden.

Curacin A sei ein außerordentlich potentes Agens, vergleichbar den besten Vinca-Alkaloiden, die derzeit in der Chemotherapie zum Einsatz kommen, sagte William Gerwick, Professor für Pharmazie an der Oregon State University. „Die Aktivität ist phänomenal; eine Verdünnung von eins zu einer Milliarde genügt, um Zellen abzutöten.“

Den Laborergebnissen, die in einer der kommenden Ausgaben des Journal of Organic Chemistry veröffentlicht werden, sollen noch in diesem Monat erste Versuche mit Mäusen folgen. Dabei soll die Aktivität von Curacin A gegen Brust- und Darmkrebs ermittelt werden. Das Nationale Krebsinstitut der USA (National Cancer Institute) unterstützt die Arbeiten an der bereits zum Patent angemeldeten Substanz mit einer Million Dollar. Neben einer zytostatischen Aktivität ähnlich der von Colchicin besitzt Curacin A auch anti-inflammatorische und immunsuppresive Eigenschaften.

Die Bildung von Curacin A durch die haarförmige Alge hängt offensichtlich von noch nicht näher verstandenen Umwelteinflüßen ab. Denn obwohl Lyngbya majuscula auch vor Hawaii und Okinawa gefunden wird, fehlt den dort isolierten Algen der vielversprechende Inhaltstoff. Und auch vor Curacao wurden die Wissenschaftler nur bei einem Bruchteil der Proben fündig. Gerwick hofft daher, die Algen langfristig entweder in Aquakultur zu züchten oder Curacin A synthetisch herzustellen.

(erschienen in der Ärzte-Zeitung am 2.3.1994 und in einer Publikumsversion in der Süddeutschen Zeitung am 3.3.1994)

Quelle: Pressestelle der Oregon State University

Pläne für neues Weltraumteleskop

Emporgetragen von einem riesigen Heliumballon und an der Erde verankert mit einem zwölf Kilometer langen Spezialkabel – so könnte nach Plänen amerikanischer Wissenschaftler die Sternwarte der Zukunft aussehen. Das ferngesteuerte „Polare Stratosphären-Teleskop“ (POST) würde mit 100 Millionen Mark nur ein Fünfzigstel dessen kosten, was bisher in das Hubble-Weltraumteleskop investiert wurde. Mit seiner raffinierten Optik könnte POST gleichwohl doppelt so viele Details am Sternenhimmel ausmachen wie sein Vorgänger, meint Holland Ford, Astronomie-Professor an der Johns-Hopkins-Universität im US-Bundesstaat Maryland.

Ford, der als Projektwissenschaftler bereits bei der Reparatur des „kurzsichtigen“ Hubble-Teleskopes eine Schlüsselrolle spielte, arbeitet schon seit Jahren mit den Ingenieren Pierre Bely und Christopher Burrows am Entwurf eines leichtgewichtigen Observatoriums, das zunächst in Alaska, nördlich der Stadt Fairbanks, in die Atmosphäre aufsteigen könnte. Später sollte POST am Südpol eingesetzt werden, wo in der halbjährigen Polarnacht ideale Voraussetzungen für astronomische Beobachtungen herrschen. Außerdem ist die Atmosphäre an den Polen weniger dick, bei gleicher Höhe würde POST daher bessere Aufnahmen liefern als in niedrigeren Breiten.

Das schwebende Observatorium bietet nach Meinung seiner geistigen Väter eine Reihe von Vorteilen gegenüber Teleskopen wie Hubble, die mit Raketen in eine Erdumlaufbahn geschossen werden. „Ein Satellit muß beim ersten Versuch funktionieren und ist deshalb sehr teuer“, erklärt Bely. „Mit unserem System dagegen kann man das Gerät zur Wartung und für Reparaturen auf die Erde zurückholen, man kann aus den Fehlern lernen.“

Der Transport des mit 1000 Kilogramm relativ leichten Gerätes – Hubble wiegt das Zehnfache – soll durch einen 100 Meter langen Spezialballon, einem Aerostat, erfolgen. Die Herstellerfirma TCOM hat ähnliche Ballons schon für die Überwachung von Truppenbewegungen im Golfkrieg und für die Kontrolle des Drogenverkehrs an der amerikanisch-mexikanischen Grenze gebaut.

