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Ich bin Bipolar – ein Outing

An die 5000 Artikel habe ich bislang geschrieben, den Großteil über Krankheiten anderer Leute. Heute will ich dagegen über mich und meine Krankheit reden: Ich bin Bipolar, habe also die manisch-depressive Krankheit. Es ist kein seltenes Leiden, in Deutschland ist nach Schätzungen mindestens jede 50. Person betroffen, womöglich sogar jede 30.

Die manisch-depressive Krankheit trifft Unbekannte wie Promis gleichermaßen. Zu denjenigen, die sich öffentlich geoutet haben, zählen die Schauspielerin Carrie Fisher, bekannt für ihre Rolle als Prinzessin Leia in „Star Wars“. Die Oscar-Preisträgerin Catherine Zeta-Jones, die Schauspielerin Vivien Leigh, bekannt für ihre Rolle als Scarlett O’Hara in „Vom Winde verweht“, der Actionfilmstar Jean-Claude Van Damme, und Kurt Cobain, der durch Selbstmord verstorbene Frontmann der Band Nirvana.

Auch Robbie Williams, der britische Sänger und Entertainer, hat in verschiedenen Interviews offen über seine psychischen Gesundheitsprobleme gesprochen, darunter Depressionen, Angststörungen und Suchtprobleme. Es gab Spekulationen und Diskussionen über die Möglichkeit, dass er an einer bipolaren Störung leidet, aber Williams selbst hat keine offizielle Diagnose dieser spezifischen Erkrankung öffentlich bestätigt.

Der reichste Mann der Welt – Elon Musk – hat selbst nie öffentlich bestätigt, dass er eine bipolare Störung hat. Allerdings hat er in verschiedenen Interviews und Tweets angedeutet, dass er gelegentlich extreme Höhen und Tiefen in seiner Stimmung erlebt. In einem Tweet aus dem Jahr 2017 beschrieb er diese als „manisch-depressiv“, was in der Öffentlichkeit zu Spekulationen führte, dass er möglicherweise an einer bipolaren Störung leidet.

Die Liste geht weiter: Sinead O’Connor: Die irische Sängerin hat offen über ihre psychischen Gesundheitsprobleme gesprochen, einschließlich ihrer Diagnose mit bipolarer Störung. Mariah Carey: Die berühmte Sängerin gab 2018 bekannt, dass sie seit vielen Jahren mit bipolarer Störung lebt und lange Zeit zögerte, ihre Diagnose öffentlich zu machen.

Zwischen Himmel und Hölle

Den Namen hat die Bipolare Störung von den Extremen, zwischen denen die Betroffenen hin- und hergerissen werden. In den manischen Phasen fühlt man sich sehr glücklich, energiegeladen und übermäßig aktiv. Man trifft womöglich impulsive Entscheidungen, braucht kaum Schlaf und fühlt sich unbesiegbar – was manchmal sehr gefährlich werden kann. In den depressiven Phasen fühlen Bipolare sich sehr traurig, hoffnungslos und antriebslos. Es fällt ihnen schwer, alltägliche Aufgaben zu erledigen, und sie können sich sogar zurückziehen oder Gedanken über den Tod haben. Die Selbstmordrate Bipolarer Menschen ist sieben Mal größer als im Durchschnitt der Bevölkerung.

Zwischen den Extremen kann die Stimmung einer Person normal sein, aber die Schwankungen können ohne Vorwarnung auftreten und das Leben stark beeinträchtigen.

Im Extremfall kann eine Einweisung des Patienten in eine psychiatrische Klinik erforderlich sein, und zwar in die geschlossene Abteilung. Die Ärzte und Pfleger versuchen dann, mit Medikamenten und einem streng geregelten Tagesablauf den Patienten wieder in den „Normalbereich“ zurückzuführen.

Bei mir war das drei Mal der Fall: In den Jahren 2002, 2012 und zuletzt im Juli 2024. Ob oder wann es wieder dazu kommt, kann man nicht vorhersagen. Ich nehme meine Pillen, um einen Rückfall zu verhindern, versuche aber gleichzeitig, von der vermehrten Energie in der „prämanischen“ Phase zu profitieren. Es ist ein Balanceakt, und je besser der Patient auf sich aufpasst, umso eher kann er gelingen.

Die rote Linie ist überschritten, wenn ein Realitätsverlust eintritt. In meiner ersten Manie wollte ich zum Beispiel Gutes tun, um meine Beziehung zu retten (was normal sein dürfte), bin dann aber immer mehr in die Rolle eines Weißen Ritters gekommen, und habe mich am Schluss tatsächlich für einen gehalten. In der 2. manischen Phase war ich besessen von dem Gedanken, eine Firma zu gründen. Die Idee war gut genug, um bereits einige Mitstreiter um mich zu sammeln, doch dann schlug die Manie richtig zu.

In meiner 3. Manie habe ich mein Thema „Die Welt verbessern“ wieder aufgenommen. Ich glaub, dass ich (noch) keinen Realitätsverlust hatte, doch die Ärzte waren anderer Meinung…

Nun bin ich wieder im Alltag angelangt, und versuche tatsächlich die Welt zu verbessern – allerdings in kleinen Schritten und in dem Bewusstsein, dass ich NICHT allmächtig bin.

Puh. Jetzt ist mir leichter, und Ihr / Sie kennt jetzt meinen Hintergrund.

Es folgen noch ein paar Buchtipps mit Links zu Amazon (bei Kauf bekomme ich 15 % Provision) für diejenigen, die sich genauer mit dem Thema beschäftigen wollen – sei es, weil sie selbst unter der Krankheit „leiden“, oder um betroffen Angehörige und Freunde besser zu verstehen.

