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Nachgefragt: Was UV-Strahlung mit Pflanzen macht

In meinem ersten Beitrag für „Bild der Wissenschaft“ hatte ich jede Menge Platz, um ein ziemlich komplexes Thema ausführlich darzustellen. Hintergrund war die steigende UV-Belastung infolge des Ozonloches und die Frage: „Wie reagieren eigentlich Pflanzen auf die veränderten Bedingungen?“. Die kurze Antwort: Unter starker Sonnenbestrahlung wachsen viele Pflanzen nicht nur schlechter, auch ihre Bestandteile verändern sich. Teilweise extrem: Grüne Bohnen werden unversehens zum Verhütungsmittel.

Die Pflanzenwelt wird überleben, auch wenn die Hälfte des schützenden Ozons über unseren Köpfen verschwinden sollte, da ist sich Prof. Eckard Wellmann vom Biologischen Institut II der Universität Freiburg sicher. Allerdings – ob wir die Pflanzen dann noch essen können, bezweifelt er.

Solche Bedenken hat auch Prof. Manfred Tevini am zweiten Botanischen Institut der Universität Karlsruhe. Beide Wissenschaftler beschäftigen sich seit Jahrzehnten mit den Auswirkungen verstärkter ultravioletter Strahlung auf Pflanzen. Die größte Rolle spielt dabei das sogenannte kurzwellige UV-Licht – jener Anteil des Sonnenlichts, der Eiweiße und Erbsubstanz aller Lebewesen massiv schädigen könnte, wenn nicht der Ozonschild in zehn bis vierzig Kilometer Höhe davor schützen würde.

Wegen der fortschreitenden Verdünnung der Ozonschicht wird aber der Bruchteil dieser Strahlung, der den Erdboden erreicht, ständig größer. UV-B, mit einer Wellenlänge zwischen 280 und 320 Nanometern, auch als „biologisch aktive“ UV-Strahlung bezeichnet, steht daher im Mittelpunkt der Umwelt-Forschung.

Ob die Schutzmechanismen von Tieren und Pflanzen, die sich im Laufe von etwa drei Milliarden Jahren an die zum Erdboden gelangende Reststrahlung angepaßt haben, auch in Zukunft noch wirken werden, scheint zweifelhaft. Gleichzeitig ist aber noch so wenig über die Bandbreite natürlicher UV-Toleranz bekannt, daß die meisten Wissenschaftler nur hinter vorgehaltener Hand darüber spekulieren, wieviel Prozent Ozonschwund verkraftet werden kann, bevor ganze Ökosysteme zusammenbrechen.

Schon die Messung der auf dem Erdboden ankommenden UV-B-Strahlung mache große Schwierigkeiten. Auf der Tagung „UV-B Monitoring Workshop“ die im März 1992 in Washington stattfand, mußten die versammelten Experten einräumen, daß befriedigende Meßwerte bislang fehlten. „Es gibt die nötigen Meßgeräte nicht, und die Auswirkung von Wolken ist bis heute in keinem Modell berücksichtigt“, formuliert Wellmann das Problem.

Auch exakte Labor-Experimente sind nicht möglich. Das natürliche UV-Licht der Sonne ist – trotz Speziallampen und Filter – noch immer nicht genau simulierbar: Die UV-Strahlung, die uns erreicht, ist das Ergebnis komplexer Wechselwirkungen zwischen Sonnenlicht und Atmosphäre mit ihren verschiedenen Schichten und läßt sich daher nicht exakt nachahmen.

Erschwert wird die Vorhersage auch dadurch, daß nicht alle Pflanzen auf vermehrte UV-Bestrahlung gleich reagieren: Wellmann hat bei seinen Experimenten „riesige Unterschiede in der Empfindlichkeit“ festgestellt.

Von etwa 200 Arten, die Wellmann, Tevini und andere untersucht haben, erwiesen sich etwa 130, darunter Erdbeeren, als UV-B-empfindlich: Sie blieben im Wachstum deutlich hinter unbestrahlten Artgenossen zurück.

Jede dritte Art aber kommt auch mit einer Reduktion der Ozonschicht um vierzig Prozent noch gut zurecht. „Wie hoch die Toleranz der Pflanzen entwickelt ist, sieht man allein schon daran, daß manche in Deutschland heimische Gewächse auch am Äquator gut gedeihen“, sagt Wellmann. Und tropische Gewächse müssen seit jeher mit einer UV-B-Strahlung fertig werden, die fünfmal so stark ist wie in gemäßigten Breiten.

Was aber passiert, wenn die Strahlung in unseren Breiten noch weiter zunimmt? Für Prof. Tevini stellt sich die Frage, ob die UV-Resistenz nicht schon jetzt am Umschlagen ist. Doch er hält die Auslese von UV-resistenten Sorten prinzipiell für möglich. Das ist allerdings aufwendig, kostet viel Geld – und das ist derzeit knapp. Tevini fordert daher ein mit Geldmitteln gut ausgerüstetes Schwerpunktprogramm, um die biologischen Konsequenzen vermehrter UV-B-Strahlung zu erforschen.

Möglicherweise wird man schon in wenigen Jahren gezwungen sein, südliche Sorten, die UV-toleranter sind als einheimische, auch im Norden zu pflanzen. Ein Problem ist, daß nicht nur die Arten, sondern auch die verschiedenen Sorten derselben Art auf UV-Strahlung verschieden reagieren. Außerdem sind die verschiedenen Entwicklungsstadien einer Pflanze mehr oder weniger empfindlich: Mal sind die Keimlinge besser geschützt, mal sind es die fruchttragenden Pflanzen.

Eine der wenigen detaillierten Studien hat Dr. Alan Teramura, Botaniker an der amerikanischen University of Maryland, an Sojabohnen vorgenommen. Von 23 Sorten erwiesen sich 7 als unempfindlich gegenüber erhöhter UV-Strahlung, 2 Sorten brachten sogar höhere Erträge. Mit niedrigerem Trockengewicht, reduziertem Wachstum und verringerter Blattfläche reagierten dagegen14 der 23 Sorten. Die Ernteverluste im Feld betrugen für diese UV-sensitiven Pflanzen bis zu einem Fünftel. Ausgerechnet die ertragreiche Sorte „Essex“, die derzeit von amerikanischen Farmern bevorzugt wird, erwies sich als besonders empfindlich. Die UV-toleranten Sojabohnen vom weniger ertragreichen Typ „Williams“ dagegen wurden in den letzten Jahren immer seltener angebaut.

Sorgen machen sich die Forscher aber weniger um die amerikanische oder europäische Landwirtschaft mit ihren gewaltigen Überschüssen. Für Tevini sind Hungerkatastrophen durch Ernteverluste in den Entwicklungsländern die größte Bedrohung. Vielleicht, so die Hoffnung einer Handvoll Optimisten, lassen sich wichtige Kulturpflanzen eines Tages aber auch mit Hilfe der Gentechnik derart manipulieren, daß die Hungerkatastrophe vermieden werden kann.

Das Interesse an den natürlichen Schutzmechanismen landlebender Pflanzen ist daher mehr als nur Grundlagenforschung. Etwa zwölf Millionen Mark hat das Bundesforschungsministerium seit 1978 bereitgestellt, um die Auswirkung von UV-B-Strahlung auf lebende Organismen zu ergründen – zu wenig, urteilt der Freiburger Biologe Wellmann. Ein geeignetes Schwerpunktprogramm, so schätzen die Experten, würde zehn bis zwanzig Millionen Mark im Jahr kosten.

