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Viele Anwendungen für Fibrinkleber

Die Fibrinklebung – vor 20 Jahren noch graue Theorie – hat sich mittlerweile zu einer der vielseitigsten medizinischen Techniken entwickelt. Besonders eindrucksvoll sind die Erfolge der Fibrinklebung in Kombination mit endoskopischen Methoden. Welche Anwendungsmöglichkeiten es für die Fibrinklebung gibt und welche Erfolge bei verschiedenen Erkrankungen mit dieser Methode bereits erzielt worden sind, war in Thema einer internationalen Tagung von Experten in Wien.

Dr. Richard Salm von der Chirurgischen Universitätsklinik Freiburg hat auf der von dem Unternehmen Immuno unterstützten Veranstaltung mit dem Thema „Update and Future Trends in Fibrin Sealing in Surgical and Non-surgical Fields“ von seinen Erfahrungen bei 130 Patienten mit Geschwürsblutungen im Magen und Zwölffingerdarm berichtet.

Im Vergleich zu einem historischen Patientenkollektiv, das mit anderen Injektionstherapeutika oder thermischen. Blutstillungsmethoden behandelt wurde, waren nach Fibrinklebung weniger operative Eingriffe notwendig. Auch die Sterberate konnte signifikant gesenkt werden, so Salm.

In einer gemeinsam mit der Universitätsklinik Tübingen durchgeführten randomisierten Untersuchung an 54 Patienten sank nach der Behandlung mit dem Fibrinkleber die Zahl der Notfalloperationen auf die Hälfte, die der Rezidivblutungen auf ein Drittel.

Auch in der Thoraxchirurgie wird der Fibrinkleber zunehmend eingesetzt – neben der Blutstillung stellt die Abdichtung von Nähten bei endoskopischen Eingriffen ein Hauptanwendungsgebiet dar. Auch bei der Lungenteilresektion sind mit dem Fibrinkleber deutliche Erfolge erzielt worden: Nach den Worten von Professor Dr. Hans-Werner Waclawiczek von der I. Chirurgischen Abteilung der Landeskrankenanstalten Salzburg konnte auch bei der Lungenteilresektion die postoperative Komplikations- und Letalitätsrate drastisch reduziert werden. Der Einsatz des Fibrinklebers sei aufgrund fehlender Nebenwirkungen und einer raschen und effizienten Anwendbarkeit „in jedem Fall“ indiziert.

In der chirurgischen Praxis wesentlich häufiger ist die Behandlung von Fisteln. Obwohl die nicht-operative Therapie in der Regel erfolgreich ist, stellen die mit dieser Behandlung verbundene parenterale Ernährung und der meist lange Krankenhausaufenthalt für Patient und Arzt eine schwerwiegende Belastung dar.

Die Möglichkeit, Fibrinkleber endoskopisch in eine Fistel einzubringen, stellt daher nach Meinung von Privatdozent Dr. Volker Lange vom Münchner Klinikum Großhadern eine attraktive Alternative dar. Von 115 Patienten konnte mit dieser Methode in 77 Prozent der Fälle ein Fistelverschluß erreicht werden, bei 60 Prozent sogar mit nur einer endoskopischen Klebung.

„Für den Patienten bedeutet die schlagartige Beseitigung der Absonderung von Körpersäften über eine Fistelöffnung einen wichtigen Schritt in Richtung Genesung“, unterstrich Lange die psychologische Komponente der Therapie.

Über die Versorgung von Brandwunden unter Einsatz der Fibrinklebung berichtete Dr. Alfons Grabosch von dem Berliner Krankenhaus „Am Urban“. Immer mehr schwer Brandverletzte überleben heute dank einer weitgehend standardisierten Therapie die initiale Schockphase. „Der ausgedehnt Brandverletzte stirbt heute, wenn er überhaupt stirbt, in qualifiziert arbeitenden Zentren an einer Infektion oder deren Komplikationen“, so Grabosch.

Die schnellstmögliche Defektdeckung der verbrannten Körperoberfläche steht daher im Mittelpunkt aller Bemühungen. Sie hängt entscheidend von der erfolgreichen Spalthauttransplantation ab. Infektionen des Wundgrundes, Hämatombildung unter dem Transplantat und postoperativ auftretende Scherkräfte führen dazu, daß auch dem erfahrenen Operateur oft ein Teil der Spalthaut zugrunde geht. Erst vom dritten Tag nach der Transplantation sprießen Gefäße in das Transplantat ein, das bis dahin durch Diffusion vom Wundgrund ernährt wird.

