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Außer Boykott bleiben nur wenig Alternativen

FCKW-haltige Treibgase verursachen Ozon-Loch und gefährden Stratosphäre – Informationsabend der Grünen mit Gerhard Veits

Der Wieslocher Ortsverband der Grünen hatte am Montagabend zu einer Informationsveranstaltung über das Ozonloch mit anschließender Diskussion in das TSG-Vereinshaus eingeladen. Vom unerwartet großen Interesse – mehr als 70 Zuhörer drängten sich im Raum – zeigten sich die Veranstalter angenehm überrascht. Gerhard Veits bemühte sich mit Sachverstand um eine umfassende und gleichwohl allgemein verständliche Darstellung dieser Problematik, ohne dabei allzu stark zu vereinfachen.

Ozon ist eine Form des Sauerstoffes, die sich von dem „gewöhnlichen“ Sauerstoff in der Atemluft dadurch unterscheidet, dass hier drei statt nur zweier Sauerstoffatome zu einem Molekül vereinigt sind. In einer Höhe von 30 bis 50 Kilometern über unseren Köpfen bildet dieses Gas einen Schutzschild, der von der gefährlichen ultravioletten (UV) Strahlung der Sonne nur einen Bruchteil auf die Erde gelangen lässt. Wird dieser Schild nun geschädigt, so ist ein Anstieg der Strahlenschäden zu erwarten. Für den Menschen bedeutet dies nicht nur eine Zunahme der Zahl von Sonnenbränden, sondern auch – wesentlich ernsthafter – ein Anwachsen der Hautkrebsrate und Augenkatarakte bis hin zu Erbschäden, die an die folgende Generation weitergegeben werden.

Hinweise darauf, dass unsere Ozonschicht bedroht ist, gab es schon seit mehreren Jahren. Ein groß angelegtes Forschungsprojekt, in dem der Ozongehalt der Atmosphäre über dem Südpol gemessen wurde, brachte nun Klarheit: bis zur Hälfte der Ozonmoleküle verschwinden dort jeweils im arktischen Frühling auf einer Fläche von der Größe ganz Nordamerikas. Das Ozonloch füllt sich dann wieder aufgrund atmosphärischer Strömungen bis zum nächsten Jahr. Wenn auch die Situation nirgendwo so ernst ist wie in der Antarktis, so zeigen weltweite Messdaten doch eine Abnahme des Ozons auch in unseren Breiten.

Mittlerweile sind in Expertenkreisen Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) als eine der Hauptursachen für die Zerstörung dieses Schutzschildes ermittelt worden. Diese Substanzen galten lange Zeit als harmlos und umweltfreundlich, da sie nicht mit anderen Stoffen zu reagieren schienen. So wurden sie denn seit ca. 1960 in Spraydosen als Treibgase benutzt, ebenso wie als Kühlflüssigkeit in Gefriertruhen, in Klimaanlagen oder auch als Reinigungsmittel und für „geschäumte“ Verpackungsmaterialien. Der größte Teil der Weltjahresproduktion von ca. 700 000 t entweicht in die Luft und gelangt dann erst nach 10 Jahren in die Stratosphäre, wo die FCKWs ihre verheerende Wirkung entfalten.

Durch die Einwirkung der UV-Strahlung werden aus diesen Verbindungen Chloratome abgespalten, von denen wiederum jedes einzelne in der Lage ist, Tausende von Ozonmolekülen zu zerstören. In den USA, Kanada, Schweden und Norwegen ist der Einsatz von FCKW zumindest als Treibmittel in Spraydosen seit 1978 verboten.

