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US-Kids nutzen Medien fast acht Stunden täglich

US-amerikanische Kinder und Jugendliche verbringen durchschnittlich sieben Stunden und 38 Minuten pro Tag vor dem Fernseher, mit Videospielen oder beim surfen im Internet. In den vergangenen fünf Jahren habe der Medienkonsum um 1 Stunde und 17 Minuten zugenommen und ist nun auf einem neuen Rekordhoch angelangt heißt es in einem Bericht der Kaiser Family Foundation. Befragt wurden für den Bericht 2000 Kinder und Jugendliche zwischen 8 und 18 Jahren.

Wie Victoria Rideout, eine der Autorinnen des Berichtes vorrechnet, liegt die Zeit für den Medienkonsum dieser Mädchen und Jungen mit 53 Stunden pro Woche erheblich über dem, was berufstätige Erwachsene mit Arbeit verbringen. Weil die Kinder oftmals mehr als ein Medium gleichzeitig nutzen, schaffen sie es sogar, täglich den Gegenwert von zehn Stunden und 45 Minuten an Inhalten zu konsumieren. Diese Zahlen beinhalten ausschließlich den Gebrauch von Medien zur Unterhaltung. Nicht eingeschlossen wurde beispielsweise die Zeit am Handy, in der tatsächlich telefoniert wurde sowie die Nutzung von Computern für die Schularbeiten.

Zu der Entwicklung beigetragen habe wohl auch die explosionsartige Vermehrung von Handys, iPods und ähnlichen Geräten, vermutet Rideout. Während im Jahr 2004 „nur“ 39 Prozent der US-Kids ein Handy besaßen, sind es mittlerweile 66 Prozent, also zwei Drittel. Gleichzeitig erhöhte sich der Anteil der Jugendlichen mit MP3-Spielern von 18 auf 76 Prozent. Mit 49 gegenüber 33 Minuten wird dem Bericht zufolge mit den Handys auch deutlich mehr gespielt und Musik gehört, als telefoniert. Auch Fernsehgeräte prägen weiterhin den Alltag. Sie laufen bei 64 Prozent aller amerikanischen Familien auch während der Mahlzeiten und sind in 45 Prozent der Haushalte „fast die ganze Zeit“ angeschaltet – auch wenn niemand die Sendungen verfolgt. Zusätzlich zu den Geräten im Wohnzimmer stehen Fernseher in 71 Prozent aller Kinderzimmer.

Obwohl die US-Kids nach wie vor etwa 25 Minuten täglich damit verbringen, Bücher zu lesen, scheinen Zeitschriften und Tageszeitungen immer weniger zu interessieren. Binnen fünf Jahren sank die für Zeitschriften aufgebrachte Zeit von 14 auf 9 Minuten täglich. Für Tageszeitungen halbierte sich dieser Wert im gleichen Zeitraum von sechs auf drei Minuten. Dass die Kinder und Jugendlichen nunmehr zwei Minuten täglich Zeitungen und Zeitschriften online lesen, konnte den Rückgang in der Lesebilanz nicht ausgleichen.

Viel lieber verbringen die Heranwachsenden ihre Online-Zeit mit YouTube. Die Webseite, auf der man fremde Videos anschauen und eigene präsentieren kann, besuchen typische US-amerikanische Jugendliche 15 Minuten am Tag. Noch lieber tummeln sie sich aber in Facebook und anderen sozialen Netzwerken. Drei Viertel der Schüler in den Klassen sieben bis zwölf haben dort ein Profil mit persönlichen Daten angelegt, fanden die Forscher heraus.

Ob der Medienkonsum zu schlechteren Schulnoten führt, lassen die Autoren des Berichtes offen. Allerdings bemerken sie, dass unter jenem Fünftel der Kinder mit heftigem Mediengebrauch (mehr als 16 Stunden pro Tag) beinahe die Hälfte schlechte Schulnoten hatte. Unter den Kindern mit weniger als drei Stunden täglichem Mediengebrauch betrug der Anteil mit schlechten Schulnoten dagegen nur 23 Prozent – also weniger als ein Viertel.

