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Patentverbot in der EG für Tiere und Pflanzen?

Anders als in den USA soll es innerhalb der EG auch weiterhin verboten bleiben, Patente für Tiere und Pflanzen zu vergeben. Im Rahmen des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ), das auch für die Bundesrepublik Gültigkeit besitzt, ist es dagegen möglich, Mikroorganismen wie Hefen, Bakterien und Viren sowie deren Produkte unter Patentschutz stellen zu lassen.

Auch die Verfahren, mit denen die Mikroorganismen verändert werden können, sind demnach prinzipiell schützbar. Dies berichteten gestern der Abgeordnete des Europaparlamentes Willie Rothley (SPD) und der Bundestagsabgeordnete Heinz Seesing (CDU) vor der Wissenschaftspressekonferenz in Bonn.

Gerade erst 14 Monate ist es her, dass in den USA eine gentechnisch veränderte Maus patentiert wurde, die als Modell für die Entstehung von Brustkrebs dienen soll. Inzwischen wurde in den Vereinigten Staaten eine große Anzahl von Patentanträgen gestellt.

Wie Seesing berichtete, werde sich der Rechtsausschuss des Bundestages demnächst mit der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften über den Schutz biotechnologischer Verfahren befassen. Sie soll neue Entwicklungen in der Biologie mit dem geltenden Patentrecht in Einklang bringen.

Der Rechtsausschuss will es auf nationaler Ebene beim derzeitigen Patentrecht belassen, so Seesing. Der Ausschuss hat die Bundesregierung aufgefordert, sicherzustellen, dass bei einer Neuordnung innerhalb der EG das Verbot der Patentierung von Pflanzensorten und Tierrassen bestehen bleibe.

Für den 21. Juni kündigte Seesing einen umfangreichen Bericht des Ausschusses für Forschung und Technologie an, der dem Deutschen Bundestag vorgelegt werden soll. Mit dem Dokument wird die Beratung des Ausschusses über den Bericht der Enquete-Kommission „Chancen und Risiken der Gentechnologie“ abgeschlossen, in dem die Kommission vorgeschlagen hatte zu prüfen, ob eine Erweiterung des Patentschutzes für Pflanzen und Tiere nötig ist.

Rothley befürwortete, die Pflanzensorten eher im Rahmen des Sortenschutzrechtes, Tiere dagegen im Patentrecht zu behandeln.

(erschienen in der WELT am 14. Juni 1989)

Nur kontrollierte Gen-Forschung nützt

Das Wieslocher Jugendzentrum „Loch Ness“ hatte hochrangige Vertreter aller politischen Parteien in das Wieslocher Bürgerhaus eingeladen, um dort im Rahmen einer Podiumsdiskussion die verschiedenen Standpunkte zu erörtern.

Ebenfalls eingeladen war Ruben Scheller, Dipl. Biologe und Autor des Buches „Das Gen-Geschäft„, dem die Aufgabe zufiel, das Publikum in kurz gedrängter Form mit den Grundlagen dieser jungen Technologie vertraut zu machen. Vor den ca. 70, meist jugendlichen Zuhörern machte Scheller klar, welche ungeheuren Möglichkeiten dem Menschen durch Nutzung der Gentechnologie zur Verfügung stünden. Durch die Fähigkeit, Erbinformationen, die in Form von chemischen Molekülen festgelegt sind, aus den verschiedensten Organismen zu gewinnen, erhält der Mensch Zugriff auf die unvorstellbare Vielfalt an biologischen Substanzen die von Tieren, Pflanzen und Bakterien produziert werden. Da die Art und Weise, wie diese Erbinformationen in Biomoleküle übersetzt werden im Prinzip bei allen Organismen gleich ist, ist es heute möglich, Teile der Erbinformation – Gene genannt – zwischen verschiedenen Arten auszutauschen

Ein prominentes Beispiel für die Anwendung dieser Technik ist die Produktion von menschlichem Insulin in Bakterien, die im Begriff ist, die Gewinnung von Rinderinsulin aus den Drüsen von Schlachttieren zu ersetzen. Scheller machte klar, dass die Genmanipulation auch die Schaffung  neuer Lebensformen ermöglicht. Der Mensch wird zur formenden Kraft in der Evolution bis hin zu der Möglichkeit, seine eigenen Erbinformationen und damit sich selbst zu verändern.