Dieser Vorgang wird durch die netzförmige Struktur des physiologischen Fibrinklebers begünstigt, wie Grabosch und seine Mitarbeiter anhand der Untersuchung von Gewebeproben belegen konnten. „Die störungsfreie Ernährung des Transplantats durch Diffusion sowie die Zelldurchwanderung und Kapillareinsprossung werden ermöglicht, Hämatombildungen verhindert, Scherkräfte vermieden“, erläuterte Grabosch.

Im Vergleich zum geübten Annähen der Hauttransplantate seien nicht nur die kosmetischen Ergebnisse verbessert, der frühe Wundverschluß wirke sich vielmehr auch auf die Überlebensrate aus. Die auch im internationalen Vergleich sehr guten klinischen Ergebnisse bei der Behandlung von über 600 Patienten rechtfertigen nach Graboschs Meinung den Einsatz des nicht ganz billigen Therapeutikums Fibrinkleber.

Grabosch: „Reoperationen werden vermieden, Liegezeiten verkürzt, Überlebensraten in Extremfällen verbessert.“ Der leitende Oberarzt findet es daher besonders ärgerlich, daß die Struktur des öffentlichen Gesundheitswesens zur Folge hat, daß „solche Therapiemöglichkeiten, bezogen auf das einzelne Krankenhaus, häufig nicht erwünscht sind. Die Kostenträger, also die Krankenkassen – müßten am Einsatz solcher Therapeutika interessiert sein.“

Quelle: Symposium Update and Future Trends in Fibrin Sealing in Surgical and Non-surgical Fields, Wien, November 1992. Besucht auf Einladung der Firma Immuno.

(erschienen in der Ärzte-Zeitung am 12. Januar 1993. Von diesem Symposium wurden zwei weitere Berichte veröffentlicht, nämlich in der Tageszeitung „DIE WELT“, und in der Pharmazeutischen Zeitung)

Biologischer Sekundenkleber

Noch keine 20 Jahre ist es her, daß ein körpereigener „Klebstoff“ an der Universitätsklinik Wien den ersten Patienten vor dem Tod rettete: Bei einer Herzoperation traten massive Blutungen aus einer Gefäßprothese auf. Die Blutgerinnung war gestört, die Arzte scheinbar hilflos. Dann erinnerte man sich, daß im gleichen Krankenhaus mit „Fibrinkleber“ experimentiert wurde. In einem verzweifelten letzten Versuch gelang es, die Prothese abzudichten. Der Patient konnte gerettet werden.

Heute ist Fibrinkleber aus der Medizin nicht mehr wegzudenken – von der Schönheitsoperation über die Behandlung innerer Blutungen bis zur Versorgung großflächiger Verbrennungen. Auf einem Kongreß in Wien überboten sich kürzlich rund 600 Teilnehmer mit immer neuen Vorschlägen zur Verwendung des biologischen Allzweckkleisters.

Daß der menschliche Körper kleinere Blutungen selbständig stillen kann, daß Wunden verschlossen werden und mitunter sogar Knochenbrüche kaum Spuren hinterlassen, verdanken wir der Bildung des Eiweißes Fibrin in der letzten Phase der Blutgerinnung. Mehrere Proteine müssen am Ort des Geschehens sein, um aus dem im Blut gelösten Vorläufermolekül Fibrinogen ein engmaschiges Netz von mikroskopisch kleinen Fibrinfasern entstehen zu lassen. In dieses Netz lagern sich Blutplättchen ein. Das Gerinnsel verklebt die Wundfläche und wird schließlich durch nachwachsendes Gewebe ersetzt.

Der natürliche Vorgang wird bei der Fibrinklebung nachvollzogen. Wie beim Zwei-Komponenten-Kleber werden die Reaktionspartner in getrennten Behältern angeliefert: die Proteine Fibrinogen, Aprotinin und Gerinnungsfaktor XIII in der einen Spritze, Thrombin und Kalziumionen in der anderen.