Im Vergleich zu den USA, wo die Kaiser Family Foundation nunmehr schon den dritten umfassenden Bericht zur Mediennutzung Jugendlicher vorgelegt hat, sind die Daten für Deutschland eher lückenhaft. Aus einer Übersicht der Hessischen Landesstelle für Suchtgefahren kann man jedoch auf eine Fernsehzeit von täglich etwa drei Stunden schließen. Forscher der Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Universität Mainz haben zudem kürzlich 256 Schüler im Saarland befragt und dabei festgestellt, dass diese Werktags durchschnittlich 3,2 Stunden aktiv im Internet verbrachten, an den Wochenenden waren es sogar 4,3 Stunden.

Quelle:

Weitere Informationen:

Nach Kindestod: Trauerhilfe per Internet

Vorbemerkung: Es folgt eine Pressemitteilung der Universität Münster. Sie wurde ausgewählt zur Wiedergabe auf Simmformation, weil hier eine Methode beschrieben wird, die es mit vergleichsweise geringem Aufwand ermöglichen könnte, Eltern zu helfen, die ihr Kind während der Schwangerschaft oder unmittelbar danach verloren haben.

„Der Verlust eines ungeborenen Kindes ist für die betroffenen Eltern oft ein traumatisches Erlebnis.“ Diese Erfahrung hat Professor Anette Kersting als Ärztin und Psychotherapeutin in der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Münster (UKM) bereits häufig gemacht. Aus diesem Grund entwickelte sie ein bundesweit einmaliges Projekt: Eltern, die während oder unmittelbar nach der Schwangerschaft ein Kind verloren haben, bietet Anette Kersting gemeinsam mit den Diplom-Psychologinnen Kristin Kroker und Katja Baus eine Internettherapie, in der sie ihre Trauer verarbeiten können. Vor rund 18 Monaten startete dasOnlineportal Internettherapie nach Verlust eines Kindes in der Schwangerschaft. Mittlerweile liegen im Rahmen der wissenschaftlichen Evaluierung des Projekts erste Ergebnisse vor, die auf eine gute Wirksamkeit der Internettherapie schließen lassen.

Insgesamt 54 Patienten (52 Frauen und zwei Männer) nahmen bisher an der Behandlung teil – mit Erfolg, wie die Untersuchungsergebnisse des Projekts belegen: „Im Anschluss an die Behandlung zeigten die Klienten signifikante Verbesserungen auf allen Symptomebenen. Gemessen auf den Ebenen Trauer, traumatisches Erleben, allgemeine psychische Belastungen, Depressivität, Ängstlichkeit und Somatisierung ging es den Teilnehmern der Therapie signifikant besser als vor der Behandlung,“ freut sich Kersting. Drei Monate nach Abschluss der Behandlung wurden die Teilnehmer erneut befragt – auch zu diesem Zeitpunkt war der Zustand der Betroffenen weiterhin so stabil wie direkt nach der Therapie.

Diese positive Entwicklung würdigt auch das Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), das eine Weiterförderung des Projekts in Höhe von 65000 Euro pro Jahr bis 2011 bewilligte. Dank dieser Förderung können betroffene Eltern die Onlinetherapie kostenlos in Anspruch nehmen. Das Team um Anette Kersting hofft nun, noch viele weitere Eltern in ihrem Trauerprozess zu unterstützen und langfristige Daten zur Wirksamkeit ihrer Therapie sammeln zu können. Dabei wünschen sich die Therapeutinnen, dass in Zukunft auch mehr Männer das Angebot nutzen. Denn Männer trauern anders als Frauen, sind vom Verlust eines Kindes aber ebenso betroffen wie Frauen: „Eine Fehl- oder Totgeburt ist für beide Elternteile ein einschneidendes Erlebnis, das psychisch sehr belastend sein kann“, erklärt Kersting den Leidensdruck trauernder Mütter und Väter. Therapeutische Unterstützung nehmen jedoch nur wenige Väter in Anspruch. Eine herkömmliche Psychotherapie ist für viele immer noch mit einem gesellschaftlichen Makel behaftet. Die Internettherapie hingegen bietet den Betroffenen mehr Anonymität und senkt die Hemmschwelle, professionelle Hilfe in dieser schwierigen Zeit in Anspruch zu nehmen. Doch nicht für alle Patienten ist die Internettherapie die geeignete Therapieform: Menschen, die unter Begleiterkrankungen wie Depressionen leiden oder suizidgefährdet sind, verweist das Team an andere Behandlungsangebote.

