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Ein Computer in der bunten Plastikkarte

Hi-Tech im Jahre 1989: Der Chiip auf dieser Karte hatte einen 8-Bit-Rechner mit 128 Zeichen Arbeitsspeicher.

Hi-Tech im Jahre 1989: Der Chip auf dieser Karte hatte einen 8-Bit-Rechner mit 128 Zeichen Arbeitsspeicher.

Schon wieder eine neue Kreditkarte? Ein zweiter Blick auf das bunte Plastikstückchen lässt das vertraute Posthorn erkennen – eine Telefonkarte also. Aber eine, die es buchstäblich „in sich“ hat. Diese Berechtigungskarte für das C-Netz der Deutschen Bundespost enthält nämlich einen eingebetteten Halbleiterchip und hat damit gegenüber herkömmlichen Magnetstreifenkarten zahlreiche Vorteile. Hier lassen sich wesentlich mehr Daten speichern als auf den Plastikblättchen der ersten Generation. Wird gar noch ein Mikroprozessor hinzugefügt, hält man einen „richtigen“ Computer in der Hand.

Das Format ist kaum dazu angetan, allzu große Erwartungen zu wecken, doch für die Teilnehmer am C-Netz wird diese Karte bald die Möglichkeit bieten, fast 200 Rufnummern zu speichern, jede bis zu 16 Stellen lang. Diese Verzeichnisse sollen dann auch an öffentlichen Kartentelefonen und an Btx-Geräten genutzt werden können. Auch ein Gebührenzähler ist eingebaut, mit dem sich die Kosten aufsummieren lassen, die beim Benutzen verschiedener Geräte anfallen.

Die Speicherchipkarte kann – wie ihre abgemagerte Version – heute auch an den öffentlichen Kartentelefonen der Deutschen Bundespost genutzt werden – eine nützliche Eigenschaft, da bis 1995 jede zweite Telefonzelle nur noch per Karte zu bedienen sein wird. Technisch wäre es auch möglich, die Berechtigungskarten (wenn sie einen Prozessor tragen) um eine Zugangsberechtigung zum Btx-Dienst zu erweitern.

Der wichtigste Pluspunkt ist jedoch die zusätzliche Sicherheit im Vergleich zu den Magnetkarten. Die wenigen Daten auf den heute noch üblichen Magnetstreifen sind relativ leicht mit speziellen Geräten zu lesen. Der kleine Chip auf der Karte dagegen ist weder zu kopieren noch zu manipulieren. Der Versuch eines Eingriffes würde ihn zerstören und die Karte unbrauchbar machen.

Die Überprüfung einer persönlichen Identifikationsnummer (PIN), die der Kunde in das Terminal eintippen muss, verhindert die Benutzung gestohlener oder verlorener Karten. Dieser eingebaute Schutz ist schon von der Eurocheckkarte und von Kreditkarten bekannt, neu ist allerdings, dass die C-Netz-Karte gleich drei PINs erlaubt. Die vier bis achtstelligen Zahlen können vom Benutzer selbst festgelegt werden.

Eine PIN ist für die Benutzung öffentlicher Kartentelefone, eine für das C-Netz vorgesehen. Zusätzlich können die gespeicherten Rufnummern mitsamt dem Zugriff auf den Gebührenzähler gesperrt werden. Da eine Manipulation des Gebührenzählers so unterbunden wird, kann die Karte auch ausgeliehen werden. Nach Rückgabe kann der Besitzer dann feststellen, in welchem Umfang mit seiner Karte telefoniert wurde.

Gibt ein Benutzer nach Aufforderung die falsche PIN an, wird ein Zählwerk aktiviert; nach drei falschen Versuchen ist der jeweilige Bereich gesperrt. Will man die Karte wieder zum Leben erwecken, muss ein spezielles Postservice-Terminal zur Entsperrung aufgesucht werden.

Ein Acht-Bit-Rechner bildet das elektronische Herz der neuen Prozessorkarte. Zusammen mit einem Arbeitsspeicher von 128 Byte (Zeichen), 3000 Byte festem und nochmals 2000 Byte löschbarem Datenspeicher passt dieser Prozessor in einen einzigen Chip, etwa einen halben Zentimeter breit und lang, der in das Plastikmaterial der Karte eingegossen wird. Diese Zentraleinheit bezieht ihre Betriebsspannung von fünf Volt direkt aus dem C-Funk-Mobiltelefon und wird mit 4,9 Megahertz (1000000 Schwingungen pro Sekunde) getaktet.

Der löschbare Datenspeicher (EPROM) ist praktisch unbegrenzt überschreibbar (mindestens 10000 Schreibvorgänge werden garantiert). Dies ermöglicht der Karte eine Lebenszeit von zwei bis fünf Jahren, je nachdem wie oft und zu welchem Zweck sie eingesetzt wird. Der Arbeitsspeicher ist mit seinen mageren 128 Zeichen allerdings in seinen Möglichkeiten stark beschränkt.

