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Viele Schlupflöcher für den illegalen Tierhandel

Seit fünfzehn Jahren gilt in der Bundesrepublik das Washingtoner Artenschutzübereinkommen (WA), mit dem der internationale Handel mit gefährdeten Tieren und Pflanzen geregelt werden sollte. Westdeutschland unterzeichnete damals als erster EG-Staat; mittlerweile haben sich 110 Nationen dem Abkommen angeschlossen. Ein Grund zum Jubeln? Die Meinungen gehen auseinander.

Noch vor zwei Jahren wurden von den zuständigen Bundesämtern insgesamt 715 Verstöße gegen das Bundesnaturschutzgesetz verfolgt. Fast die Hälfte der Verfahren wurde eingestellt, in 80 Fällen kam es zu einer schriftlichen Verwarnung; die Summe der verhängten Bußgelder belief sich auf exakt 27280 Mark. Obwohl von gesetzlicher Seite ein Höchststrafmaß von fünf Jahren Freiheitsentzug vorgesehen ist, kam es bisher noch nie zu einem solchen Urteil. Ein Freibrief also für Gesetzesbrecher? Diese scheinen sich jedenfalls nicht von den langen Listen des WA beeindrucken zu lassen, auf denen mittlerweile über 2000 Tierarten und rund 30000 Pflanzenarten verzeichnet sind.

Mit der bisherigen Rechtsprechung in Sachen Artenschutz ist Umweltminister Klaus Töpfer ebenso unzufrieden wie die Aktionsgemeinschaft Artenschutz oder die Umweltstiftung WWF Deutschland. Auf einer Pressekonferenz am Frankfurter Flughafen, der deutschen Drehscheibe für den illegalen Handel mit geschützten Tieren und Pflanzen, machte der Minister seinem Ärger Luft: „Die Gerichte sollen das Strafmaß voll und ganz ausschöpfen“, so Töpfer, der hinzufügte: „Ich bin für ein Mindestmaß an Freiheitsstrafe in gewissen Fällen.“

Damit enden allerdings die Gemeinsamkeiten zwischen empörten Tierschützern und dem Umweltminister. Der WWF verweist darauf, daß für den deutschen Heimtiermarkt jährlich noch immer 35000 bis 40000 lebende Papageien, 500 bis 1000 Krokodile und Warane sowie mehrere tausend Riesenschlangen eingeführt werden, für die in der Regel weder beim Händler, noch beim Käufer eine artgerechte Unterbringung gewährleistet sei.

Die Aktionsgemeinschaft Artenschutz (AGA) unter ihrem Vorsitzenden Günther Peter schlägt in die gleiche Kerbe: „Im Gegensatz zur Bundesregierung hat die AGA nichts Positives über den Vollzug des Übereinkommens zu berichten.“ Seit dem Beitritt vor 15 Jahren habe sich Deutschland zu einem der weltweit größten Verbraucher bedrohter Arten entwickelt.

Dem widerspricht der Bundesumweltminister, der auf die stark gesunkenen Einfuhrzahlen etwa für Elfenbein, Landschildkröten und Wildkatzen verweist. Während 1979 noch 66 Tonnen Rohelfenbein von afrikanischen Elefanten in die Bundesrepublik importiert wurden, ging diese Menge auf 0,43 Tonnen einschließlich Elfenbeinschnitzereien im letzten Jahr zurück. Ausschlaggebend für diesen Erfolg dürfte das Inkrafttreten eines internationalen Handelsverbots sein, dessen Verlängerung derzeit heftig umstritten ist. Die Felle wildlebender Katzenarten wie des Ozelot werden gar nicht mehr importiert; 1979 erreichte ihre Zahl noch 121000.

Diese Zahlen sind zwar erfreulich, aber nicht unbedingt sehr aussagekräftig. Sie reflektieren die Tatsache, daß der afrikanische Elefant oder bestimmte Raubkatzen im Laufe der letzten Jahre in die Liste des WA aufgenommen wurden. Die illegalen Importe geschützter Tiere, Tierprodukte und Pflanzen haben dagegen ständig zugenommen. Schuld an dieser Entwicklung sei auch die „katastrophale Unkenntnis“ von Beamten in den neuen Bundesländern und die personelle Unterbesetzung der Artenschutzbeamten in der Bundesrepublik, so die AGA.

Wie Töpfer mitteilte, sollen in einem neuzuschaffenden Bundesamt für Naturschutz 12 zusätzliche Stellen für den Artenschutz geschaffen werden. Detlef Szymanski, Referatsleiter Artenschutz im hessischen Ministerium für Naturschutz, teilte auf Anfrage mit, für den Vollzug der Artenschutzgesetze stünden 13 Beamte zur Verfügung, mit denen „die vorgegebenen Aufgaben erledigt werden könnten, ohne größere Rückstände entstehen zu lassen“.

