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Die hemmungslose Gesellschaft

Vorbemerkung: Welche Art von Besuchern wird das Wörtchen „Sex“ wohl auf meine Webseite ziehen?, habe ich mich gefragt und möchte deshalb von vorne herein feststellen, dass der nachfolgende Beitrag  weder für geile Böcke bestimmt ist, noch für moralinsaure Moralapostel. Statt dessen geht es mir darum, auf eine – wie ich finde – ziemlich beunruhigende Entwicklung hinzuweisen, die oft als „sexuelle Verwahrlosung“ oder „Pornographisierung der Gesellschaft“ beschrieben wird, und auf die ich erstmals durch meine Kollegin Jutta Bissinger aufmerksam wurde. Jutta, soviel Werbung erlaube ich mir hier, ist nicht nur sozial engagiert, sondern kann auch richtig gut schreiben. [hier hatte ich auf ihren Text „Was frau beim Protest gegen Sexwerbung alles erleben kann“ verlinkt, der aber leider nicht mehr aktiv ist].

Lesen Sie weiter und staunen Sie über den „Wunsch nach dem perfekten Genital“. Das Stück stammt vom Nachrichtendienst „amPuls-online„, bei dem ich mich hiermit für die Genehmigung zur Wiedergabe bedanken möchte.

Besserer Sex durch Vaginal-Verjüngung?

Der Schönheitswahn ist im Genitalbereich angekommen. Bis zur Vergrößerung des G-Punktes ist alles dabei. Die Risiken solcher Eingriffe werden gerne übersehen.

Vergrößerung des G-Punktes, Verkleinerung der inneren Schamlippen, Wiederherstellung des Jungfernhäutchens – der Drang nach dem perfekten Körper betrifft schon lange nicht mehr nur gestraffte Augenlider und größere Brüste. Immer mehr Frauen unterziehen sich einer Genitaloperation aus rein kosmetischen Gründen. Bei solchen Operationen handelt es sich beispielsweise um die Verkleinerung der inneren und Vergrößerung der äußeren Schamlippen, Fettabsaugen am Schamhügel, Vaginalverengung oder aber um die Vergrößerung des G-Punktes durch Kollagen-, Hyaluronsäure- oder Eigenfettinjektionen in diesem Bereich.

An der Frauenklinik des Universitätsklinikums Freiburg werden solche Eingriffe allerdings nur dann vorgenommen, wenn dies medizinisch notwenig ist. So können deutlich vergrößerte „kleine“ Schamlippen beim Geschlechtsverkehr aber auch beim Sport als störend empfunden werden. „Kosmetische Eingriffe oder Operationen zur Steigerung des Lustempfindens im Genitalbereich führen wir nicht durch“, bekräftigt Professor Gerald Gitsch, Ärztlicher Direktor der Universitäts-Frauenklinik Freiburg.

Abgesehen davon, dass solche „Verschönerungen“ ethisch stark fragwürdig sind, kommen auch noch rein medizinische Bedenken hinzu: Bei all diesen kosmetischen Operationen am weiblichen Genitale fehlen Risikoeinschätzungen und Komplikationsraten. Wer also ernsthaft meint, durch eine Vaginal-Verjüngung seine Ehe retten zu können, sollte sich über die Risiken solcher Operationen bewusst sein.

„Zu den Komplikationen solcher Eingriffe zählen Wundheilungsstörungen und Entzündungen, Narbenbildungen, Sensibilitätsstörungen mit herabgesetzter sexueller Empfindlichkeit bis hin zu deutlichen Funktionsbeeinträchtigungen des Genitale“, warnt Professor Gitsch. „Durch die Narbenbildung kann es zu Schmerzen beim Gehen, Sitzen und beim Geschlechtsverkehr kommen.“ Daneben weist die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe darauf hin, dass es bislang keine wissenschaftlichen Daten gibt, die nachweisen, dass diese Eingriffe zu einer anhaltenden psychischen Verbesserung führen würden (Stellungsnahme im pdf-Format hier).

