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Warum wir immer die Falschen wählen

Zweifel an unserem Wahlsystem habe ich nicht erst seit Merkel & Co sich mit immer neuen Gesetzen über den Willen des Volkes hinwegsetzen. Oder bevorzugen Sie etwa Christian Wulff als Bundespräsident gegenüber Joachim Gauck? Hätten Sie für die Griechenlandhilfe gestimmt? Waren Sie für eine „Transferunion“, bei der Deutschland mit mindestens 175 Milliarden für andere Euro-Länder haftet? Wollten Sie die „notleidenden Banken“ retten, und haben Sie ihre D-Mark freiwillig gegen den Euro eingetauscht? Und wie kommt es eigentlich, dass ein ums andere Mal Politiker gewählt werden, die offensichtlich inkompetent sind und die immer wieder damit durchkommen, uns frech zu belügen?

Nun, zumindest auf die letzte Frage haben Wissenschaftler des University College London und der Universität Princeton (USA) eine überzeugende Antwort gefunden: Wir sind selbst schuld. Die meisten Wähler vergeben ihre Stimmen nämlich nicht etwa nach gründlicher Überlegung an diejenigen mit den besten Argumenten. Entschieden wird vielmehr anhand von Oberflächlichkeiten – etwa weil der scheinbar entschlossene Gesichtsausdruck des einen Kandidaten gefällt, die nachdenkliche Mimik des Konkurrenten aber nicht.

Entschlossener Blick, aber keine Ahnung: So wird man Präsident (Foto: Eric Draper)

„Wähler beurteilen die Kompetenz von Politikern anhand von deren Gesichtsausdrücken und aufgrund dieser, auf Äußerlichkeiten basierenden Urteile kann man sowohl das Wahlverhalten des Einzelnen als auch den Ausgang der Wahl insgesamt vorhersagen“, heißt es in einer Pressemitteilung des Springer-Fachverlages, bei dem Dr. Christopher Olivola und Professor Alexander Todorov ihre Untersuchung veröffentlicht haben. Die Erklärung für dieses unselige Verhalten lautet: Weil das Gehirn eine ganze Flut von Informationen über die Kandidaten verarbeiten müsste, um zu einer gut fundierten Entscheidung zu kommen, sei es keine Überraschung, dass die Wähler „geistige Abkürzungen“ nehmen. Heraus gefunden haben Olivola und Todorov dies mit einer interessanten Kombination aus Literaturstudium und Computersimulation. Erst haben die beiden Psychologen jene Gesichtsausdrücke identifiziert, die gemäß früheren Studien bei den meisten Menschen den Eindruck von Kompetenz erwecken. Dann manipulierten sie mit dem Computer diese Gesichtsausdrücke und ermitteln die Reaktionen ihrer freiwilligen Versuchspersonen. Heraus kam, dass der Anschein von Reife einerseits und körperliche Attraktivität andererseits die beiden wichtigsten Merkmale waren, aufgrund derer die Studienteilnehmer jemanden für kompetent hielten.

„Es wird keine leichte Aufgabe, die Menschen dazu zu bewegen, diese Macht des ersten Eindrucks zu überwinden“, fürchten Olivola und Todorov. Wegen der Schnelligkeit und dem Automatismus, mit dem Schlussfolgerungen aufgrund von Oberflächlichkeiten getroffen werden, seien diese Urteile nur schwer zu korrigieren. „Noch dazu ist es den Leuten oft nicht einmal bewusst, dass sie ihre Urteile anhand des Aussehens der Anderen treffen.“ Ein Patentrezept haben die beiden Forscher deshalb nicht zu bieten. „Den Einfluss des Fernsehens und anderer Medien zu kontrollieren wäre wohl extrem schwierig. Den Wählern eine bessere Bildung zukommen zu lassen wäre wahrscheinlich die bessere Strategie“, spekulieren die beiden Wissenschaftler.

Quelle:

Pharmaindustrie: Fragwürdige Selbstverpflichtung

Mit einer „freiwilligen Selbstverpflichtung“ wollen die forschenden Arzneimittelfirmen offenbar verlorenes Vertrauen wieder herstellen. Die Ergebnisse klinischer Studien müssen zwar bereits seit 2005 online veröffentlicht werden, allerdings waren dort oftmals nur sehr spärliche Informationen zu finden. Nun sollen in den online-Artikeln alle zu Studienbeginn vorgesehenen Auswertungen enthalten sein. Außerdem „muss“ jeder, der inhaltlich zu solch einer Fachpublikation beigetragen hat, aufgeführt werden – und zwar mit Angaben zur Art des Beitrages, der Zugehörigkeit zu einer Firma oder Institution „sowie zu potentiellen Interessenskonflikten“, teilt der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (VfA) in einer Pressemitteilung mit.