Die bisherigen Ergebnisse bei Labor-, Treibhaus- und freiwachsenden Pflanzen: Landlebende Pflanzen wehren sich gegen vermehrte UV-Strahlung. Erst werden in der äußersten Zellschicht, der Epidermis, Schutzpigmente gebildet, die zur Gruppe der Flavonoide gehören. Von besonderer Bedeutung sind dabei die farblosen oder gelben Flavone, Pflanzenfarbstoffe, die ultraviolette Strahlung absorbieren und so die empfindlichen Zellbestandteile, einschließlich der Erbsubstanz in Zellkern und Chloroplasten schützen.

In der Natur beginnt die Farbstoffproduktion schon, ehe die Keimlinge den Boden durchstoßen. Wenige Lichtquanten, die in den Boden eindringen, reichen aus, die Flavonoid-Synthese zu starten. Ema dreißig Gene sind daran beteiligt. Auch die zugehörigen Eiweiße sind bekannt. Im Experiment läßt sich die Folge erhöhter UV-Strahlung gut beobachten. Keine halbe Stunde nach Beginn der Bestrahlung bezeugt die Anwesenheit von Boten-RNA die vermehrte Genaktivität. Wieder eine halbe Stunde später finden sich die ersten Eiweiße und nach insgesamt zwei Stunden läuft die Flavonoid-Synthese auf Hochtouren. Offensichtlich wird der gesamte Block von Flavonoid-bildenden Enzymen gleichzeitig angeworfen.

Für die Praxis bedeutet dies, daß die Genmanipulation für die Flavonoid-Synthese viel zu kompliziert und wenig erfolgversprechend ist. Ein einziges Kontrollgen, dessen Aktivität die Bildung von Schutzpigmenten reguliert, wäre den Pflanzenzüchtern lieber gewesen. Durch züchterische Auswahl oder Gentransfer hätte man UV-sensitive Pflanzen dann eher schützend manipulieren können.

Tevini arbeitet zurzeit daran, das Bindeglied zwischen einfallenden UV-Strahlen und vermehrter Flavonoid-Synthese aufzuspüren. Woher „wissen“ die Pflanzen, daß Gefahr droht? Prof. Tevini hat eine vorläufige Antwort: In Roggenkeimlingen isolierte er eine Substanz – Zimtsäure -, die in zwei verschiedenen Spielarten auftritt. Als trans-Zimtsäure hemmt das Molekül mit Hilfe eines komplizierten Kontrollmechanismus die Synthese der Flavonoide. Bestrahlt man die trans-Zimtsäure jedoch mit ultraviolettem Licht, so verwandelt sich das Molekül in cis-Zimtsäure.

Der Clou: die cis-Zimtsäure hebt die Blockade der Flavonoid-Synthese wieder auf, möglicherweise werden sogar einige Gene aktiviert, die an der Bildung des pflanzlichen Schutzschildes mitwirken.

Ob das Prinzip, das Tevini am Roggen untersucht hat, auch bei anderen Pflanzen gilt, ist jedoch keineswegs sicher. Und selbst wenn sich die beobachtete Wechselwirkung zwischen Zimtsäure und UV-Strahlung als ein in der Pflanzenwelt weitverbreitetes Prinzip erweisen sollte, ist damit noch nicht viel gewonnen. Zum einen ist derzeit nicht klar, wo der Schutzmechanismus an seine Grenzen stößt, zum anderen muß das, was für die Pflanze gut ist, für den Menschen noch lange nicht gut sein.

Denn Flavonoide und andere Substanzen, die als Reaktion auf „Umweltstreß“ gebildet werden, können die Inhaltsstoffe einer Pflanze drastisch verändern. So weisen amerikanische Untersuchungen darauf hin, daß die halluzinogenen Wirkstoffe der Cannabis-Pflanze zunehmen und der Proteingehalt bei Sojabohnen drastisch reduziert wird.

Während Basilikum mehr ätherische Öle produziere, was von Vorteil wäre, könnte der Genuß von Bohnen bei erhöhter UV-Strahlung unerwünschte Folgen haben. Denn Bohnen bilden nach UV-Bestrahlung Cumestrol, eine Substanz, die in der Wirkung dem Schwangerschaftshormon Östrogen vergleichbar ist. Die Konzentration von Cumestrol kann so hoch werden, daß der menschliche Hormonhaushalt durcheinandergebracht wird – die Bohne könnte unversehens zum Verhütungsmittel werden.

Die Problematik läßt sich auf einen Nenner bringen: Unsere Ernährungsgewohnheiten haben sich in Jahrtausenden auf die Inhaltsstoffe unserer Kulturpflanzen eingestellt. Wie unser Körper mit den „Sonnen-manipulierten“ Pflanzen umgehen wird, weiß niemand genau zu sagen.

Neben der Bildung von Flavonoiden verfügen die Pflanzen allerdings noch über einen zweiten Schutzmechanismus, der für den Menschen ungefährlich ist. Das Enzym Photolyase kann geschädigte Erbsubstanz reparieren, ohne die Zusammensetzung der Pflanzen zu verändern: Die Photolyase löst Verbindungen zwischen den DNA-Bausteinen, den Thymidin-Dimeren, die als Folge der UV-Strahlung entstehen und für den Tod der getroffenen Zelle verantwortlich sind.

Voraussetzung ist auch hier, daß das solare Trommelfeuer nicht allzu stark wird. Ab einer gewissen Schwelle ist auch die Photolyase nutzlos. Allerdings wären Pflanzen, die größere Mengen Photolyase produzieren, vor vermehrter UV-Strahlung besser geschützt. Bevor die Pflanzengenetiker das verantwortliche Gen verändern können, muß es allerdings erst einmal gefunden werden. Anders als bei den Genen für die Flavonoid-Synthese tappt man hier derzeit noch im Dunkeln.

Die Chancen, daß Züchter und Molekularbiologen noch rechtzeitig Mittel und Wege finden, um die Folgen des Ozonschwundes für die Pflanzenwelt in Grenzen zu halten, sind daher äußerst gering.

(erschienen in „Bild der Wissenschaft“, Februar 1993)

Literatur:

Jetzt handeln, fordert Klimaforscher Hartmut Graßl

Klare Forderungen an die Politik: Prof. Hartmut Graßl, Direktor des Max-Planck-Instituts für Meteorologie von 1988 – 2005

Unmittelbar vor dem „Umweltgipfel“ von Rio wuchs das Interesse der Öffentlichkeit an den Folgen der globalen Erwärmung. Mein damaliger Chefredakteur Manfred Schell hatte nicht nur das journalistische Gespür sondern auch ein offenes Ohr für die Thematik. Gemeinsam haben wir deshalb einen der renommiertesten deutschen Klimaforscher interviewt: Professor Hartmut Graßl (geb. 1940), Direktor am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg und Mitglied der Enquete-Kommission „Schutz der Erdatmosphäre“. Im Rückblick nach 30 Jahren beeindruckt mich noch immer die Weitsicht Graßls, dessen allgemeinverständliche Darstellung der Problematik ohne Polemik oder Panikmache, und vor allem die konkreten Handlungsvorschläge.

 

„Die Stürme nehmen zu,
die Gletscher laufen davon“

 

In jüngster Zeit mehren sich die Stimmen, die sagen, wir stünden vor einer Klimakatastrophe. Wie ernst nehmen Sie solche Thesen, Herr Professor Graßl?

Graßl: Wir sind heute in einer Situation, die mein amerikanischer Kollege Steven Schneider so beschrieben hat: „Ich wette, daß wir uns im Jahr 2000 hinstellen werden und sagen, der Zeitpunkt, wo der vom Menschen verursachte zusätzliche Treibhauseffekt in den Daten erkennbar geworden ist, ist das Ende der 80er Jahre.“ Wir spüren davon weniger die schleichende Veränderung der Mittelwerte – die langsame Erwärmung etwa -, sondern die stets damit verbundenen Extremwerte. Erst lange im Nachhinein wird eine seriöse wissenschaftliche Analyse sagen: „Von diesem Zeitpunkt ab war es im Wesentlichen von den Menschen verursacht.“

Aber es gibt viele Hinweise, daß da was läuft: Nicht nur der Globus erwärmt sich, auch Stürme nehmen zum Teil zu, und die Alpengletscher, die laufen praktisch davon. In meinem Heimatdorf, Ramsau bei Berchtesgaden, wo einmal fünf Gletscher existierten, gibt es jetzt nur noch einen. Mein Vater ist auf 1850 Meter Meereshöhe auf den Gletscher gestiegen. Wenn ich das heute machen möchte, muß ich auf 2200 Meter Höhe marschieren.

