Bei den aus Gesundheitsgründen häufig empfohlenen pflanzlichen Diäten müsse auf den Selenspiegel geachtet werden, meint Dr. Jörg Brüggemann von der Bundesanstalt für Getreide-, Kartoffel- und Fettforschung in Detmold. Wegen des niedrigen Selengehaltes in deutschem Brot könne eine solche Diät Selenmangel provozieren. Diesen bringen manche Ernährungswissenschaftler mit Herz-Kreislaufkrankheiten in Verbindung.

Die Welternährungsorganisation FAO hält eine tägliche Selenzufuhr von 70 Mikrogramm pro Person für das Minimum; 90 bis 200 Mikrogramm gelten unter Experten als optimal. Dies erfordert einen entsprechend hohen Anteil des Halbmetalls in den Grundnahrungsmitteln, ein Anspruch, der aufgrund extrem selenarmer Böden in Deutschland ohne Zusätze kaum zu erfüllen ist.

So ergeben die jährlichen Brotqualitätsprüfungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) nach wie vor Werte zwischen 10 und 30 Mikrogramm pro Kilo Weizen- oder Roggenbrot. Bezüglich ihres Selenanteils seien auch Bio- und Vollkornbrote „so gesund oder ungesund wie alle anderen“, sagte Brüggemann auf einer Tagung der DGE in Bonn. Bei einem in der Bundesrepublik üblichen Brotverzehr von 220 Gramm pro Tag und Person würden kaum zehn Prozent der von der FAO empfohlenen Zufuhr erreicht. Auch beim Milchvieh könne eine ausreichende Versorgung mit dem Spurenelement nur durch supplementiertes Kraftfutter gewährleistet werden.

Zur Beseitigung des Selenmangels gibt es einige Vorschläge. In bestimmten Gemüsesamen können beim Keimen in selenhaltigen Nährlösungen bis zu 250 Milligramm pro Kilo gebunden werden. Derartige Produkte ließen sich dann als Zusatzstoffe verwenden, so Brüggemann. In der Schweiz, wo die Böden ebenfalls Selen-arm sind, wird der Mangel durch Import amerikanischen Weizens ausgeglichen. Ein gutes Beispiel ist auch Finnland, wo seit 1984 selenhaltige Dünger eingesetzt werden: Der Anteil des Selens im Getreide stieg um das Achtfache.

(Titelgeschichte der Ärzte-Zeitung am 18. Mai 1993)

Was wurde daraus? Auf der Webseite der in dieser Frage wohl tonangebenden DGE lese ich unter anderem:

  • Zur Selenzufuhr in Deutschland gibt es keine aktuellen Daten,
  • Vegetarier und vor allem Veganer sind durchschnittlich schlechter mit Selen versorgt,
  • es besteht kein Zusammenhang zwischen einer Selensupplementation und der Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Krankheiten,
  • es wird diskutiert, dass Selen das Risiko für Krebs, insbesondere Darm-, Lungen- und Prostatakrebs, senken kann.