Lesetipps:

(Text in Teilen erstellt mit Hilfe der KI ChatGPT)

Psychologie-Studien sollen besser werden

Ein interessanter Artikel in der Neuen Zürcher Zeitung motiviert mich zu diesem Einwurf. Der Autor Ori Schipper berichtet hier über eine geplante Revolution. Eine Revolution, mit der manche Psychologen die angeschlagene Glaubwürdigkeit ihre Faches wiederherstellen wollen. Im Einstieg verweist Schipper auf eine Stichprobe von 100 Studien, die alle in renommierten Fachzeitschriften der Psychologie erschienen waren. Nur bei 39 Untersuchungen konnte die gleichen Effekte nochmals nachgewiesen wurden. Zwar fehlt eine Quellenangabe, aber ich denke, er hat diese Veröffentlichung aus dem Jahr 2015 gemeint.

Ob eine Studie allerdings „nur“ schlampig und fehlerhaft ist, oder ob die Daten bewusst manipuliert wurden, um die Thesen der Autoren zu untermauern, ist schwer zu unterscheiden. Sicher ist: Es gibt (auch) in der psychologischen Forschung schwarze Schafe, die das schöne Wort „Wissenschaft“ auf – sagen wir „eigenwillige“ ? – Art interpretieren.

Ein Teil der Schuld liegt aber auch bei Medienvertretern, die sich eine gute Geschichte nur ungern von Fakten ruinieren lassen, wie ein Kollege bei einem großen Nachrichtenmagazin nur halb im Scherz bemerkte. Geht man nämlich der guten Geschichte nach, recherchiert aus mehreren Quellen, oder fragt gar die Konkurrenz um deren Meinung, so löst sich das Ganze vielleicht in Luft auf. „Außer Spesen nix gewesen“ heißt es dann. Der Extra-Aufwand wird nicht etwa belohnt, sondern mit sinkender Produktivität und ausgefallenem Honorar bestraft. Dann doch lieber Aufmerksamkeit generieren, denn das zahlt sich in beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht eher aus.

Womöglich bin selbst schon diesen Mechanismen zum Opfer gefallen, war nicht skeptisch genug, habe eine Geschichte lieber mit ein paar Zitaten weniger angreifbar gemacht, als im Zweifel ganz darauf zu verzichten. Gerne würde ich meinen Fundus von etwa 5000 veröffentlichten Texten überprüfen, aber dafür fehlt mir schlicht die Zeit. Siehe oben.

Das beste, was mir eingefallen ist, war, mit Hilfe der KI ein paar Namen zu nennen, bei denen Skepsis angebracht ist. Meine Frage an ChatGPT Version 4.0 lautete:

Welche viel beachteten Studien in der Psychologie waren gefälscht?

Hier die leicht überarbeitete Antwort:

Es gab mehrere hochkarätige Studien in der Psychologie, die sich im Nachhinein als gefälscht oder zumindest fragwürdig herausstellten. Hier sind einige der bekanntesten Fälle:

1. Diederik Stapel, ein renommierter niederländerischer Sozialpsychologe, wurde 2011 entlarvt, nachdem festgestellt wurde, dass er Daten in Dutzenden von Studien gefälscht hatte. Seine Forschung umfasste Themen wie soziale und kognitive Psychologie, und viele seiner Arbeiten wurden in hochrangigen wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlicht.
Mehr als 50 seiner Publikationen wurden zurückgezogen, und Stapel verlor seinen akademischen Titel und seine Position.

2. Karen Ruggiero, eine Sozialpsychologin, die an der Harvard University arbeitete, wurde 2001 des wissenschaftlichen Fehlverhaltens überführt. Sie hatte Daten in mehreren Studien gefälscht, die sich mit Diskriminierung und sozialen Ungleichheiten befassten. Sie trat von ihrer Position zurück und mehrere ihrer Publikationen wurden zurückgezogen.

3.  Marc Hauser, ein renommierter Psychologe und Primatenforscher an der Harvard University, wurde 2010 beschuldigt, Daten in mehreren Studien manipuliert und gefälscht zu haben, die sich mit tierischem Verhalten und kognitiver Entwicklung befassten. Hauser trat von seiner Position zurück und mehrere seiner Arbeiten wurden zurückgezogen.

4. Jens Förster, ein deutscher Sozialpsychologe, wurde 2014 beschuldigt, in mehreren seiner Studien Daten manipuliert zu haben. Seine Forschung konzentrierte sich auf Themen wie Priming und soziale Urteilsbildung. Die Universität Groningen entschied, dass einige seiner Arbeiten fragwürdig waren, und mehrere seiner Publikationen wurden zurückgezogen.

5. Brian Wansink, ein Ernährungspsychologe an der Cornell University, wurde 2017 wegen unzureichender wissenschaftlicher Praktiken und Datenmanipulation in einer Reihe von Studien kritisiert. Seine Forschung befasste sich hauptsächlich mit Essgewohnheiten und Ernährungspsychologie. Wansink trat 2019 von seiner Position zurück, und viele seiner Arbeiten wurden zurückgezogen oder korrigiert.

Wie gesagt: Ich kann nicht ausschließen, dass auch unter meinen veröffentlichten Psychologie-Geschichten die eine oder andere einer harten Prüfung nicht standhält. Zu Ihrer Beruhigung darf ich allerdings sagen, dass ich diese Webseite hier auf alle oben genannten verdächtigen Namen überprüft habe. Es gab keine Treffer, und daher auch keinen Anlass für Korrekturen, Ergänzungen oder gar die Löschung von Texten. Puh – Glück gehabt!

USA: Geschlechtsumwandlungen verdreifacht

Eine Studie in der Fachzeitschrift JAMA Network Open kommt anhand der Auswertung von Patientendaten zu dem Schluss, dass die Zahl der Operationen zur Umwandlung bzw. Angleichung des Geschlechts in den USA sich in den Jahren 2016 bis 2019 annähernd verdreifacht hat.

