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Rezepte gegen das Waldsterben

Der Wald kommt unter die Räder. So lautete bisher die auf den Punkt gebrachte Befürchtung von Naturschützern, Umweltforschern und Forstbesitzern. Immer deutlicher wurde in den letzten Jahren, daß die beachtlichen Erfolge bei der Luftreinhaltung zunichte gemacht werden durch die scheinbar unaufhaltsame Zunahme der Verkehrs, durch unser aller Drang nach der Freiheit auf den eigenen vier Rädern.

Gewachsen ist aber auch die Einsicht, daß die früher als „natürlich“ eingestuften Abfälle einer hochtechnisierten Landwirtschaft dem deutschen Wald heute nicht weniger schaden als die rauchenden Schornsteine der Nachkriegsjahre.

In zehn Jahren Waldschadensforschung  wurden gut 700 Projekte von Bund, Ländern und der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert, auf etwa 360 Millionen Mark beläuft sich inzwischen die Rechnung. Dazu kommen 420 Millionen Mark aus Steuergeldern für „flankierende forstliche Maßnahmen“, die es den Waldbesitzern ermöglichen sollten, die Widerstandsfähigkeit der Waldökosysteme zu erhalten und zu verbessern. Eine schmerzfreie und billige Lösung des Problems ist dennoch nicht in Sicht.

„Die Forstwirtschaft hat relativ wenige Möglichkeiten, zu reagieren. Die Wälder sind den Emissionen schutzlos preisgegeben“, sagt Professor Karl Kreutzer vom Lehrstuhl für Bodenkunde der Forstwirtschaftlichen Fakultät der Universität München. Auch die Kalkung, mit der die Versauerung der Böden bekämpft werden soll, ist kein Allheilmittel. Auf seinen Versuchsflächen im Höglwald zwischen München und Augsburg wies Kreutzer nach, daß vermehrt Nitrat gebildet wird. Die Ionen werden mit dem Regen ausgeschwemmt und stellen eine langfristige Bedrohung für das Trinkwasser dar.

Zu den trüben Zukunftsaussichten kommt die Tatsache hinzu, daß die bisherigen Maßnahmen zur Luftreinhaltung am Gesundheitszustandes des deutschen Waldes wenig zu ändern vermochten. Während sich Nadelbaumarten seit Jahren langsam erholen, geht es mit den wichtigsten Laubbäumen weiter bergab. Dabei wurden in den letzten 15 Jahren eine ganze Reihe von Gesetzen und Verordnungen erlassen, die oftmals mit hohen Erwartungen verknüpft waren:

Noch zu Beginn der achtziger Jahre wurden in der alten Bundesrepublik weit über drei Millionen Tonnen Schwefeldioxid jährlich in die Luft geblasen, von denen vier Fünftel auf das Konto von Kraftwerken und Industrie gingen. Mit der Großfeuerungsanlagen-Verordnung von 1983 ging die Ära der rauchenden Schornsteine dann zu Ende. Vor allem der Einführung von Rauchgas-Entschwefelungsanlagen ist es zu verdanken, daß die SO2-Emissionen der alten Bundesländer mittlerweile um siebzig Prozent zurückgegangen sind. Durch Betriebsstilllegungen und die Umrüstung bestehender Anlagen klärt sich der Himmel über Ostdeutschland deutlich schneller, doch liegen noch keine neuen Zahlen vor.

Ob die bisherigen Anstrengungen dem Wald geholfen haben, ist schwer zu beurteilen. Wie Professor Wolfram Elling an der Fachhochschule Weihenstehphan in Freising zeigen konnte, scheint es bei Tannen und Fichten schon in der ersten Hälfte der achtziger Jahre zu einer Art Trendwende gekommen zu sein. An der besonders stark von den neuartigen Waldschäden betroffenen Weißtanne ließ sich dies an den immer breiter werdenden Jahresringen ablesen.

Allerdings gilt diese Beobachtung nur für noch erholungsfähige Bäume, wie der Dendrochronologe betont. Aber während Frost und Dürre für das Sterben der Weißtannen ebenso wie die Versauerung der Böden anscheinend nur von untergeordneter Bedeutung sind, ist der Zusammenhang zwischen örtlicher Schwefelbelastung und dem Schädigungsgrad dieser Baumart eindeutig.