Kann man denn vorhersagen, in welchem Zeitraum sich die Erde um wieviel Grad erwärmen wird?

Graßl: Die Frage ist ohne gekoppelte Ozean-Atmosphäre-Modelle nicht zu beantworten, und da setzen die Schwierigkeiten ein. Daß die Erwärmung angestoßen ist, ist ein Faktum, aber wo, wann, um wieviel Grad Celsius, ist in der Wissenschaft weiterhin mit großen Fehlerbalken versehen. Inzwischen weiß man nicht nur, daß der Mensch einen massiven Einfluß auf das Klimageschehen ausübt, sondern man weiß auch, daß der Ozean nicht wesentlich dämpft, wie das früher vermutet wurde, sondern nur verzögert.

Die Natur kann also die Eingriffe des Menschen nicht mehr ausgleichen?

Graßl: Ich gehe mal vorsichtig vor und sage, wir nehmen die unterste Grenze dessen, was die UN-Gremien oder die Enquete-Kommission des Bundestages zum Schutz der Erdatmosphäre als Erwärmung bei Nichtstun vorgegeben haben, ernst, und vergleichen dies mit in der Klimageschichte beobachtbaren Temperaturänderungen. Dann lautet die Aussage: Etwas, was wir in ein Jahrhundert packen, nämlich zwei Grad mittlere Erwärmung, steckt die Natur in Jahrtausende.

Und wenn wir uns an der oberen Grenze orientieren, was passiert dann?

Graßl: Nehmen wir die obere Grenze der Prognosen ernst, die genauso wahrscheinlich ist wie die untere, dann lautet die Voraussage, daß uns, wenn wir so weitermachen wie bisher, im nächsten Jahrhundert eine Erwärmung droht, die vergleichbar ist mit dem Unterschied zwischen Eiszeit und Warmzeit, also im globalen Mittel viereinhalb Grad. Während der letzten Temperaturänderung von solch einem Ausmaß, ist nachweislich der Wald von der Riviera ans Nordkap gegangen und zurück.

Wäre das denn in der Gesamtbilanz ein Unglück für die Welt?

Graßl: Der Planet Erde geht nicht kaputt, wenn es um einige Grad Celsius wärmer wird auf der Erde. Was uns betroffen macht, ist nur die Geschwindigkeit, mit der das ablaufen wird, und das Wissen, daß viele Ökosysteme an solche raschen Veränderungen nicht angepaßt sind und dann zusammenbrechen.

Würden Sie eine mittlere Erwärmung der Erde um 4,5 Grad persönlich als Unglück empfinden? Man kann doch auch vermuten, daß Stürme, Überschwemmungen, Verödungen zumindest teilweise durch positive Veränderungen in anderen Gebieten aufgewogen würden.

Graßl: Denken Sie nur mal daran, was zehn Prozent Schrumpfung des Sommerniederschlages in Mitteleuropa und ein Grad Celsius Erwärmung bedeuten. Das heißt: fast keine Gletscher mehr in den Alpen. Das würde die Wasserführung der Donau, des Rheins ganz massiv beeinflussen. Dann muß man fragen, können wir den Rhein noch schiffbar halten im Sommer, bei so vergleichsweise läppischen Klimaänderungen. Der Planet ist nicht der wirklich Betroffene, sondern die menschliche Gesellschaft in ihrer jetzigen Form, praktisch aus allen Nähten platzend. Wo sind denn die Hungergebiete? Fast nur in den semiariden Subtropen und Tropen. Weil dort die natürliche Variabilität des Klimas ein Maximum erreicht, eine winzige Verlagerung der tropischen Niederschlagsbänder, um ein, zwei Grad Breite, über die Ernte entscheidet.

Ich gebe mal ein kleines Beispiel: Jeder hat mitbekommen, wie Bangladesch im vorigen Jahr von einem Wirbelsturm überschwemmt wurde. Es gab 150 000 Tote. Und wodurch ist das zustande gekommen? Bei weniger Mangrovenwald, etwas weniger Dschungel und noch mehr Menschen, bei leicht gestiegenem Meeresspiegel hat ein Standardwirbelsturm eine Katastrophe verursacht.

Was wir Forscher eigentlich sagen wollen: In 20 oder 30 Jahren wird bei noch etwas weniger Mangrove, noch weniger Dschungel, noch mehr Menschen, noch mal beschleunigt gestiegenem Meeresspiegel nicht mehr der Standardhurrikan kommen, sondern einer mit etwas höherer Intensität auf einer vorher nicht üblichen Bahn und wie schaut es dann aus?

Neben der globalen Erwärmung bedroht uns auch die fortschreitende Zerstörung der Ozonschicht. Die von den Industrienationen freigesetzten chlorhaltigen Treibgase, Schäum- und Kühlmittel zerstören mit ihren Abbauprodukten Ozon, das vor der UV-B-Strahlung der Sonne schützt. Wie schätzen Sie dieses Risiko ein?

Graßl: Letztlich ist das Ozonloch bisher fast ausschließlich auf den antarktischen Kontinent beschränkt geblieben. Was glauben Sie, was passiert wäre, wenn fünf bis zehn Prozent Ozon in den Tropen fehlen würden, wo es sowieso schon die höchste UV-B-Bestrahlung gibt? Dann würden wir jetzt schon über die Erblindeten reden. Das Ozonloch ist ein Fingerzeig Gottes am Himmel, weil es weit weg von uns aufgetreten ist, wo fast kein Mensch und auch kein Tier wohnt. Hier in Mitteleuropa ist es sogar höchst wahrscheinlich, daß die UV-B-Belastung trotz Ozonabbaus in der Stratosphäre abgenommen hat. Das ist auf die erhöhte Luftverschmutzung und stärkere Bewölkung während der letzten vier Jahrzehnte zurückzuführen. Ich will damit nicht niederreden, daß der beobachtete Ozonabbau eine große Gefahr ist für die Australier und für die Patagonier und noch mehr Menschen auf der nördlichen Erdhälfte. Für Gebiete mit relativ sauberer Luft wird es zu einer Vervielfachung des Grauen Stars kommen, wenn nur – wie schon beobachtet – zehn Prozent Ozon fehlen.

Was mich beim Ozonabbau aber viel mehr bedrückt, ist, daß das Pflanzenwachstum von der UV-B-Strahlung abhängt. Eine nur wenige Prozente betragende Verminderung der Biomasseproduktion hat ja Folgen für die Welternährung. Betroffen sind aber auch dann wieder diejenigen, die sowieso schon kaum ausreichend Nahrung haben. Wir dagegen, wir sind die Region, die am flexibelsten reagieren wird. Wir werfen ein bißchen mehr Stickstoff auf die Felder, wir erhöhen die Deiche, wir pflanzen andere Kulturen an.

Für Prognosen benötigen Sie gewaltige Mengen an Meßwerten, die einerseits von meteorologischen Stationen kommen, andererseits aber auch von milliardenteuren Satelliten. Allerdings kritisierten Sie, daß die aus Steuergeldern gewonnen Satellitendaten vorwiegend zur Herstellung schöner Kalenderblätter herhalten müssen.