Nach Darstellung der Autoren um Jason D. Wright von der Abteilung für Geburtshilfe und Gynäkologie der Columbia University in New York könnte diese Entwicklung damit zu tun haben, dass die Hürden für eine operative Geschlechtsumwandlung in den USA in den vergangenen Jahren gesenkt wurden. Insbesondere wurden in vielen Bundesstaaten die Krankenversicherungen verpflichtet, die Kosten zumindest teilweise zu übernehmen.

Ob gesellschaftliche Entwicklungen im Sinne einer größeren Akzeptanz bzw. Sichtbarkeit von Transgender-Personen ebenfalls zu diesem Trend beigetragen haben, wurde nicht untersucht. Die Zahlen im Einzelnen:

Insgesamt 48019 Patienten haben sich zwischen 2016 und 2020 einer operativen Geschlechtsangleichung (engl. Abk. GAS) unterzogen. Mehr als die Hälfte waren zwischen 19 und 30 Jahre alt. Bei 3678 Patienten (7,7 %) lag das Alter zwischen 12 und 18 Jahren – es gab also einen erheblichen Anteil an Minderjährigen.

Mit 56,6 % betrafen die häufigsten Eingriffe die Brüste bzw. den Brustkorb, gefolgt von einer Rekonstruktion der Geschlechtsorgane (35,1%), sowie Operationen des Gesichts und kosmetischer Art (13,9 %).

Tatsache ist, dass die Zahl der „geschlechtsangleichenden“ Operationen sich auch in Deutschland im vergangenen Jahrzehnt mehr als verdoppelt hat. Laut dem KI-basierten Auskunftsdienst Bard von Google waren es 2012 noch 1189 Operationen und im Vorjahr (2022) bereits 2598. Zwei Drittel davon entfielen auf Trans-Frauen, und die Mehrheit der Eingriffe wurde in der Altersgruppe 20 bis 35 Jahre durchgeführt.

Die Versicherungsfrage dürfte in Deutschland kaum eine Rolle gespielt haben. In der Zwischenzeit haben Forscher jedoch mindestens ein halbes Dutzend Studien vorgelegt, wonach geschlechtsangleichende Operationen die Lebensqualität und Zufriedenheit erwachsener Patienten verbessern und die „Geschlechtsdysphorie“ verringern können. Letztere ist definiert als Unbehagen, Frustration oder Stress aufgrund einer Diskrepanz zwischen dem empfundenen Geschlecht und dem Geschlecht, das einer Person bei der Geburt zugewiesen wurde.

Es gibt also gute Gründe für die zunehmende Zahl von Operationen, aber die Veränderungen in den USA sind auch im Vergleich zur recht schnellen Entwicklung in Deutschland extrem. Es scheint einen regelrechten Stau gegeben zu haben, der sich nun möglicherweise langsam auflöst. Die lässt sich daraus schließen, dass sich die Zahl der Prozeduren laut der aktuellen Studie von 4552 im Jahr 2016 auf 13011 Eingriffe im Jahr 2019 mehr als verdreifacht hat. Im Folgejahr 2020 stabilisierte sie sich bei 12818 Operationen. Dies könnte aber auch – so spekulieren die Wissenschaftler – damit zu tun haben, dass zu diesem Zeitpunkt die grassierende Corona-Pandemie viele Operationen verhindert hat.

Auf jeden Fall, so schreiben die Forscher am Ende ihres aus eigenen Mitteln finanzierten Artikels, „legen diese Befunde nahe, dass es einen größeren Bedarf an Klinikern geben wird, die das Wissen im Umgang mit Transgender-Personen und die erforderliche Expertise für geschlechtsangleichende  Operationen haben“.

Quelle:

Wright JD, Chen L, Suzuki Y, Matsuo K, Hershman DL. National Estimates of Gender-Affirming Surgery in the US. JAMA Netw Open. 2023;6(8):e2330348. doi:10.1001/jamanetworkopen.2023.30348.

Bei Kinderwunsch: Jod und Folsäure

Der Markt für Nahrungsergänzungsmittel und -zusätze ist groß, zumeist nutzen diese Präparate aber nur den Herstellern. Diesen Standpunkt, den ich über Jahrzehnte in zahlreichen Studien bestätigt fand, vertritt auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Berlin. In einer aktuellen Pressemitteilung heißt es wörtlich: „Für gesunde Menschen in Deutschland, die sich ausgewogen und vielfältig ernähren, sind Nahrungsergänzungsmittel meist überflüssig.“

Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel und solch eine Ausnahme sind Schwangere und Frauen, die einen Kinderwunsch hegen. Ihnen wird von wissenschaftlichen Fachgesellschaften wie der Deutschen Gesellschaft für Ernährung eine zusätzliche Einnahme von Präparaten mit Jod und dem Vitamin Folat (die synthetische Form heißt „Folsäure“) empfohlen. „Informationen über die Bedeutung dieser lebenswichtigen Mikronährstoffe für die Gesundheit von Mutter und (ungeborenem) Kind sollten daher ein wesentlicher Bestandteil der ärztlichen Beratung von Frauen mit Kinderwunsch sowie in Schwangerschaft und Stillzeit sein“, heißt es in der Pressemitteilung.

Um Ärzten die Beratung zu erleichtern hat man beim BfR ein Merkblatt neu aufgelegt. Es hat 8 Seiten, kann im pdf-Format kostenlos heruntergeladen werden, und ist verständlich genug, um auch für die betroffenen Frauen lesbar zu sein.