Experten sehen den Grund für die steigende Zahl von kosmetischen Genitaloperationen unter anderem in der Modeerscheinung der Intimrasur. Durch sie fallen unregelmäßige, zu kleine oder zu große Schamlippen mehr auf und werden von den Frauen oft als unästhetisch empfunden. Aber nicht immer steckt ein Modetrend hinter dem Wunsch einer Genitaloperation. „Gelegentlich können sich eine Depression oder Paarprobleme hinter dem Operationswunsch verbergen“, weiß Professor Gitsch. „Gerade in der Pubertät kann der Operationswunsch auch Ausdruck einer Körperbildstörung sein.“

Welcher Grund auch immer hinter dem Wunsch nach einer Genitaloperation steckt, Frau sollte dabei immer bedenken, dass die Folgen einer solchen Operation das Sexualleben und die Lebensqualität noch Jahre danach beeinflussen können – und zwar negativ.

… soweit also der Beitrag aus „amPuls-online

Vielleicht fragen Sie sich jetzt aber, was denn der „Schönheitswahn im Genitalbereich“ mit sexueller Verwahrlosung zu tun hat, oder gar mit Pornographie? Nun, wenn Professor Gerald Gitsch, Ärztlicher Direktor der Universitäts-Frauenklinik Freiburg und quasi „Kronzeuge“ in dem obigen Artikel vermutet, dass die steigende Zahl von kosmetischen Genitaloperationen von der Modeerscheinung der Intimrasur herrühren könne und wenn er beobachtet hat, dass  „gerade in der Pubertät der Operationswunsch auch Ausdruck einer Körperbildstörung sein kann“, so ist damit die Frage nach den Ursachen nicht wirklich beantwortet. Nun läßt sich trefflich diskuttieren über das Frauenbild in unserer Gesellschaft (gerne auch über das Männerbild), über die Rolle der Medien oder der Erziehung, von „Vorbildern“ wie Bushido und tausend Dinge mehr. Nein, eine einfache Antwort weiß ich auch nicht und ich möchte mich auch nicht Aufschwingen zum Richter darüber, wieviel oder welche Art von Sex „normal“, „gesund“ oder auch nur „unbedenklich“ ist. Freuen würde ich mich allerdings, wenn ich Sie durch meine Hinweise zum Nachdenken anrege. Ihre Gedanken können Sie gerne in den Kommentaren hinterlassen; als weitere Diskussionsgrundlage empfehle ich Ihnen noch die folgenden beiden Artikel zum Thema „Sexuelle Verwahrlosung“:

Brutale Muttersöhnchen

Junge Männer, die länger bei ihren Eltern wohnen, sind häufiger gewalttätig. Dies ist das Ergebnis einer Befragung von 8400 jugendlichen Briten durch Forscher der Queen Mary Universität in London. Obwohl unter den Befragten nur etwa jeder 25ste ein „Muttersöhnchen“ war, begingen diese ein gutes Fünftel aller Gewalttaten.  Statistische Berechnungen aufgrund der ermittelten Zahlen zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit für die Stubenhocker, eine Gewalttat zu begehen, 2,5 Mal größer war als für den Altersdurchschnitt. Demgegenüber erhöhte „gefährliches Trinken“ das Gewaltrisiko lediglich um das 1,6-fache und Verhaltensstörungen im Kindesalter um das 2,2-fache.

Die Untersuchung habe man unternommen, weil man festgestellt hatte, dass zwar generell die Gewaltbereitschaft in der Bevölkerung mit dem Alter abnimmt, dass aber eine Gruppe junger Männer von diesem Trend ausgenommen ist, berichten Professor Jeremy Coid und Dr. Ming Yang in der Fachzeitschrift Social Psychiatry and Psychiatric Epidemiology. So war etwa jede vierte junge Frau zwischen 16 und 19 Jahren nach eigener Darstellung gewalttätig geworden, im Alter zwischen 20 und 24 Jahren aber nur noch jede siebte. Bei den jungen Männern schlägerte sogar jeder zweite zwischen 16 und 19, doch blieb diese Quote wegen des hohen Anteils brutaler Muttersöhnchen auch im Alter zwischen 20 und 24 unverändert.