Dazu hätten sich der internationale und der europäische Pharmaverband sowie weitere nationale Verbände am 10. Juni 2010 geeinigt. Man wolle so eine „noch weitergehende Transparenz“ schaffen erklärte Cornelia Yzer, Hauptgeschäftsführerin des VfA. Yzer war für die CDU von 1990 bis 1998 im Bundestag gesessen und von 1994 bis 1997 Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesforschungsministerium gewesen, von wo aus sie direkt in ihren neuen Beruf als Deutschlands oberste Pharmalobbyistin wechselte.

Während der VfA in seiner Pressemitteilung bei den Kernelementen der Selbstverpflichtung immer wieder das Wörtchen „muss“ gebraucht, erweist sich das Positionspapier selbst bei näherer Betrachtung als völlig unverbindliches Dokument. „Wir ermutigen alle Geldgeber klinischer Versuche, diesen Prinzipien zu folgen“, heißt es dort etwa. Dann folgt die Einschränkung, dass die Publikationen den Datenschutz der Autoren gewährleisten müssten, sowie geistige Eigentumsrechte und bestehende Verträge.

Zwar „sollten“ alle von der Industrie finanzierten klinischen Studien für eine Veröffentlichung „in Betracht gezogen werden“ – „egal ob die Ergebnisse für die Arznei des Herstellers positiv oder negativ sind“. Schon im nächsten Satz aber wird auch diese freundliche Ermahnung wieder eingeschränkt: „Mindestens sollten alle Ergebnisse aus Phase III-Studien zu Veröffentlichung eingereicht werden und alle medizinisch bedeutsamen Studienergebnisse.“

Die Publikation „sollte“ zeitnah erfolgen, und es folgt eine recht großzügige Auslegung von zeitnah als „wann immer möglich innerhalb von 12 Monaten und nicht später als 18 Monate nach Abschluss der Studie für Medizinprodukte, die bereits auf dem Markt sind“. Die gleiche, unverbindliche Frist gilt für Arzneien und Geräte, die noch in der Entwicklung sind. Gemessen wird hier ab „der Zulassung  durch die Behörden oder der Entscheidung des Herstellers, die Entwicklung einzustellen“.

In der Praxis würde dies bedeuten, dass eine Firma, die beispielsweise in einer Phase II-Studie mit 100 Patienten feststellt, dass ihr Arzneimittelkandidat unerträgliche Nebenwirkungen verursacht, sich durchaus ein halbes Jahr zur Entscheidungsfindung nehmen könnte. Danach blieben nochmals 1,5 Jahre Zeit bis zur Veröffentlichung der unerfreulichen Resultate, ohne gegen den Wortlaut oder den Geist der Selbstverpflichtung zu verstoßen.

Immer wieder waren in den vergangenen Jahren Pharmaunternehmen angeklagt worden, weil sie Studienergebnisse nur teilweise veröffentlicht und damit Patienten geschadet hatten. Dass dabei offenbar vorsätzlich solche Daten unter den Teppich gekehrt wurden, die den Herstellern der getesteten Arzneien nicht ins Konzept passten, hatte unlängst eine Veröffentlichung des Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) nahe gelegt.

Quellen:

Weitere Informationen:

  • Die Wikipedia über Klinische Studien: Warum man sie braucht, in welchen Stadien sie ablaufen und welche Interessenskonflikte dabei bestehen.
  • Entscheidungshilfe für Patienten, ob und warum sie an einer klinischen Studie teilnehmen sollten: Der Blaue Ratgeber der Deutschen Krebshilfe

US-Kids nutzen Medien fast acht Stunden täglich

US-amerikanische Kinder und Jugendliche verbringen durchschnittlich sieben Stunden und 38 Minuten pro Tag vor dem Fernseher, mit Videospielen oder beim surfen im Internet. In den vergangenen fünf Jahren habe der Medienkonsum um 1 Stunde und 17 Minuten zugenommen und ist nun auf einem neuen Rekordhoch angelangt heißt es in einem Bericht der Kaiser Family Foundation. Befragt wurden für den Bericht 2000 Kinder und Jugendliche zwischen 8 und 18 Jahren.