Ein weiterer Hinweis darauf, daß die Reduktion des Schwefeldioxidausstoßes zumindest eine Entlastung für den Wald gebracht hat, stammt von Untersuchungen, bei denen die Nadelmasse von Fichten im Flachland bestimmt wurde. Sie nahm etwa ab 1985 so stark zu, daß die früheren Verluste heute kaum mehr zu erkennen sind. „Erholungsfähige“ Bäume, die auf 800 Metern Höhe im Fichtelgebirge geschlagen wurden, zeigen außerdem den bereits bei den Weißtannen beobachteten Zuwachs in der Breite der Jahresringe. „Die sehr deutliche Drosselung der Schwefeldioxidemissionen während des letzten Jahrzehnts kann hier mitspielen, liefert aber keine ausreichende Erklärung“, relativiert Professor Elling.

Eine Reduktion der Stickoxide hatte man sich von der im Sommer 1983 beschlossenen Einführung des Katalysators bei Personenkraftwagen erhofft. Die Vereinigten Staaten und Japan hatten zu diesem Zeitpunkt schon vorexerziert, daß der Ausstoß dieser Gase am Einzelfahrzeug durch den Einbau des Kat um 90 Prozent veringert werden kann. Dagegen hatten sich die NOx-Emissionen aus dem bundesdeutschen Kraftfahrzeugverkehr zwischen 1970 und 1982 fast verdoppelt: 1,4 Millionen Tonnen Stickoxide jährlich strömten damals durch den Auspuff in die Umwelt. Mit steuerlichen Anreizen und der europaweiten Einführung von bleifreiem Benzin hoffte man, diesen Betrag bis 1990 mindestens zu halbieren.

Inzwischen hat sich diese Kalkulation aber als Milchmädchenrechnung erwiesen, die Emissionen sind gegenüber 1982 um ein Drittel gestiegen. Seit der Einführung des Katalysator-Autos vor zehn Jahren wuchs die Zahl der Pkw in den alten Bundesländern von 24 auf über 32 Millionen. Die wiedervereinigten Deutschen legten 1991 zusammen 866 Milliarden Kilometer zurück, das entspricht etwa 6000 Mal der Entfernung von der Erde zur Sonne. Vier von fünf Kilometern wurden dabei im Auto gefahren, mit steigender Tendenz seit 1970.

Zwar werden mittlerweile 99 Prozent aller neuzugelassenen Pkw mit geregeltem Drei-Wege-Kat ausgeliefert, auf den Straßen rollen aber momentan noch sechs von zehn Karossen „hinten ohne“. Verschärfend kommt noch hinzu, daß der durchschnittliche Verbrauch der in Deutschland zugelassenen Pkw 1991 noch immer 9,9 Liter auf 100 Kilometer betrug, gegenüber 10,7 Litern im Jahre 1975. Die technischen Verbesserungen der letzten 16 Jahre kamen also nicht der Umwelt zugute sondern gingen laut einer Erklärung des Umweltbundesamtes einher mit einem „Trend zu leistungsstärkeren und schwereren PKW, die mit höheren Geschwindigkeiten gefahren werden.“

Für den Vorsitzenden des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Hubert Weinzierl, stellt sich daher die Frage: „Sind wird bereit, den Wald unserer überbordenden Mobilität zu opfern?“. Auch Waldschadensforscher Kreutzer fordert „nicht nur den Kat, sondern kleinere Autos mit geringerem Treibstoffverbrauch.“

Die im Juli angekündigte sogenannte Sommersmogverordnung aber bringt in dieser Hinsicht keine Verbessserung. Im Auftrag der Bundesregierung hatte das Umweltministerium einen Entwurf ausgearbeitet, nach dem „Konzentrationswerte“ für Stickoxide, Benzol und Ruß ab Juli 1995 in Kraft treten und drei Jahre später nochmals verschärft werden sollen. Die örtlichen Behörden dürfen bei Überschreiten der Werte auf die Bremse treten und den Verkehr durch Umleitungen, Straßensperren, Geschwindigkeitsbeschränkungen und Fahrverbote drosseln.