Helfen per Internet: Professor Kersting (l.) und Kollegen (Foto: ukm)

Helfen per Internet: Professor Kersting (l.) und Kollegen (Foto: ukm)

Obwohl die Kommunikation in der Onlinetherapie ausschließlich schriftlich per E-Mail erfolgt, entwickelt sich eine intensive Beziehung zwischen Patient und Therapeut: „Die Therapie ging vielen Teilnehmern unglaublich nahe und sie waren erstaunt darüber, wie sehr ihnen die Beratung hilft“, berichtet Kersting. Die Behandlung besteht aus zehn strukturierten Schreibaufgaben, die über einen Zeitraum von fünf Wochen durchgeführt werden. Innerhalb eines Werktages erhalten die Patienten eine Rückmeldung auf ihren Essay und Instruktionen für die nächsten Aufgaben. „Dabei gehen wir individuell auf die Situation der Klienten ein“, betont die Therapeutin. Das Behandlungskonzept selbst gliedert sich in drei Module: In der ersten Phase der Selbstkonfrontation beschäftigen sich die Eltern in vier Texten detailliert mit dem Verlust, indem sie eine besondere Situation ausführlich beschreiben. In der zweiten Phase werden die Patienten aufgefordert einen unterstützenden Brief an eine fiktive Freundin zu schreiben, die das gleiche erlebt hat. So sollen die eigenen Gedanken in Frage gestellt und eine neue Perspektive des Verlusts eingenommen werden. Die dritte Behandlungsphase zielt schließlich darauf ab, das soziale Netzwerk zu reaktivieren und in die Situation der Eltern einzubeziehen.

Fragen zum Therapieangebot beantworten die Fachfrauen in Einzelchats im Rahmen einer offenen Sprechstunde, die jeden Dienstag von 10 Uhr bis 11 Uhr stattfindet. Weitere Informationen und Anmeldung zur Therapie gibt es hier. Hilfe zur Bewältigung der Trauer um ein totes Kind versprechen zudem mehrere Bücher. Die folgenden wurden von den weitaus meisten Lesern bei Amazon als einfühlsam und hilfreich bewertet: „Schmetterlingsflüstern – Botschaften einer Kinderseele„, „Meine Trauer wird Dich finden„, „Tief im Herzen und fest an der Hand“ sowie „Ein Engel ist von uns gegangen„.

Kritisches Nachwort: Trotz des löblichen Ansatzes habe ich oben bewusst geschrieben, die Trauertherapie über das Internet könnte wirksam sein. Zwar waren die Psychotherapeuten offensichtlich „erfolgreich“ in dem Sinne, dass es den Trauernden nach der Therapie besser ging als zuvor. Es fehlt allerdings ein Vergleich, ob es den Betroffenen nicht auch ohne diese Therapie besser gegangen wäre – zumindest steht davon nichts in der Pressemitteilung und es gibt auch keinen Hinweis darauf, dass die Studie in einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift veröffentlicht und von Kollegen auf ihre Stichhaltigkeit überprüft wurde. Für das Familienministerium und deren Leiterin Ursula von der Leyen ist dies anscheinend nicht so wichtig. Es ist Wahlkampfzeit und deshalb halte ich mich mit Hurra-Schreien zurück, wenn ich lese, dass nun erst einmal 65000 Euro jährlich für eine „Weiterförderung“ des Projekts bewilligt wurden, damit betroffene Eltern diese Online-Therapie kostenlos erhalten. Die Chancen stehen gut, dass sich die Wirksamkeit der Psychotherapie per Internet auch für trauernde Eltern erbringen lässt, (für Schlaflosigkeit ist dies bereits gelungen). Aber erst danach würde ich solch ein Angebot für alle Betroffenen gerne mit meinen Steuern oder Krankenkassenbeiträgen mitfinanzieren. Geld ist ja genug vorhanden, 65000 Euro sind nämlich – wenn ich mich nicht verrechnet habe – gerade einmal 0,000065 Milliarden.

Die hemmungslose Gesellschaft

Vorbemerkung: Welche Art von Besuchern wird das Wörtchen „Sex“ wohl auf meine Webseite ziehen?, habe ich mich gefragt und möchte deshalb von vorne herein feststellen, dass der nachfolgende Beitrag  weder für geile Böcke bestimmt ist, noch für moralinsaure Moralapostel. Statt dessen geht es mir darum, auf eine – wie ich finde – ziemlich beunruhigende Entwicklung hinzuweisen, die oft als „sexuelle Verwahrlosung“ oder „Pornographisierung der Gesellschaft“ beschrieben wird, und auf die ich erstmals durch meine Kollegin Jutta Bissinger aufmerksam wurde. Jutta, soviel Werbung erlaube ich mir hier, ist nicht nur sozial engagiert, sondern kann auch richtig gut schreiben. [hier hatte ich auf ihren Text „Was frau beim Protest gegen Sexwerbung alles erleben kann“ verlinkt, der aber leider nicht mehr aktiv ist].