In Sekundenschnelle reagieren diese Substanzen miteinander und bringen die Blutung zum Stillstand. Gerade Unfallopfer mit schweren inneren Verletzungen profitieren von der schnellen Wirkung des Präparates. Bei Rissen an Milz und Leber oder Schäden an der Bauchspeicheldrüse ist die Klebung oft die einzige Möglichkeit, um das empfindliche Gewebe zu erhalten. Denn nur erfahrene Chirurgen sind in der Lage, die Blutungen mit Nadel und Faden zum Stillstand zu bringen.

Bei Milzverletzungen mußte in der Vergangenheit häufig das Organ entfernt werden, weil der Blutfluß nicht gestoppt werden konnte. Da die Milz eine wichtige Rolle für die Immunabwehr spielt, starben vor allem Kinder und Jugendliche nicht selten an bakteriellen Infektionen. Für Professor Hans-Werner Waclawiczek, Salzburg, ist der Einsatz des Bioklebers „die effizienteste und einfachste Methode der Milzerhaltung“.

Ein weiterer Vorteil der Fibrinklebung: Mit der vielseitigen Technik kommt der Arzt leichter an schwer zugängliche Stellen. Neben „Reparaturen“ an Milz und Bauchspeicheldrüse werden in letzter Zeit immer häufiger Blutungen im Magen-Darm-Bereich erfolgreich behandelt, wie Dr. Richard Salm, Freiburg, berichtete. „Weniger Patienten mußten operiert, die Sterberate konnte gesenkt werden.“

Wichtiges Hilfsmittel sind dabei endoskopische Instrumente. Sie erlauben es, durch dünne Kanülen zu operieren, ohne Brustkorb oder Bauchdecke zu öffnen. Nach einem kleinen Einschnitt in die Haut können etwa winzige Skalpelle, Scheren, Zangen oder Pinzetten in den Körper eingeführt werden – oder eben die zwei Komponenten des Fibrinklebers. Eine ausgefeilte Optik erlaubt es den Spezialisten, ihre Kunstgriffe auf dem Bildschirm zu überwachen.

Für den Patienten ist die sanfte Technik von doppeltem Nutzen: Er hat weniger Schmerzen und ist schneller wieder auf den Beinen als nach einem großen Eingriff. Die hohen Kosten für das Präparat, das aus Blutkonserven gewonnen wird, dürften durch kürzere Krankenhausaufenthalte und seltenere Komplikationen aufgewogen werden.

Quelle: Symposium Update and Future Trends in Fibrin Sealing in Surgical and Non-surgical Fields, Wien, November 1992. Besucht auf Einladung der Firma Immuno.

(erschienen in „DIE WELT“ am 25. November 1992. Von diesem Symposium sind zwei weitere Berichte erschienen: einer in der Ärzte-Zeitung, und einer in der Pharmazeutischen Zeitung)

Fibrinkleber nicht mehr wegzudenken

Der Fibrinkleber spart Blutkonserven und ermöglicht erst neue Operationstechniken. Mit den vielfältigen Einsatzbereichen des Fibrinklebers, aber auch mit Kosten/Nutzen-Abschätzungen für das Therapeutikum beschäftigten sich über 600 Experten auf dem Kongreß „Update and Future Trends in Fibrin Sealing in Surgical and Non-Surgical Fields“, der vom 15. bis 18. November 1992 in Wien stattfand.

Der Fibrinkleber – er besteht im Wesentlichen aus den zwei hochkonzentrierten Plasmakomponenten Fibrinogen und Thrombin – bewirkt eine schnelle Blutstillung, er unterstützt die physiologische Wundheilung und wird auch bei der Gewebeklebung erfolgreich eingesetzt. Die Verfestigung des Zweikomponentenklebers beginnt bereits wenige Sekunden nach dem Auftragen und ist innerhalb weniger Minuten abgeschlossen. In rund 2000 Publikationen sind Wirkung und Sicherheit des Präparates Tissucol beschrieben, so Professor Dr. Günther Schlag vom Ludwig-Boltzmann-Institut für experimentelle und klinische Traumatologie in Wien.