Der Anreiz zum Kauf eines Katalysatorautos besteht darin, daß diese von Fahrverboten verschont bleiben sollen. Ursprünglich wollte Umweltminister Klaus Töpfer die schärferen Werte schon zum früheren Datum durchsetzen. Wie frustrierte Mitarbeiter hinter vorgehaltener Hand bekennen, scheiterte der Vorstoß aber am Widerstand der Ministerien für Verkehr und Wirtschaft, die zudem noch die Stimme des Kanzlers auf ihrer Seite wußten.

Durch die Sommersmogverordnung werden in erster Linie die Anwohner vielbefahrener Straßen entlastet. Sie dürfen darauf hoffen, in Zukunft weniger Gifte schlucken zu müssen. „Eine deutliche Minderung der Emissionen von Vorläufersubstanzen für Ozon“, wie sie Umweltminister Klaus Töpfer erwartet hält Dr. Holger Brackemann, Pressesprecher im Umweltbundesamt, aber für unrealistisch. Selbst bei weitgehenden Sperrungen der Innenstädte ergäben sich lediglich Veränderungen im Prozentbereich. Nötig seien aber Reduktionen um 70 bis 80 Prozent, hieß es bei der Behörde, die unter anderem für die wissenschaftliche Beratung des Umweltministers verantwortlich ist.

Derzeit liegt die Sommersmogverordnung ohnehin auf Eis. „Sie wird auf absehbare Zeit nicht in Kraft treten, es gibt Probleme, die Verordnung in der Bundesregierung konsensfähig zu machen und im Bundesrat durchzubringen.“, räumte Dr. Görgen ein. Widerstand kommt besonders von den Finanzministern der Länder, denen die voraussichtlichen Kosten zu hoch erscheinen, „den Umweltministern wiederum ist die Verordnung viel zu lasch“, schildert Görgen das Gerangel.

Erschwert wird die Durchsetzung von Schutzgesetzen für den Wald auch durch eine mangelnde Haftungspflicht. Hätten Waldbesitzer ein Recht auf Ausgleich der gewaltigen Verluste, die ihnen letztlich durch die Luftverschmutzung entstehen, so könnte dies zu einer Versöhnung der Gegensätze zwischen Umwelt- und Finanzministern führen.

Als Beleg für den mangelnden Handlungswillen der Bundesregierung verweisen Naturschützer gerne auf eine höchstrichterlich dokumentierte Gesetzeslücke: Schon vor sechs Jahren urteilte der Bundesgerichtshof gegenüber der Stadt Augsburg und einem Schwarzwälder Waldbesitzer, die auf Schadensersatz geklagt hatten, daß dafür die entsprechende Rechtsgrundlage fehle. Der Sache nach seien die Waldschäden jedoch „entschädingungswürdig und entschädigungsbedürftig“.

Nun muß das Verfassungsgericht darüber urteilen, wer wen entschädigen muß und mit wessen Geld dies geschehen soll. Ministerialrat Peter Splett, der im Landwirtschaftsministerium für die neuartigen Waldschäden zuständig ist, weiß, das die Forderung nach Ausgleichszahlungen leicht zu stellen, aber nur schwer umzusetzen ist. „Eine Entschädigung setzt voraus, daß man die Ansprüche juristisch klar formulieren kann.“ Dies sei aber angesichts der hochkomplexen Vorgänge im Ökosystem Wald fast unmöglich. Gegenüber dem Finanzministerium konnte man deshalb nicht einmal ungefähre Angaben über die Höhe der zu erwartenden Forderungen machen.

So steht zu befürchten, daß auch die Landwirte sich den Auflagen widersetzen werden, die derzeit in Bonner Ministerien angedacht werden. Ausgangspunkt der Überlegungen ist die Erkenntnis, daß in Folge einer intensiven Tierhaltung und der damit zusammenhängenden überreichlichen Ausbringung der anfallenden Gülle enorme Mengen an Stickstoff in Form von Ammoniak freigesetzt werden.