Lesen Sie weiter und staunen Sie über den „Wunsch nach dem perfekten Genital“. Das Stück stammt vom Nachrichtendienst „amPuls-online„, bei dem ich mich hiermit für die Genehmigung zur Wiedergabe bedanken möchte.

Besserer Sex durch Vaginal-Verjüngung?

Der Schönheitswahn ist im Genitalbereich angekommen. Bis zur Vergrößerung des G-Punktes ist alles dabei. Die Risiken solcher Eingriffe werden gerne übersehen.

Vergrößerung des G-Punktes, Verkleinerung der inneren Schamlippen, Wiederherstellung des Jungfernhäutchens – der Drang nach dem perfekten Körper betrifft schon lange nicht mehr nur gestraffte Augenlider und größere Brüste. Immer mehr Frauen unterziehen sich einer Genitaloperation aus rein kosmetischen Gründen. Bei solchen Operationen handelt es sich beispielsweise um die Verkleinerung der inneren und Vergrößerung der äußeren Schamlippen, Fettabsaugen am Schamhügel, Vaginalverengung oder aber um die Vergrößerung des G-Punktes durch Kollagen-, Hyaluronsäure- oder Eigenfettinjektionen in diesem Bereich.

An der Frauenklinik des Universitätsklinikums Freiburg werden solche Eingriffe allerdings nur dann vorgenommen, wenn dies medizinisch notwenig ist. So können deutlich vergrößerte „kleine“ Schamlippen beim Geschlechtsverkehr aber auch beim Sport als störend empfunden werden. „Kosmetische Eingriffe oder Operationen zur Steigerung des Lustempfindens im Genitalbereich führen wir nicht durch“, bekräftigt Professor Gerald Gitsch, Ärztlicher Direktor der Universitäts-Frauenklinik Freiburg.

Abgesehen davon, dass solche „Verschönerungen“ ethisch stark fragwürdig sind, kommen auch noch rein medizinische Bedenken hinzu: Bei all diesen kosmetischen Operationen am weiblichen Genitale fehlen Risikoeinschätzungen und Komplikationsraten. Wer also ernsthaft meint, durch eine Vaginal-Verjüngung seine Ehe retten zu können, sollte sich über die Risiken solcher Operationen bewusst sein.

„Zu den Komplikationen solcher Eingriffe zählen Wundheilungsstörungen und Entzündungen, Narbenbildungen, Sensibilitätsstörungen mit herabgesetzter sexueller Empfindlichkeit bis hin zu deutlichen Funktionsbeeinträchtigungen des Genitale“, warnt Professor Gitsch. „Durch die Narbenbildung kann es zu Schmerzen beim Gehen, Sitzen und beim Geschlechtsverkehr kommen.“ Daneben weist die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe darauf hin, dass es bislang keine wissenschaftlichen Daten gibt, die nachweisen, dass diese Eingriffe zu einer anhaltenden psychischen Verbesserung führen würden (Stellungsnahme im pdf-Format hier).

Experten sehen den Grund für die steigende Zahl von kosmetischen Genitaloperationen unter anderem in der Modeerscheinung der Intimrasur. Durch sie fallen unregelmäßige, zu kleine oder zu große Schamlippen mehr auf und werden von den Frauen oft als unästhetisch empfunden. Aber nicht immer steckt ein Modetrend hinter dem Wunsch einer Genitaloperation. „Gelegentlich können sich eine Depression oder Paarprobleme hinter dem Operationswunsch verbergen“, weiß Professor Gitsch. „Gerade in der Pubertät kann der Operationswunsch auch Ausdruck einer Körperbildstörung sein.“

Welcher Grund auch immer hinter dem Wunsch nach einer Genitaloperation steckt, Frau sollte dabei immer bedenken, dass die Folgen einer solchen Operation das Sexualleben und die Lebensqualität noch Jahre danach beeinflussen können – und zwar negativ.