Graßl: Das Dilemma besteht darin, daß man fast das gesamte Geld, das für eine bestimmte Mission bereitgestellt wurde, für Konstruktion, Bau, den Schuß in den Weltraum und Aufbau eines Bodensegments zum Datenempfang verbraucht. Dann gibt es noch ein paar Idealisten, die sich Gedanken machen über die Auswertung der Daten. Das geschieht unkoordiniert.

Viel Geld müssen die Forscher ausgeben, damit sie die Daten überhaupt bekommen, Universitätsinstitute können sich das schon gar nicht mehr leisten. Wenn Sie zum Beispiel die Daten des amerikanischen LandsatSatelliten auf Magnetband haben wollen, kostet das für eine Fläche von 185 x 185 Kilometer 3000 Dollar. Dadurch wird die Forschung behindert.

Die Bevölkerung möchte doch wissen, „Wieviel Wald ist abgeholzt worden?“, „Ist das in Malaysia besonders schlimm oder in Brasilien?“, „Wie hat sich die Landnutzung in meinem Heimatland im Laufe von 20 Jahren geändert?“ Die Daten liegen da, aber die systematische Auswertung auf hohem wissenschaftlichen Niveau wird nicht betrieben. Also quetscht man aus den Milliarden, die man in Form von hochgezüchteten Radiometern in den Weltraum geschossen hat, am Boden nicht das heraus, was man eigentlich hätte herausquetschen ‚können.

Der europäische Umweltsatellit ERS-1 hat Milliarden Mark gekostet und sendet in jeder Sekunde unvorstellbare Datenmengen zur Erde. Wie steht es um die Auswertung dieser Daten?

Graßl: In der Bundesrepublik Deutschland sind Anträge von organisierten Nutzergruppen, die an das Bundesministerium für Forschung gerichtet waren, abgelehnt worden. Teilweise mit der Bemerkung, man würde ja schon so viel für den ERS-1 bezahlen müssen. Ich habe deshalb vorgeschlagen, eine unabhängige Organisation einzurichten, um die Finanzierung der Datenauswertung zu sichern. Ich rede dabei über relativ viel Geld. Mein erster Steinwurf war eine Milliarde Mark pro Jahr für die Europäer, um eine adäquate Datenauswertung sicherzustellen. Mein Vorschlag dazu wurde von der Esa sehr wohlwollend aufgegriffen.

Anfang Juni beginnt in Rio die UN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung (UNCED). Delegationen aus rund 150 Ländern werden anwesend sein; insgesamt werden mehr als 50 000 Teilnehmer erwartet. Die hochgesteckte Erwartung, daß konkrete und für alle Länder verbindliche Maßnahmen zum Schutz der Umwelt getroffen werden, scheint sich nicht zu erfüllen. Stattdessen zeichnet sich eine neue Auflage des Nord-Süd-Konfliktes ab.

Graßl: Ja, man muß den Nord-SüdKonflikt auf dem Umweltsektor extrem ernst nehmen, sonst werden wir Industrieländer ununterbrochen auf die Anklagebank gesetzt. Ein kleines Beispiel: Einmal nur hat ein sowjetischer Delegierter gewagt, in einem Gremium der Vereinten Nationen, dem ich angehöre, zu sagen, wir müssen schon erhöhte Weizenproduktion in den nördlichen Waldzonen mit dem gestiegenen Meeresspiegel gegenrechnen. Der Vertreter der Malediven, der bis dahin nichts gesagt hatte, sprach, ruhig an alle Delegierten gerichtet, er möchte zur Kenntnis bringen, daß in seinem Land der höchste Berg drei Meter über dem Meeresspiegel liege. Damit war klar, welche Dimensionen dieser Konflikt hat.

In dem UN-Bericht, der zur Weltklimakonferenz herausgegeben wurde, steht: Auch schon wenige Dezimeter Meeresspiegel Anstieg bedeuten das Aus für einige Inselstaaten. Nicht daß das Land immer überschwemmt wäre, aber die Süßwasserversorgung wird zerstört oder zumindest gefährdet, denn es dringt Salzwasser in die Süßwasserlinsen im Inneren der Inseln vor. Kiribati, Malediven, Tuvalu und wie diese kleineren Staaten in der Südsee alle heißen; die sind alle gefährdet. Der Vertreter von Kiribati sagte einmal bei einer solchen Sitzung zum Vertreter der Vereinigten Staaten, er möchte fragen, ob die USA bereit sind, die Einwohner der Inselstaaten aufzunehmen. Es gab keine Antwort.

Den Vereinigten Staaten kommt auf der Konferenz eine Schlüsselrolle zu. Die Entwicklungländer und die Schwellenländer wollen sich nur dann auf weitreichende Verpflichtungen einlassen, wenn die USA finanzielle Hilfe zusagen und ihren Energieverbrauch einschränken.

Graßl: Ja, die letzte Weltmacht läßt in den Gremien die Schwellenländer als Bremser agieren. Da filibustert dann der Saudi-Araber als allererster, der meldet sich bei jedem Thema, und versucht nach höflichen diplomatischen Einleitungen das Ganze zu zerreden, weil ja alles noch so unsicher sei.

Die Mexikaner wiederum sind absolut dagegen, daß man überhaupt Klimafolgen für die Wirtschaft diskutiert. Ziel war es, den Ländern zu sagen: „Paßt auf, besonders empfindlich seid ihr, wenn …“ Wenn es darum geht, eine erste internationale Koordination zu diskutieren, springen sofort andere Schwellenländer auf und wittern Souveränitätsverlust.

Die Brasilianer sagen, wir diskutieren hier über den Urwald nur, wenn ihr selbst mit Minderungsmaßnahmen begonnen habt. Also ist die Grundvoraussetzung für einen Erfolg in Rio der Start der Industrienationen mit Reduktionen bei der Verbrennung von Kohle, Erdöl und Erdgas.

Und das steht und fällt mit der Zusage der Vereinigten Staaten, Herr Professor?

Graßl: Nicht unbedingt. Die Vereinigten Staaten stehen für ein Viertel der weltweiten Emissionen. Aber ich möchte es einmal anders formulieren: In unserem Land wie in anderen Ländern regt sich ja inzwischen die Erkenntnis, auch bei Wirtschaftswissenschaftlern, daß eine staatlich gestützte, massive Effizienzsteigerung bei der Nutzung der fossilen Energie eher die Wirtschaft fördert als sie stark behindert, wegen der Exportchancen, die damit verbunden sind, und auch wegen der eingesparten Rohstoffe.

Meine persönliche Meinung lautet: Wenn die Amerikaner jetzt nicht mitmachen, dann verabschieden sie sich zu Teilen von der modernen Industriegesellschaft, dann werden sie diejenigen sein, die das demnächst zu spüren bekommen, daß es ihnen nicht gelungen ist, den Kühlschrank mit der halben Wattzahl zu bauen und das besonders sparsame Auto und wärmegedämmte Häuser eingeführt zu haben.

Die Fahrt mit dem Auto über 40 Meilen jeden Morgen zum Betrieb, gezwungenermaßen, weil ein öffentliches Verkehrssystem nicht existiert, ist schon eine ungeheure Energie- und Materialverschwendung, und eine Verschwendung von menschlichen Ressourcen obendrein.

Also: Wenn die Vereinigten Staaten so weitermachen, dann werden sie weiterhin besonders stark von dieser Schmutzenergie abhängen und in die Nähe dessen rücken, was wir jetzt im Ostblock erleben.

Können wir eigentlich guten Gewissens verlangen, daß zum Beispiel die chinesischen Haushalte auf ihren Kühlschrank verzichten, um die Ozonschicht nicht weiter zu belasten?