Dass diese Maßnahme nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein sein kann, machte Veits auf  eindringliche Weise deutlich. So rechnete er vor, dass auch nach dem Montreal-Protokoll, das von den Umweltbeauftragten aus 49 Ländern im September vergangenen Jahres unterschrieben wurde, die Belastung der Atmosphäre kaum nennenswert zurückgehen werde. In diesem Abkommen, das von der Bundesregierung und der chemischen Industrie als großer Erfolg dargestellt werde, verpflichtet sich die „Industriegemeinschaft Aerosole“ freiwillig, den Einsatz von FCKW als Treibgase bis 1989 um mindestens 75 Prozent zu reduzieren. Dennoch sah Veits im Einfrieren der weltweiten Produktion auf das Niveau des Jahres 1986 ab 1.7.89., in der Reduktion um 20 Prozent ab 1993 und um 50 Prozent ab 1999 keine wirksamen Maßnahmen, um dem Abbau der Ozonschicht Einhalt zu gebieten. Dies um so mehr, als es für die meisten Anwendungen der FCKW bereits alternative Werkstoffe gebe.

In der anschließenden Diskussion wurde oft nach den Möglichkeiten des Einzelnen gefragt, den Gebrauch von FCKW zu reduzieren. Leider musste Veits hier bekennen, dass diese eher begrenzt seien: Außer dem Boykott von FCKW-haltigen Produkten bleiben dem Konsumenten wenig Alternativen. Letztendlich sei es Aufgabe des Gesetzgebers, zum Beispiel durch Unterstützung des Recycling von Kühlmitteln, durch Verschärfung der zulässigen Abgaswerte oder durch steuerliche Maßnahmen der drohenden Entwicklung Einhalt zu gebieten.

(erschienen in der Rhein-Neckar-Zeitung am 22. Januar 1988)

59-info@2xWas ist daraus geworden? Das Problem wurde richtig eingestuft, mit seiner Einschätzung, das Montreal-Protokoll sei unwirksam, lag Veits indes daneben: Es gilt heute als ein Paradebeispiel dafür, wie Politiker rechtzeitig auf die Warnungen der Forscher gehört und durch ein weltweites Abkommen eine globale Bedrohung abgewendet haben. Wegen der langen Verweilzeit der FCKW in der Atmosphäre ist das Ozonloch zwar noch nicht ganz verschwunden, die Schutzschicht unseres Planeten erholt sich jedoch eindeutig, wie Spiegel online berichtet.

Nur kontrollierte Gen-Forschung nützt

Das Wieslocher Jugendzentrum „Loch Ness“ hatte hochrangige Vertreter aller politischen Parteien in das Wieslocher Bürgerhaus eingeladen, um dort im Rahmen einer Podiumsdiskussion die verschiedenen Standpunkte zu erörtern.

Ebenfalls eingeladen war Ruben Scheller, Dipl. Biologe und Autor des Buches „Das Gen-Geschäft„, dem die Aufgabe zufiel, das Publikum in kurz gedrängter Form mit den Grundlagen dieser jungen Technologie vertraut zu machen. Vor den ca. 70, meist jugendlichen Zuhörern machte Scheller klar, welche ungeheuren Möglichkeiten dem Menschen durch Nutzung der Gentechnologie zur Verfügung stünden. Durch die Fähigkeit, Erbinformationen, die in Form von chemischen Molekülen festgelegt sind, aus den verschiedensten Organismen zu gewinnen, erhält der Mensch Zugriff auf die unvorstellbare Vielfalt an biologischen Substanzen die von Tieren, Pflanzen und Bakterien produziert werden. Da die Art und Weise, wie diese Erbinformationen in Biomoleküle übersetzt werden im Prinzip bei allen Organismen gleich ist, ist es heute möglich, Teile der Erbinformation – Gene genannt – zwischen verschiedenen Arten auszutauschen

Ein prominentes Beispiel für die Anwendung dieser Technik ist die Produktion von menschlichem Insulin in Bakterien, die im Begriff ist, die Gewinnung von Rinderinsulin aus den Drüsen von Schlachttieren zu ersetzen. Scheller machte klar, dass die Genmanipulation auch die Schaffung  neuer Lebensformen ermöglicht. Der Mensch wird zur formenden Kraft in der Evolution bis hin zu der Möglichkeit, seine eigenen Erbinformationen und damit sich selbst zu verändern.

