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Schlacht kann auf Bildschirm verfolgt werden

Amerikanischen Spionagesatelliten wird in der allseits erwarteten Bodenoffensive der alliierten Streitkräfte im Golfkrieg eine entscheidende Rolle zufallen. Diese Ansicht vertraten mehrere hochkarätige Experten auf der Tagung der Amerikanischen Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft (AAAS) in Washington. Danach steht der irakischen Armee im besetzten Kuwait, die über keinerlei Möglichkeiten der Aufklärung verfügt, die bestinformierte Streitmacht aller Zeiten gegenüber.

Wie William Burrows von der Universität Washington erläuterte, gelang es den Vereinigten Staaten in jüngster Zeit, alle wesentlichen Herausforderungen an die Technik der Spionagesatelliten zu erfüllen. So sind die Satelliten des Typs Keyhole (Schlüsselloch) in der Lage, Bilder zu liefern, die von den Bodentruppen der Alliierten direkt empfangen werden können. Die Amerikaner, welche im Besitz der geeigneten Empfangsgeräte sind, könnten die Schlacht quasi am Bildschirm verfolgen – zumindest so, wie sie sich aus großer Höhe darbietet.

Die kleinsten Details, die so mit Unterstützung von bildverarbeitenden Computern noch ausgemacht werden können, haben eine Größe von etwa zehn Zentimetern. Für radargestützte Satelliten beträgt die Auflösung etwa 30 Zentimeter. Auf die Frage, warum es trotz dieser teuren High-Tech-Geräte nicht gelingt, etwa alle Abschußrampen für die sowjetischen Scud-Raketen zu entdecken oder gar Saddam Hussein selbst rund um die Uhr zu überwachen, bot Burrows eine einleuchtende Erklärung:

Das Nadelöhr ist schon lange nicht mehr die Aufzeichnung der Daten, sondern deren Auswertung. Praktisch alle Angehörigen der Nationalen Sicherheitsbehörde NSA, die des Arabischen mächtig sind, befinden sich derzeit am Persischen Golf. Dennoch können bei weitem nicht alle abgehörten Gespräche ausgewertet werden. Bei rund 11.000 Telefongesprächen, die der Satellit Rhyolite schon 1970 synchron aufzeichnen konnte, verwundert das nicht.

(erschienen in „DIE WELT“ am 20. Februar 1991)

Die größte Ölpest aller Zeiten

Einen traurigen Rekord mußten Umweltschützer in dieser Woche aus der Kriegsregion am Persischen Golf vermelden: Noch nie wurde so viel Rohöl in die Natur entlassen wie in den vergangenen Tagen. Die Rede ist von etwa zwei Milliarden Litern, das entspricht dem Fassungsvermögen von sieben Supertankern oder der fast unvorstellbaren Anzahl von 100000 Tanklastzügen

Mittlerweile haben die Ölteppiche Ausmaße von mehreren tausend Quadratkilometern erreicht, und noch immer konnte der Zufluß nicht vollständig gestoppt werden. Zum Vergleich: Als die 300 Meter lange Exxon Valdez am 24. März 1989 vor Alaska auf ein Riff auflief, ergossen sich im Verlaufe weniger Tage mehr als 40 Millionen Liter Öl in den Prinz-William-Sund und verursachten die letzte große Ölpest. 36000 Vögel, darunter 150 Weißkopf-Seeadler, sowie 1000 Otter, über 30 Robben, fast 20 Grauwale und 5 Seelöwen waren in den Monaten nach der Katastrophe tot aufgefunden worden.

Die Zahl der Tiere, welche qualvoll verendeten, liegt aber wahrscheinlich noch viel höher, da viele Kadaver im Meer versanken. Noch heute finden sich Spuren der Katastrophe an Hunderten von Kilometern der ehemals unberührten Küste. Dies, obwohl die geologischen Verhältnisse das Abwaschen der Felsen eher begünstigen.

Die Materialkosten und die Löhne für die 11000 Arbeiter, die zeitweise eingesetzt wurden, beliefen sich für den Erdölkonzern Exxon bisher auf fast 2 Milliarden Dollar, wobei noch anstehende Schadensersatzforderungen diese Summe nochmals weiter erhöhen könnten. Sechs Monate hatten die Aufräumarbeiten gedauert, doch konnte in diesem Zeitraum kaum ein Zehntel des ausgelaufenen Öls beseitigt werden.