Graßl: Nein, das dürfen wir nicht. Es ist doch eine Vermessenheit, wenn ein Mensch, der einen Fernseher, einen Kühlschrank, und eine Gefriertruhe im Haus und einen Zweitwagen vor dem Haus stehen hat, wenn der sich aufschwingt, darüber zu reden was der Chinese haben darf.

Unsere Industrialisierung ist ein schönes Beispiel dafür, wie ineffizient wir ursprünglich waren. Deshalb können wir uns da nicht aufspielen. Es ist mittlerweile eigentlich eine Platitüde geworden: Die Effizienzsteigerung in den Industrienationen liefert die Basis für die regenerativen Energieformen und ist die Grundvoraussetzung für eine zukunftsträchtige Entwicklung in der Dritten Welt. Deswegen ärgert es mich eigentlich so, daß die Vereinigten Staaten da nicht mitmachen.

Lassen wir einmal die Vereinigten Staaten beiseite – was kommt auf uns Europäer, auf uns Deutsche zu?

Graßl: Wir haben eher einen Exportvorteil, wenn wir jetzt mit dem Sparen anfangen und die Amerikaner nichts machen, aber man muß das ja in der Gesamtschau sehen, denn wir reden hier über ein globales Thema.

Es gibt Menschen, die glauben, technische Lösungen für das Treibhausproblem parat zu haben. Einige Vorschläge laufen darauf hinaus, mehrere Millionen Quadratkilometer Wald zu pflanzen oder die Ozeane mit Eisen zu düngen, um durch gesteigertes Planktonwachstum CO2, aus der Atmosphäre zu entfernen. Wieder andere sagen, man muß die Kernenergie einfach ausbauen. Wie stehen Sie dazu?

Graßl: Das sind die Ingenieurslösungen, wie ich das nenne. Die sind äußerst gefährlich in einem nicht durchblickten System. Warum geht es denn eigentlich nicht in die Köpfe, daß man die Quellen herunterfahren muß? Und daß wir dies leicht machen können.

Sie hatten die Kernenergie angesprochen. Wieviel trägt sie denn weltweit zur Energiegewinnung bei? Bezogen auf die Primärenergie handelt es sich um einige wenige Prozent. Wir reden aber über die Beseitigung von 80 Prozent des Primärenergieeinsatzes in einem halben Jahrhundert, um von dieser Störung der Atmosphäre und des ganzen Planten loszukommen. Und jetzt möchte ich mal fragen, was ist auf der Erde los, wenn wir die Kernenergie in einen Bereich von zehn, 20 und 30 Prozent des Gesamtenergieeinsatzes der Erde treiben?

Dann haben wir natürlich keine unmittelbare globale Störung, aber wir haben regional unbewohnbares Gelände. Wie um Tschernobyl herum. Denn man muß nicht glauben, daß die Menschen so intelligent sind, daß sie solche Systeme auch immer so betreiben können, daß nichts passiert.

Wir wollen doch nicht Schmutz durch Schmutz ersetzen. Ich rede jetzt von den wirklich großen Dimensionen, und ich meine, wir müssen in einem Kraftakt die 80 Prozent ersetzen. die wir gegenwärtig aus fossilen Brennstoffen gewinnen.

Welche Maßnahmen wären notwenig, um den globalen Klimawandel abzumildern?

Graßl: Der Start der Industrienationen in Richtung einer konzertierten Politik zur Effizienzsteigerung bei fossilen Energien, das ist das A und O. Denn erst danach greifen erneuerbare Energien wirklich. Jedes Haus sollte nur noch die Hälfte der Heizenergie verbrauchen. Wir müßten einfach den schwedischen Standard bei der Wärmedämmung einführen. Die neue Verordnung liegt ja bereits im Entwurf vor.

Seit wann?

Graßl: Sie ist bereits in der Koalition verabredet. Das heißt, es müßte in dieser Legislaturperiode kommen, aber es muß rasch kommen.

Wärmedämmung allein reicht aber nicht aus?

Graßl: Nein, auch der Verkehr ist ein großer Posten, wo man anpacken muß. Ich meine zum Beispiel, daß man zu Flottenverbrauchsregeln kommen muß. Also nicht da noch eine Geschwindigkeitsbeschränkung oder dort noch eine. Damit bewegen Sie insgesamt nur zehntel Prozent. Wir müssen den Spritverbrauch pro 100 Kilometer, der seit Ende der 60er Jahre unverändert ist, reduzieren. Wir fahren zur Zeit Autos, die zwar pro PS viel effizienter sind als die alten, aber wir haben die PS-Zahl so gesteigert, daß wir weiterhin zehn Liter pro 100 Kiolometer brauchen. Erst in den letzten ein bis zwei Jahren deutete sich eine kleine Verbesserung an. Wenn Mercedes, BMW, VW, Audi von der Politik vorgegeben wird, den über alle verkauften Modelle summierten Spritverbrauch jährlich um fünf Prozent zu reduzieren und dies als Langfristprogramm bis zum Jahre 2003 festgelegt wird, dann sind unsere Ingenieure die letzten, die das nicht schaffen. Ebenso wichtig wie Flottenverbrauchsregeln ist jedoch die Verlagerung eines Teils des privaten Verkehrs zum öffentlichen Verkehr und die Vermeidung unnützer Fahrten. Auch bei den Haushaltsgeräten haben wir noch lange nicht alle Möglichkeiten ausgereizt. Ich rede wohlgemerkt überhaupt nicht von Wohlstandsverlusten.

Das Umweltherz der Menschen ist eine Grundvoraussetzung dafür, daß die Politiker entscheiden. Aber es bewegt die großen Energiemengen nicht. Was hilft es denn, wenn fünf oder zehn Prozent der Bevölkerung sehr energiebewußt sind und die anderen 90 oder 95 weiterhin so aasen wie bisher? Aber diese fünf bis zehn Prozent brauchen Sie, um den Druck auf die Politiker auszuüben, damit die was tun. Und den Druck haben wir in Teilbereichen erreicht, oder wir stehen kurz davor. Wir sind ein Land, daß durch die Umweltverbände und die langjährige Diskussion doch ziemlich vorangekommen ist und weitaus günstigere Bedingungen für politische Maßnahmen hat als andere.

(erschienen in „DIE WELT“ am 4. Mai 1992)

Ende des Traums vom Fliegen

Vorbei sind die Zeiten, da man guten Gewissens in den – mehr oder weniger – wohlverdienten Urlaub fliegen konnte. Auch Geschäftsleute, die derzeit noch auf Kurzstrecken wie Köln-Frankfurt durch die Lüfte schweben, müssen sich auf kritische Fragen ihrer umweltbewußten Zeitgenossen gefaßt machen.

Der Traum vom Fliegen? Klimaforscher und Umweltschützer sind skeptisch: „Der Flugverkehr ist bereits heute ein spürbarer Faktor im Klimageschehen der Atmosphäre“, erklärte Professor Ulrich Schuhmann am Mittwoch auf einem Seminar des Forschungszentrums für Umwelt und Gesundheit in Frankfurt.

Schuhmann, der sich bei der Deutschen Forschungsanstalt für Luft und Raumfahrt (DLR) in Oberpfaffenhofen von Berufs wegen mit der Auswirkung des Luftverkehrs auf die Umwelt befaßt, präsentierte eine Studie, wonach jährlich rund 1700 Milliarden „Passagierkilometer“ zurückgelegt werden, Tendenz steigend.

Die Zahl, welche sich aus der Multiplikation der Flugpassagiere mit den zurückgelegten Kilometern ergibt, belegt, daß das Linienflugzeug längst zum Massenverkehrsmittel geworden ist. Bei jährlichen Zuwachsraten von annähernd sechs Prozent wird sich der zivile Flugverkehr bis zum Jahr 2005 verdoppeln.