Viele fortgeschrittene Möglichkeiten der Datensicherung lassen sich aufgrund dieses Mangels nicht realisieren. Trotzdem sind viele weitere Einsatzmöglichkeiten der von Siemens entwickelten Chipkarte denkbar. Ob verbesserte Scheckkarte, als Kreditkarte beim Einkauf, als Legitimation zum Abruf geschützter Informationen aus Datenbank- oder Btx-Systemen, sogar um persönliche medizinische Daten im Gesundheitsdienst zu sichern. Der Einsatz dieser Technologie zum Beispiel als Kreditkarte macht die direkte Daten- oder Telefonverbindung zur Rechnerzentrale der Kreditorganisation überflüssig.

Im Terminal an der Kasse kann sich nämlich der Chip auf der Karte mit einem Chip auf der vom Händler eingesteckten Referenzkarte „unterhalten“, und zwar in einer verschlüsselten Form, deren Code nicht bekannt und nicht zu fälschen ist, wie der Hersteller versichert.

So überprüfen sich zunächst Chipkarte und Referenzkarte, ob sie „echt“ sind; Der Chip prüft außerdem die PIN, die der Kunde zum Nachweis dafür, dass er der rechtmäßige Karteninhaber ist, in das Terminal eintippen muss.

Das Verbuchen und Quittieren des Kaufbetrages geschieht auf zweierlei Weise: Zum einen wird im Speicher der Chipkarte die Abbuchung eingetragen und entsprechend das verbleibende Guthaben (oder der noch auszuschöpfende Kreditrahmen) geändert. Der Kunde erhält also eine Art Quittung auf seiner Karte.

Die Buchung wird im Terminal des Händlers in verschlüsselter Form gespeichert und kann dann zu einem späteren Zeitpunkt, in einem ganzen Bündel weiterer Buchungen, zur Zentrale .der Kreditkartenorganisation übertragen werden. Die Akzeptanz der komfortablen Plastikkarten könnte so durch ein kostengünstiges Sicherheitssystem weiter zunehmen.

(erschienen in der WELT vom 16. November 1989)

Forschung betreibt vor allem die deutsche Industrie

Rund eine Milliarde Mark werden in der Bundesrepublik jährlich für die Krebsforschung aufgebracht. Bei dieser Summe handelt es sich um eine grobe Annäherung, da offizielle Zahlenangaben nicht erhältlich sind. Das liegt nicht etwa daran, dass man Zahlen für die Krebsforschung hierzulande nicht veröffentlichen will.

Vielmehr lässt sich bei einem Großteil aller Forschungsgelder nicht von vornherein sagen, zu welchen praktischen Anwendungen sie später führen werden. Das betrifft besonders die Grundlagenforschung: So kommen zum Beispiel Fortschritte auf dem Gebiet der Molekularbiologie außer der Krebsforschung unter anderem auch der Herz-Kreislauf-Forschung sowie der Arzneimittel- und Impfstoffherstellung zugute.

DKFZ-Hauptgebäude

Flagschiff der Forschung: Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg. (Foto: Tobias Schwerdt)

Mit einer Milliarde Mark aber fließt in die Krebsforschung weniger als ein Fünfzigstel dessen, was Wirtschaft, Bund und Länder insgesamt für Forschung und Entwicklung ausgeben. Die Bundesregierung finanziert Krebsforschung im weitesten Sinne mit über 250 Millionen Mark, die vornehmlich über das Bundesforschungsministerium verteilt werden.

Die größten Summen werden allerdings von der Industrie ausgegeben. Allein die deutschen Pharmakonzerne lassen sich in diesem Jahr die Erforschung von Medikamenten zur Krebsbehandlung 400 Millionen Mark kosten. Hier geht es vor allem um die Verbesserung und Neuentwicklung von Wirkstoffen zur Hemmung des Zellwachstums (Zytostatika). Auch Substanzen, die an der Regulation des Immunsystems beteiligt sind, und solche mit hormonartiger Wirkung werden untersucht.

Andere Wirtschaftsbereiche forschen kräftig mit. So war vom Elektroriesen Siemens zu erfahren, dass die Neu- und Weiterentwicklung von Geräten, die vorwiegend in der Krebserkennung und -behandlung eingesetzt werden, jährlich zwischen 150 und 200 Millionen Mark verschlingt. Es handelt sich hier um Computertomographen, Mammographiegeräte sowie Systeme für Strahlentherapie und Ultraschalldiagnose.

Der Bund fördert vor allem die Grundlagenforschung: Von der Biotechnologie erwarte man sich entscheidende Hilfen für die menschliche Gesundheit. Besonders gelte dies für die weitere Aufklärung der Tumorentstehung und der Struktur-Funktionsbeziehungen in der Immunologie und Virologie, heißt es im Bundesbericht Forschung 1988.

Der größte Posten staatlicher Förderung entfällt dabei auf das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg, eine der 13 Großforschungseinrichtungen des Bundes. Die Arbeit der 1200 Forscher wird im laufenden Jahr 119 Millionen Mark kosten. Es folgt die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) mit über 35 Millionen Mark sowie die Gesellschaft für Strahlen- und Umweltforschung (GSF) in Neuherberg bei München, die 22,5 Millionen für die Krebsforschung ausgibt.