Obwohl bereits 1989 eine Änderung der Verordnung über jodiertes Speisesalz eingeführt wurde, ist Jodmangel in Deutschland noch immer weit verbreitet. Die Wissenschaftler verweisen auf eine aktuelle Erhebung des Robert Koch-Instituts, wonach etwa 30 Prozent der untersuchten Erwachsenen und 44 Prozent der Kinder und Jugendlichen „ein Risiko für eine unzureichende Jodaufnahme hätten“.

Besonders wichtig ist das Spurenelement für die körperliche und geistige Entwicklung des Kindes – und zwar schon im Mutterleib. Daher wird in Deutschland für Schwangere und Stillende – nach vorheriger ärztlicher Rücksprache – die Einnahme von Präparaten mit 100 (bis 150) Mikrogramm Jod pro Tag empfohlen.

Ohne ausreichende Folatversorgung besteht die Gefahr, dass Kinder mit einem sogenannten Neuralrohrdefekt geboren werden. Dabei entwickeln sich Teil des Gehirns nicht richtig oder der Rückenmarkskanal bleibt offen („offener Rücken“). Bis zu 1000 Föten jährlich werden in Deutschland mit derartigen Defekten geboren, die meisten versterben in kurzer Zeit. Die Empfehlung dagegen lautet, mindestens vier Wochen vor Beginn und in den ersten drei Monaten einer Schwangerschaft täglich 400 Mikrogramm Folsäure in Tablettenform zu ergänzen. Eine Alternative wäre es, z.B. Salz generell mit Folsäure anzureichern, wie es in den USA seit 1996 gemacht wird. Im Gegensatz zu Europa, wo man sich mit derartigen Maßnahmen schwertut, ist die Zahl der Neuralrohrdefekte in den USA seitdem deutlich zurückgegangen.

Quelle / mehr dazu:

Bei Kinderwunsch an Jod und Folsäure denken

Der Markt für Nahrungsergänzungsmittel und -zusätze ist groß, zumeist nutzen diese Präparate aber nur den Herstellern. Diesen Standpunkt, den ich über Jahrzehnte in zahlreichen Studien bestätigt fand, vertritt auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Berlin. In einer aktuellen Pressemitteilung heißt es wörtlich: „Für gesunde Menschen in Deutschland, die sich ausgewogen und vielfältig ernähren, sind Nahrungsergänzungsmittel meist überflüssig.“

Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel und solch eine Ausnahme sind Schwangere und Frauen, die einen Kinderwunsch hegen. Ihnen wird von wissenschaftlichen Fachgesellschaften wie der Deutschen Gesellschaft für Ernährung eine zusätzliche Einnahme von Präparaten mit Jod und dem Vitamin Folat (die synthetische Form heißt „Folsäure“) empfohlen. „Informationen über die Bedeutung dieser lebenswichtigen Mikronährstoffe für die Gesundheit von Mutter und (ungeborenem) Kind sollten daher ein wesentlicher Bestandteil der ärztlichen Beratung von Frauen mit Kinderwunsch sowie in Schwangerschaft und Stillzeit sein“, heißt es in der Pressemitteilung.

Um Ärzten die Beratung zu erleichtern hat man beim BfR ein Merkblatt neu aufgelegt. Es hat 8 Seiten, kann im pdf-Format kostenlos heruntergeladen werden, und ist verständlich genug, um auch für die betroffenen Frauen lesbar zu sein.

Obwohl bereits 1989 eine Änderung der Verordnung über jodiertes Speisesalz eingeführt wurde, ist Jodmangel in Deutschland noch immer weit verbreitet. Die Wissenschaftler verweisen auf eine aktuelle Erhebung des Robert Koch-Instituts, wonach etwa 30 Prozent der untersuchten Erwachsenen und 44 Prozent der Kinder und Jugendlichen „ein Risiko für eine unzureichende Jodaufnahme hätten“.

Besonders wichtig ist das Spurenelement für die körperliche und geistige Entwicklung des Kindes – und zwar schon im Mutterleib. Daher wird in Deutschland für Schwangere und Stillende – nach vorheriger ärztlicher Rücksprache – die Einnahme von Präparaten mit 100 (bis 150) Mikrogramm Jod pro Tag empfohlen.

Ohne ausreichende Folatversorgung besteht die Gefahr, dass Kinder mit einem sogenannten Neuralrohrdefekt geboren werden. Dabei entwickeln sich Teil des Gehirns nicht richtig oder der Rückenmarkskanal bleibt offen („offener Rücken“). Bis zu 1000 Föten jährlich werden in Deutschland mit derartigen Defekten geboren, die meisten versterben in kurzer Zeit. Die Empfehlung dagegen lautet, mindestens vier Wochen vor Beginn und in den ersten drei Monaten einer Schwangerschaft täglich 400 Mikrogramm Folsäure in Tablettenform zu ergänzen. Eine Alternative wäre es, z.B. Salz generell mit Folsäure anzureichern, wie es in den USA seit 1996 gemacht wird. Im Gegensatz zu Europa, wo man sich mit derartigen Maßnahmen schwertut, ist die Zahl der Neuralrohrdefekte in den USA seitdem deutlich zurückgegangen.

Quelle / mehr dazu:

Mehr Ausdauer mit Urolithin?

Inspiriert von einem Fachartikel, den ich für Univadis.de geschrieben habe, habe ich das Wort „Urolithin“ gegoogelt. Binnen einer halbe Sekunde findet die Suchmaschine 180.000 Einträge. Der oberste stammt von der Wikipedia, ist äußerst knapp und belehrt mich: „Die Urolithine sind eine Gruppe natürlicher Phenole, die beim Abbau von Ellagsäure und Ellagitanninen im Verdauungstrakt entstehen.“ Ellagsäure und Ellagitannine sind wiederum in Granatäpfeln enthalten – und das ist wohl auch der Grund, warum Google mir noch über den eigentlichen Suchergebnissen gleich 5 Anbieter von Granatapfel-Extrakten einblendet.