Die Treibstoffmengen, die dabei verbrannt werden, sprechen ebenfalls für sich: 176000 Tonnen Kerosin jährlich, wobei der Anteil der Militärs auf etwa ein Viertel veranschlagt wird. 20 Mal mehr Treibstoff wird allerdings für den Verkehr insgesamt verbraucht, wobei Kraftfahrzeuge den weitaus größten Anteil haben. Die neuesten Zahlen der Deutschen Lufthansa belegen, daß Flugpassagiere noch verhältnismäßig sparsam unterwegs sind: Im Durchschnitt benötigen sie 6,2 Liter Kerosin für 100 Reisekilometer.

Auch ein flüchtiger Blick auf die Schadstoffbilanz läßt die Airlines in einem günstigen Licht erscheinen: Nach einer Untersuchung des TÜV Rheinland betragen die Emissionen durch Zivilflugzeuge nur einen kleinen Bruchteil dessen, was im Verkehr insgesamt in die Luft geblasen wird. 0,7 Prozent lautet der Wert für Kohlenmonoxid, 0,8 Prozent für Kohlenwasserstoffe, und auch bei den Stickoxiden macht der Anteil der Luftfahrt nur ein Sechzigste! der verkehrsgebundenen Belastungen aus.

Dennoch ist Vorsicht geboten. Die Verweilzeit der Schadstoffe wächst mit der Höhe, in der diese Substanzen entstehen. In bodennahen Schichten werden sie durch eine Vielzahl chemischer Reaktionen in etwa zwei Tagen umgewandelt; in zehn Kilometer Höhe muß man schon mit 30 Tagen rechnen.

In der darüber liegenden Luftschicht, die von der Concord ebenso durchflogen wird wie von einer Unzahl Militärjets, wird die Verweilzeit sogar in Jahren gemessen. Bedenklich ist auch, daß Stickoxide und Wasserdampf, der ebenfalls bei der Verbrennung entsteht, in den höheren Luftschichten normalerweise nur als Spurengase vorhanden sind. Das bedeutet, daß die Freisetzung dieser Gase die Zusammensetzung der Luft in diesen Schichten deutlich verändern kann.

Die komplexe Chemie der Atmosphäre führt dann zu einem scheinbar widersprüchlichen Verhalten der Stickoxide (NOx): In hohen Konzentrationen fördert NOx die Bildung von Ozon. Dies führt dazu, daß am Boden und bis in eine Höhe von etwa 15 Kilometern das für uns giftige Gas deutlich zugenommen hat. In niedrigen Konzentrationen fördern Stickoxide dagegen den Abbau von Ozon (O3), ein Vorgang, der schon seit geraumer Zeit in der hochliegenden Stratosphäre beobachtet wird. Diese Reaktion hat mit dazu beigetragen, daß der Vorrat an O3, welches in der Stratosphäre als Schutzschild vor krebserregenden UV-Strahlen wirkt, ständig abnimmt.

Als klimabildender Faktor könnte jedoch der von Flugzeugen abgegebene Wasserdampf noch weit drastischere Folgen haben. Wasserdampf spielt im Haushalt der Natur unter allen Treibhausgasen die wichtigste Rolle. Die zusätzlichen Wassertropfen aus den Triebwerken unserer Passagierjets entfalten ihre Wirkung vorwiegend als Kondensationskeime für die Bildung von Eiswolken (Cirruswolken). „Die Bewölkungszunahme aufgrund des Luftverkehrs ist heute bereits sichtbar“, erklärte Schuhmann, der diese Behauptung auch mit eindrucksvollen Satellitenaufnahmen belegen konnte.

Einige der gemessenen Kondensstreifen erreichten dabei Längen von bis zu 200 Kilometern bei einer Breite von zehn Kilometern. Die zusätzliche Bewölkung zwischen Frankfurt und Genua, gemessen an insgesamt 142 Tagen, betrug im Schnitt 0,4 Prozent.

„Diese Wolken aber haben einen weitaus größeren Einfluß auf den Treibhauseffekt als das Kohlendioxid“, betonte Schuhmann. Anders als „dicke“ Wolken können Cirruswolken die Temperatur am Boden erhöhen, weil sie für Sonnenlicht durchlässig sind, die von der Erde zurückgestrahlte Wärme aber nur zum Teil in den Weltraum entlassen. Modellrechnungen für die untersuchte Region gehen daher davon aus, daß die Temperatur dort im Mittel um 0,4 Grad Celsius erhöht wird.

Trotz dieses deutlichen Effekts war sich Schuhmann mit den anderen anwesenden Experten einig, daß die Diskussion um die ökologischen Auswirkungen des Flugverkehrs andere Probleme nicht verdrängen dürfe. Höchste Priorität sollte demnach ein weltweites Verbot der Fluorchlorkohlenwasserstoffe haben, die als Treibgase und Kühlmittel Verwendung finden. Sehr dringend sei auch die Verminderung der CO2-Massen aus Verbrennungsvorgängen, dann folge die Reduktion der Schadstoffe aus dem Verkehr am Boden, dann erst der Flugverkehr.

(erschienen in „DIE WELT“ am 9. August 1991)

Klimakatastrophe durch Golfkrieg?

Nachdem die internationale Streitmacht sich bereits am ersten Tag der kriegerischen Auseinandersetzungen die Lufthoheit über den Irak und Kuwait gesichert hat, gibt es nach wie vor Befürchtungen, daß die Kämpfe zu einer ökologischen Katastrophe ohnegleichen führen könnten.

Schätzungsweise ein Drittel der 1000 kuwaitischen Ölquellen wurde durch die irakischen Besatzungstruppen vermint. Nach unabhängigen Schätzungen könnten bei einer Sprengung täglich 1,5 Millionen Barrel Rohöl verbrennen, das entspricht etwa 140 Millionen Litern.

Ausgelöst wurden die Spekulationen über eine drohende Umweltkatastrophe, in deren Gefolge auch ein „nuklearer Winter“ nicht ausgeschlossen werden könne, durch eine Konferenz, die vor zwei Wochen in London von Penny Kamp organisiert wurde. Kamp war bisher vornehmlich als Autor zu Umweltthemen in Erscheinung getreten.

In Anwesenheit von Vertretern der Ölindustrie, Mitgliedern der Friedensbewegung und einer Reihe von Umweltingenieuren beschrieb John Cox, Vizepräsident der Kampagne für Nukleare Abrüstung und Berater einer Ölfirma, ein Weltuntergangsszenario und warnte vor einer ökologischen Katastrophe ohne Beispiel. Dieser Vermutung wiedersprach unter anderem John Houghton, Direktor des Britischen Wetteramtes: „Wir glauben nicht, daß es ein größeres Klimaproblem geben wird.“

Nach den wissenschaftlichen Grundlagen für die widersprüchlichen Äußerungen befragte die WELT einen der renommiertesten deutschen Klimaforscher. Professor Christian-Dietrich Schönwiese ist Direktor des Instituts für Meteorologie und Geophysik der Goethe-Universität in Frankfurt und Mitglied des IPCC, (Intergovernmental Panel on Climate Change), einer weltweiten Vereinigung von Klimaexperten.

Die Äußerungen des britischen Chemieingenieurs John Cox haben in der Öffentlichkeit große Besorgnis über die möglichen Folgen eines Golfkrieges hervorgerufen. Cox behauptet unter anderem, daß eine Sprengung der kuwaitischen Ölquellen durch irakische Truppen gewaltige Brände hervorrufen würde. Das brennende Öl und die entstehenden Rußwolken. so Cox, würden zu einem Ozonloch von gigantischen Ausmaßen führen, möglicherweise würde auch der Monsunregen ausbleiben und so eine Milliarde Menschen mit dem Hungertod bedrohen.

Schönwiese: Das halte ich für äußerst spekulativ, auch für sehr unwahrscheinlich.