Allerdings bedeutet das nicht, daß die restlichen 90 Prozent noch immer in den Tiefen der arktischen Gewässer liegen müssen. Rohöl besteht aus einem Gemisch von über 500 verschiedenen Substanzen; in Raffinerien läßt sich das zähflüssige Ausgangsmaterial zu so verschiedenen Substanzen wie Teer oder Waschbenzin verarbeiten. Im Persischen Golf verflüchtigten sich manche Bestandeile wie etwa kurzkettige Alkane schon innerhalb der ersten Tage.

Was übrig bleibt, sind vorwiegend langkettige Moleküle, die im Prinzip biologisch abbaubar sind. Allerdings wird die Arbeit für die überall natürlich vorkommenden Mikroorganismen umso größer, je mehr Verzweigungen sich in den Ketten der Kohlenwasserstoffmoleküle finden. Ringförmige Moleküle gar, die sogenannten Zykloalkane, sind auch für die Vielfalt der natürlich vorkommenden Bakterienarten nur schwer abbaubar. Die verbleibenden Erdölreste verhalten sich unterschiedlich, je nachdem, wie stark sie in Wasser löslich sind. Die schlechtlöslichen (hydrophoben) Anteile, die etwa 15 Prozent ausmachen, bilden Klumpen, während der überwiegende Rest mit Wasser jenen wenig stabilen Ölschlamm ergibt, der aufgrund seiner Konsistenz als „Mousse“ bezeichnet wird.

Früher oder später gelangt ein Teil des Öls an der Küste; dann hängt die Verweilzeit stark vom Wellenschlag ab. Da der Persische Golf als Randmeer kaum Wellengang zeigt, muß man mit Jahren statt mit Monaten rechnen: andererseits wird der Abbau der Ölreste durch Mikroben bei den extrem hohen Temperaturen schneller vor sich gehen als in Alaska. Teilweise erreicht das Wasser im Golf über dreißig Grad.

Die größte Ölpest aller Zeiten – bis zu Saddam Husseins Wahnsinnstat – wurde am 16. März 1978 ausgelöst, als der steuerlose Supertanker „Amoco Cadiz“ in stürmischem Wetter vor der bretonischen Küste auf Grund lief. Die gesamte Ladung von 220 Millionen Litern hatte sich damals ins Meer ergossen.

Insgesamt wurde die Ölfirma Amoco zu Schadensersatzleistungen von fast 130 Millionen Dollar an 90 Kommunen und Interessenverbände verurteilt. Heute – nach dreizehn Jahren – sind die Spuren der Katastrophe fast völlig verschwunden. Zwar sind die bretonischen Austernfischer mit ihren Äußerungen sehr zurückhaltend, doch weiß man, daß jede diesbezügliche Aussage von der Firma Amoco als gefundenes Fressen für das laufende Berufungsverfahren angesehen würde. Auch wenn die Fischer bereits wenige Monate nach der Katastrophe ihre Arbeit wiederaufnehmen konnten, will niemand einen Persilschein ausstellen.

Wie bei jeder Ölkatastrophe ist es äußerst schwierig, zuverlässige Angaben über die langfristigen Auswirkungen auf Tier- und Pflanzenwelt zu erhalten. Bisher liegen nur sehr wenige Untersuchungen zu diesem Thema vor. Eine Ausnahme bildet eine Ölpest, die 1986 an der Karibikküste des Panamakanals entstand und deren Folgen von Wissenschaftlern über mehrere Jahre hinweg verfolgt wurden. Wie die Forscher in der Zeitschrift „Science“ beschrieben, starben alle Bodenbewohner wie Seegras, Algen und Schwämme innerhalb kurzer Zeit ab. Fische konnten sich größtenteils der Katastrophe entziehen und in saubere Meeresregionen abwandern. Doch auch bei diesen Tieren war die Fortpflanzungsrate stark erniedrigt. Die Wiederbesiedlung mit Muscheln und Krebsen dauerte Jahre, wohingegen sich Schnecken mit ihren verschließbaren Gehäusen vor einer Ölpest besser zu schützen vermochten.

