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Verdauungshilfe aus dem Genlabor

Ein gentechnisch hergestellter Futterzusatz soll schon im nächsten Jahr den Phosphatausstoß der Niederlande reduzieren helfen. Phytase, so der Name des Eiweißstoffes, ist für den Einsatz in der Schweine- und Geflügelzucht vorgesehen. Experten gehen davon aus, dass mit dieser Maßnahme jährlich 25 Millionen Tonnen Phosphat weniger freigesetzt werden. Dies ist mehr, als mit der Einführung phosphatfreier Waschmittel erreicht werden konnte.

Phosphate tragen maßgeblich zur Gewässerbelastung bei. Die Substanz wird in der Landwirtschaft in großen Mengen freigesetzt, da sie in der Gülle und auch im Kunstdünger enthalten ist. Da aber die riesigen Mengen Phosphat von den Kulturpflanzen nicht vollständig genutzt werden können, gelangt der Rest in die Flüsse und Meere. Heftiges Algenwachstum bis zum „Umkippen“ der Gewässer kann die Folge sein.

Auf einer Tagung der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft stießen die Ausführungen von Dr. Rob Beudecker daher auf großes Interesse. Beudecker berichtete über Bemühungen, den Schadstoffausstoß der niederländischen Landwirtschaft zu reduzieren. Ausgangspunkt der Forscher war die Überlegung, dass handelsübliches Mischfutter für die Schweine- und Geflügelzucht mit mineralischem Futterphosphat ergänzt werden muss, obwohl der Phosphatgehalt pflanzlicher Nahrung theoretisch ausreichend für die Tiere wäre. Die Bioverfügbarkeit des Phosphates ist unzureichend, weil die Tiere das vorhandene Phosphat nur schlecht verwerten können.

Zwei Drittel des pflanzlichen Phosphates liegen nämlich in Form von Phytinsäure vor, welche nur mit einem bestimmten Eiweißstoff – der Phytase – „geknackt“ werden kann. Wiederkäuer bekommen die Phytase von Mikroorganismen im Pansen, geliefert, Schweine müssen ebenso wie Geflügel ohne die nützlichen Darmbewohner auskommen.

Das Enzym Phytase wird in gentechnisch veränderten Pilzen der Gattung Aspergillus hergestellt und als Futtermittelzusatz benutzt. Es verbessert die Aufnahme von Phosphat bei Geflügel und Schweinen und schont dadurch die Umwelt (Von Ayacop – adapted from http://www.pdb.org/pdb/files/1ihp.pdb using PyMOL, Gemeinfrei, via Wikipedia)

Die Idee, Phytase ins Futter zu mischen, wurde zwar schon vor 20 Jahren zum Patent angemeldet; erst jetzt aber bietet die Gentechnik die Möglichkeit, diesen Biokatalysator in großen Mengen zu niedrigen Preisen zu produzieren. Die Wissenschaftler der Firma Gistbrocades untersuchten über 1000 Mikroorganismen, um dann einen Pilz der Gattung Aspergillus zu isolieren, welcher eine Phytase produzierte, die den Ansprüchen des Marktes genügt: Das Eiweiß ist hochaktiv, vor allem unter den chemischen Bedingungen, die im Kropf des Geflügels sowie im Magen von Schweinen und Vögeln herrschen. Außerdem überlebt die Phytase aus Aspergillus die hohen Temperaturen, die bei der Pelletierung von Futtermitteln entstehen, fast ohne Aktivitätsverlust.

Um das Eiweiß in großen Mengen herstellen zu können, isolierten die Wissenschaftler den molekularen Bauplan für die Phytase und übertrugen dieses Gen erfolgreich auf einen Produktionsstamm. Bei der Verfütterung der so gewonnenen Phytase ergab sich, dass die Verfügbarkeit des Phosphates für Schweine und Geflügel um 20 Prozent zugenommen hatte, gleichzeitig wurde von den Tieren ein Drittel weniger Phosphat mit der Gülle ausgeschieden – was Beudecker für einen sinnvollen Beitrag zum Umweltschutz hält.

Beudecker erwartet jetzt eine Ausnahmegenehmigung der Regierung, sobald der Nachweis erbracht ist, dass die rekombinante Phytase für den Verbraucher unbedenklich ist. Schon im nächsten Jahr soll dann das Futtermittel in Zusammenarbeit mit der BASF auf den holländischen Markt gebracht werden.

In Deutschland ist eine solche Entwicklung übrigens nicht so schnell zu erwarten: In einer Empfehlung des Bundestages wurde die Regierung vor wenigen Wochen aufgefordert, sich in der EG dafür einzusetzen, dass gentechnische Methoden nicht eingesetzt werden, um in der Landwirtschaft weitere Leistungssteigerungen zu erzielen.

(erschienen in der WELT am 23. Oktober 1990. Letzte Aktualisierung am 16. April 2017)

Was ist daraus geworden? Gistbrocades wurde 1998 von der Firma DSM aufgekauft. Ganz selbstverständlich ist heute die Zugabe gentechnisch hergesteller Phytase zum Futter von Schweinen und Geflügel. Und wo früher Horrorszenarien zur Gentechnik an die Wand gemalt wurden, spricht man jetzt von einer „Verbesserung der Nachhaltigkeit“.

Umweltbelastung durch Ammoniak

Der Geruch von kleinen Mengen Ammoniak wird häufig mit würziger Landluft gleichgesetzt. Wenn aber jährlich in Europa 8,5 Millionen Tonnen emittiert werden, so scheint die Frage angebracht, wie sich diese enormen Mengen auf unsere Umwelt auswirken. Von den 22 bis 35 Millionen Tonnen Ammoniak, die jährlich weltweit freigesetzt werden, ist nur ein Zwanzigstel natürlichen Ursprungs.

