Hochrangige japanische Regierungsvertreter haben signalisiert, daß die zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt nicht bereit ist, eine zweistellige Milliardensumme bereitzustellen, um einen Erfolg der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung (UNCED) zu sichern.

Japans Chefdelegierter für die am 3. Juni in Rio de Janeiro beginnende Konferenz, Nobutachi Akao wies entsprechende Spekulationen in den Medien zurück und sagte vor Journalisten in Tokio: “Wir werden uns nicht verpflichten, acht Milliarden Dollar bereitzustellen.“

Allerdings sind derzeit Bemühungen im Gange, einen Umweltfond ins Leben zu rufen, der von Regierung und Privatwirtschaft gemeinsam finanziert wird und ein Volumen von jährlich 300 Milliarden Yen (ca. 2,3 Milliarden Mark) aufweisen soll.

Der „Internationale Friedens-Kooperationsfond“ sollte nach den Vorstellungen von Regierung und Liberaldemokratischer Partei neben Umweltbelangen auch der Unterstützung von Flüchtlingen zugutekommen und aus einer – noch zu beschließenden – Umweltsteuer sowie aus einer ,,internationalen Beitragssteuer“ finanziert werden.

Sollte der Plan, der unter anderem von dem einflußreichen ehemaligen Premierminister Takeshita Noboru unterstützt wird, in die Tat umgesetzt werden, so würde sich die umweltrelevante Finanzhilfe des Landes praktisch verdoppeln. Die bisherige Praxis Japans bei der Vergabe von Geldern zur Entwicklungshilfe wurde in den USA und in der EG bisher jedoch oft als versteckte Unterstützung für die einheimische Wirtschaft kritisiert.

Nach Angaben von Seiji Kojima, Direktor des Wirtschaftlichen Kooperationsbüros des Außenministeriums sind derzeit weniger als 30 Prozent der Gelder an Aufträge für japanische Firmen gebunden. „Dieser Anteil wurde in den vergangenen Jahren drastisch reduziert“, betonte Kojima.

Dem widerspricht Yoichi Kuroda, Koordinator des japanischen „Tropical Forest Action Network“, einer privaten Umweltschutzorganistion, die Japans Rolle bei der Zerstörung des tropischen Regenwaldes kritisiert. „Schaut man auf die Verträge“, so Kuroda, „sind 90 Prozent aller Gelder an Aufträge für japanische Firmen gebunden.“

UNCED-Botschafter Akao ist sich der schwierigen Lage seines Landes bewußt. Einerseits fordern die USA und Europa sowie UNCED-Generalsekretär Maurice Strong einen größeren Beitrag der Wirtschafts-Großmacht zur Lösung der globalen Probleme, andererseits stößt jede Initiative des Landes auf große Skepsis. ,,Strong hat uns gedrängt, bei der Rio-Konferenz eine Führungsrolle zu übernehmen, er hat sogar Zahlen genannt.“

Im Bereich der Umwelttechnologien – Energieeinsparung, sparsamer Umgang mit Rohstoffen, Bekämpfung von Schadstoffen – sei Japan bereits viel weiter als die USA oder auch Europa, so Akao. „Wenn es den Entwicklungslängdern wirklich darum geht, diese Techniken zu nutzen, wollen wir ihnen gerne dabei helfen. Wir sind zur Kooperation auf kommerzieller Basis bereit, bis zu einem gewissen Grad aber auch in Form von Entwicklungshilfe und Technologietransfer.“

Die Forderung mancher Länder der Dritten Welt, sämtliche Technologie unentgeltlich zur Verfügung zu stellen, weist Akao jedoch zurück: „Technologien, die in Besitz der Regierung sind, transferieren wir gerne zum Null-Tarif, aber die meisten Entwicklungen wurden von privaten Firmen getätigt, oft nach großen Investitionen. Wir können diesen Firmen nicht befehlen, ihre Geräte umsonst abzugeben.“

Zwar wären die Entwicklungsländer durchaus im Recht, wenn sie Geld fordern, um die von den Industrienationen verursachte Verschmutzung beispielsweise der Ozeane oder der Atmosphäre zu reduzieren, aber „wenn diese Länder nicht bereit sind, die selbst geschaffenen Probleme anzugehen, werden wir das auch nicht bezahlen.“

Zwischenzeitlich hat sich die japanische Regierung offiziell dazu verpflichtet, die Emissionen des Treibhausgases Kohlendioxid einzufrieren. Auch im Jahr 2000 soll demnach die Freisetzung von „japanischem“ CO2, nicht mehr als 318 Millionen Tonnen betragen, ein Wert, der für das Jahr 1990 ermittelt wurde. Die Pro-Kopf-Emission für das 120-MillionenVolk beträgt derzeit rund 2,6 Tonnen, der niedrigste Wert aller Industrienationen.

Gleichzeitig ist die Energieeffizienz im Land der aufgehenden Sonne die höchste. Japan produziert also pro freigesetzter Tonne Kohlendioxid weitaus mehr Wirtschaftsgüter als beispielsweise die Europäische Gemeinschaft oder die Vereinigten Staaten.

Dennoch hat Ex-Premierminister Takeshita vor überzogenen Erwartungen an die Adresse seines Landes gewarnt Takeshita, der durchaus für ein größeres Engagement seines Landes eintritt, sieht Japan auf dem Gipfel von Rio vor allem in einer Vermittlerrolle zwischen den industrialisierten Ländern und der Dritten Welt. Japan, so meint der einflußreiche Politiker, könnte den armen Nationen durchaus als Beispiel dienen.

„Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde unser Land vorwiegend Dank amerikanischer Hilfe aus Hunger und Elend gerettet. Große Darlehen der Weltbank und anderer internationaler Institutionen haben Japan ein enormes Wachstum ermöglicht, das allerdings auch zu gewaltigen Umweltproblemen geführt hat.“ Gesetze zum Schutz der Umwelt hätten dann seit 1970 dazu geführt, daß Japan sich heute zu Recht als „entwickeltes“ Land bezeichnen könne.

„Zuerst sind wir der Armut entkommen, dann der Umweltverschmutzung“, sagte Takeshita. Daher sei es auch wahrscheinlich, daß die Entwicklungsländer eine Führungsrolle Japans auf diesem Gebiet akzeptieren würden.

(erschienen in „DIE WELT“ am 29. Mai 1992. Die mehrtägige Informationsreise erfolgte auf Einladung und auf Kosten der japanischen Regierung.)