Besonders empfindlich auf eine Wasserverschmutzung reagieren Korallen, die an einen festen Standort gebunden sind. Bei der erwähnten Ölpest starben bis in eine Wassertiefe von drei Metern 75 Prozent aller Steinkorallen ab. Am Persischen Golf brachte der saudische Minister für Land- und Wasserwirtschaft, Abderrahman Ibn Abdelasis, den Plan vor, noch lebende Korallenbänke mit Hilfe besonderer Techniken ins Rote Meer zu transportieren, wo ähnliche Lebensbedingungen wie im Persischen Golf herrschten.

Ob dieser Plan sich in die Tat umsetzen läßt, muß jedoch angesichts der kriegerischen Auseinandersetzungen stark bezweifelt werden. Verschiedene Inseln mit besonders schützenswerter Fauna wie Dschana, Kurain und Safanyeh sollen durch Barrieren vor dem Öl geschützt werden, doch wird die Priorität sicherlich dem Schutz der Trinkwasserversorgung gelten.

Professor Wilfried Gunkel von der biologischen Bundesanstalt Helgoland gibt sich angesichts der Dimensionen von Saddams Ölteppich eher pessimistisch, was die Möglichkeiten technischer Eingriffe angeht. Letztendlich wird man die Arbeit der Natur überlassen müssen. Dennoch sieht Gunkel einen Silberstreif am Horizont. „Ich glaube, daß unter den gegebenen Umständen 80 bis 95 Prozent des ausgeflossenen Öls innerhalb von ein bis zwei Jahren verschwinden werden. Bei allen bisherigen Ölkatastrophen waren die Folgen nicht so dramatisch, wie sie ursprünglich geschildert wurden. Öl ist eine natürliche Substanz und daher prinzipiell abbaubar.“

Ob dies für die Muschelbänke und Korallenriffe, für Krabben und Seekühe, für Schildkröten und Wasserschlangen oder für die Vielzahl der einheimischen und durchziehenden Vögel am Persischen Golf noch rechtzeitig geschieht, bleibt allerdings dahingestellt. Schon vor Ausbruch der Kämpfe galt die Region als einer der meistverschmutzten Seefahrtswege der Welt. Nicht nur die langjährigen Kämpfe zwischen Iran und dem Irak waren dafür verantwortlich. Während sich beispielsweise 1983 nach irakischen Bombenangriffen auf das Nowruz-Ölfeld eine Flut von 175 Millionen Litern in den Golf ergoß, nutzten viele Tankerkapitäne die Situation aus: Sie vergrößerten den Schaden für die Umwelt noch zusätzlich, indem sie durch die illegale-Reinigung der Öltanks weitere Millionen von Litern zu der „schwarzen Pest“ hinzuaddierten.

(erschienen in „Die WELT“ am 2. Februar 1991 unter meinem Pseudonym Claudia Sahler)

Was wurde daraus? Auf Wikipedia findet sich eine lange Liste von Tankerunfällen und anderen Verursachern einer Ölpest. Die Schätzung zum Golfkrieg lautet 800.000 bis 1,7 Millionen Tonnen. Das ist deutlich weniger, als die 2 Milliarden Liter in meinem Artikel, aber immer noch mehr als bei jedem anderen Ereignis freigesetzt wurden.

Ölfeld explodiert nicht bei Angriffen

Der Zustand der Ölfelder in Kuwait ist wegen widersprüchlicher Meldungen unklar. Die kuwaitische Exilregierung spricht in Zusammenhang mit der angeblichen Zerstörung von Ölfeldern von einer „neuen verbrecherischen Handlung“ der Iraker. Dagegen liegen britischen Militärkreisen keine Informationen über brennende Ölfelder vor.

Ein Sprecher der US-Streitkräfte in Saudi-Arabien hatte erklärt, Luftaufnahmen zeigten, daß der Irak seine Drohungen wahr gemacht habe, Ölquellen und Vorratstanks anzuzünden. Bei der Deutschen Shell AG wollte man sich nicht an Spekulationen beteiligen; es fehle dazu an konkreten Kenntnissen über die geographischen Voraussetzungen in der Krisenregion.

