Der Fibrinkleber spart Blutkonserven und ermöglicht erst neue Operationstechniken. Mit den vielfältigen Einsatzbereichen des Fibrinklebers, aber auch mit Kosten/Nutzen-Abschätzungen für das Therapeutikum beschäftigten sich über 600 Experten auf dem Kongreß „Update and Future Trends in Fibrin Sealing in Surgical and Non-Surgical Fields“, der vom 15. bis 18. November 1992 in Wien stattfand.

Der Fibrinkleber – er besteht im Wesentlichen aus den zwei hochkonzentrierten Plasmakomponenten Fibrinogen und Thrombin – bewirkt eine schnelle Blutstillung, er unterstützt die physiologische Wundheilung und wird auch bei der Gewebeklebung erfolgreich eingesetzt. Die Verfestigung des Zweikomponentenklebers beginnt bereits wenige Sekunden nach dem Auftragen und ist innerhalb weniger Minuten abgeschlossen. In rund 2000 Publikationen sind Wirkung und Sicherheit des Präparates Tissucol beschrieben, so Professor Dr. Günther Schlag vom Ludwig-Boltzmann-Institut für experimentelle und klinische Traumatologie in Wien.

„Physiologischer Fibrinkleber ist bei vielen Operationen heute nicht mehr wegzudenken“, sagte Schlag, der für die Organisation des Kongresses verantwortlich zeichnete. Schwere innere Verletzungen wie Risse an Milz und Leber, aber auch Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse stellen eines der wichtigsten Einsatzgebiete dar. Wie Professor Dr. Christoph Gebhardt vom Klinikum Nürnberg berichtete, ist die Reduktion von teilweise lebensbedrohlichen Komplikationen in der Pankreaschirurgie neben einer Standardisierung der Operationstechnik auch dem Einsatz des Fibrinklebers zu verdanken. „Dies ist von großer Bedeutung, wenn man berücksichtigt, daß Insuffizienzen der pankreaticodigestiven Anastomose nicht nur mit einer sehr hohen Morbidität sowie einem langen, kostspieligen Krankenhausaufenthalt verbunden sind, sondern auch in einem beträchtlichen Prozentsatz einen letalen Ausgang nehmen“, so Gebhardt.

Bei traumatischen und intraoperativen Verletzungen der Milz ist die Fibrinklebung laut Professor Dr. Hans-Werner Waclawiczek „eine der wichtigsten Methoden zur Organerhaltung“ geworden. Von 79 Patienten, bei denen eine milzerhaltende Operation mit Hilfe der Fibrinklebung vorgenommen wurde, mußte die Splenektomie lediglich in sechs Fällen durchgeführt werden. Um postoperativen Störungen der Immunabwehr vorzubeugen, müsse die Milzerhaltung gerade bei jungen Patienten in jedem Fall angestrebt werden, betonte Waclawiczek.

Mehrfach wurde darauf hingewiesen, daß die vergleichsweise hohen Kosten des Fibrinklebers einer reduzierten Komplikationsrate und damit häufig einem verkürzten Krankenhausaufenthalt gegenüberzustellen sind. So betragen die reinen Präparatekosten bei der endoskopischen Behandlung blutender Geschwüre im Magen-Darm-Bereich für Tissucol etwa 560 Mark, mit Polidocanol dagegen nur 12 Mark.

In einer von Dr. Richard Salm (Chirurgische Universitätsklinik Freiburg) gemeinsam mit der Universitätsklinik Tübingen durchgeführten randomisierten Untersuchung an 54 Patienten waren jedoch bei Einsatz des Fibrinklebers nur halb so viele Notfalloperationen nötig wie nach Polidocanol-Gebrauch. Die Zahl der Rezidivblutungen sank auf ein Drittel.

Wie Dr. Salm vorrechnete, wurden mit Fibrinkleber im Schnitt zwei Blutkonserven weniger benötigt, was mit einer Einsparung von 270 Mark zu Buche schlägt. Eine eingesparte Magenoperation bei Ulkusblutung wird mit circa 4000 bis 6000 Mark veranschlagt, nicht eingerechnet die Tatsache, daß diese Patienten im Schnitt 20 Tage stationär behandelt werden mußten gegenüber neun Tagen bei gelungener endoskopischer Blutstillung. Auch Privatdozent Dr. Diethelm Wallwiener von der Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe der Universitätsklinik Heidelberg stellte fest, daß „durch Fibrinklebung im Rahmen operativ-laparoskopischer Techniken die Operationszeit entscheidend verkürzt und komplizierte endoskopische Nähte vermieden werden“. Auch unter Kosten-Nutzen-Aspekten stelle die Technik daher eine sinnvolle Abrundung des minimal-invasiven Gesamtkonzeptes in der Gynäkologie dar.

Die gesteigerte Nachfrage wird sich jedoch auf den Preis des Präparates kaum auswirken. Als Grund wird von Seiten der Herstellerfirma angegeben, daß Fibrinkleber noch auf längere Zeit aus Blutplasma gewonnen werden müsse, das derzeit zu 99 Prozent aus den USA importiert wird. Da neben Fibrinogen und Thrombin auch Aprotinin und Gerinnungsfaktor XIII in dem Produkt enthalten sind, hält Dr. Johann Odar, zuständig für die Wundheilung bei der Firma Immuno AG, eine biotechnologische Herstellung des Fibrinklebers vorerst nicht für praktikabel.

Quelle: Symposium Update and Future Trends in Fibrin Sealing in Surgical and Non-surgical Fields, Wien, November 1992. Besucht auf Einladung der Firma Immuno.

(erschienen in der Pharmazeutischen Zeitung am 11. Februar 1993. Weitere Berichte in der „WELT“ und in der Ärzte-Zeitung)