Eine Handvoll Kapseln kostet zwischen 20 und 55 Euro, und dafür gibt es z.B. „Vorbeugung und Unterstützung für das Herz-Kreislaufsystem“, „Antioxidantien“, „gesundheitsfördernde Polyphenole“, „wertvolle Mineralstoffe“ und „optimale Bioverfügbarkeit der verwendeten Inhaltstoffe“.

Generell bin ich sehr skeptisch, was die Versprechungen von Nahrungsergänzungsmitteln angeht. Zwar habe ich auch schon Vitaminpillen und Kombipräparate geschluckt. Spätestens als im Jahr 1996 jedoch eine große Studie ergeben hatte, dass Vitamin B und E bei Rauchern das Risiko für Lungenkrebs erhöhten, lasse ich die Finger von dem Zeug und verlange generell harte Beweise für den Nutzen jeglicher Pille, bevor ich sie schlucke.

Harte Beweise findet man häufig in klinischen Studien, und so wurde ich hellhörig, als ich in der Fachzeitschrift JAMA Network Open von den Effekten einer Supplementierung durch Urolithin A auf die Muskelausdauer und „mitochondriale Gesundheit“ bei älteren Menschen las. Grund zur Skepsis gibt zwar die kleine Zahl von nur 66 Teilnehmern und die Finanzierung der Studie durch das Unternehmen Amazentis, wo man sich weltweite Patente für eine Urolithin A-Zubereitung unter dem Markennamen Mitopure™ gesichert hat.

Immerhin war die Studie aber randomisiert und doppel-blind angelegt. Das bedeutet, dass die Teilnehmer nach dem Losverfahren täglich entweder 1 Gramm Urolithin A erhielten oder ein wirkungsloses Scheinpräparat (Placebo). Um zu verhindern, dass die Erwartung das Ergebnis beeinflussen würde, erfuhren zudem die beteiligten Wissenschaftler und die Probanden erst am Ende der Studie, wer was erhalten hatte.

Wie es sich für eine ordentliche Studie gehört, hatten die Forscher im Voraus festgelegt, woran sie den Nutzen von Urolithin A messen wollten: Die durchschnittlich 72 Jahre alten Senioren mussten zu Beginn der Studie und nach 4 Monaten 6 Minuten lang gehen, wobei die Zahl der Schritte gemessen wurde. Jene, die Urolithin A bekommen hatten, schafften im zweiten Anlauf 61 Meter mehr, bei den Placebo-Empfängern waren es 43 Meter. Zwar sieht dies auf den ersten Blick wie ein leichter Vorteil für das Nahrungsergänzungsmittel aus. Die statistische Analyse ergab jedoch, dass der Unterschied ebenso gut auf einer zufälligen Schwankung beruhen könnte („nicht signifikant“).

Als nächstes schauten die Forscher mithilfe der Magnetresonanzspektroskopie in Muskeln der Hand und am Schienbein nach, ob die Substanz ATP (eine Art „Energieriegel“ für die Zellen) nach zweimonatiger Einnahme von Urolithin A gegenüber Placebo vermehrt gebildet wurde. Dies war indes nicht der Fall. Am Schienbeinmuskel hatten die Produktion von ATP unter Urolithin A scheinbar sogar abgenommen. Doch auch hier ergab die statistische Analyse: kein signifikanter Unterschied.

Umso erstaunlicher mutet das Ergebnis des dritten Tests an, den die Wissenschaftler unternommen haben: Sie baten ihre Probanden, möglichst oft die Hand- bzw. Schienbeinmuskeln anzuspannen und zählten die Zahl der Kontraktionen bis zur Erschöpfung. Diejenigen Senioren, die 2 Monate lang Urolithin A genommen hatten, schafften dies in der Hand durchschnittlich 95 mal, und am Schienbein 41 mal. Probanden, die nur ein Placebo bekommen hatten, erreichten dagegen nur 12 bzw. 6 Kontraktionen. Allerdings: Nach 4 Monaten hatten die Placebo-Empfänger deutlich aufgeholt, sodass der Unterschied zwischen den Gruppen gemäß den Regeln der Statistik erneut nicht eindeutig (signifikant) war.

Trotz dieser eher zwiespältigen Ergebnisse kommen die Autoren der Studie – darunter mehrere Mitarbeiter des Herstellers – zu dem Schluss, dass Urolithin A bei längerfristigem Gebrauch dem alters-assoziierten Muskelschwund entgegenwirken könnte. Begierig wurde die, von einer Pressemitteilung begleitete, Geschichte vor allem in den USA von den Medien aufgenommen. Schon wird Urolithin A als „Jungbrunnen“ gefeiert, der die Leistung steigert und das Altern der Muskeln umkehren könne. Für den Hersteller sind das sicher gute Nachrichten. Ich aber bleibe bei meiner Skepsis und setze gegen Alterserscheinungen weiterhin auf schweißtreibende Ausritte mit meinem Rennrad.

Quellen:

Ein Jungbrunnen für die Muskeln?

Inspiriert von einem Fachartikel, den ich für Univadis.de geschrieben habe, habe ich das Wort „Urolithin“ gegoogelt. Binnen einer halben Sekunde findet die Suchmaschine 180.000 Einträge. Der oberste stammt von der Wikipedia, ist äußerst knapp und belehrt mich: „Die Urolithine sind eine Gruppe natürlicher Phenole, die beim Abbau von Ellagsäure und Ellagitanninen im Verdauungstrakt entstehen.“ Ellagsäure und Ellagitannine sind wiederum in Granatäpfeln enthalten – und das ist wohl auch der Grund, warum Google mir noch über den eigentlichen Suchergebnissen gleich 5 Anbieter von Granatapfel-Extrakten einblendet.