Mit einer Erklärung ist der gelernte Kriminologe Coid schnell zur Hand: „Die daheim lebenden jungen Männer werden von ihren Eltern nicht länger beeinflusst, sich an die Verhaltensregeln zu halten, die für frühere Generationen galten.“ Dabei sei die Gewalt nur die häufigste Art eines „hedonistischen und anti-sozialen Verhaltens“, das sich außerdem durch Alkohol- und Drogenmissbrauch sowie ein riskantes Sexualleben äußere. Unter jungen Männern, die sich nicht um ihre eigene Unterkunft oder Kinder kümmern müssen und die nicht mit einer Partnerin zusammen leben, sei solch ein Verhalten wesentlich häufiger anzutreffen, bemerkte Coid. Auch das Geld der Eltern verdirbt demnach den Charakter. „Anders als in der Vergangenheit ist das Einkommen und der Nutzen für junge Männer, die daheim wohnen, ebenso groß wie für diejenigen, die ausgezogen sind und eine größere soziale Verantwortung übernommen haben.“

Ob diese Ergebnisse auch auf andere Länder übertragbar sind, diskutieren Coid und Yang nicht. Zudem muss bei der Interpretation dieser Studie bedacht werden, dass die Fragebogenaktion zwar bereits im Jahr 2000 durchgeführt wurde, dass deren Ergebnisse aber erst jetzt veröffentlicht wurden und somit womöglich bereits überholt sind. Einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zufolge hat allerdings eine „linke Denkfabrik“ britischen Teenagern das schlimmste Verhalten in Europa bescheinigt. 44 Prozent von ihnen sind demnach im Jahr 2007 an Prügeleien beteiligt gewesen, gegenüber „nur“ 28 Prozent in Deutschland. Wenn Coid und Yang recht haben, könnte das Problem sich auch bei uns weiter verschlimmern. Unter der Überschrift „Generation Vielleicht“ vermeldete die Journalistin Kathrin Burger nämlich unlängst in „Bild der Wissenschaft“ einen beunruhigenden Trend zur Nesthockerei auch in Deutschland: Während 1972 nur jeder fünfte junge Erwachsene noch nach seinem 25sten Geburtstag bei den Eltern lebte, war es 2005 schon jeder dritte. Angesichts der Wirtschaftskrise, Kurzarbeit und schlecht bezahlter Einsteigerjobs dürfte diese Entwicklung sich eher noch verschärfen.

Quellen:

Tipp:

Wer die Stubenhocker und Muttersöhnchen besser verstehen will, kann sich dem Thema auf humorige Weise nähern mit dem Lebensabschnittsbuch für die Generation Umhängetasche von Martin Reichert.

Sucht nach Computerspielen nimmt zu

Mit dem Rücken zur Wand und umgeben von einer feindlichen Übermacht ist Angriff die beste Verteidigung. Diese Lektion haben jedenfalls zahlreiche Buben und jungen Männer gelernt, die gerne am Computer spielen und deren liebste Freizeitbeschäftigung viele Erwachsene nach langem Desinteresse nun am liebsten verbieten würden.

„Küchenmesser und Kochshows sollte man auch abschaffen“, spottet ein Teilnehmer einer Online-Diskussion über den Hintergrundbericht einer Tageszeitung, der nach möglichen Zusammenhängen zwischen Gewalt verherrlichenden Computerspielen und der Tragödie von Winnenden gefragt hatte. Das Gegenteil ist richtig, argumentiert der nächste Spieler: „Killerspiele“ sind gut, denn sie erlauben es frustrierten Jugendlichen, Dampf abzulassen. Ohne dieses Ventil gäbe es noch viel mehr Gewalt in der realen Welt. Wie viele Menschen denn in Karl Mays Reiseerzählungen ermordet wurden, fragt süffisant ein dritter Online-Kommentator.

Angesichts derartiger Diskussionen sowie Verbotsforderungen von Politikern melden sich nun auch Wissenschafter zu Wort. Mit harten Zahlen zur Problematik der Computerspielsucht sowie mit konkreten Therapieangeboten wollen sie zu einer Versachlichung der Diskussion beitragen.

„In unsere Klinik kommen zunehmend Computerspieler und andere Internetnutzer, die sich wie Süchtige verhalten“, berichtete kürzlich auf einem Fachkongress zur Psychosomatik Professor Martin Beutel, Leiter der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Dort wurde im März 2008 eine Spezialambulanz eröffnet, deren Angebote zu Beratung und Therapie in den ersten neun Monaten von über 300 Betroffenen und Angehörige genutzt wurden. Im gleichen Zeitraum habe die Zahl der Computer in deutschen Kinderzimmern erstmals auch die Zahl der Fernseher übertroffen, bemerkte Beutel.