Scheller bemängelte jedoch das Fehlen einer breiten Diskussion über Möglichkeiten und Gefahren  der Gentechnologie vor der Umsetzung in die Praxis. Als Beispiele für den Missbrauch dieser Technik nannte er die Entwicklung von Herbizid-resistenten Kulturpflanzen, was den Verbrauch an Pflanzengiften enorm steigern würde, sowie Forschungen an biologischen Waffen, die im Auftrag der Bundeswehr in der tierärztlichen Hochschule in Hannover statt fänden.

Für die SPD ergriff nun Gert Weisskirchen (MdB) das Wort. Er bezeichnete die Gentechnologie als ein Beispiel dafür, was Forschung alles bedeuten könne: Der Kampf gegen Krebs, Hunger oder AIDS wurden als Beispiele genannt. Forschung könne sehr positiv sein, wenn sie kontrolliert und in einem verantwortlichen Rahmen ablaufe. Mit dem Wissen wüchsen jedoch auch die Chancen der Manipulation und des Missbrauches.

Die Politik stünde dieser Entwicklung recht machtlos gegenüber, da die Freiheit der Wissenschaft gemäß Art. 5 des Grundgesetzes garantiert sei. Weisskirchen verwies jedoch auf die Enquete-Kommission des Bundestages, die sich neben anderen Richtlinien darauf geeinigt habe, keine Eingriffe in die menschliche Keimbahn zu erlauben und einen gesetzlichen Rahmen für die Gentechnologie zu schaffen.

Gert Schwander (MdL) der die Position der baden-württembergischen Grünen vertrat sagte, hinter der Gentechnologie stehe das Bestreben die Sprache des Lebens zu verstehen und das Ziel, das Stottern in dieser Sprache – die Erbkrankheiten – zu beseitigen. Obwohl er ursprünglich die Gentechnologie generell ablehnte, glaube er jetzt, dass deren Einsatz die einzige Chance bei der Bekämpfung von AIDS darstelle. Nach Schwandner favorisieren die Grünen im Landtag das dänische Modell eines generellen Verbotes der Gentechnologie, wobei Ausnahmen in bestimmten Fällen möglich sein sollen.

Michael Sieber (MdL), der für die CDU Fraktion im Landtag sprach, wollte keinerlei Eingriffe in die menschliche Keimbahn. Er persönlich lehne auch die Embryonenforschung insgesamt ab, jedoch gebe es hierfür zur Zeit keine Mehrheit in der Partei. Auch lehne die CDU die Leihmutterschaft und die künstliche Befruchtung mit fremden Spendersamen ab. Das Recht des Kindes müsse hier im Vordergrund stehen. Er sehe aber nichts unrechtes darin, etwa einem kinderlosen Ehepaar durch Vereinigung deren Keimzellen im Reagenzglas die Elternschaft zu ermöglichen.

In der anschließenden Diskussion mit nur geringer Publikumsbeteiligung wurden seitens Schwandners und Schellers Zweifel laut, ob derzeit bestehende Gesetze die Manipulation menschlicher Embryonen verhindern können. Einig waren sich die Diskussionsteilnehmer darin, dass die Gentechnologie nicht dazu dienen dürfe, das Leben an unlebenswerte Verhältnisse anzupassen.

Für Überraschung sorgte Scheller gegen Ende der Diskussion mit einer vorbereiteten Resolution, in der Verteidigungsminister Wörner aufgefordert wurde, auf jede weitere Finanzierung biotechnischer Projekte zu militärischen Zwecken zu verzichten. Abschließend brachten die Diskussionsteilnehmer die Hoffnung zum Ausdruck, daß sich die öffentliche Diskussion um Chancen und Risiken dieser Technologie vertiefen möge und boten ihre Teilnahme an einer evt. Folgeveranstaltung an, bei der dann auch Forscher, die auf diesem Gebiet arbeiten, zu Wort kommen sollten.

(erschienen in der Rhein-Neckar-Zeitung, 30. September 1987)