Eine Handvoll Kapseln kostet zwischen 20 und 55 Euro, und dafür gibt es z.B. „Vorbeugung und Unterstützung für das Herz-Kreislaufsystem“, „Antioxidantien“, „gesundheitsfördernde Polyphenole“, „wertvolle Mineralstoffe“ und „optimale Bioverfügbarkeit der verwendeten Inhaltstoffe“.

Generell bin ich sehr skeptisch, was die Versprechungen von Nahrungsergänzungsmitteln angeht. Zwar habe ich auch schon Vitaminpillen und Kombipräparate geschluckt. Spätestens als im Jahr 1996 jedoch eine große Studie ergeben hatte, dass Vitamin B und E bei Rauchern das Risiko für Lungenkrebs erhöhten, lasse ich die Finger von dem Zeug und verlange generell harte Beweise für den Nutzen jeglicher Pille, bevor ich sie schlucke.

Harte Beweise findet man häufig in klinischen Studien, und so wurde ich hellhörig, als ich in der Fachzeitschrift JAMA Network Open von den Effekten einer Supplementierung durch Urolithin A auf die Muskelausdauer und „mitochondriale Gesundheit“ bei älteren Menschen las. Grund zur Skepsis gibt zwar die kleine Zahl von nur 66 Teilnehmern und die Finanzierung der Studie durch das Unternehmen Amazentis, wo man sich weltweite Patente für eine Urolithin A-Zubereitung unter dem Markennamen Mitopure™ gesichert hat.

Immerhin war die Studie aber randomisiert und doppel-blind angelegt. Das bedeutet, dass die Teilnehmer nach dem Losverfahren täglich entweder 1 Gramm Urolithin A erhielten oder ein wirkungsloses Scheinpräparat (Placebo). Um zu verhindern, dass die Erwartung das Ergebnis beeinflussen würde, erfuhren zudem die beteiligten Wissenschaftler und die Probanden erst am Ende der Studie, wer was erhalten hatte.

Wie es sich für eine ordentliche Studie gehört, hatten die Forscher im Voraus festgelegt, woran sie den Nutzen von Urolithin A messen wollten: Die durchschnittlich 72 Jahre alten Senioren mussten zu Beginn der Studie und nach 4 Monaten 6 Minuten lang gehen, wobei die Zahl der Schritte gemessen wurde. Jene, die Urolithin A bekommen hatten, schafften im zweiten Anlauf 61 Meter mehr, bei den Placebo-Empfängern waren es 43 Meter. Zwar sieht dies auf den ersten Blick wie ein leichter Vorteil für das Nahrungsergänzungsmittel aus. Die statistische Analyse ergab jedoch, dass der Unterschied ebenso gut auf einer zufälligen Schwankung beruhen könnte („nicht signifikant“).

Als nächstes schauten die Forscher mithilfe der Magnetresonanzspektroskopie in Muskeln der Hand und am Schienbein nach, ob die Substanz ATP (eine Art „Energieriegel“ für die Zellen) nach zweimonatiger Einnahme von Urolithin A gegenüber Placebo vermehrt gebildet wurde. Dies war indes nicht der Fall. Am Schienbeinmuskel hatten die Produktion von ATP unter Urolithin A scheinbar sogar abgenommen. Doch auch hier ergab die statistische Analyse: kein signifikanter Unterschied.

Umso erstaunlicher mutet das Ergebnis des dritten Tests an, den die Wissenschaftler unternommen haben: Sie baten ihre Probanden, möglichst oft die Hand- bzw. Schienbeinmuskeln anzuspannen und zählten die Zahl der Kontraktionen bis zur Erschöpfung. Diejenigen Senioren, die 2 Monate lang Urolithin A genommen hatten, schafften dies in der Hand durchschnittlich 95 mal, und am Schienbein 41 mal. Probanden, die nur ein Placebo bekommen hatten, erreichten dagegen nur 12 bzw. 6 Kontraktionen. Allerdings: Nach 4 Monaten hatten die Placebo-Empfänger deutlich aufgeholt, sodass der Unterschied zwischen den Gruppen gemäß den Regeln der Statistik erneut nicht eindeutig (signifikant) war.

Trotz dieser eher zwiespältigen Ergebnisse kommen die Autoren der Studie – darunter mehrere Mitarbeiter des Herstellers – zu dem Schluss, dass Urolithin A bei längerfristigem Gebrauch dem alters-assoziierten Muskelschwund entgegenwirken könnte. Begierig wurde die, von einer Pressemitteilung begleitete, Geschichte vor allem in den USA von den Medien aufgenommen. Schon wird Urolithin A als „Jungbrunnen“ gefeiert, der die Leistung steigert und das Altern der Muskeln umkehren könne. Für den Hersteller sind das sicher gute Nachrichten. Ich aber bleibe bei meiner Skepsis und setze gegen Alterserscheinungen weiterhin auf schweißtreibende Ausritte mit meinem Rennrad.

Quellen:

Denguefieber mit Bakterien bekämpft

Mit Hilfe natürlich vorkommender Bakterien haben australische Wissenschaftler einen bedeutenden Erfolg gegen das Denguefieber errungen: Auf einer Testfläche im indonesischen Yogyakarta reduzierte die biologische Infektionskontrolle unter mehr als 8000 Versuchsteilnehmern die Zahl der Erkrankungen auf ein Viertel, und die Zahl der Klinikeinweisungen auf ein Siebtel. Finanziert wurde die Studie von der Tahija-Stiftung, dem Wellcome Trust, und der Bill and Melinda Gates Foundation.

