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Wenn Bodendenkmäler Tiefgaragen weichen

Die Pflege von Bodendenkmälern in deutschen Altstädten steht immer noch im Schatten der Baudenkmalspflege. Dies war die Essenz eines Kolloquiums des Landschaftsverbandes Rheinland und des Rheinischen Amts für Bodendenkmalpflege, das gestern in Bonn stattfand. Mittlerweile leben in der Bundesrepublik 85 Prozent der Bevölkerung in Städten. Dieser Trend hält an, wobei die Altstädte bevorzugt als Wohnviertel ausgewählt werden. Hier werden große Erdbewegungen vor allem durch die Ansiedelung von Banken, Hotels, Kaufhäusern sowie des Dienstleistungsgewerbes erforderlich.

Dr. Jürgen Kunow (Foto: Raimond Spekking / CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons)

Dr. Jürgen Kunow (Foto: Raimond Spekking / CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons)

Die Altstadt als „kompaktes Archiv von Bodenurkunden“ wird dabei natürlich in Mitleidenschaft gezogen, wie Dr. Jürgen Kunow (Bonn) erläuterte. Auch wenn der Zweite Weltkrieg in manchen Städten – zum Beispiel in Bonn – nur ein Zehntel der Gebäude unversehrt ließ, war die anschließende Neubesiedelung für die Bodenarchäologie nicht gravierend, da sie entlang der bestehenden Straßen und Kanalisationen erfolgte und sich weitgehend an die alten Bauflächen hielt.

Der Beginn der Zerstörung lässt sich im Fall Bonn genau auf das Jahr 1963 festlegen. Ab diesem Zeitpunkt nämlich wurden die letzten großen Freiflächen – etwa der Münsterplatz und der historische Markt – durch Tiefgaragen unterbaut, die von der öffentlichen Hand gefördert wurden. Die wenigen Grabungen, die damals möglich waren, standen unter einem erheblichen Zeitdruck, weshalb auch nur wenige Fundstücke geborgen werden konnten. Für Tiefgaragen sei daher, aus Sicht der Bodendenkmalspfleget, in Altstädten kein Platz – so Kunow.

Das Problem ist nicht auf das Rheinland beschränkt. In Trier stieß man vor zwei Jahren beim Bau von unterirdischen Parkplätzen auf eine palastartige Thermenanlage aus römischer Zeit, allerdings bewies man dort Sinn für die Vergangenheit und verzichtete auf ein Drittel der geplanten Stellplätze. Auch in Heidelberg legte man 1987 bei Bauarbeiten in der Altstadt wichtige Funde frei. Zwölf Monate blieben dem Landesdenkmalamt Baden-Württemberg, um die Schätze im Untergrund zu bergen, bevor dann die Arbeiten fortgesetzt wurden. Zu wenig Zeit für eine wirklich gründliche Untersuchung – wie man damals bemängelte. Dennoch konnten 278 Grabstätten und sieben Fäkaliengruben eines Spitalfriedhofs ausgewertet werden, was wichtige Rückschlüsse über Leben und Sterben der mittelalterlichen Stadtbevölkerung ermöglichte.

Die beengte Stadtsituation begrenzt die Möglichkeiten der Archäologen ebenso wie der Mangel an verlässlichen Unterlagen zu alten Bebauungen. Meist müssen die Experten auf Urkataster zurückgreifen, die aus den Jahren von 1820 bis 1840 stammen. Derzeit werden diese Dokumente für das Rheinland vom Landschaftsverband zusammengestellt und auf einen einheitlichen Maßstab gebracht.

Die Mitbestimmung der Bodendenkmalspfleger wurde vor allem für großflächige Stadtsanierungen gefordert, weil deren Ergebnisse meist besonders einschneidend seien. „Jede städtische Planung sollte sich der Schätze im Untergrund bewusst sein.“ Doch wolle man keineswegs die städtebaulichen Veränderungen insgesamt verhindern. „Das Denkmalschutzgesetz soll ja auch kein Bauverhinderungsgesetz sein“, kommentierte Kunow. Fälle wie der Körner Neumarkt, bei dem auf eine Neubebauung gänzlich verzichtet wurde, sollen demnach die Ausnahme bleiben.

In den letzten Jahren haben sich die Schwerpunkte der „Altstadtarchäologie“ von Rettungsgrabungen und Lustgrabungen“ an römischen Überresten weitgehend auf die Erforschung mittelalterlicher Stätten verlagert. Diese Forschung ist sehr personal- und kostenintensiv, so dass die Städtebauförderung künftig mehr in Anspruch genommen werden soll.

