Die globale Klimasituation, besonders der Treibhauseffekt, hat sich nach wissenschaftlichen Erkenntnissen dramatisch zugespitzt. Als gesichert gilt, daß die Erwärmung der Erde nicht auf natürliche Schwankungen zurückzuführen, sondern das Resultat menschlicher Aktivitäten ist. „Damit sind die letzten Zweifel an der Dringlichkeit von Sofortmaßnahmen ausgeräumt“, teilte der Vorsitzende der Bundestags-Enquetekommission zum Schutz der Erdatmosphäre, Klaus Lippolt (CDU), am Freitag in Bonn mit.

Seite 1 der „Welt“ vom 18. Januar 1992: Vor den Folgen des menschgemachten Klimawandels und der globalen Erwärmung warnten Experten bereits in den 1990er Jahren. Geschehen ist seitdem wenig, und für meinen Kommentar – geschrieben 11 Jahre vor Greta Thumbergs Geburt – wurde ich auch nicht ins Kanzleramt eingeladen.
Lippolt präsentierte das alarmierende Ergebnis einer zweitägigen Anhörung „Wissenschaftlicher Sachstand“ zur weltweiten Klimaveränderung. Neben einem weltweiten Temperaturanstieg von 0,6 Grad in den letzten 100 Jahren stellten internationale Fachleute eine Erhöhung des Wasserdampfgehaltes in der Atmosphäre und eine „dramatische Zunahme der Windenergie um 10 bis 20 Prozent“ fest.
Die Erderwärmung steigt / Stürme, Überflutung und Dürre sind die Folgen
Die Windgeschwindigkeit habe um fünf bis zehn Prozent zugenommen, so Lippolt. „Ich glaube, daß das vermehrte Auftreten von Wirbelstürmen mit teilweise katastrophalen Auswirkungen wohl auf diese Phänomene mit zurückgeht.“ Im letzten Jahr waren bei einer gewaltigen Sturmflut in Bangladesch mehr als 100000 Menschen gestorben. Experten sagten jetzt voraus, daß die Zahl der Stürme, besonders in den Wintermonaten, um 25 Prozent zunehmen werde.
In der Kommissionssitzung sei ausdrücklich betont worden, daß „die gemessenen Werte signifikant sind und außerhalb der natürlichen Variabilität liegen“, betonte Lippolt. Im wissenschaftlichen Sprachgebrauch werden Resultate dann als signifikant bezeichnet, wenn auszuschließen ist, daß das Ergebnis auf einem Zufall basiert. Zuvor waren Prognosen zur globalen Erwärmung von Seiten der Politik und der Wirtschaft immer wieder kritisiert worden, weil die Klimatologen natürliche Schwankungen als Ursache der gemessenen Temperaturerhöhungen nicht mit Sicherheit ausschließen konnten.
Besonders dramatisch ist die Situation nach Ansicht der Wissenschaftler deshalb, weil die derzeit wahrnehmbaren Klimaveränderungen auf menschliche Eingriffe zurückgehen, die bereits mehr als 20 bis 30 Jahre zurückliegen. Eine Entwicklung, die auch für Deutschland gravierende Folgen haben könnte, ist die Verlagerung ganzer Klimazonen. Hier liegen neue Erkenntnisse vor, wonach eine zunehmende Erwärmung (für die nächsten 100 Jahre werden mittlerweile sechs bis neun Grad befürchtet) binnen 60 Jahren zu einer Austrocknung von Feuchtgebieten führen könnte.
Betroffen wären unter anderem weite Teile Norddeutschlands, aber auch die Niederlande. Der Kommissionsvorsitzende machte die möglichen Folgen deutlich: „Das funktioniert nicht nach dem Motto: ´Dann wird es eben ein paar Grad wärmer, und wir bauen statt der einen die andere Frucht an.‘ So einfach ist das nicht.“ Stattdessen würden Schwermetalle freigesetzt, die sonst im Boden in gebundener Form vorliegen. „Dadurch bekommen wir Cadmiumkonzentrationen ungeahnten Ausmaßes“, so Lippolt. Eine Verseuchung des Grundwassers wäre die Folge.
(erschienen auf Seite 1, „DIE WELT“, 18. Januar 1992)
Quellen: Pressekonferenz und Erster Bericht der Enquete-Kommission „Schutz der Erdatmosphäre“ (Download als pdf)