Das Denguefieber trifft jährlich zwischen 50 und 100 Millionen Menschen, vor allem in den Tropen und Subtropen. Es geht neben dem namensgebenden Fieber mit starken Kopf-, Gelenk- und Muskelschmerzen einher, von denen sich die Betroffenen nur langsam erholen, und die Krankheit kann in seltenen Fälle auch tödlich verlaufen. In Deutschland wurden dem Robert-Koch-Institut im letzten Berichtsjahr 2019 eine Rekordzahl von 1176 Fällen bei Rückkehrern aus Thailand, Indonesien und anderen Reisezielen gemeldet.

Der Erreger des Denguefiebers ist ein RNA-Virus, die wichtigsten Überträger sind Stechmücken der Art Aedes aegypti. Die hat man bislang mit Insektiziden bekämpft, oder durch das Austrocknen der vielen kleinen Wasserstellen, in denen sich die Larven der Mücken entwickeln – jedoch waren beide Strategien nur mäßig erfolgreich.

Eine Arbeitsgruppe um Cameron P. Simmons an der Monash-Universität im australischen Clayton hat nun in der Fachzeitschrift New England Journal of Medicine die Ergebnisse einer Studie veröffentlicht, wonach eine spezielle Art der biologischen Infektionskontrolle bisherigen Methoden deutlich überlegen ist. Sie nutzten dabei Bakterien der Art Wolbachia pipientis, die in der freien Natur in etwa 60 Prozent aller Insektenarten vorkommen – nicht aber in Stechmücken.

Tausende von Versuchen waren nötig, bis es den Forschern gelang, mit feinen Injektionsnadeln die Wolbachia-Bakterien in Eier der Denguemücken zu spritzen, aus denen erst Larven und dann erwachsene Mücken heranwuchsen, die wiederum Wolbachia-Bakterien in sich trugen. Eine Folge davon ist, dass die Dengueviren im Leib der Mücken sich kaum noch vermehren können. Befallene Mücken saugen zwar weiterhin Blut beim Menschen, jedoch stellt dies kaum noch ein Infektionsrisiko dar. Außerdem bieten die Wolbachia-Bakterien noch einen weiteren Vorteil: Sie manipulieren ihre Wirte derart, dass sie sich in der freilebenden Mückenpopulation von selbst ausbreiten. Nur Weibchen, die Wolbachia-Bakterien in sich tragen, können nämlich fruchtbare Nachkommen auf die Welt bringen.

Nach jahrelangen Vorversuchen in geschlossenen Räumen, Genehmigungsverfahren bei den örtlichen Behörden und mit schriftlicher Zustimmung der 8144 Studienteilnehmer bzw. ihrer Eltern starteten die Forscher im Jahr 2017 den bislang größten Feldversuch dieser Art. Innerhalb der indonesischen Großstadt Yogyakarta wählten sie dabei ein Gebiet von 26 Quadratkilometern, das in 24 separate Flächen unterteilt wurde. Drei Jahre lang wurden auf 12 dieser Flächen insgesamt 9-14-mal Eier der vorbehandelten Mücken ausgesetzt, während die anderen Flächen als Vergleich dienen sollten. In den Krankenhäusern des Gebiets wurde schließlich erfasst, wie viele der Studienteilnehmer dort mit Denguefieber auftauchten und wie viele so schwer erkrankten, dass sie in der Klinik bleiben mussten.

Das Ergebnis war eindeutig: Dort, wo man die „Wolbachia-Mücken“ ausgesetzt hatte, erkrankten 67 von 2905 Teilnehmern (2,3 Prozent), in den Kontrollgebieten waren es 318 von 3401 (9,4 Prozent). Dies bedeutet, dass die Forscher mit ihrer Strategie etwa drei Viertel aller Infektionen verhindern konnten. Nochmals stärker war die Reduktion bei den Krankenhauseinweisungen. Nur 0,4 Prozent – also jeweils einer unter 250 – erkrankte in den Gegenden mit Wolbachia-Mücken gegenüber 3 Prozent (jeder 33ste) in den Vergleichsgebieten.

Dieser Erfolg ist umso erstaunlicher, weil die Versuchs- und die Kontrollgebiete räumlich benachbart waren und es keine größeren Barrieren für die Ausbreitung der Mücken gab. Die Überzahl an Wolbachia-Mücken im Versuchsgebiet blieb während jahrelanger Beobachtungen stabil, sodass die Methode womöglich jeweils nur ein einziges Mal angewandt werden muss. Wenn auch in anderen Infektionsgebieten ähnlich gute Resultate erzielt werden können, wäre dies ein bedeutender Erfolg für die biologische Infektionsbekämpfung.

Quellen:

Utarini A et al.: Efficacy of Wolbachia-Infected Mosquito Deployments for the Control of Dengue. N Engl J Med. 2021 Jun 10;384(23):2177-2186. doi: 10.1056/NEJMoa2030243.

Falkenhorst G et al.: Zur Situation bei wichtigen Infektionskrankheiten – Reiseassoziierte Krankheiten 2019 Epid Bull 2020; 50:7-20. doi: 10.25646/7693

weitere Informationen:

Das World Mosquito Program beschreibt (auf Englisch), und in einem YouTube-Video, wie Wolbachia-Bakterien indirekt die Verbreitung des Denguevirus verhindern.

Gewalt als Folge einer Kopfverletzung?

Dass gewalttätige Menschen häufiger im Gefängnis landen als friedliche Zeitgenossen dürfte niemanden überraschen. Die Frage, warum jemand eine Körperverletzung begeht, ist aber nicht so einfach zu beantworten. In der Fachzeitschrift Lancet Psychiatry haben Wissenschaftler nun eine Studie veröffentlicht, wonach Frauen, die in schottischen Gefängnissen einsitzen, extrem häufig Kopfverletzungen erlitten haben. Und eben diese Frauen hatten eindeutig häufiger eine Vorgeschichte gewaltsamer Straftaten als andere Insassen ohne Kopfverletzungen.