… soweit also der Beitrag aus „amPuls-online

Vielleicht fragen Sie sich jetzt aber, was denn der „Schönheitswahn im Genitalbereich“ mit sexueller Verwahrlosung zu tun hat, oder gar mit Pornographie? Nun, wenn Professor Gerald Gitsch, Ärztlicher Direktor der Universitäts-Frauenklinik Freiburg und quasi „Kronzeuge“ in dem obigen Artikel vermutet, dass die steigende Zahl von kosmetischen Genitaloperationen von der Modeerscheinung der Intimrasur herrühren könne und wenn er beobachtet hat, dass  „gerade in der Pubertät der Operationswunsch auch Ausdruck einer Körperbildstörung sein kann“, so ist damit die Frage nach den Ursachen nicht wirklich beantwortet. Nun läßt sich trefflich diskuttieren über das Frauenbild in unserer Gesellschaft (gerne auch über das Männerbild), über die Rolle der Medien oder der Erziehung, von „Vorbildern“ wie Bushido und tausend Dinge mehr. Nein, eine einfache Antwort weiß ich auch nicht und ich möchte mich auch nicht Aufschwingen zum Richter darüber, wieviel oder welche Art von Sex „normal“, „gesund“ oder auch nur „unbedenklich“ ist. Freuen würde ich mich allerdings, wenn ich Sie durch meine Hinweise zum Nachdenken anrege. Ihre Gedanken können Sie gerne in den Kommentaren hinterlassen; als weitere Diskussionsgrundlage empfehle ich Ihnen noch die folgenden beiden Artikel zum Thema „Sexuelle Verwahrlosung“:

Internet-Therapie gegen Schlaflosigkeit

Auch ohne den Gang zum Arzt oder Psychologen können bestimmte Formen der Schlaflosigkeit wirksam bekämpft werden, berichtet ein Team von Wissenschaftlern um Lee M. Ritterband, Professor am University of Virginia Health System im US-amerikanischen Charlottesville in der Fachzeitschrift Archives of General Psychiatry. Zusammen mit seinen Kollegen hat Ritterband dafür eine bewährte Methode – die kognitive Verhaltenstherapie – aus der Praxis ins Internet übertragen.

Die kognitive Verhaltenstherapie zielt darauf ab, „falsche“ Gedanken und Verhaltensweisen durch wiederholte Übungen zu korrigieren. Obwohl es mehrere Studien gibt, denen zufolge das Verfahren bei Schlafstörungen ebenso gute – aber länger anhaltende – Ergebnisse erzielt, wie die Einnahme von Medikamenten, wird diese psychologische Behandlungsform noch immer verhältnismäßig selten angewandt. Neben einem Mangel an qualifizierten Therapeuten machen Ritterband und seine Kollegen dafür auch die hohen Kosten verantwortlich, die in den USA meist gar nicht und in Deutschland längst nicht immer durch die Krankenkassen erstattet werden.

Für ihren Versuch entwickelten die US-Forscher daher ein interaktives Programm für das Internet (genannt SHUTi), bei dem die gleichen Prinzipien wie in „echten“ Therapiesitzungen umgesetzt wurden. Von 44 freiwilligen Erwachsenen, deren Schlafprobleme im Mittel schon länger als zehn Jahre anhielten, wurden nach dem Losverfahren 22 für die Internet-Therapie ausgewählt und die anderen zum Vergleich auf eine Warteliste gesetzt. Neun Wochen lang trainierten die Probanden dann am Computer mit Hilfe von Texten und Graphiken, Animationen, Frage-und-Antwort-Spielen oder ähnlichen Elementen. So lernten sie beispielsweise, im Schlafzimmer nicht zu lesen oder fern zu sehen, tagsüber keine Nickerchen abzuhalten und nicht ständig über die gesundheitlichen Folgen ihrer Schlaflosigkeit zu grübeln.

Anhand von Schlaf-Tagebüchern und Selbstbeurteilungen über die gesamte Studiendauer hinweg konnten die Forscher verfolgen, wie wirksam ihre Methode war. Auf dem so genannten Schlaflosigkeitsindex, der von 0 (keine Symptome) bis 28 (schwere Schlaflosigkeit) reicht, verbesserten sich die Teilnehmer am Internet-Training von durchschnittlich 15,73 auf 6,59 Punkte. Dieser Erfolg hielt über mindestens sechs Monate an, wie die Wissenschaftler in einer Nachuntersuchung feststellten.  Die Freiwilligen auf der Warteliste erfuhren dagegen einerlei Besserung.