Unter dem Strich schädigt die Landwirtschaft den Wald daher noch stärker als der Individualverkehr, so die Bilanz eines Hintergrundpapiers aus dem Bundesforschungsministerium. Laut Abteilungsleiter Helmut Schulz soll mit einer Düngeverordnung, „die mittlerweile von der Bundesregierung in Angriff genommen wurde“, erreicht werden, daß Stickstoff in der Landwirtschaft nur noch dort eingesetzt wird, wo die Pflanzen ihn wirklich brauchen.

Vorgesehen ist auch, daß in Großtieranlagen Schadstofffilter eingebaut werden müssen. Dies wäre dann ein weiteres Mosaiksteinchen in der kaum noch überschaubaren Fülle von Gesetzen, Verordnungen, Abgaben, Steuern und technischen Maßnahmen, mit denen der Wald gerettet werden soll, ohne den Wähler zu verprellen.

(Originalmanuskript zu einem Artikel für Bild der Wissenschaft, erschienen in der Dezember-Ausgabe 1993)

Weitere Infos:

  1. Wolfram Elling, Waldschäden und Waldschadensforschung – eine kritische Zwischenbilanz, Naturwissenschaftliche Rundschau Heft 5/92, Seite 184.
  2. Caroline Möhring/BMFT, 10 Jahre Waldschadensforschung, Bonn 1992
  3. Umweltbundesamt, Jahresbericht 1992

Maßnahmen gegen Sommersmog

Die von Umweltminister Klaus Töpfer in der letzten Woche vorgelegte Sommersmog-Verordnung der Bundesregierung ist unter Beschuß geraten, noch bevor sie dem Bundesrat zur Beratung zugeleitet werden konnte. Die Festlegung von Konzentrationswerten für Stickoxide, Benzol und Ruß erleichtert zwar verkehrsrechtliche Maßnahmen durch die örtlichen Behörden – eine deutliche Verminderung des bodennahen Ozons aber wird Kritikern zufolge durch die neue Verordnung nicht erreicht.

Erst wird gemessen, ab dem 1. Juli 1995 darf dann gehandelt werden. Mit diesem Datum treten die neuen Konzentrationswerte in Kraft, die nach langem Tauziehen zwischen Umwelt- Verkehrs- und Wirtschaftsministerium festgelegt wurden. Ziel der Verordnung ist es, den verkehrsbedingten Sommersmog zu bekämpfen. Als Indikatorsubstanzen wählte man Stickoxide (NOx), Benzol und Ruß. Während Benzol und Ruß vor allem wegen ihres krebserregenden Potentials von Bedeutung sind, führen Stickoxide zusammen mit flüchtigen Kohlenwasserstoffen unter Sonneneinstrahlung zur Bildung des Reizgases Ozon.

Der „Ernstfall“ tritt nach dem Willen der Bundesregierung ein, wenn im Jahresmittel mehr als 160 Mikrogramm NOx pro Kubikmeter Luft gemessen, oder aber kurzfristig 320 Mikrogramm (μg) überschritten werden. Für Ruß gilt zunächst ein Jahresmittelwert von 14 μg, der zum 1. Juli 1998 auf 8 μg abgesenkt wird. Auch bei Benzol sind zwei Stufen vorgesehen: Im ersten Schritt gilt ein Konzentrationswert von 15 μg, der drei Jahre später auf 10 μg reduziert wird.

Aus Stichproben weiß man, daß sämtliche Werte vielerorts deutlich überschritten werden, besonders wenn die Meßungen – wie vorgesehen – in engen Straßenschluchten mit geringer Luftzirkulation ausgeführt werden.

Die „erforderlichen Verkehrsmaßnahmen“ – sprich Umleitungen und Straßensperrungen, Geschwindigkeitsbeschränkungen und Fahrverbote – scheinen daher unvermeidlich, drohen aber erst in zwei Jahren. Welche Schritte dann im Einzelnen eingeleitet werden, bleibt den zuständigen Verkehrsbehörden überlassen. „Wir können nicht von Bonn aus beurteilen, welche Maßnahmen vor Ort sinnvoll sind“, begründet Töpfer das Verfahren. Eine Verwaltungsvorschrift, die jetzt noch zwischen der Bundesregierung und den Ländern ausgehandelt werden muß, soll jedoch Prioritäten setzen und eine „Harmonisierung“ der Bemühungen erreichen.