Im Detail hatten die Forscher die 109 freiwilligen Studienteilnehmerinnen erst gründlich untersucht, und dann in einem Interview befragt. Dabei stellte sich heraus, dass 85 dieser Frauen – also fast 80 Prozent – nach eigenen Angaben in ihrem Vorleben signifikante Kopfverletzungen mit vorübergehender Bewusstlosigkeit erlitten hatten, 71 davon sogar mehrfach, und bei 34 hatte dies zu einer bleibenden Behinderung geführt. Die meisten Verletzungen waren auf häusliche Gewalt zurückzuführen, viele Frauen waren außerdem als Kinder oder Erwachsene misshandelt worden.

Der wichtigste Befund der Studie aber lautet, dass die Frauen mit Kopfverletzungen eindeutiger häufiger Gewalt angewandt hatten. Die Wahrscheinlichkeit dafür war bei ihnen mehr als drei Mal so hoch, wie bei Frauen ohne Kopfverletzungen, und sie saßen dafür im Durchschnitt auch länger im Gefängnis.

Die Untersuchung wurde von der schottischen Regierung finanziert und kommt zu dem Schluss, dass Kopfverletzungen in der Vorgeschichte bei der Entwicklung einer gerechteren Strafordnung berücksichtigt werden sollten.

Quelle:

McMillan TM et al.: Associations between significant head injury and persisting disability and violent crime in women in prison in Scotland, UK: a cross-sectional study. Lancet Psychiatry. 2021 Jun;8(6):512-520. doi: 10.1016/S2215-0366(21)00082-1.

Vorhersage der Schuppenflechte

Nicht nur lästig und häufig quälend, sondern oft auch traumatisierend – so erleben viele Patienten die Hautkrankheit Schuppenflechte (Psoriasis). Angesichts silbriger Hautschuppen oder roter Flecken fühlen sie sich entstellt und ausgegrenzt, obwohl die Psoriasis nicht ansteckend ist. Dazu kommt trotz Medikamenten bei annähernd der Hälfte der rund 2 Millionen Betroffenen in Deutschland ein ständiger Juckreiz. Kein Wunder, dass sie sich fragen: „Bleibt das so oder geht das wieder weg?“

Eine Antwort darauf geben schwedische Wissenschaftler in der Fachzeitschrift JAMA Dermatology. Sie haben dazu die Daten von 721 Patienten ab 15 Jahren ausgewertet, die in Stockholm im Abstand von 10 Jahren mehrfach von Fachärzten untersucht und befragt worden waren. Aus der Statistik kann man zwar für einen einzelnen Patienten nicht mit Sicherheit vorhersagen, wie seine Krankheit sich entwickeln wird. Immerhin bestätigt die Untersuchung jedoch, dass es verschiedene Erscheinungsformen der Schuppenflechte gibt, und bei diesen Varianten ist die Chance auf eine Heilung sehr unterschiedlich.

Die wichtigsten Ergebnisse der aus öffentlichen Mitteln finanzierten Studie lauten:

⇒ Etwa jeder 5. Patient entwickelt im Verlauf von etwa 12 Jahren eine schwere Erkrankung. Das Risiko dafür war bei Rauchern deutlich (um 70 %) erhöht, was auch schon frühere Studien gezeigt hatten.

⇒ Die häufigste Form der Krankheit ist die Plaque-Psoriasis (Psoriasis vulgaris) Sie lag anfangs bei 75 % der Patienten vor und ist durch silbrige Schuppen gekennzeichnet. Ohne Behandlung erreicht in dieser Gruppe nach 10 Jahren nur jeder 5. eine „minimale Krankheitsaktivität“, die ihn kaum beeinträchtigt.

⇒ 24 % erkrankten im Untersuchungszeitraum an einer dem Gelenkrheuma ähnlichen Variante der Schuppenflechte, der Psoriasis-Arthritis. Das Risiko dafür war erhöht (52 %) unter Patienten mit einer anfänglichen Plaque-Psoriasis, die unter einem schweren Befall der Haut einschließlich des Kopfes gelitten hatten.

⇒ Patienten mit anfänglich geringer Krankheitsaktivität (unter dem Durchschnitt) entwickelten nur in 11 % der Fälle eine Psoriasis-Arthritis.

⇒ Die oft bei Kindern und Jugendlichen auftretende Psoriasis guttata mit ihren roten Punkten auf der Haut wurde in der Studie anfangs bei 24 % der Teilnehmer festgestellt. Diese hatten im Vergleich zur Psoriasis vulgaris einen im Durchschnitt günstigeren Verlauf. Auch ohne Medikamente war hier nach 10 Jahren bei 48 % eine minimale Krankheitsaktiviät erreicht.

Für Diskussionen dürfte vor allem eine Beobachtung der Wissenschaftler sorgen: Sie konnten nämlich zeigen, dass jene Patienten, die von Beginn an eine innerliche („systemische“) Therapie gegen die Schuppenflechte bekommen hatten, ein um 76 % geringeres Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf hatten als jene, die erst später diese Medikamente erhielten. Zu diesen Arzneien gehören allerdings auch eine Reihe neuer Präparate, deren Kosten bei bis zu 25000 Euro jährlich liegen.

Quellen:

Svedbom A et al.: Long-term Outcomes and Prognosis in New-Onset Psoriasis. JAMA Dermatol. 2021 Apr 14. doi: 10.1001/jamadermatol.2021.0734.

Deutsche Dermatologische Gesellschaft: Leitlinie Therapie der Psoriasis vulgaris.