„Physiologischer Fibrinkleber ist bei vielen Operationen heute nicht mehr wegzudenken“, sagte Schlag, der für die Organisation des Kongresses verantwortlich zeichnete. Schwere innere Verletzungen wie Risse an Milz und Leber, aber auch Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse stellen eines der wichtigsten Einsatzgebiete dar. Wie Professor Dr. Christoph Gebhardt vom Klinikum Nürnberg berichtete, ist die Reduktion von teilweise lebensbedrohlichen Komplikationen in der Pankreaschirurgie neben einer Standardisierung der Operationstechnik auch dem Einsatz des Fibrinklebers zu verdanken. „Dies ist von großer Bedeutung, wenn man berücksichtigt, daß Insuffizienzen der pankreaticodigestiven Anastomose nicht nur mit einer sehr hohen Morbidität sowie einem langen, kostspieligen Krankenhausaufenthalt verbunden sind, sondern auch in einem beträchtlichen Prozentsatz einen letalen Ausgang nehmen“, so Gebhardt.

Bei traumatischen und intraoperativen Verletzungen der Milz ist die Fibrinklebung laut Professor Dr. Hans-Werner Waclawiczek „eine der wichtigsten Methoden zur Organerhaltung“ geworden. Von 79 Patienten, bei denen eine milzerhaltende Operation mit Hilfe der Fibrinklebung vorgenommen wurde, mußte die Splenektomie lediglich in sechs Fällen durchgeführt werden. Um postoperativen Störungen der Immunabwehr vorzubeugen, müsse die Milzerhaltung gerade bei jungen Patienten in jedem Fall angestrebt werden, betonte Waclawiczek.

Mehrfach wurde darauf hingewiesen, daß die vergleichsweise hohen Kosten des Fibrinklebers einer reduzierten Komplikationsrate und damit häufig einem verkürzten Krankenhausaufenthalt gegenüberzustellen sind. So betragen die reinen Präparatekosten bei der endoskopischen Behandlung blutender Geschwüre im Magen-Darm-Bereich für Tissucol etwa 560 Mark, mit Polidocanol dagegen nur 12 Mark.

In einer von Dr. Richard Salm (Chirurgische Universitätsklinik Freiburg) gemeinsam mit der Universitätsklinik Tübingen durchgeführten randomisierten Untersuchung an 54 Patienten waren jedoch bei Einsatz des Fibrinklebers nur halb so viele Notfalloperationen nötig wie nach Polidocanol-Gebrauch. Die Zahl der Rezidivblutungen sank auf ein Drittel.

Wie Dr. Salm vorrechnete, wurden mit Fibrinkleber im Schnitt zwei Blutkonserven weniger benötigt, was mit einer Einsparung von 270 Mark zu Buche schlägt. Eine eingesparte Magenoperation bei Ulkusblutung wird mit circa 4000 bis 6000 Mark veranschlagt, nicht eingerechnet die Tatsache, daß diese Patienten im Schnitt 20 Tage stationär behandelt werden mußten gegenüber neun Tagen bei gelungener endoskopischer Blutstillung. Auch Privatdozent Dr. Diethelm Wallwiener von der Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe der Universitätsklinik Heidelberg stellte fest, daß „durch Fibrinklebung im Rahmen operativ-laparoskopischer Techniken die Operationszeit entscheidend verkürzt und komplizierte endoskopische Nähte vermieden werden“. Auch unter Kosten-Nutzen-Aspekten stelle die Technik daher eine sinnvolle Abrundung des minimal-invasiven Gesamtkonzeptes in der Gynäkologie dar.

Die gesteigerte Nachfrage wird sich jedoch auf den Preis des Präparates kaum auswirken. Als Grund wird von Seiten der Herstellerfirma angegeben, daß Fibrinkleber noch auf längere Zeit aus Blutplasma gewonnen werden müsse, das derzeit zu 99 Prozent aus den USA importiert wird. Da neben Fibrinogen und Thrombin auch Aprotinin und Gerinnungsfaktor XIII in dem Produkt enthalten sind, hält Dr. Johann Odar, zuständig für die Wundheilung bei der Firma Immuno AG, eine biotechnologische Herstellung des Fibrinklebers vorerst nicht für praktikabel.

Quelle: Symposium Update and Future Trends in Fibrin Sealing in Surgical and Non-surgical Fields, Wien, November 1992. Besucht auf Einladung der Firma Immuno.

(erschienen in der Pharmazeutischen Zeitung am 11. Februar 1993. Weitere Berichte in der „WELT“ und in der Ärzte-Zeitung)