Der Beitrag gemeinnütziger Vereine, die ihre Mittel aus Spenden beziehen, darf nicht unterschätzt werden. Sie springen vor allem dort in die Bresche, wo eine schnelle und unbürokratische Hilfe nötig ist. Hier ist zum Beispiel der Verein zur Förderung der Krebsforschung in Deutschland zu nennen, der 1958 gegründet wurde mit dem primären Ziel, an der Universität Heidelberg ein Krebsforschungszentrum zu errichten. Aus Spendenmitteln wurde die Betriebsstufe I des Institutes finanziert, das später zur größten Forschungseinrichtung auf diesem Gebiet in der ganzen Bundesrepublik avancierte – dem DKFZ. Dieser Initialzündung sind mittlerweile mehr als eine halbe Milliarde Mark gefolgt.

Die klinische Versorgung von Krebspatienten lässt in Deutschland nach Angaben von Experten noch manche Wünsche offen. Obwohl seit 1981 der Auf- und Ausbau von Tumorzentren und onkologischen Schwerpunkten gefördert wurde, sind personelle und sachliche Mittel weiterhin knapp. Über 20 Tumorzentren – sie sind meist den Universitäten angeschlossen – gibt es mittlerweile in der Bundesrepublik. Dennoch findet längst nicht jeder Krebspatient ein Bett in einer dieser spezialisierten Kliniken, wie Dr. Volker Budach vom Westdeutschen Tumorzentrum in Essen beklagte.

Die Kapazitäten der Universitäten würden von Problemfällen voll in Anspruch genommen; hier suchten vor allem Patienten mit Rückfällen (Rezidiven) Rat, deren Erstbehandlung in anderen Krankenhäusern oder durch den Hausarzt erfolgte. „Die Finanzierung reicht hinten und vorne nicht“, meinte der Oberarzt im Gespräch mit der WELT.

Ohne die finanzielle Unterstützung aus Drittmitteln wie DFG und Deutsche Krebshilfe wäre nicht einmal die klinische Routine möglich. Gerade die medizinische Versorgung von Tumorpatienten erfordere nämlich einen immensen Aufwand an Personal und Sachmitteln, der dem einer Intensivstation durchaus vergleichbar sei.

Lücken in der Patientenversorgung versuchen zahlreiche Gesellschaften, Organisationen und Selbsthilfegruppen zu schließen, die sich um direkte Hilfe für Tumorpatienten bemühen. Die Deutsche Krebshilfe – mittlerweile eine der größten Bürgerinitiativen in der Bundesrepublik – führt ihren Kampf gegen den Krebs unter bewusstem Verzicht auf die Inanspruchnahme staatlicher Subventionen. Im vorigen Jahr setzte der Verein über 50 Millionen Mark an Spendengeldern ein.

Neben umfangreichen Forschungsprojekten ist die Organisation auf vielen anderen Gebieten tätig: Selbsthilfegruppen, alternativen Möglichkeiten der Krebsbekämpfung, Schmerztherapie. Es gibt kaum ein Gebiet, das von dem Verein nicht gefördert wird. Hilfe für den Betroffenen soll durch Information und Aufklärungsprogramme über die Bedeutung von Früherkennung und Prävention geleistet werden. Dazu bietet der Verein eine Vielzahl von Broschüren an, die für jedermann kostenlos erhältlich sind.

Eine weitere wichtige Einrichtung für Kranke und deren Angehörige ist der Krebsinformationsdienst (KID), eine telefonische Auskunftsstelle am DKFZ, die vom Bundesgesundheitsamt dieses Jahr noch mit 550 000 Mark unterstützt wird. Unter der Telefonnummer 0800 – 420 30 40 geben Experten dort werktags von sieben bis 20 Uhr Auskunft über Adressen, Therapien, Nachsorge, Prävention und Diagnostik sowie staatliche und karitative Hilfe. Mittlerweile ist es zu bestimmten Zeiten sogar möglich, die Informationen in türkischer Sprache zu erhalten. Ein fachübergreifendes Team tritt in Aktion, wenn die Anfragen nicht spontan beantwortet werden können.

(erschienen in der WELT am 21. August 1989)

59-info@2xWas ist daraus geworden? Der obige Artikel war damals schwer zu recherchieren, weil es keine Statistik gibt, die Forschungsausgaben für ganz Deutschland nach Sachgebieten auflistet! Sicher scheint nur, dass die staatliche Förderung im Vergleich zu den USA beschämend niedrig ist. Und dass die jährlichen Einnahmen aus der Tabaksteuer (zuletzt ca. 14 Milliarden Euro) die Forschungsausgaben um ein Vielfaches übertreffen. Selbst der Krebsinformationsdienst – sicher eine der besten Einrichtungen auf diesem Gebiet – hatte zwischendurch Finanzierungsprobleme, die jetzt aber behoben sind. Und aus Dr. Budach ist Prof. Budach geworden 😉