Der Sprecher der Deutschen Shell AG Karl-Wilhelm Lott erklärte: „Es ist nicht einfach, ein Ölfeld in Brand zu stecken.“ Die allermeisten Öl- und Gasvorkommen sind an unterirdisches Trägergestein gebunden und dort in mikroskopisch feine Poren eingelagert. Nur bei einer verhältnismäßig kleinen Anzahl von Lagerstätten (sogenannte eruptive Ölfelder) ist der unterirdische Druck groß genug, um einen regelrechten Ausbruch zu erzeugen. Bei „klassischen“ Ölfeldern muß der Druck dagegen von Pumpen bereitgestellt werden, ohne deren Hilfe der Strom nicht aufrecht erhalten werden kann.

Eruptive und klassische Lagerstätten sind gleichermaßen mit Ausbruchschiebern gesichert. Im Fachjargon werden diese Ventile, die einen „Blow-Out“ verhindern sollen, Christbäume genannt. Bei Sprengung der Ventile eruptiver Lagerstätten schießt ein Gemisch aus Öl, Gas, Sand und Schlamm an die Oberfläche.

„Dieses Gemisch“, so Lott, „kann man entzünden. Das Ganze brennt dann wie eine Fackel“. Saddam Hussein könnte diesen Mechanismus bereits in Gang gesetzt haben, mit dem vorrangigen Ziel, den alliierten Luftstreitkräften durch die enormen Rauchschwaben den Zielanflug zu erschweren.

Ein Explodieren ganzer Ölfelder – sie liegen in der Krisenregion mehrere hundert Meter tief – ist allerdings auch dann nicht zu erwarten, wenn die Förderanlagen massiven Bombenangriffen ausgesetzt sind. Entgegen der Erwartung ist Rohöl nur schwer zu entzünden.

Dennoch darf die Gefahr nicht unterschätzt werden, die vor allem von den überirdischen Installationen ausgeht. Dort befinden sich, oft über mehrere Quadratkilometer verteilt, neben den Fördertürmen auch Sammeltanks von etwa 50000 Kubikmetern Fassungsvermögen, Entgasungsanlagen und kleinere Raffinerien.

„Diese Anlagen kann man natürlich sprengen oder in Brand setzen; das gibt dann ein ordentliches Feuer“, so Lott. Auch die Ölbohrplattformen vor der Küste bieten Angriffspunkte. Bei einem Angriff auf Plattformen oder Sammelstationen an der Küste, in denen die Pipelines zusammenlaufen, gelänge Öl in größeren Mengen ins Meer. Die Möglichkeit einer verheerenden Ölpest bestünde allerdings auch in diesem Fall „nur“ bei eruptiven Feldern.

(leicht korrigierte Version eines Artikels, veröffentlicht in „DIE WELT“ am 24.1.1991)

Klimakatastrophe durch Golfkrieg?

Nachdem die internationale Streitmacht sich bereits am ersten Tag der kriegerischen Auseinandersetzungen die Lufthoheit über den Irak und Kuwait gesichert hat, gibt es nach wie vor Befürchtungen, daß die Kämpfe zu einer ökologischen Katastrophe ohnegleichen führen könnten.

Schätzungsweise ein Drittel der 1000 kuwaitischen Ölquellen wurde durch die irakischen Besatzungstruppen vermint. Nach unabhängigen Schätzungen könnten bei einer Sprengung täglich 1,5 Millionen Barrel Rohöl verbrennen, das entspricht etwa 140 Millionen Litern.

Ausgelöst wurden die Spekulationen über eine drohende Umweltkatastrophe, in deren Gefolge auch ein „nuklearer Winter“ nicht ausgeschlossen werden könne, durch eine Konferenz, die vor zwei Wochen in London von Penny Kamp organisiert wurde. Kamp war bisher vornehmlich als Autor zu Umweltthemen in Erscheinung getreten.