„Ein Internet-basiertes Verfahren könnte den großen, unbefriedigten Bedarf der Bevölkerung nach einer Behandlung stillen“, folgern die Wissenschaftler in ihrem Fachartikel und sie glauben außerdem: „Solch eine wirksame und billige Intervention würde die Behandlungsmöglichkeiten für eine große Anzahl von schlaflosen Erwachsenen erweitern.“ Besonders für jene, die weit entfernt von spezialisierten Zentren leben, könnte dieses Verfahren zu einer stichhaltigen Therapie der ersten Wahl werden, werben die US-Forscher schließlich für ihre Neuerung.

Der Bedarf für solch eine Therapie scheint jedenfalls vorhanden: Unterschiedlichen Quellen zufolge klagt etwa ein Viertel der Bevölkerung über Schlafstörungen und bei 80 Prozent der Betroffenen dauern die Beschwerden länger als ein Jahr. Die Ursachen sind überwiegend psychosozialer Nature, sei es in Form aufwühlender Tagesereignisse, Problemen an Arbeitsplatz und in der Familie oder von Umweltgeräuschen, die als Belästigung empfunden werden. Daneben gibt es aber auch eine Vielzahl so genannter organischer Schlafstörungen, die im wesentlichen auf Fehlfunktionen des Gehirns beruhen. In diese Kategorie fallen zum Beispiel die Schlafapnoe,  die Narkolepsie und das Restless-Legs-Syndrom. Neben dem unermesslichen menschlichen Leid verursachen Schlafstörungen auch gewaltige wirtschaftliche Schäden. Alleine für die USA schätzt man die Produktivitätsverluste auf umgerechnet 30 Milliarden Euro jährlich und eine kanadische Studie kam kürzlich zu dem Schluss, dass Schlafstörungen etwa ein Prozent des Bruttosozialproduktes auffressen.

Quelle:

Lee M. Ritterband, Frances P. Thorndike, Linda A. Gonder-Frederick, Joshua C. Magee, Elaine T. Bailey, Drew K. Saylor, Charles M. Morin:  Efficacy of an Internet-Based Behavioral
Intervention for Adults With Insomnia. Arch Gen Psychiatry. 2009; (667) :692-698

Tipp:

Ein großes Angebot von Ratgebern zum Thema „Gesunder Schlaf“ finden Sie bei meinem Werbepartner Amazon. Umsonst im Internet gibt es den Patientenratgeber „Schlafstörungen und ihre Behandlungsmethoden“ der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin. Noch besser gefallen hat mir allerdings die gut verständliche und übersichtliche Webseite schlafgestoert.de. Sie wird von drei engagierten ÄrztInnen betrieben, die sich zum Ziel gesetzt haben, die Behandlung von Schlafstörungen ohne Medikamente zu fördern.

Sucht nach Computerspielen nimmt zu

Mit dem Rücken zur Wand und umgeben von einer feindlichen Übermacht ist Angriff die beste Verteidigung. Diese Lektion haben jedenfalls zahlreiche Buben und jungen Männer gelernt, die gerne am Computer spielen und deren liebste Freizeitbeschäftigung viele Erwachsene nach langem Desinteresse nun am liebsten verbieten würden.

„Küchenmesser und Kochshows sollte man auch abschaffen“, spottet ein Teilnehmer einer Online-Diskussion über den Hintergrundbericht einer Tageszeitung, der nach möglichen Zusammenhängen zwischen Gewalt verherrlichenden Computerspielen und der Tragödie von Winnenden gefragt hatte. Das Gegenteil ist richtig, argumentiert der nächste Spieler: „Killerspiele“ sind gut, denn sie erlauben es frustrierten Jugendlichen, Dampf abzulassen. Ohne dieses Ventil gäbe es noch viel mehr Gewalt in der realen Welt. Wie viele Menschen denn in Karl Mays Reiseerzählungen ermordet wurden, fragt süffisant ein dritter Online-Kommentator.

Angesichts derartiger Diskussionen sowie Verbotsforderungen von Politikern melden sich nun auch Wissenschafter zu Wort. Mit harten Zahlen zur Problematik der Computerspielsucht sowie mit konkreten Therapieangeboten wollen sie zu einer Versachlichung der Diskussion beitragen.