Wie Victoria Rideout, eine der Autorinnen des Berichtes vorrechnet, liegt die Zeit für den Medienkonsum dieser Mädchen und Jungen mit 53 Stunden pro Woche erheblich über dem, was berufstätige Erwachsene mit Arbeit verbringen. Weil die Kinder oftmals mehr als ein Medium gleichzeitig nutzen, schaffen sie es sogar, täglich den Gegenwert von zehn Stunden und 45 Minuten an Inhalten zu konsumieren. Diese Zahlen beinhalten ausschließlich den Gebrauch von Medien zur Unterhaltung. Nicht eingeschlossen wurde beispielsweise die Zeit am Handy, in der tatsächlich telefoniert wurde sowie die Nutzung von Computern für die Schularbeiten.

Zu der Entwicklung beigetragen habe wohl auch die explosionsartige Vermehrung von Handys, iPods und ähnlichen Geräten, vermutet Rideout. Während im Jahr 2004 „nur“ 39 Prozent der US-Kids ein Handy besaßen, sind es mittlerweile 66 Prozent, also zwei Drittel. Gleichzeitig erhöhte sich der Anteil der Jugendlichen mit MP3-Spielern von 18 auf 76 Prozent. Mit 49 gegenüber 33 Minuten wird dem Bericht zufolge mit den Handys auch deutlich mehr gespielt und Musik gehört, als telefoniert. Auch Fernsehgeräte prägen weiterhin den Alltag. Sie laufen bei 64 Prozent aller amerikanischen Familien auch während der Mahlzeiten und sind in 45 Prozent der Haushalte „fast die ganze Zeit“ angeschaltet – auch wenn niemand die Sendungen verfolgt. Zusätzlich zu den Geräten im Wohnzimmer stehen Fernseher in 71 Prozent aller Kinderzimmer.

Obwohl die US-Kids nach wie vor etwa 25 Minuten täglich damit verbringen, Bücher zu lesen, scheinen Zeitschriften und Tageszeitungen immer weniger zu interessieren. Binnen fünf Jahren sank die für Zeitschriften aufgebrachte Zeit von 14 auf 9 Minuten täglich. Für Tageszeitungen halbierte sich dieser Wert im gleichen Zeitraum von sechs auf drei Minuten. Dass die Kinder und Jugendlichen nunmehr zwei Minuten täglich Zeitungen und Zeitschriften online lesen, konnte den Rückgang in der Lesebilanz nicht ausgleichen.

Viel lieber verbringen die Heranwachsenden ihre Online-Zeit mit YouTube. Die Webseite, auf der man fremde Videos anschauen und eigene präsentieren kann, besuchen typische US-amerikanische Jugendliche 15 Minuten am Tag. Noch lieber tummeln sie sich aber in Facebook und anderen sozialen Netzwerken. Drei Viertel der Schüler in den Klassen sieben bis zwölf haben dort ein Profil mit persönlichen Daten angelegt, fanden die Forscher heraus.

Ob der Medienkonsum zu schlechteren Schulnoten führt, lassen die Autoren des Berichtes offen. Allerdings bemerken sie, dass unter jenem Fünftel der Kinder mit heftigem Mediengebrauch (mehr als 16 Stunden pro Tag) beinahe die Hälfte schlechte Schulnoten hatte. Unter den Kindern mit weniger als drei Stunden täglichem Mediengebrauch betrug der Anteil mit schlechten Schulnoten dagegen nur 23 Prozent – also weniger als ein Viertel.

Im Vergleich zu den USA, wo die Kaiser Family Foundation nunmehr schon den dritten umfassenden Bericht zur Mediennutzung Jugendlicher vorgelegt hat, sind die Daten für Deutschland eher lückenhaft. Aus einer Übersicht der Hessischen Landesstelle für Suchtgefahren kann man jedoch auf eine Fernsehzeit von täglich etwa drei Stunden schließen. Forscher der Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Universität Mainz haben zudem kürzlich 256 Schüler im Saarland befragt und dabei festgestellt, dass diese Werktags durchschnittlich 3,2 Stunden aktiv im Internet verbrachten, an den Wochenenden waren es sogar 4,3 Stunden.

Quelle:

Weitere Informationen:

Interview: Gewalt durch neue Medien?