POST selbst würde sieben Spiegel erhalten: Einen von 180 Zentimetern Durchmesser, die anderen mit jeweils 60 Zentimetern. Laserlicht, das von den Spiegeln reflektiert wird, erlaubt es, deren genaue Orientierung zu bestimmen. Mit den resultierenden Daten werden dann sogenannte Aktuatoren gefüttert. Diese Präzisionsmaschinen korrigieren die Ausrichtung der Einzelspiegel und erlauben es damit, die eingefangenen Lichtteilchen aus den Tiefen des Weltalls in einem Brennpunkt zusammenzuführen.

Falls die amerikanische Weltraumbehörde NASA den hochfliegenden Plänen zustimmt, würden sie damit ein einmaliges Instrument erhalten: „Das wäre so, als ob man einen Berg von 12 Kilometern Höhe nach Belieben in die Landschaft stellen könnte“, schwärmt Professor Ford.

(erschienen in der Berliner Morgenpost am 6.3.1994)

Quelle: Pressestelle der John-Hopkins-Universität, Baltimore

Photodynamische Lasertherapie gegen Brustkrebs?

An der Frauenklinik der Universität Bonn steht jetzt ganztägig ein Argon-gepumpter Ringfarbstofflaser für die photodynamische Krebstherapie mit antikörpergebundenen Farbstoffen zur Verfügung. Während in den letzten drei Jahren insgesamt nur 30 Patientinnen von dieser Methode profitieren konnten, hat sich die Behandlungskapazität nunmehr verdreißigfacht.

Wie Professor Dr. Stephan Schmidt am Rande einer Internationalen Konferenz über immunologische Ansätze in der Tumortherapie erläuterte, werden bei dieser innovativen Variante der photodynamischen Therapie sogenannte Photosensitizer an Antikörper gekoppelt und den Patienten etwa drei Tage vor einer Operation injiziert.

Die Antikörper reichern sich im Tumorgewebe an und werden mitsamt den Photosensitizern von den Zellen aufgenommen. Dort binden die Komplexe an Mitochondrien oder andere Organellen. Durch die intraoperative oder auch endoskopische Applikation von Laserlicht werden die Photosensitizer schließlich in toxische Metaboliten überführt; eine gezielte Zerstörung der Tumorzellen ist die Folge.

Zwar ist die Wirksamkeit der konventionellen photodynamischen Therapie an mittlerweile über 3000 Patienten belegt, die dabei als Photosensitizer benutzten Hämatoporphyrin-Derivate (HPD) und Dihämatoporphyrinester (DHE) können jedoch zu Schockreaktionen führen. Wegen der eher unbefriedigenden Tumorselektivität von HPD und DHE führt die Einwirkung von Tageslicht außerdem zur Zerstörung gesunden Gewebes. Die Patienten müssen daher tagelang in verdunkelten Räumen zubringen.

In Zusammenarbeit mit der Klinik für Nuklearmedizin und dem Institut für angewandte Physik hat man dieses Problem auf elegante Weise gelöst: Ein nichttoxischer Farbstoff (Zn(II)-Phtalocyanin) wurde mit einem Antikörper (OC125) gekoppelt, der sich gegen ein ausgewähltes, tumor-assoziertes Antigen richtet. Mit dem aus der Immunpathologie bekannten Biotin-Streptavidin-System zum Nachweis von Antikörpern gelang es der Bonner Arbeitsgruppe, die Effektivität der Koppelung zwischen Farbstoff und Tumorzelle um einen Faktor 100 bis 1000 zu erhöhen.

Damit ist, so Schmidt, die Selektivität gewährleistet und das Ziel einer überwiegenden Tumorzellzerstörung durch Einstrahlung von energiereichem Laserlicht in unschädlichen Wellenlängenbereichen erfüllt. Bei in-vitro Versuchen mit Ovarialkarzinomzellen wurden Devitalisierungsraten von bis zu 90 Prozent erreicht; die Remissionsraten für gynäkologische Tumoren liegen teilweise über 60 Prozent. Prinzipiell ließe sich das Verfahren auf alle Tumoren mit tumor-assozierten Antigenen anwenden, glaubt Schmidt. In Bonn werde das Haupteinsatzgebiet bei Lokalrezidiven des Mammakarzinoms liegen. Mit dem jetzt in Dienst gestellten Laser sei erstmals an einer europäischen Frauenklinik ein routinemäßiger Einsatz der photodynamischen Lasertherapie möglich.

(erschienen in der Ärzte-Zeitung am 9.2.1994)

Was wurde daraus? Bei der Behandlung des Brustkrebs hat diese Methode sich nicht durchsetzen können. Sie kommt aber heute in abgewandelter Form bei bestimmten Krebserkrankungen der Haut zum Einsatz, z.B. der aktinischen Keratose.