„In unsere Klinik kommen zunehmend Computerspieler und andere Internetnutzer, die sich wie Süchtige verhalten“, berichtete kürzlich auf einem Fachkongress zur Psychosomatik Professor Martin Beutel, Leiter der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Dort wurde im März 2008 eine Spezialambulanz eröffnet, deren Angebote zu Beratung und Therapie in den ersten neun Monaten von über 300 Betroffenen und Angehörige genutzt wurden. Im gleichen Zeitraum habe die Zahl der Computer in deutschen Kinderzimmern erstmals auch die Zahl der Fernseher übertroffen, bemerkte Beutel.

Mehr noch als von Spielen, die alleine am PC oder an Konsolen genutzt werden, gehe eine Suchtgefahr von so genannten Online-Rollenspielen aus, deren Teilnehmer sich über das Internet verbinden und die dort gegeneinander antreten, sagt der psychologische Leiter der Spezialambulanz, Klaus Wölfling. Besonders beliebt sind hier das durch den Ammoklauf in Winnenden erneut in die Kritik geratene Counterstrike (engl. für „Gegenschlag“) und World of Warcraft („Welt der Kriegskunst“, meist als WoW abgekürzt), das mit Umsätzen von über einer Milliarde Dollar jährlich eines der profitabelsten Medien überhaupt ist, sowie Warhammer, EverQuest, und Guild Wars.

Eine einfache Antwort auf die Frage, inwiefern die exzessive Nutzung bestimmter Computerspiele Gewalttaten wie in Winnenden begünstigen kann, sei nicht möglich, räumte Wölfling ein. „Allerdings zeigen Jugendliche immer häufiger ein sich verlierendes, entgleitendes und in Extremfällen psychopathologisch auffälliges Nutzungsverhalten in den virtuellen Räumen des Internets oder in Online-Spielwelten“. Diese Tendenz spiegele sich in Umfragen und in der wachsenden Zahl der Anrufe beim Suchthilfesystem. Die bundesweite Hotline Verhaltenssucht etwa registrierte 2008 über 400 Kontakte wegen Computerspielsucht, wobei in 70 Prozent das Spiel „World of Warcraft“ (WoW) der Auslöser war.

Erst kürzlich hatte eine vom Bundesinnenministerium finanzierte Befragung von 15000 Schülerinnen und Schülern neunter Klassen ergeben, dass 4,3 Prozent der Mädchen und 15,8 Prozent der Jungen täglich mehr als 4,5 Stunden mit Computerspielen verbringen. Auch hier hatte man im Vergleich mit anderen Spielen unter den Nutzern von „World of Warcraft“den mit Abstand höchsten Anteil aller abhängigen und gefährdeten Spieler gefunden. Der Leiter dieser Untersuchung, Professor Christan Pfeiffer vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen, hatte daraufhin gefordert, die Altersfreigabe für WoW von derzeit 12 auf 18 Jahre zu erhöhen und vorgerechnet, dass männliche Spieler übers Jahr gerechnet mehr Zeit in WoW investieren, als in ihren gesamten Schulunterricht.

Die Zahlen dieser neuen deutschen Studie decken sich weitgehend mit internationalen Untersuchungen, bei denen man unter Computerspielern drei Prozent Süchtige und dreizehn Prozent mit „problematischem Verhalten“ gefunden hatte. Allerdings, schränkte Wölfling ein, seien diese Zahlen zumeist durch online-Befragungen zustande gekommen wo die Gefahr bestehe, dass sich vermeintlich Betroffene überproportional häufig beteiligen.

Klaus Wölfling setzt auf Verhaltenstherapie gegen Computer-Spielsucht

Klaus Wölfling setzt auf Verhaltenstherapie gegen Computer-Spielsucht

„Essen, Hygiene, Schule, Beruf und Partnerschaft – alles wird nebensächlich und das Spiel dominiert in extremer Weise den Alltag“, so charakterisierte Wölfling einige typischen Merkmale der Computerspielsucht. Es bestünden offensichtliche Parallelen zu anderen Süchten wie verminderte Kontrollfähigkeit und Toleranzentwicklung, die sich in immer längeren Spielzeiten äußert. Außerdem kommt es zu regelrechten Entzugserscheinungen wie Nervosität, Unruhe und Schlafstörungen, wenn die Eltern Verbote aussprechen und tatsächlich „den Stecker ziehen“.

