Wenn Professor Jürgen Warnatz, Direktor des Institutes für technische Verbrennung an der Universität Stuttgart, seine Arbeit beschreibt, hört sich das so an: „Flammen sind äußerst komplizierte dreidimensionale, zeitabhängige, physikalisch-chemische Systeme, in denen sich ständig unterschiedlichste Reaktionen überlagern.“ Kein Wunder also, daß Warnatz zur Untersuchung von Verbrennungsvorgängen auf die Hilfe eines Supercomputers angewiesen ist. Wenn dieser beispielsweise die Verbrennung des einfachen Moleküls Methan (CH4) simuliert, werden vierhundert verschiedene Reaktionen und vierzig Zwischenprodukte erfaßt.

Damit bietet das Elektronenhirn erhebliche Vorteile gegenüber der klassischen Chemie, in der meist nur Anfangs- und Endprodukt berücksichtigt werden können. In der Computersimulation können Brennstoffgemisch, Druck und Temperatur unabhängig voneinander variiert und berechnet werden; zeitraubende Versuche werden überflüssig. Die praktischen Konsequenzen dieser Forschung liegen auf der Hand: Die optimalen Verbrennungsbedingungen für Gas, Öl und Kohle lassen sich erstmals berechnen, schädliche Nebenprodukte können vermindert werden.

„Wir sind auf dem Weg zu einer Energiegewinnung mit hohem Wirkungsgrad bei gleichzeitig geringer Schadstoffemission“, sagt Warnatz. Dieses Ziel wurde in der Kraftwerkstechnik bisher verfehlt; es galt als unmöglich, beide Vorteile zu vereinen. Denn um eine hohe Energieausbeute zu erzielen, müssen Verbrennungen bei hoher Temperatur erfolgen, wodurch der Anteil an unverbrannten Kohlenwasserstoffen und Stickoxiden ansteigt.

Die Einsatzmöglichkeiten der Computersimulation sind damit aber noch nicht erschöpft: In Automotoren, Heizungsanlagen, Flugzeugturbinen, ja sogar bei der umstrittenen Müllverbrennung könnten die freigesetzten Schadstoffe reduziert werden, wenn es den Forschern gelänge, Druck, Temperatur und Brennstoffgemisch optimal aufeinander abzustimmen. Dies wäre ökologisch und wirtschaftlich sinnvoller, als die entstehenden Abgase mit immer besseren und aufwendigeren Filtern zu reinigen.

(erschienen in „DIE WELT“ am 5. April 1991)