Glauben Sie, daß sich hier ein kompetenter Wissenschafller geäußert hat? Herr Cox scheint bisher noch nicht als Umweltexperte in Erscheinung getreten zu sein.

Schönwiese: Es ist leider so, daß sich jetzt viele selbsternannte Wissenschaftler äußern. Ich habe die Namensliste der letztjährigen Weltklimakonferenz durchgesehen; das waren immerhin 150 Leute weltweit plus 200 weitere, die die Texte kritisch durchgesehen haben. Dabei ist mir dieser Name nie untergekommen. Ich kenne ihn (Cox) also schlicht nicht. Es passiert häufiger, daß ich Meinungsäußerungen höre zu Klimaproblemen von Leuten, die mir aus der klimatologischen Wissenschaft her vollkommen unbekannt sind.

Werden die Gefahren eines Golfkrieges in den Medien realistisch dargestellt?

Schönwiese: Zwar habe ich nicht alles verfolgt, was da geschrieben und gesagt wurde, aber das, was ich höre, scheint mir übertrieben zu sein.

Die Ölmengen, die schlimmstenfalls in Kuwait verbrennen (Schätzungen gehen von 1,5 Millionen Barrel täglich aus), scheinen im Vergleich zum weltweiten Verbrauch von täglich 50 Millionen Barrel eher klein. Wie kann man da zu der Behauptung gelangen, über dem indischen Subkontinent drohe ein riesiges Ozonloch?

Schönwiese: Mit dem Ozonloch hat das gar nichts zu tun, höchstens mit dem Treibhauseffekt. Durch die Verbrennung wird Kohlendioxid (CO2) freigesetzt. Durch die Energienutzung, indirekt auch durch die Brandrodungen werden jährlich 26 Milliarden Tonnen diese Treibhausgases freigesetzt. Ich schätze, daß in Kuwait nur etwa ein Tausendstel dessen entstehen könnte. Das heißt, es dürften einige Millionen Tonnen sein, die in die Atmosphäre gelangen und dann auch nicht ein ganzes Jahr lang, sondern, wenn man Pech hat, einige Monate, vielleicht aber auch nur einige Tage. Mit anderen Worten: Das Ausmaß der CO2-Freisetzung im Zuge des Golfkrieges ist viel viel kleiner als die Freisetzung durch die Weltenergienutzung. Außerdem entstehen durch brennende Ölfelder auch Rußpartikel.

Zu diesem Szenario gibt es Modellrechnungen zum sogenannten nuklearen Winter im Falle eines weltweiten Atomkrieges. Man geht dabei von ähnlichen Annahmen aus, allerdings mengenmäßig und auch räumlich sehr viel umfangreicher. Bei diesen Berechnungen ergibt sich, wie der Name schon sagt, eine Abkühlung. Wenn ich das Szenario „Weltatomkrieg“ jetzt mit dem Golfkrieg vergleiche, so ist im Falle des Golfkrieges das Ausmaß sehr viel geringer; entsprechend geringer ist auch der Einfluß auf das Weltklima. Meine Studenten haben mich heute bereits um eine kurze Stellungnahme gebeten. Ich meine: Die durch einen Golfkrieg verursachten Klimaänderungen sind verschwindend gering, wenn überhaupt welche auftreten. Die ökologischen Folgen, insbesondere wenn es zu einem Einsatz biologischer Waffen kommt, könnten nach meiner Meinung verheerend sein. Allerdings bin ich nicht der Fachmann, um diese Frage im Einzelnen zu beurteilen.

Ihr Kollege, Prof. Paul Crutzen vom Mainzer Max-Planck-Institut für Chemie verweist darauf, daß der Rauch die Ozonschicht dennoch bedrohen könne, indem die Rußpartikel – wenn sie bis in diese Schichten der Atmosphäre vordringen – das Ozon dort „wegdrücken“.

Schönwiese: Dem kann ich nicht folgen. Die Rußpartikel und das Ozonloch haben miteinander überhaupt nichts zu tun. Der Abbau des Ozons in der Stratosphäre hängt mit den Fluorchlorkohlenwasserstoffen zusammen, insbesondere den Chloratomen, die in diesen Substanzen enthalten sind. Ich halte Herrn Crutzen für einen sehr kompetenten Fachmann, aber dieser Argumentation kann ich nicht folgen.

(erschienen in „Die WELT“, am 18.1.1991)

Auch am Nordpol fehlt das Ozon

Der Schutzschild gegen die krebserregenden UV-Strahlen zeigt auch am Nordpol erste Risse. Für die Entstehung dieses zweiten „Ozonloches“ gab es bisher nur vage Hinweise; genauere Messungen wurden durch die gewaltigen Luftströme über der Arktis erschwert. Michael Proffitt von der Universität Colorado und seine Kollegen haben diese Schwierigkeiten nun überwunden und die Befürchtungen der Klimaforscher bestätigt.

Zwei Forschungsflugzeuge, vollgepackt mit 23 Messgeräten, hatten Anfang 1989 insgesamt 28 Flüge unternommen, die zum Teil bis zum Nordpol führten. Die hochfliegende ER-2, ein Umbau des Spionageflugzeuges U-2, nahm dabei direkte Messungen in der Stratosphäre vor. Während ein einsamer Pilot die vorgegebenen Messpunkte ansteuerte, übernahmen Computer die vollautomatische Datenerfassung.

Im Gegensatz dazu flog das Wissenschaftlerteam der „arktischen Stratosphärenmission 1989“ in einer DC-8, von der aus Messungen über weite Entfernungen hinweg vorgenommen wurden. Die Analyse der Datenflut, die jetzt im britischen Wissenschaftsmagazin „Nature“ veröffentlicht wurde, deutet auf erhebliche Ozonverluste auch in der arktischen Lufthülle hin.

Bis zu einem Drittel des Ozons, so lautet die Bilanz, wird während des arktischen Winters zerstört – vorige Studien hatten „nur“ zwölfprozentige Verluste ergeben. Die unterschiedlichen Ergebnisse werden auf ozonreiche Luftströme zurückgeführt. Diese fließen laut Proffitt in die Messgebiete ein und gleichen die Verluste an Ozon teilweise wieder aus.

Die Theorie, dass verbrauchtes Ozon nachströmt und damit die bisherigen Messergebnisse verfälschte, hat allerdings einen kleinen Schönheitsfehler: Bisher war man nämlich der Ansicht, dass der arktische Luftwirbel weitgehend isoliert sei, ein „Nachschub“ an Ozon also nicht stattfindet. Proffitt ist da ganz anderer Meinung. Während normaler Winter sinkt nämlich die Luft in der Nordpolarregion ab, ein Vorgang, der in oberen Regionen der Atmosphäre durch Zustrom von Luftmassen ausgeglichen werden müsse.

Ozon-Loch über der Antarktis im Jahr 2010: Die Wunde ist noch lange nicht verheilt (Von Nasa.gov via Wikipedia)

Der Nachweis eines Ozonloches am Südpol war dagegen relativ einfach. Hier dreht sich nämlich im antarktischen Winter ebenfalls ein gigantischer Luftwirbel. Dieser Wirbel allerdings, so weiß man, steht wirklich allein, so dass die Voraussetzungen für einen schnellen Abbau des Ozons gegeben sind, weil der Nachschub aus den sonnigen Randgebieten, in denen das Ozon gebildet wird, oft bis weit in den antarktischen Frühling unterbrochen ist. Aus dieser Situation erklären sich auch die drastischen Ozonverluste innerhalb kurzer Zeit, welche die Weltöffentlichkeit 1987 erstmals auf die Gefährdung unseres atmosphärischen Schutzschildes aufmerksam machten.

