Die Liebhaber von ledergebundenen, goldbedruckten Büchern werden den funkelnden Kompakt-Disketten in ihren Plastikhüllen wenig abgewinnen können. Dennoch: für viele Praktiker, die täglich mit großen Mengen wissenschaftlicher Literatur arbeiten, haben die Glitzerscheiben Dank ihrer gewaltigen Speicherkapazität ihre Reize.

Seit April dieses Jahres bereits nutzen eine Handvoll Interessenten, vorwiegend aus der chemisch-pharmazeutischen Industrie, diese Technik. Ein gemeinsam von den Verlagen Blackwell, Elsevier, Springer und Pergamon gegründetes Unternehmen, die Adonis Ltd. in Amsterdam, verschickt an ihre Abonnenten wöchentlich eine CD, auf der die Inhalte von 350 ausgewählten Zeitschriften zu finden sind. Ein handelsüblicher Personalcomputer mit einem Laufwerk für Kompakt-Disketten und einem angeschlossenen Laserdrucker bilden neben der jährlichen Grundgebühr von 20000 Mark die Grundlage für den Einstieg ins elektronische Bibliothekswesen.

Beim Ausdruck eines Textes werden dann jeweils weitere sechs bis 14 Mark fällig. Dieser Betrag wird von den Verlagen festgelegt, deren Publikationen via Adonis erhältlich sind. „Adonis hat praktisch ein Zählwerk eingebaut, das berechnet, was wann von wem und wie oft ausgedruckt wird“, erklärt Professor Dietrich Götze vom Springer-Verlag.

Das System wurde in erster Linie entwickelt, um die Kosten des Kopierens aus wissenschaftlichen Zeitschriften zu senken und gleichzeitig auch die Gebühren für Urheberrechte einzuziehen. Anders als in Deutschland ist nämlich die Industrie weltweit nicht von der Zahlung dieser Gebühren befreit und auch durchaus Willens, hier ebenso ihren Beitrag zu leisten, wie das bei Schulen, Bibliotheken und Copyshops als selbstverständlich erachtet wird.

Auch das europäische Patentamt, das auf einen möglichst schnellen und vollständigen Zugriff auf Fachinformationen angewiesen ist, verfolgt schon seit Jahren ein Projekt zur elektronischen Literaturerfassung. Dort hat man bereits vor Jahren damit begonnen, etwa 50 Millionen Dokumente in computerlesbarer Form auf optische Speicherplatten zu bannen. Rund 10000 Seiten können auf einer CD gespeichert werden, der Zugriff auf bestimmte Artikel erfolgt dann aufgrund eines ausgefeilten Suchprogrammes mit großer Geschwindigkeit.

Beim Abruf der Texte, die im jetzigen Entwicklungsstadium noch als Bilddateien gespeichert sind, werden aus Bits und Bytes wieder lesbare Buchstaben. Ein angeschlossener Laserdrucker bringt die gespeicherten Fachartikel mit der gleichen Qualität zu Papier, wie ein modernes Kopiergerät. Dies ist zwar für Textpassagen allemal ausreichend, bei Bildern aber bleibt mitunter noch wichtige Information auf der Strecke. Röntgenaufnahmen etwa verlieren während dieses Prozeßes an der Schärfe, die für einen behandelnden Arzt bei vergleichenden Studien nötig wäre.

Schon in zwei bis drei Jahren wird man auch diese Schwierigkeiten beseitigt haben, so Götze. Dann sollte bereits ein Prototyp zur Verfügung stehen, bei dem die eingelesenen Artikel in Text- und Bilddateien getrennt werden. Die Suchmöglichkeiten wären dann praktisch unbegrenzt und auch die Qualität der Abbildungen würde sich kaum noch vom Original unterscheiden.

(erschienen in „DIE WELT“ am 29. Juli 1991)