Entschieden widerspricht Beutel der These, dass diese Spiele helfen, Aggressionen abzubauen „Zahlreiche Studien haben übereinstimmend gezeigt, dass gewalttätige Bilder kurzfristig zu einer Zunahme aggresiven Verhaltens führen“, sagt der Psychosomatiker und vermutet: „Wahrscheinlich werden dadurch auch langfristig aggressive Verhaltensmuster eingeübt.“ Auf Mädchen, die solche Spiele eher selten nutzen, wirke dies vor allem furchteinflößend.

Nicht nur die Psyche wird durch exzessive Computerspiele gefährdet, warnte in einer Resolution bereits im Jahr 2007 der Dachverband der US-amerikanischen Mediziner AMA. Als besonders aussagekräftig wurde dort eine Schweizer Studie eingestuft, die Computerspiele und Fernsehen als wesentliche Ursachen für Übergewicht dokumentiert hatte. Jede zusätzliche Spielstunde am Tag hatte demnach das Risiko verdoppelt.

„Die Computerspielsucht ist als ein eigenständiges Krankheitsbild anzusehen, das wir der Gruppe der Verhaltenssüchte zuordnen können“, sagte in Mainz Klinikdirektor Beutel. Weil sich die Mediziner noch nicht auf eine einheitliche Definition der Computerspielsucht einigen konnten, sind die Erfolge verschiedener Behandlungsstrategien allerdings nur schwer miteinander zu vergleichen und verfügbare Therapien werden auch von den Krankenkassen nicht ohne weiteres bezahlt. In der Mainzer Spezialambulanz habe jedoch „die große Mehrzahl“ der Patienten innerhalb einer sechsmonatigen Gruppentherapie wieder gelernt, den Computer wieder vernünftig zu nutzen, so Beutel. Die Lebensqualität habe sich gebessert, die Betroffenen suchten wieder mehr Kontakte in der realen Welt und trieben mehr Sport. In Folgeuntersuchungen will man nun überprüfen, ob diese Erfolge auch über sechs und zwölf Monate hinweg Bestand haben.

Quelle: Gemeinsame Jahrestagung Deutsches Kollegium für Psychosomatische Medizin (DKPM) und Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (DGPM) in Mainz, mit Pressekonferenz am 19.3.2009.

Hintergrund: Das Gehirn in der Pubertät

Hirnforscher verweisen darauf, dass die Bereitschaft, das eigene Verhalten zu hinterfragen, sich bei Jugendlichen gerade erst entwickelt. Das Denkorgan reift länger, als man lange Zeit annahm und speziell in der Pubertät verläuft dieser Reifungsprozess in verschiedenen Regionen unterschiedlich schnell. Der Stirnlappen – zuständig für Planung, Bewertung und auch Risikoabschätzung – entwickelt sich zuletzt. Das so genannte limbische System, in dem Gefühle wie Wut und Angst verarbeitet werden, ist dagegen schon vergleichsweise früh ausgereift und kann deshalb unter Umständen sogar die Anreize für „vernünftige“ Entscheidungen aus dem Stirnlappen außer Kraft setzen, folgern manche Wissenschaftler aus Bildern der Hirnaktivität unter Versuchsbedingungen. Schließlich gibt es auch viele Hinweise darauf, dass das Belohnungssystem des Gehirns und der Botenstoff Dopamin in der Pubertät besonders starken Schwankungen unterworfen sind. Was allerdings genau passiert, wenn besonders männliche Teenager immer stärkere „Kicks“ für ihre Zufriedenheit brauchen und am nächsten Tag träge und mit „null Bock“ stundenlang vor dem Fernseher liegen, darauf haben die Experten bislang keine Antwort gefunden. Und sie haben auch kein einfaches Rezept dafür, wie man diese Extreme in den Griff bekommt.

Lesenswert:

  • Wie erkennt man, ob das eigene Kind computerspielsüchtig ist? Und was tun, wenn dem so ist? Hilfestellung gibt das Buch Computersüchtig? von Sabine M. Grüsser und Ralf Thalemann. Beide Autoren haben das Thema nicht nur wissenschaftlich erforscht, sondern als Terapeuten im Kinder- und Jugendbereich gearbeitet.
  • Im November 2009 hat sich wenig geändert, entnehme ich einem ebenso ausführlichen wie lesenswerten Bericht über die World of Warcraft von Katrin Hummel hat in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.