Mehr noch als von Spielen, die alleine am PC oder an Konsolen genutzt werden, gehe eine Suchtgefahr von so genannten Online-Rollenspielen aus, deren Teilnehmer sich über das Internet verbinden und die dort gegeneinander antreten, sagt der psychologische Leiter der Spezialambulanz, Klaus Wölfling. Besonders beliebt sind hier das durch den Ammoklauf in Winnenden erneut in die Kritik geratene Counterstrike (engl. für „Gegenschlag“) und World of Warcraft („Welt der Kriegskunst“, meist als WoW abgekürzt), das mit Umsätzen von über einer Milliarde Dollar jährlich eines der profitabelsten Medien überhaupt ist, sowie Warhammer, EverQuest, und Guild Wars.

Eine einfache Antwort auf die Frage, inwiefern die exzessive Nutzung bestimmter Computerspiele Gewalttaten wie in Winnenden begünstigen kann, sei nicht möglich, räumte Wölfling ein. „Allerdings zeigen Jugendliche immer häufiger ein sich verlierendes, entgleitendes und in Extremfällen psychopathologisch auffälliges Nutzungsverhalten in den virtuellen Räumen des Internets oder in Online-Spielwelten“. Diese Tendenz spiegele sich in Umfragen und in der wachsenden Zahl der Anrufe beim Suchthilfesystem. Die bundesweite Hotline Verhaltenssucht etwa registrierte 2008 über 400 Kontakte wegen Computerspielsucht, wobei in 70 Prozent das Spiel „World of Warcraft“ (WoW) der Auslöser war.

Erst kürzlich hatte eine vom Bundesinnenministerium finanzierte Befragung von 15000 Schülerinnen und Schülern neunter Klassen ergeben, dass 4,3 Prozent der Mädchen und 15,8 Prozent der Jungen täglich mehr als 4,5 Stunden mit Computerspielen verbringen. Auch hier hatte man im Vergleich mit anderen Spielen unter den Nutzern von „World of Warcraft“den mit Abstand höchsten Anteil aller abhängigen und gefährdeten Spieler gefunden. Der Leiter dieser Untersuchung, Professor Christan Pfeiffer vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen, hatte daraufhin gefordert, die Altersfreigabe für WoW von derzeit 12 auf 18 Jahre zu erhöhen und vorgerechnet, dass männliche Spieler übers Jahr gerechnet mehr Zeit in WoW investieren, als in ihren gesamten Schulunterricht.

Die Zahlen dieser neuen deutschen Studie decken sich weitgehend mit internationalen Untersuchungen, bei denen man unter Computerspielern drei Prozent Süchtige und dreizehn Prozent mit „problematischem Verhalten“ gefunden hatte. Allerdings, schränkte Wölfling ein, seien diese Zahlen zumeist durch online-Befragungen zustande gekommen wo die Gefahr bestehe, dass sich vermeintlich Betroffene überproportional häufig beteiligen.

Klaus Wölfling setzt auf Verhaltenstherapie gegen Computer-Spielsucht

Klaus Wölfling setzt auf Verhaltenstherapie gegen Computer-Spielsucht

„Essen, Hygiene, Schule, Beruf und Partnerschaft – alles wird nebensächlich und das Spiel dominiert in extremer Weise den Alltag“, so charakterisierte Wölfling einige typischen Merkmale der Computerspielsucht. Es bestünden offensichtliche Parallelen zu anderen Süchten wie verminderte Kontrollfähigkeit und Toleranzentwicklung, die sich in immer längeren Spielzeiten äußert. Außerdem kommt es zu regelrechten Entzugserscheinungen wie Nervosität, Unruhe und Schlafstörungen, wenn die Eltern Verbote aussprechen und tatsächlich „den Stecker ziehen“.