In Anwesenheit von Vertretern der Ölindustrie, Mitgliedern der Friedensbewegung und einer Reihe von Umweltingenieuren beschrieb John Cox, Vizepräsident der Kampagne für Nukleare Abrüstung und Berater einer Ölfirma, ein Weltuntergangsszenario und warnte vor einer ökologischen Katastrophe ohne Beispiel. Dieser Vermutung wiedersprach unter anderem John Houghton, Direktor des Britischen Wetteramtes: „Wir glauben nicht, daß es ein größeres Klimaproblem geben wird.“

Nach den wissenschaftlichen Grundlagen für die widersprüchlichen Äußerungen befragte die WELT einen der renommiertesten deutschen Klimaforscher. Professor Christian-Dietrich Schönwiese ist Direktor des Instituts für Meteorologie und Geophysik der Goethe-Universität in Frankfurt und Mitglied des IPCC, (Intergovernmental Panel on Climate Change), einer weltweiten Vereinigung von Klimaexperten.

Die Äußerungen des britischen Chemieingenieurs John Cox haben in der Öffentlichkeit große Besorgnis über die möglichen Folgen eines Golfkrieges hervorgerufen. Cox behauptet unter anderem, daß eine Sprengung der kuwaitischen Ölquellen durch irakische Truppen gewaltige Brände hervorrufen würde. Das brennende Öl und die entstehenden Rußwolken. so Cox, würden zu einem Ozonloch von gigantischen Ausmaßen führen, möglicherweise würde auch der Monsunregen ausbleiben und so eine Milliarde Menschen mit dem Hungertod bedrohen.

Schönwiese: Das halte ich für äußerst spekulativ, auch für sehr unwahrscheinlich.

Glauben Sie, daß sich hier ein kompetenter Wissenschafller geäußert hat? Herr Cox scheint bisher noch nicht als Umweltexperte in Erscheinung getreten zu sein.

Schönwiese: Es ist leider so, daß sich jetzt viele selbsternannte Wissenschaftler äußern. Ich habe die Namensliste der letztjährigen Weltklimakonferenz durchgesehen; das waren immerhin 150 Leute weltweit plus 200 weitere, die die Texte kritisch durchgesehen haben. Dabei ist mir dieser Name nie untergekommen. Ich kenne ihn (Cox) also schlicht nicht. Es passiert häufiger, daß ich Meinungsäußerungen höre zu Klimaproblemen von Leuten, die mir aus der klimatologischen Wissenschaft her vollkommen unbekannt sind.

Werden die Gefahren eines Golfkrieges in den Medien realistisch dargestellt?

Schönwiese: Zwar habe ich nicht alles verfolgt, was da geschrieben und gesagt wurde, aber das, was ich höre, scheint mir übertrieben zu sein.

Die Ölmengen, die schlimmstenfalls in Kuwait verbrennen (Schätzungen gehen von 1,5 Millionen Barrel täglich aus), scheinen im Vergleich zum weltweiten Verbrauch von täglich 50 Millionen Barrel eher klein. Wie kann man da zu der Behauptung gelangen, über dem indischen Subkontinent drohe ein riesiges Ozonloch?

Schönwiese: Mit dem Ozonloch hat das gar nichts zu tun, höchstens mit dem Treibhauseffekt. Durch die Verbrennung wird Kohlendioxid (CO2) freigesetzt. Durch die Energienutzung, indirekt auch durch die Brandrodungen werden jährlich 26 Milliarden Tonnen diese Treibhausgases freigesetzt. Ich schätze, daß in Kuwait nur etwa ein Tausendstel dessen entstehen könnte. Das heißt, es dürften einige Millionen Tonnen sein, die in die Atmosphäre gelangen und dann auch nicht ein ganzes Jahr lang, sondern, wenn man Pech hat, einige Monate, vielleicht aber auch nur einige Tage. Mit anderen Worten: Das Ausmaß der CO2-Freisetzung im Zuge des Golfkrieges ist viel viel kleiner als die Freisetzung durch die Weltenergienutzung. Außerdem entstehen durch brennende Ölfelder auch Rußpartikel.