Den Kommunen bleibt trotz der scheinbar großzügig bemessenen Frist bis zum Juli 1995 nicht viel Zeit: Während Staub und Schwefeldioxid, Ozon und Stickoxide bereits flächendeckend erfaßt werden, fehlen die Geräte zur Meßung von Benzol und Ruß. Sie kosten zwischen 100000 und 300000 Mark pro Anlage und müßen trotz technischer Unvollkommenheiten bei der Rußmeßung spätestens im Sommer 1994 einsatzbereit sein, damit ein Jahr später die geforderten Jahresdurchschnittswerte zur Verfügung stehen.

Von den Neuanschaffungen – in der Stadt Hamburg werden beispielsweise vier neue Geräte benötigt – profitieren in erster Linie die Anwohner vielbefahrener Straßen. Sie leiden am stärksten unter den krebserregenden Benzol- und Ruß-Emissionen der Autos. Mit der Festschreibung von Konzentrationswerten wird ihnen ein mächtiges Druckmittel in die Hand gegeben, denn kaum ein Straßenverkehrsamt wird sich dem Vorwurf aussetzen wollen, dem Überschreiten dieser Werte tatenlos zuzusehen. Bis zu zehn zusätzliche Leukämiefälle pro 100000 Einwohner gehen nach Schätzungen allein auf das Konto des leichtflüchtigen Kohlenwasserstoffs Benzol, der zu 90 Prozent im Zusammenhang mit dem Kraftfahrzeugverkehr freigesetzt wird.

Allzu hohe Konzentrationen dieses Schadstoffes sollen gemäß der neuen Verordnung nun in erster Linie durch verkehrsplanende und verkehrslenkende Maßnahmen verhindert werden, was letztlich aber nur zu einer Umverteilung der Schadstoffe führen würde. Fahrverbote sind erst an zweiter Stelle vorgesehen, wobei Autos, die mit einem Katalysator ausgestattet sind, sowie Diesel mit einem Partikelwert von weniger als 0,08 Gramm je Kilometer verschont blieben.

Durch einen geregelten Drei-Wege-Katalysator kann nämlich der Ausstoß an Stickoxiden um 90 Prozent, der an Benzol um bis zu 85 Prozent reduziert werden. Im Stadtverkehr allerdings werden diese Werte in der Regel deutlich unterschritten, weil die optimale Betriebstemperatur auf den meist nur kurzen Strecken nicht erreicht wird. Gegenwärtig sind etwa 40 Prozent der deutschen Fahrzeugflotte mit einem Katalysator ausgerüstet; die 100-Prozent Marke hofft Töpfer in fünf Jahren zu erreichen, wenn die „schmutzigen“ Wagen älterer Baujahre weitgehend von den Straßen verschwunden sind.

Von der jetzt vorgelegten Sommersmog-Verordnung erwartet der Umweltminister jedoch nicht nur die Reduktion krebserregender Stoffe in der Atemluft. Zusammen mit anderen Maßnahmen glaubt Töpfer vielmehr eine „deutliche Minderung der Emissionen von Vorläufersubstanzen für Ozon“ bewirken zu können – und zwar „trotz der erwarteten Zunahme des Verkehrs.“

Ganz anders sieht dies das Berliner Umweltbundesamt. Von lokalen Maßnahmen seien keine großen Änderungen bei den Vorläufersubstanzen zu erwarten, hieß es aus der zentralen Umweltbehörde des Bundes, die auch für die wissenschaftliche Beratung des Ministers zuständig ist. Selbst weitgehende Sperrungen der Innenstädte brächten demnach lediglich „Veränderungen im Prozentbereich“, erklärte Pressesprecher Dr. Holger Brackemann.