Dies wird in Nordrhein-Westfalen bereits praktiziert. Dr. Ulrich Giebeler vom Ministerium für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr in Düsseldorf wies darauf hin, dass archäologische Arbeiten auch aus dem „sehr großen Topf“ der Stadterneuerungsmittel finanziert werden können. Um die Projekte der Stadtarchäologie zu unterstützen, könnte man auch die Bauherren solcher Projekte zur Kasse bitten, die Bodendenkmäler gefährden. Bei einem Baugenehmigungsverfahren etwa ließen sich diese Kosten nach dem Verursacherprinzip weitergeben.

(erschienen in der WELT am 26. Oktober 1989)

Technologiepark Heidelberg: Aus Forschern werden Unternehmer

Der „schnelle Transfer innovativen Wissens zu modernsten Produktionsmethoden“ wurde von Ministerpräsident Lothar Späth als eines der Hauptziele bei der Gründung des Technologieparks Heidelberg im November 1985 beschrieben: Anwendungsorientierte Forschung zum Wohle von Wirtschaft und Wissenschaft. Erste Früchte hat dieses Projekt bereits getragen. Die Wahl des Standortes Heidelberg mit seiner Vielzahl an internationalen Forschungsinstituten und der ältesten Universität auf deutschem Boden hat Manager und Wissenschaftler beflügelt.

Rund 180 Arbeitsplätze haben die Firmen geschaffen, die sich am Rande des Universitätsgeländes niedergelassen haben. Doch der Geschäftsführer der Technologiepark Heidelberg GmbH, Karsten Schröder, kann einen weiteren Erfolg vorweisen. Da die Forschung auch schon erste Früchte trägt, wurde zusätzlich ein „Produktionspark“ erschlossen, in dem ebenfalls mehr als 150 Angestellte arbeiten.

Die Stadt Heidelberg betreibt, so Schröder, keine direkte Firmenförderung, stellt aber Räume bereit, hilft beim Überwinden bürokratischer Hürden und vermittelt Kontakte nach außen. Geht alles nach Plan, wird der zweite Bauabschnitt gegen Ende 1990 fertig gestellt.

Ein Mann der ersten Stunde ist Professor Christian Birr, der mit der Gründung seiner Firma Orpegen im Herbst 1982 der Eröffnung des Technologieparks um Jahre zuvorkam. Birr ist ehemaliger Angehöriger des Max-Planck-Institutes für medizinische Forschung, von dem er sich Ende 1983 trennte. Die Patentrechte, die er während seiner Karriere als Forscher erwarb, bilden einen wichtigen Teil des Know-hows, auf dem der Erfolg der Biotechnologie-Firma ruht.

Die Firma Heidelberg Instruments überträgt Erkenntnisse, die am Institut für angewandte Physik der Universität gewonnen wurden, in die Praxis. Ein Ergebnis dieser Zusammenarbeit: der erste Laseraugentomograph, mit dem Schnittbilder des menschlichen Auges erzeugt werden können.

Prominentes Gesicht: Auch Peter Gruss, langjähriger Präsident der Max-Planck-Gesellschaft war Unternehmer im Technologiepark Heidelberg (Foto: Axel Griesch via Wikimedia Commons)

Prominentes Gesicht: Auch Peter Gruss, langjähriger Präsident der Max-Planck-Gesellschaft war Unternehmer im Technologiepark Heidelberg (Foto: Axel Griesch via Wikimedia Commons)

Werner Franke, Ekkehard Bautz, Peter Gruß und Günter Hämmerling taten sich 1983 zusammen, um die Progen Biotechnik GmbH zu gründen. Die Wissenschaftler und Professoren der Universität und des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) wollten gemeinsam mit industriellen Investoren Reagenzien und Testverfahren für Diagnostik und Therapie entwickeln.

„Biologische Altlastensanierung“ nennt sich ein Verfahren, bei dem Mikroorganismen, die im verseuchten Boden leben, aktiviert werden, um giftige Lösungsmittel und Kohlenwasserstoffe zu beseitigen. Anfang dieser Woche begannen auf dem Gelände der ehemaligen Chemiefabrik Dr. Freund in Sandhausen bei Heidelberg Bohrarbeiten für das bisher größte Projekt dieser Art in Deutschland. Entwickelt wurde das Verfahren unter Förderung des Bundesministeriums für Forschung und Technologie (BMFT) durch die International Biotechnology Laboratories GmbH (lBL).

Um es den Mikroben zu ermöglichen, die Giftstoffe in unschädliches Kohlendioxid und Wasser zu zerlegen, werden spezielle Nährstoffe in den Boden eingepresst. Wie Karl Massholder mitteilte, werden im Rahmen der Zusammenarbeit mit den Instituten für Umweltphysik, Mikrobiologie und dem Chemischen Institut weitere 17 Schadensfälle bearbeitet. IBL ist außerdem an der Finanzierung von Doktorarbeiten beteiligt, die zu neuen Lösungen bei Umweltproblemen führen könnten.

(erschienen in der WELT am 6. Oktober 1989)