Ammoniak trägt erheblich zur Verunreinigung der Luft bei und wird als möglicher Mitverursacher des Waldsterbens gehandelt. So die Bilanz eines vergangene Woche in Braunschweig veranstalteten Symposiums zum Thema „Ammoniak und Umwelt“. Hauptquellen des Gases sind landwirtschaftliche Betriebe, die Massentierhaltung betreiben und Äcker mit flüssigem und festen Mist düngen.

Nicht schön: Mit Gülle offensichtlich überdüngter Acker ist eine der Hauptquellen für umweltschädliches Ammoniak (Von Rasbak – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0 via Wikipedia)

In Deutschland stammen mit über 500.000 Tonnen Ammoniak mehr als die Hälfte der Gesamtmengen vom Rindvieh, ein Fünftel aus der Schweinezucht und ein Viertel aus Düngemitteln, berechnete Dr. Willem Asman vom dänischen Umweltforschungsinstitut. In der Atmosphäre kann das einmal freigesetzte Ammoniak dann weiter reagieren. Es entsteht Ammonium NH4+, das ebenso wie Ammoniak als Düngemittel wirkt und in Form von Schwebstaub (Aerosol), Regen oder Schnee zur Erdoberfläche zurückkehrt.

Zwei Drittel aller stickstoffhaltigen Ablagerungen in Deutschland stammen aus den beiden Verbindungen Ammoniak und Ammonium. Jahreszeitliche Schwankungen in diesen Ablagerungen könnten unter anderem beim explosionsartigen Algenwachstum eine Rolle spielen, so Asman. Nicht alle Pflanzen jedoch profitieren von dem herabrieselnden Stickstoff. Mehr als zwei Drittel der bedrohten Gefäßpflanzen in Mitteleuropa bevorzugen eine stickstoffarme Umgebung, so dass es zum Rückgang bestimmter Arten kommt.

Obwohl Ammoniak und seine Abkömmlinge zunächst zu einer Wachstumssteigerung führen können, rufen überhöhte Ablagerungen eine Beschädigung der schützenden Wachsschicht auf den Blättern und eine bleibende Schädigung des Wurzelsystems hervor.

Was den höheren Pflanzen schadet, gereicht einigen hochspezialisierten Bakterienarten zum Vorteil. Durch den vermehrten Ammoniakgehalt der Luft scheinen Nitrifikanten ideale Wachstumsbedingungen vorzufinden. Zwei Gattungen dieser Mikroorganismen wandeln Ammoniak über einem Zwischenschritt zu Salpetersäure um.

In jüngster Zeit wurden die Bakterien, die sich normalerweise im Boden aufhalten, auch auf historisch wertvollen Gebäuden beobachtet, berichteten Eva Spieck und Dr. Wolfgang Sand vom Institut für Allgemeine Botanik an der Universität Hamburg. Im Rahmen eines Verbundprojektes des Forschungsministeriums, das mit jährlich über 13 Millionen Mark gefördert wird, wurden von der Hamburger Arbeitsgruppe um Professor Eberhard Bock fast 30 Gebäude untersucht, vom Kölner Dom bis zur Münchner Pinakothek.

Die mikrobiologische Untersuchung ergab ein erschreckendes Bild: Bis zu 10.000 Nitrifikanten machten sich an den untersuchten Gebäuden an einem Gramm Gestein zu schaffen und schädigten mit ihren Stoffwechselprodukten die wertvolle Bausubstanz. Dabei waren die Natur- und Kunststeine oft mehrere Zentimeter tief mit den Mikroorganismen befallen.

Die winzigen Organismen konnten in einer Simulationsanlage sogar im Beton ihre Spuren hinterlassen und den getesteten Sandstein durch Auswaschung von Calcium-Carbonat seiner Kittsubstanz berauben. Ob man die zunehmende Umweltbelastung durch Ammoniak und seine Reaktionsprodukte durch technische Maßnahmen wird lindern können, scheint zweifelhaft.

Dr. Klaus Isermann von der Landwirtschaftlichen Versuchsstation Limburger Hof der BASF verweist darauf, dass bei der Pflanzenproduktion etwa zwei Drittel der eingebrachten Nährstoffe genutzt werden, während dieser Wert für die Tierproduktion maximal 20 Prozent erreicht. Der größte Teil der inländischen Pflanzenfrucht wiederum endet als Futter in den Mägen, der Rinder und Schweine, sodass in der Gesamtbilanz der Landwirtschaft kaum ein Viertel des eingesetzten Stickstoffes genutzt wird.

(erschienen in der WELT am 16. Oktober 1990. Letzte Aktualisierung am 15. April 2017. Das Symposium wurde auch in Buchform zusammengefasst in: Ammoniak in der Umwelt, Kreisläufe, Wirkungen, Minderung)

Was ist daraus geworden? Das Problem ist nach all der Zeit noch immer ungelöst. Laut Umweltbundesamt sanken die Emmission zwischen 1990 und 2014 gerade mal um sieben Prozent. Und weiter: „Im Jahr 2015 wurden die Ammoniak-Emissionen aus dem Düngereinsatz in Deutschland anhand überarbeiteter Methoden komplett neu berechnet. Dabei ergaben sich deutlich höhere Emissionswerte als bisher angenommen. Im Ergebnis wird die nationale Emissionshöchstmenge auch im Jahr 2014 mit 740 Tsd. t massiv überschritten.“Ammoniak bleibt damit eines der am meisten unterschätzten Umweltgifte.