Zu diesem Szenario gibt es Modellrechnungen zum sogenannten nuklearen Winter im Falle eines weltweiten Atomkrieges. Man geht dabei von ähnlichen Annahmen aus, allerdings mengenmäßig und auch räumlich sehr viel umfangreicher. Bei diesen Berechnungen ergibt sich, wie der Name schon sagt, eine Abkühlung. Wenn ich das Szenario „Weltatomkrieg“ jetzt mit dem Golfkrieg vergleiche, so ist im Falle des Golfkrieges das Ausmaß sehr viel geringer; entsprechend geringer ist auch der Einfluß auf das Weltklima. Meine Studenten haben mich heute bereits um eine kurze Stellungnahme gebeten. Ich meine: Die durch einen Golfkrieg verursachten Klimaänderungen sind verschwindend gering, wenn überhaupt welche auftreten. Die ökologischen Folgen, insbesondere wenn es zu einem Einsatz biologischer Waffen kommt, könnten nach meiner Meinung verheerend sein. Allerdings bin ich nicht der Fachmann, um diese Frage im Einzelnen zu beurteilen.

Ihr Kollege, Prof. Paul Crutzen vom Mainzer Max-Planck-Institut für Chemie verweist darauf, daß der Rauch die Ozonschicht dennoch bedrohen könne, indem die Rußpartikel – wenn sie bis in diese Schichten der Atmosphäre vordringen – das Ozon dort „wegdrücken“.

Schönwiese: Dem kann ich nicht folgen. Die Rußpartikel und das Ozonloch haben miteinander überhaupt nichts zu tun. Der Abbau des Ozons in der Stratosphäre hängt mit den Fluorchlorkohlenwasserstoffen zusammen, insbesondere den Chloratomen, die in diesen Substanzen enthalten sind. Ich halte Herrn Crutzen für einen sehr kompetenten Fachmann, aber dieser Argumentation kann ich nicht folgen.

(erschienen in „Die WELT“, am 18.1.1991)

Kommentar: Selbsternannte Propheten

Viele Argumente sprechen gegen einen Krieg am Golf – an erster Stelle sicherlich das Blutvergießen, das mit jeder Kampfhandlung einhergeht. Aber auch steigende Erdölpreise, eine Stärkung der islamischen Fundamentalisten und großflächige Zerstörungen, die weit über das eigentliche Krisengebiet hinausreichen, gehören zu den unvermeidlichen Folgen eines militärischen Schlagabtausches.

Neuerdings wurde von selbsternannten Experten auf einem „Sonderkongreß“ in London allerdings auch eine beispiellose Umweltkatastrophe angekündigt, deren Schrecken alles bisher Dagewesene in den Schatten stellen soll. Brennende Ölquellen würden den Himmel verdunkeln und ein gigantisches Ozonloch über dem indischen Subkontinent hervorrufen; ein Temperatursturz um 20 Grad und das Ausbleiben des Monsunregen bedrohten eine Milliarde Menschen mit dem Hungertod, so lautet die Prognose, die unter dem Deckmantel der Wissenschaft an die staunende Öffentlichkeit getragen wurde.

Wenn sich jetzt der eine oder andere die Frage stellt, ob es unter diesen Umständen nicht besser sei, sich mit dem irakischen Diktator zu arrangieren, so hat die Kampagne ihr Ziel bereits erreicht. „Die Kuwaitis waren ja auch nicht gerade aufrechte Demokraten“, so ist zu hören, und gegenüber dem Schlagwort „Kein Blut fürs Öl“ verschwimmen die ungezählten Opfer Saddam Husseins zur gesichtslosen Masse.

Sicherlich wird das Eintreten für die Menschenrechte Opfer erfordern; nicht nur am Golf und leider nicht nur finanzieller Art. Fraglos wird auch die Umwelt Schaden erleiden. Die Größe dieses Schadens allerdings wird von den Londoner Apokalyptikern schamlos übertrieben. Kein seriöser Wissenschaftler würde sich zu derart weitreichenden Prognosen versteigen, wie sie ein dubioses Konglomerat von Altmitgliedern der britischen Kampagne gegen nukleare Abrüstung und der britischen Grünen verbreiten ließ. Im Interesse aller Betroffenen wäre es daher von Vorteil, wenn unausgegorene Spekulationen über das Schicksal der Menschheit künftig nicht mehr mit politischen Interessen verquickt würden.