Nötig seien dagegen Reduktionen der Vorläufersubstanzen um 70 bis 80 Prozent, um die 120 μg pro Kubikmeter Luft nicht wesentlich zu überschreiten, die vom VDI als Orientierungswert für Risikogruppen angesetzt werden. Auch die Ausrüstung der gesamten Pkw-Flotte mit geregeltem Drei-Wege-Kat würde dafür nicht ausreichen.

Gefordert sei deshalb ein generelles Tempolimit von 100 Stundenkilometern auf Autobahnen und Tempo 80 auf Landstraßen, sagte Dr. Klaus Kübler, stellvertretender Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion in der Enquete-Kommission „Schutz der Erdatmosphäre“. Erst vor wenigen Wochen war die Hessische Landesregierung mit einer „Ozon-Verordnung“ vorgeprescht und hatte Töpfer damit unter Zugzwang gesetzt.

Trotz juristischer Unsicherheiten wurde in Wiesbaden beschlossen, ein Tempolimit zu verhängen, wenn mindestens drei der 33 Meßstellen des Landes Ozonwerte über 240 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft melden. Auf Autobahnen dürfen dann nur noch 90, auf Landstraßen 80 Stundenkilometer gefahren werden. Während Umwelt- und Verkehrsministerium in dem rot-grün regierten Bundesland an einem Strang ziehen und ein Tempolimit auch ohne Ozonalarm für sinnvoll halten, ist die Lage in Bonn weniger harmonisch:

Nach Darstellung des SPD-Umweltexperten Michael Müller leisteten sowohl das Bonner Verkehrs- als auch das Wirtschaftsministerium Widerstand gegen die ursprünglich von Töpfer vorgeschlagenen Konzentrationswerte für Ruß und Benzol, die nun erst ab 1998 gelten werden.

(Originalversion eines Artikels für die VDI-Nachrichten, erschienen am 30. Juli 1993)

Weitere Infos:

Hintergrundpapier Sommersmog des Umweltbundesamtes

Gesundheitsproblem Diesel

Der Diesel als Treibstoff der Zukunft? Jedem, der schon einmal das zweifelhafte Vergnügen hatte, auf engen Landstraßen stundenlang hinter einem Lkw her kriechen zu müssen, welcher unentwegt dichte Rußwolken ausstieß, muss diese Theorie Furchen der Skepsis auf die Stirn zaubern.

Derartige traumatische Erlebnisse seien Einzelfälle, die nicht den Blick auf die unbestrittenen Vorteile dieser Technologie trüben sollten, beschwichtigt die Diesellobby. Den eines ist sicher: mit herkömmlichen Otto-Motoren lassen sich die niedrigen Verbrauchwerte eines Diesels nicht erreichen. Pro gefahrenem Kilometer produzieren der Diesel deutlich weniger Kohlendioxid (C02) und weniger Stickoxide (NO) als die besten Ottomotoren heutiger Produktion.

Da C02 Hauptverursacher des Treibhauseffektes ist und Stickoxide nach einigen Zwischenreaktionen die Ozonkonzentrationen am Boden in die Höhe treiben können, bekam der Diesel auch flugs das Prädikat „umweltfreundlich“. Die Belohnung in Form einer deutlichen Steuerermäßigung für die „schadstoffarmen“ Fahrzeuge ließ nicht lange auf sich warten.

Eine andere Bewertung ergibt sich allerdings, wenn das Augenmerk auf die Emission von Partikeln (Ruß), Schwefeldioxid (SO2) oder die polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAH) gerichtet wird. Von all diesen Substanzen produziert der Diesel nämlich deutlich größere Mengen als der Ottomotor. „Von daher ist die Bewertung des Diesels als umweltfreundlich und steuerermäßigt nicht zu verstehen“, bilanzierte Dr. Uwe Heinrich vom Institut für Toxikologie und Aerosolforschung der Fraunhofergesellschaft. Auf einem Seminar der Gesellschaft für Strahlenforschung, das kürzlich in München stattfand, wurde eine ganze Reihe von Erkenntnissen präsentiert, die das Klischee vom sauberen Diesel zunichtemachen könnten.

