Während Hiobsbotschaften aus der Antarktis das Augenmerk auf das dortige Ozonloch lenken, will Umweltminister Klaus Töpfer mit strengeren Grenzwerten ein Zuviel an Ozon am Boden bekämpfen. In 30 bis 50 Kilometer Höhe bildet dieses Gas einen Schutzschild, der vor den UV-Strahlen der Sonne schützt – und damit auch vor Sonnenbrand, Hautkrebs und Augenkatarakten. In diesen Luftschichten ist Ozon daher ausdrücklich erwünscht.
Unerwünscht ist Ozon dagegen in Bodennähe. Dort bilden sich die Moleküle unter dem Einfluß energiereicher Strahlung – also vorwiegend im Sommer – aus Vorläufersubstanzen wie Stickoxiden (NOx) und ungesättigten Kohlenwasserstoffen. Beide Substanzen werden zum größten Teil durch den Kraftverkehr freigesetzt; der Anteil der Industrie an diesen Schadstoffen ist dagegen in den letzten Jahren rückläufig.
Die Ozonbildung am Boden soll vermieden werden, weil das Gas die menschlichen Atemwege reizt. Professor Michael Wagner vom Berliner Bundesgesundheitsamt warnt vor Hysterie, doch müsse man den kleinen Teil der Bevölkerung schützen, der auf Ozon besonders empfindlich reagiert.
Töpfer will nun bereits Alarm schlagen, wenn die Konzentration dieser Vorläufersubstanzen die Grenzwerte übersteigt. Berechnungen, die auf der komplizierten Chemie des Ozons beruhen, zeigen nämlich, daß beispielsweise ein Fahrverbot kaum noch wirksam ist, wenn die Ozongrenzwerte bereits überschritten sind.
Schwefeldioxid (SO2) spielt vor allem beim Wintersmog eine Rolle; das stinkende Gas, das bei fast allen Verbrennungsvorgängen frei wird, führt zu Kratzen im Hals und ist auch für den sauren Regen mitverantwortlich.
Die angestrebte Reduktion von Benzol und Dieselrußpartikeln soll dagegen die Belastung der Atemluft mit krebserregenden Substanzen verringern. Besonders Benzol, das in verhältnismäßig hohen Konzentrationen vorkommt, verursacht in Deutschland jährlich Tausende zusätzlicher Leukämiefälle.
(erschienen in „DIE WELT“ am 12. Oktober 1991 auf Seite 1)
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