Scheller bemängelte jedoch das Fehlen einer breiten Diskussion über Möglichkeiten und Gefahren  der Gentechnologie vor der Umsetzung in die Praxis. Als Beispiele für den Missbrauch dieser Technik nannte er die Entwicklung von Herbizid-resistenten Kulturpflanzen, was den Verbrauch an Pflanzengiften enorm steigern würde, sowie Forschungen an biologischen Waffen, die im Auftrag der Bundeswehr in der tierärztlichen Hochschule in Hannover statt fänden.

Für die SPD ergriff nun Gert Weisskirchen (MdB) das Wort. Er bezeichnete die Gentechnologie als ein Beispiel dafür, was Forschung alles bedeuten könne: Der Kampf gegen Krebs, Hunger oder AIDS wurden als Beispiele genannt. Forschung könne sehr positiv sein, wenn sie kontrolliert und in einem verantwortlichen Rahmen ablaufe. Mit dem Wissen wüchsen jedoch auch die Chancen der Manipulation und des Missbrauches.

Die Politik stünde dieser Entwicklung recht machtlos gegenüber, da die Freiheit der Wissenschaft gemäß Art. 5 des Grundgesetzes garantiert sei. Weisskirchen verwies jedoch auf die Enquete-Kommission des Bundestages, die sich neben anderen Richtlinien darauf geeinigt habe, keine Eingriffe in die menschliche Keimbahn zu erlauben und einen gesetzlichen Rahmen für die Gentechnologie zu schaffen.

Gert Schwander (MdL) der die Position der baden-württembergischen Grünen vertrat sagte, hinter der Gentechnologie stehe das Bestreben die Sprache des Lebens zu verstehen und das Ziel, das Stottern in dieser Sprache – die Erbkrankheiten – zu beseitigen. Obwohl er ursprünglich die Gentechnologie generell ablehnte, glaube er jetzt, dass deren Einsatz die einzige Chance bei der Bekämpfung von AIDS darstelle. Nach Schwandner favorisieren die Grünen im Landtag das dänische Modell eines generellen Verbotes der Gentechnologie, wobei Ausnahmen in bestimmten Fällen möglich sein sollen.

Michael Sieber (MdL), der für die CDU Fraktion im Landtag sprach, wollte keinerlei Eingriffe in die menschliche Keimbahn. Er persönlich lehne auch die Embryonenforschung insgesamt ab, jedoch gebe es hierfür zur Zeit keine Mehrheit in der Partei. Auch lehne die CDU die Leihmutterschaft und die künstliche Befruchtung mit fremden Spendersamen ab. Das Recht des Kindes müsse hier im Vordergrund stehen. Er sehe aber nichts unrechtes darin, etwa einem kinderlosen Ehepaar durch Vereinigung deren Keimzellen im Reagenzglas die Elternschaft zu ermöglichen.

In der anschließenden Diskussion mit nur geringer Publikumsbeteiligung wurden seitens Schwandners und Schellers Zweifel laut, ob derzeit bestehende Gesetze die Manipulation menschlicher Embryonen verhindern können. Einig waren sich die Diskussionsteilnehmer darin, dass die Gentechnologie nicht dazu dienen dürfe, das Leben an unlebenswerte Verhältnisse anzupassen.

Für Überraschung sorgte Scheller gegen Ende der Diskussion mit einer vorbereiteten Resolution, in der Verteidigungsminister Wörner aufgefordert wurde, auf jede weitere Finanzierung biotechnischer Projekte zu militärischen Zwecken zu verzichten. Abschließend brachten die Diskussionsteilnehmer die Hoffnung zum Ausdruck, daß sich die öffentliche Diskussion um Chancen und Risiken dieser Technologie vertiefen möge und boten ihre Teilnahme an einer evt. Folgeveranstaltung an, bei der dann auch Forscher, die auf diesem Gebiet arbeiten, zu Wort kommen sollten.

(erschienen in der Rhein-Neckar-Zeitung, 30. September 1987)