Entschieden widerspricht Beutel der These, dass diese Spiele helfen, Aggressionen abzubauen „Zahlreiche Studien haben übereinstimmend gezeigt, dass gewalttätige Bilder kurzfristig zu einer Zunahme aggresiven Verhaltens führen“, sagt der Psychosomatiker und vermutet: „Wahrscheinlich werden dadurch auch langfristig aggressive Verhaltensmuster eingeübt.“ Auf Mädchen, die solche Spiele eher selten nutzen, wirke dies vor allem furchteinflößend.

Nicht nur die Psyche wird durch exzessive Computerspiele gefährdet, warnte in einer Resolution bereits im Jahr 2007 der Dachverband der US-amerikanischen Mediziner AMA. Als besonders aussagekräftig wurde dort eine Schweizer Studie eingestuft, die Computerspiele und Fernsehen als wesentliche Ursachen für Übergewicht dokumentiert hatte. Jede zusätzliche Spielstunde am Tag hatte demnach das Risiko verdoppelt.

„Die Computerspielsucht ist als ein eigenständiges Krankheitsbild anzusehen, das wir der Gruppe der Verhaltenssüchte zuordnen können“, sagte in Mainz Klinikdirektor Beutel. Weil sich die Mediziner noch nicht auf eine einheitliche Definition der Computerspielsucht einigen konnten, sind die Erfolge verschiedener Behandlungsstrategien allerdings nur schwer miteinander zu vergleichen und verfügbare Therapien werden auch von den Krankenkassen nicht ohne weiteres bezahlt. In der Mainzer Spezialambulanz habe jedoch „die große Mehrzahl“ der Patienten innerhalb einer sechsmonatigen Gruppentherapie wieder gelernt, den Computer wieder vernünftig zu nutzen, so Beutel. Die Lebensqualität habe sich gebessert, die Betroffenen suchten wieder mehr Kontakte in der realen Welt und trieben mehr Sport. In Folgeuntersuchungen will man nun überprüfen, ob diese Erfolge auch über sechs und zwölf Monate hinweg Bestand haben.

Quelle: Gemeinsame Jahrestagung Deutsches Kollegium für Psychosomatische Medizin (DKPM) und Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (DGPM) in Mainz, mit Pressekonferenz am 19.3.2009.

Hintergrund: Das Gehirn in der Pubertät

Hirnforscher verweisen darauf, dass die Bereitschaft, das eigene Verhalten zu hinterfragen, sich bei Jugendlichen gerade erst entwickelt. Das Denkorgan reift länger, als man lange Zeit annahm und speziell in der Pubertät verläuft dieser Reifungsprozess in verschiedenen Regionen unterschiedlich schnell. Der Stirnlappen – zuständig für Planung, Bewertung und auch Risikoabschätzung – entwickelt sich zuletzt. Das so genannte limbische System, in dem Gefühle wie Wut und Angst verarbeitet werden, ist dagegen schon vergleichsweise früh ausgereift und kann deshalb unter Umständen sogar die Anreize für „vernünftige“ Entscheidungen aus dem Stirnlappen außer Kraft setzen, folgern manche Wissenschaftler aus Bildern der Hirnaktivität unter Versuchsbedingungen. Schließlich gibt es auch viele Hinweise darauf, dass das Belohnungssystem des Gehirns und der Botenstoff Dopamin in der Pubertät besonders starken Schwankungen unterworfen sind. Was allerdings genau passiert, wenn besonders männliche Teenager immer stärkere „Kicks“ für ihre Zufriedenheit brauchen und am nächsten Tag träge und mit „null Bock“ stundenlang vor dem Fernseher liegen, darauf haben die Experten bislang keine Antwort gefunden. Und sie haben auch kein einfaches Rezept dafür, wie man diese Extreme in den Griff bekommt.

Lesenswert:

  • Wie erkennt man, ob das eigene Kind computerspielsüchtig ist? Und was tun, wenn dem so ist? Hilfestellung gibt das Buch Computersüchtig? von Sabine M. Grüsser und Ralf Thalemann. Beide Autoren haben das Thema nicht nur wissenschaftlich erforscht, sondern als Terapeuten im Kinder- und Jugendbereich gearbeitet.
  • Im November 2009 hat sich wenig geändert, entnehme ich einem ebenso ausführlichen wie lesenswerten Bericht über die World of Warcraft von Katrin Hummel hat in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.