(erschienen auf der Meinungs-Seite der WELT am 5.1.1991)

Was wurde daraus? Wie erwartet hat der Golfkrieg auch zu massiven Umweltschäden geführt, unter anderem zur bis dato „größten Ölpest aller Zeiten“. Obwohl zahlreiche „Experten“ dazu ihre Meinung verbreitet haben, fand ich keine wissenschaftlich belastbare Analyse. Fakt ist, dass keine einzige der oben zitierten Befürchtungen eingetreten ist.

Eine Impfaktion kann alliierte Truppen nur begrenzt schützen

Arsen und Anthrax, Blausäure und Botulinustoxin, Cholera und Chlorcyan; so könnte das furchterregende Abc des Aggressors lauten, wenn es wirklich in elf Tagen zu einem Krieg am Persischen Golf kommen sollte. Die Hoffnung auf eine friedliche Beilegung des Golfkonfliktes ist zwar noch nicht begraben, doch bereiten sich die multinationalen Streitkräfte auf alle Eventualitäten vor.

Nach Erkenntnissen des amerikanischen Geheimdienstes CIA muß in solch einer Auseinandersetzung mit dem Einsatz von weltweit geächteten Kampfstoffen seitens des Irak gerechnet werden, nämlich mit chemischen und eventuell auch biologischen Massenvernichtungsmitteln. Die Produktion von Impfstoffen, welche die Soldaten vor tödlichen Infektionen bewahren sollen, läuft in den Vereinigten Staaten bereits auf Hochtouren. Ob allerdings Gasmasken und Schutzanzüge, deutsche Spürpanzer und Dekontaminationseinrichtungen auch einen umfassenden Schutz der Zivilbevölkerung gewährleisten können, erscheint fraglich.

Darüber hinaus besteht bei Impfungen das Problem, daß diese meist mehrmals erfolgen müssen. Häufig stellt sich der Körper erst nach Monaten auf den jeweiligen Krankheitserreger ein – er wird immun. Eine Impfkampagne für die derzeit 280.000 Amerikaner im Krisengebiet ist nach Auskunft des Pentagons zwar „innerhalb der nächsten Wochen“ geplant, doch fehlt es noch an Material für die US-Streitkräfte – von den Soldaten anderer Staaten und der Zivilbevölkerung Saudi-Arabiens ganz zu schweigen. Eine Impfung könnte zudem unterlaufen werden, wenn die gefährlichen Krankheitserreger in ihrer Erbsubstanz auch nur geringfügig verändert werden.

Auch ohne den Einsatz der Gentechnik sind selbst kleine Länder in der Lage, eine Vielzahl von tödlichen Bakterien und Viren zu Isolieren und in großen Mengen herzustellen. In sogenannten Kultursammlungen werden zudem weltweit unzählige von Mikroorganismen für die Wissenschaft bereit gehalten, darunter auch viele Krankheitserreger und die Produzenten hochgiftiger Substanzen wie Mykotoxine (Pilzgifte) und Botulinustoxin. Auch die Vereinigten Staaten haben eine derartige Mikrobensammlung in Form der „American Type Culture Collection„. Die gewünschten Bakterienstämme werden in einem Katalog aufgelistet; einzige Voraussetzung für eine Bestellung von Krankheitserregern ist eine schriftliche Bestätigung, daß „alle Risiken und Verantwortlichkeiten aus dem Umgang im Labor übernommen werden“.

Das deutsche Pendant dieser Einrichtung findet sich in Braunschweig bei der Deutschen Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen (DSM). Deren Geschäftsführer Dieter Klaus teilte auf Anfrage mit, Mikroorganismen jenseits der Risikogruppe 2 (es gibt vier Risikogruppen, die nach steigender Bedrohung für den Menschen nummeriert werden) seien in Braunschweig nicht erhältlich. Der Export von Mikroorganismen in bestimmte Länder, darunter auch der Irak, ist der DSM per Gesetz untersagt. Allerdings, warnt Klaus: „Diese Mikroorganismen zu bekommen ist kein Problem. Wenn einer Pilze haben will, die hochgiftige Substanzen produzieren, so kann er sie aus dem Dreck vorm eigenen Haus isolieren.“

Amerikanischen Militärzeitschriften zufolge könnte der Irak über verschiedene Stämme von Milzbrandbakterien, Typhus- und Choleraerregern verfügen. Der Milzbrand (Anthrax) ist eigentlich eine Tiererkrankung und wird von einem sehr widerstandsfähigen Bakterium (Bacillus anthracis) hervorgerufen, das sich von der Umwelt regelrecht abkapseln kann und in der Erde über Jahrzehnte hinweg überdauert.