Die klimatischen Verhältnisse am Nordpol unterscheiden sich allerdings teilweise erheblich von denen am Südpol: Selbst die kältesten arktischen Winter sind wärmer als die wärmsten antarktischen Winter. Da Temperaturen von fast minus neunzig Grad am Nordpol nur selten erreicht werden, bilden sich polare stratosphärische Wolken dort erst gegen Ende der monatelangen Polarnacht.

Diese Wolken aus winzigen Eis- und Säurekristallen starten dann die Ozonvernichtung, indem sie Chlorgas freisetzen. Die ersten Sonnenstrahlen des arktischen Frühlings zerlegen das Chlorgas, wobei aggressive Zerfallsprodukte entstehen. Diese Chlorradikale zerbrechen dann die Ringstruktur des Ozons in einem schier endlosen Zyklus – bis zu 100000 Ozonmoleküle können so durch ein einziges Chlorradikal zerstört werden.

Unbestritten ist übrigens die Herkunft der Chlorabkömmlinge: Sie sind fast ausschließlich menschlichen Ursprungs.

(erschienen in der WELT vom 22. September 1990. Letzte Aktualisierung 21. März 2017)

OriginalliteraturProffitt, MH.,Margitan JJ, Kelly KK, Loewenstein M, Podolske JR, Chan KR. „Ozone Loss in the Arctic Polar Vortex Inferred from High-Altitude Aircraft Measurements.” Nature 347, no. 6288 (September 6, 1990): 31–36.

Was ist daraus geworden? Das Ozonloch ist eines der wenigen Beispiele dafür, dass die Politik auf Warnungen von Wissenschaftlern gehört und entsprechende Maßnahmen ergriffen hat. Im Protokoll von Montreal wurden Ozonkiller größtenteils verboten, und 30 Jahre später sehen wir Zeichen für eine Erholung der Ozonlöcher über beiden Polen. Bis diese Wunden in unserer Atmosphäre verheilt sind, werden aber nach Schätzungen noch etwa 80 Jahre vergehen.

Außer Boykott bleiben nur wenig Alternativen

FCKW-haltige Treibgase verursachen Ozon-Loch und gefährden Stratosphäre – Informationsabend der Grünen mit Gerhard Veits

Der Wieslocher Ortsverband der Grünen hatte am Montagabend zu einer Informationsveranstaltung über das Ozonloch mit anschließender Diskussion in das TSG-Vereinshaus eingeladen. Vom unerwartet großen Interesse – mehr als 70 Zuhörer drängten sich im Raum – zeigten sich die Veranstalter angenehm überrascht. Gerhard Veits bemühte sich mit Sachverstand um eine umfassende und gleichwohl allgemein verständliche Darstellung dieser Problematik, ohne dabei allzu stark zu vereinfachen.

Ozon ist eine Form des Sauerstoffes, die sich von dem „gewöhnlichen“ Sauerstoff in der Atemluft dadurch unterscheidet, dass hier drei statt nur zweier Sauerstoffatome zu einem Molekül vereinigt sind. In einer Höhe von 30 bis 50 Kilometern über unseren Köpfen bildet dieses Gas einen Schutzschild, der von der gefährlichen ultravioletten (UV) Strahlung der Sonne nur einen Bruchteil auf die Erde gelangen lässt. Wird dieser Schild nun geschädigt, so ist ein Anstieg der Strahlenschäden zu erwarten. Für den Menschen bedeutet dies nicht nur eine Zunahme der Zahl von Sonnenbränden, sondern auch – wesentlich ernsthafter – ein Anwachsen der Hautkrebsrate und Augenkatarakte bis hin zu Erbschäden, die an die folgende Generation weitergegeben werden.

Hinweise darauf, dass unsere Ozonschicht bedroht ist, gab es schon seit mehreren Jahren. Ein groß angelegtes Forschungsprojekt, in dem der Ozongehalt der Atmosphäre über dem Südpol gemessen wurde, brachte nun Klarheit: bis zur Hälfte der Ozonmoleküle verschwinden dort jeweils im arktischen Frühling auf einer Fläche von der Größe ganz Nordamerikas. Das Ozonloch füllt sich dann wieder aufgrund atmosphärischer Strömungen bis zum nächsten Jahr. Wenn auch die Situation nirgendwo so ernst ist wie in der Antarktis, so zeigen weltweite Messdaten doch eine Abnahme des Ozons auch in unseren Breiten.

Mittlerweile sind in Expertenkreisen Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) als eine der Hauptursachen für die Zerstörung dieses Schutzschildes ermittelt worden. Diese Substanzen galten lange Zeit als harmlos und umweltfreundlich, da sie nicht mit anderen Stoffen zu reagieren schienen. So wurden sie denn seit ca. 1960 in Spraydosen als Treibgase benutzt, ebenso wie als Kühlflüssigkeit in Gefriertruhen, in Klimaanlagen oder auch als Reinigungsmittel und für „geschäumte“ Verpackungsmaterialien. Der größte Teil der Weltjahresproduktion von ca. 700 000 t entweicht in die Luft und gelangt dann erst nach 10 Jahren in die Stratosphäre, wo die FCKWs ihre verheerende Wirkung entfalten.

Durch die Einwirkung der UV-Strahlung werden aus diesen Verbindungen Chloratome abgespalten, von denen wiederum jedes einzelne in der Lage ist, Tausende von Ozonmolekülen zu zerstören. In den USA, Kanada, Schweden und Norwegen ist der Einsatz von FCKW zumindest als Treibmittel in Spraydosen seit 1978 verboten.

Dass diese Maßnahme nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein sein kann, machte Veits auf  eindringliche Weise deutlich. So rechnete er vor, dass auch nach dem Montreal-Protokoll, das von den Umweltbeauftragten aus 49 Ländern im September vergangenen Jahres unterschrieben wurde, die Belastung der Atmosphäre kaum nennenswert zurückgehen werde. In diesem Abkommen, das von der Bundesregierung und der chemischen Industrie als großer Erfolg dargestellt werde, verpflichtet sich die „Industriegemeinschaft Aerosole“ freiwillig, den Einsatz von FCKW als Treibgase bis 1989 um mindestens 75 Prozent zu reduzieren. Dennoch sah Veits im Einfrieren der weltweiten Produktion auf das Niveau des Jahres 1986 ab 1.7.89., in der Reduktion um 20 Prozent ab 1993 und um 50 Prozent ab 1999 keine wirksamen Maßnahmen, um dem Abbau der Ozonschicht Einhalt zu gebieten. Dies um so mehr, als es für die meisten Anwendungen der FCKW bereits alternative Werkstoffe gebe.

In der anschließenden Diskussion wurde oft nach den Möglichkeiten des Einzelnen gefragt, den Gebrauch von FCKW zu reduzieren. Leider musste Veits hier bekennen, dass diese eher begrenzt seien: Außer dem Boykott von FCKW-haltigen Produkten bleiben dem Konsumenten wenig Alternativen. Letztendlich sei es Aufgabe des Gesetzgebers, zum Beispiel durch Unterstützung des Recycling von Kühlmitteln, durch Verschärfung der zulässigen Abgaswerte oder durch steuerliche Maßnahmen der drohenden Entwicklung Einhalt zu gebieten.

(erschienen in der Rhein-Neckar-Zeitung am 22. Januar 1988)

59-info@2xWas ist daraus geworden? Das Problem wurde richtig eingestuft, mit seiner Einschätzung, das Montreal-Protokoll sei unwirksam, lag Veits indes daneben: Es gilt heute als ein Paradebeispiel dafür, wie Politiker rechtzeitig auf die Warnungen der Forscher gehört und durch ein weltweites Abkommen eine globale Bedrohung abgewendet haben. Wegen der langen Verweilzeit der FCKW in der Atmosphäre ist das Ozonloch zwar noch nicht ganz verschwunden, die Schutzschicht unseres Planeten erholt sich jedoch eindeutig, wie Spiegel online berichtet.