F: Herr Professor Beutel: Wenn Journalisten über Gewaltverbrechen berichten – erhöht sich dadurch die Gefahr für weitere Amokläufe? Immerhin haben „Trittbrettfahrer“ in einem halben Dutzend Städten nach dem Amoklauf von Winnenden mit ähnlichen Taten gedroht.

A: Das kommt auf die Art der Berichterstattung an, aber auch auf das Medium. Jugendliche werden heute sehr stark von Bildern, Filmen und Videos geprägt. Diese Art der Berichterstattung regt vielleicht mehr zum Mit- und Nachmachen an, während Printmedien eher die Reflektion fördern.

F: Nach dem Amoklauf von Winnenden wird wieder einmal über einen möglichen Zusammenhang zwischen Computerspielen – speziell den „Ego-Shootern“ und Ausbrüchen von Gewalt diskutiert. Gibt es denn harte wissenschaftliche Beweise für solch einen Zusammenhang oder muss die Spieleindustrie als Sündenbock für eine gesellschaftliche Fehlentwicklung herhalten?

Nicht alle Medien sind gleich gefährlich, sagt Prof. Manfred Beutel

Nicht alle Medien sind gleich gefährlich, sagt Prof. Manfred Beutel

A: Aus der Medienforschung wissen wir, dass das Anschauen gewalttätiger Bilder unmittelbar zu aggresivem Verhalten und teilweise auch furchtsamen Verhalten führt. Das gilt auch für Spiele und das kann man messen. Freiwillige Versuchspersonen zeigen unmittelbar nach solchen Spielen eine erhöhte Erregung, mehr gewalttätige Gefühle und eine erhöhte Neigung zu gewalttätigen Handlungen. Besonders ausgeprägt sind diese Veränderungen, wenn in dem Spiel gewalttätiges Verhalten belohnt wird.

F: Eine kurzfristige Erregung, könnte man argumentieren…

A: Es gibt auch erste Hinweise, dass die Einstellungen der Spieler sich langfristig verändern – allerdings sind die Daten hier weniger aussagekräftig, weil bisher kaum Studien vorliegen, die über mehrere Jahre hinweg das Verhalten beobachtet haben.

F: In Diskussionen behaupten leidenschaftliche Spieler gerne, dass diese Effekte nur einige „Verrückte“ betreffen, dass die große Mehrheit friedlich ihrem Hobby nachgeht und sehr wohl zwischen Realität und Simulation unterscheiden kann.

A: Hier kommen in der Tat viele Faktoren zusammen, die nur schwer voneinander zu trennen sind. Die Persönlichkeit des Spielers spielt ebenso eine Rolle wie soziale Einflüsse – also Eltern und Erziehung, Schule und Freundeskreis. Es gibt Gruppen, die ein erhöhtes Risiko haben, gewalttätig zu werden: Menschen mit einem aggressiven Temperament und solche die weitgehend gefühllos sind, die wenig Einfühlungsvermögen für Andere haben und denen es an klaren und stabilen Moralvorstellungen fehlt, etwa weil Gewalt in der Familie zum Alltag gehört. Diese Gruppen bevorzugen denn auch eindeutig gewalttätige Spiele und Filme.

F: Was ist mit Filmen wie dem Tatort, der uns gebührenfinanziert jeden Sonntag die Leichen frei Haus liefert?

A: Im Gegensatz zum Tatort zeichnen sich Video- und Computerspiele mit ihren modernen Technologien dadurch aus, dass man in diese Kunstwelten eintaucht und mitmacht. Dadurch werden unbewusste Lernvorgänge ausgelöst, was unter anderem dazu führt, dass sich das Koordinationsvermögen und die Konzentrationsfähigkeit der Spieler verbessert. Vorstellungskraft und kritisches Denken werden aber geschwächt und das sind leider Eigenschaften, die man braucht, um Gewalt zu vermeiden oder ihr aus dem Weg zu gehen. Solche Effekte wurden noch nicht ausreichend erforscht und deshalb wissen wir letztlich nicht, welchen Auswirkungen die neuen Medien auf die Reifung, das Sozialverhalten und die persönliche Entwicklung der Jugendlichen haben.

Prof. Martin E. Beutel ist Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz.

Das Interview wurde geführt am 19. März 2009 am Rande der gemeinsamen Jahrestagung des Deutschen Kollegium für Psychosomatische Medizin (DKPM) und der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (DGPM) in Mainz