Eine Infektion des Menschen mit Milzbrandbakterien kann durch die Haut oder über die Atemwege erfolgen. Ist kein Impfschutz vorhanden, so treten innerhalb von zwölf Stunden rot-braune Pusteln auf, die zu Geschwüren führen und von Muskelschmerzen, Fieber und Erbrechen begleitet werden. Ohne eine Behandlung führt die Krankheit binnen drei bis fünf Tagen zum Tode. Die Erreger von Typhus und Cholera dagegen können unter normalen Umständen durch verseuchte Lebensmittel oder nicht desinfiziertes Wasser verbreitet werden, sie eignen sich also nicht für einen Angriffskrieg.

„Das ist mehr etwas für terroristische Anschläge“, beurteilt Klaus die Möglichkeiten des Einsatzes biologischer Waffen. Pilzgifte, sogenannte Mykotoxine, etwa ließen sich dem Trinkwasser beimengen und wären auch durch Desinfektionsmaßnahmen nicht auszuschalten. Im Bonner Verteidigungsministerium ist man ähnlicher Ansicht. Fregattenkapitän Reichenmüller betonte, daß es sich bei der biologischen Kriegsführung um keine neue Idee handelt. „Die Anwendung im militärischen Bereich ist allerdings sehr viel schwieriger, weil der Angreifer ein Risiko für sich selbst nicht ausschließen kann.“ C-Kampfstoffe hält Reichenmüller dagegen für möglich, doch werde die Abwehr dieser Substanzen bei der Bundeswehr bedacht und geübt.

(erschienen in DIE WELT am 4. Januar 1991)

Was wurde daraus? Die Sorgen waren berechtigt, denn in der Tat unterhielt der Irak neben seinem Chemiewaffenprogramm zu diesem Zeitpunkt ein umfangreiches Programm zur Entwicklung und dem Einsatz biologischer Waffen, wie man in der Wikipedia nachlesen kann. Erst nach dem verlorenen Golfkrieg wurde der Irak gezwungen, sein Arsenal zu vernichten. Wie oben beschrieben waren es allerdings wohl eher „praktische“, als moralische Gründe, die verhinderten, dass B-Waffen zum Einsatz kamen.

Impfung gegen Bio-Waffen

Amerikanische Soldaten am Golf sollen geimpft werden, um sie vor den Folgen eines Angriffs mit biologischen Waffen zu schützen. Wie die „New York Times“ berichtete, seien die Impfungen Teil eines umfassenden Programms gegen B-Waffen, zu dem auch der Gebrauch von Masken und Schutzkleidung gehöre. Erkenntnisse des CIA deuten darauf hin, dass der Irak über die Mittel zum Einsatz von Milzbrandbakterien, Typhus- oder Choleraerregern verfügt.

Die Konvention über biologische Waffen aus dem Jahre 1972 verbietet zwar die Produktion und Lagerung von B-Waffen, nicht aber die Forschung zu „defensiven Zwecken“. Unterzeichnet haben 103 Staaten, darunter auch die Vereinigten Staaten; nicht aber der Irak. Die Bakterien, die vermutlich in Salman Pak, 35 Kilometer südöstlich von Bagdad, produziert werden, könnten mittels Granaten verschossen oder aus Flugzeugen abgesprüht werden.

Der Einsatz dieser Mikroben erscheint allerdings unwahrscheinlich, da der Irak kaum in der Lage sein dürfte, die eigene Bevölkerung durch eine groß angelegte Impfkampagne vor einer drohenden Ansteckung zu schützen. Anders dagegen die USA, die schon im Zweiten Weltkrieg mit der Erforschung biologischer Waffen begonnen haben. Sie dürften daher für eine derartige Auseinandersetzung verhältnismäßig gut gerüstet sein.

(erschienen in der WELT am 29. Dezember 1990)