„Die ganze Crux ist das Dieselrußpartikel“, so Heinrich. Diese winzigen Teilchen entstehen bei der unvollständigen Verbrennung des Treibstoffes. Ein Kern aus Kohlenstoffatomen bildet die Grundlage auf dem sich die PAH mit ihrem bekanntesten Vertreter Benzo(a)pyren absetzen. Ein Teil dieser Partikel wird nach dem Einatmen in der Lunge abgelagert und kann dort – zumindest bei Ratten – Tumoren hervorrufen.

Ein Oxidationskatalysator, wie er von einigen Automobilherstellern bereits serienmäßig angeboten wird, soll da Abhilfe bringen. Doch lassen sich die freigesetzten Partikeln mit heutiger Technologie nur um ein Zehntel reduzieren – in den Entwicklungsabteilungen der großen Konzerne wird darum auch unter Hochdruck an der Verbesserung des Diesel-Kats gearbeitet. In der Zwischenzeit verweist man zum Beispiel bei BMW darauf, dass die Menge an PAH, welche sich auf den Partikeln niederschlägt, drastisch reduziert sei. Die Diskussion verlagert sich dadurch auf die Frage, ob es die krebserregenden Mitglieder der PAH-Familie sind, die für die beobachteten Lungentumoren verantwortlich sind, oder ob andere Mechanismen für die Krebsentstehung verantwortlich sind.

Arbeiter nämlich, die an Kokereiöfen tätig waren, mussten PAH-Konzentrationen verkraften, die um ein Vielfaches über dem liegen, was Dieselmotoren freisetzen. Dennoch konnte für diese Bevölkerungsgruppe keine Vermehrung der Krebsfälle nachgewiesen werden. Ratten dagegen entwickelten Tumoren, nachdem sie gezwungen wurden, über längere Zeiträume hinweg verdünnte Dieselabgase in verhältnismäßig geringen Konzentrationen einzuatmen.

Eine interessante Entdeckung verwies die Wissenschaftler dann auf die „nackten“ Partikel als die eigentlichen Übeltäter: Die Tiere entwickeln nämlich Lungenkrebs auch dann, wenn sie nur Aktivkohle einatmen; feinverteilter Kohlestaub also ohne jegliche weiteren Schadstoffe. Möglicherweise verursacht dann die große Oberfläche des Dieselrußes biologische Reaktionen auf den Zellen der Lunge; der Reaktionsmechanismus wäre dann ähnlich dem von Asbestfasern, welche laut Statistik in Deutschland für jährlich mehr als 1000 Fälle von Lungenkrebs und anderen Tumoren verantwortlich sind.

Sollten sich die Hinweise dafür erhärten, dass die „nackten“ Rußpartikel auch beim Menschen krebserregend sind, dann bleibt für die Ingenieure der Automobilfirmen nur eine Lösung: Ein Rußfilter muss her. Derzeit allerdings sind diese Vorrichtungen noch so teuer, dass sich der Einbau nur bei Lastkraftwagen lohnt. Der Einkaufspreis eines Golf Diesel würde sich durch solch eine Maßnahme beinahe verdoppeln; ein Opfer, das auch umweltbewusste Kraftfahrer wohl kaum auf sich nehmen werden.

(erschienen in der WELT am 12. Dezember 1990)

Was ist daraus geworden? Der Artikel ist so alt, dass darin noch nicht einmal das Wort „Feinstaub“ auftaucht. Dies ist jedoch, wie man spätestens nach dem VW-Skandal wissen sollte, ein ziemlich großes Gesundheitsproblem geworden. Das Umweltbundesamt hat vorgerechnet, dass er deutschlandweit jährlich etwa 45000 Menschen das Leben kostet. „Schuld“ sind daran allerdings nicht mehr in erster Linie Dieselfahrzeuge, sondern unsere Heizungen, Kohlekraftwerke, die Landwirtschaft und der Straßenverkehr, auch durch den Abrieb von Reifen. Für Dieselmotoren gibt es seit ca. 15 Jahren Partikelfilter, sodass diese heute sogar deutlich weniger Rußpartikel hinterlassen, als ein moderner Ottomotor mit Direkteinspritzung (siehe z.B. diesen Beitrag im Deutschlandfunk).