Einen anderen Weg zum Schutz bedrohter Arten will der Zentralverband zoologischer Fachbetriebe Deutschlands einschlagen, der jetzt eine „Selbstbeschränkung im Handel mit Heimtieren“ beschlossen hat. Über die Artenschutzliste des WA hinaus sollen eine Reihe von Arten nicht mehr öffentlich präsentiert werden. Der Verkauf weiterer Arten, die besondere Ansprüche an die Haltung stellen, wird für die Mitglieder des Verbandes künftig mit einer Beratungspflicht gekoppelt.

(erschienen in „DIE WELT“ am 3. Juli 1991)

Fingerabdruck im weißen Gold

Was unterscheidet einen Elefantenstoßzahn, der von einem gewilderten Tier stammt, von legal gewonnenem Elfenbein? Äußerlich ist da sicher kein Unterschied festzustellen, und in den nächsten zwei Jahren ist diese Frage ohnehin nicht akut, da jeglicher Handel mit dem „weißen Gold“ verboten ist. Dann aber könnte es enorm wichtig werden, zum Beispiel ostafrikanisches von südafrikanischem Elfenbein zu unterscheiden.

Elefantenbulle im Masai Mara Nationalpark, Kenia 1991

Elefantenbulle im Masai Mara Nationalpark, Kenia 1991

Denn die Mitgliedsländer der Konvention über den internationalen Handel mit bedrohten Arten (Cites) haben sich bei dem im Oktober in Genf geschlossenen Abkommen ein Hintertürchen offen gehalten. 1991 soll, vor allem auf Wunsch des Hauptimportlandes Japan und des Exportlandes Südafrika, neu über das Moratorium verhandelt werden. Ein begrenzter Handel mit Elfenbein wäre dann wieder denkbar.

In den vor Wilderern gut geschützten Nationalparks Südafrikas ebenso wie in Botswana und Simbabwe vermehren sich die Dickhäuter nämlich rapide. An feste Standorte gezwungen, können die Herden nicht mehr ihren traditionellen Wanderwegen folgen und fressen sich selbst die Nahrung weg. Um ökologischen Katastrophen vorzubeugen, halten die Ranger die Zahl der Tiere durch kontrollierten Abschuss einigermaßen konstant.

Genetische Verfahren können die Herkunft von Elfenbein aufdecken

Die dabei gewonnenen Stoßzähne bilden eine wichtige Einnahmequelle für Botswana und Simbabwe. Aber auch Südafrika will auf diese Gelder nicht verzichten. Wissenschaftler verschiedener Fachrichtungen scheinen nun einen Ausweg aus diesem Dilemma gefunden zu haben. So gelang es dem Biologen Nick Georgiadis, Elfenbein zu unterscheiden, das aus den benachbarten Ländern Kenia und Tansania stammte. Georgiadis verglich dazu die „genetischen Fingerabdrücke“ der toten Elefanten.

Bei dieser Methode werden Muster in der Erbsubstanz der Tiere sichtbar gemacht, die den computerlesbaren schwarzweißen Strichcodes auf Lebensmittelpackungen ähnlich sehen. Jedes Tier hat zwar sein eigenes Muster, die Muster verwandter Tiere aber sind sich untereinander ähnlich. Die Forscher haben damit einen Schlüssel in der Hand, mit dem sich die Herkunft einzelner Stoßzähne nachweisen lässt.

Doch damit nicht genug: John C. Patton von der Washington-Universität in St. Louis glaubt, anhand des untersuchten Erbmaterials auch die Stoßzähne weiblicher Tiere von denen ihrer männlichen Artgenossen unterscheiden zu können. Dies wäre für die Tierschützer besonders wertvoll, weil sich damit Rückschlüsse auf die Zusammensetzung der Herden und das Verhalten der Wilderer ziehen lassen.

Einen ganz anderen Weg, um die Herkunft des weißen Goldes zu bestimmen, hat Nikolaas van der Merwe (Harvard·Universität) gefunden. Mit einer physikalisch-chemischen Methode, der Massenspektroskopie, untersucht der Archäologieprofessor die Zusammensetzung verschiedener Elemente, die sich als Folge der Nahrungsaufnahme im Körper der Elefanten ablagern.

So gibt es unterschiedlich schwere Formen (Isotope) des Kohlenstoffs, des Stickstoffs, des Strontiums und vieler anderer Elemente. Aus der Verteilung der Strontiumisotope im Boden kann das geologische Alter des Untergrundes abgelesen werden; die Mischung der verschieden schweren Stickstoffatome ist abhängig von der Menge des Niederschlags in einer Region. Schließlich enthalten Gräser verhältnismäßig mehr „schweren“ Kohlenstoff als Büsche und Bäume, da die Photosynthese auf unterschiedlichen Pfaden verläuft.

Mit der Nahrung übertragen sich die charakteristischen Isotopengemische einer Landschaft auch auf die dort lebenden Elefanten. Jede von 27 bisher untersuchten Regionen hinterließ so ein charakteristisches Muster, wie van der Merwe herausfand. Damit müsste es möglich sein, auch die Herkunft von bereits bearbeiteten Stoßzähnen festzustellen, was mit dem genetischen Fingerabdruck nicht zu leisten wäre.

Für Georgiadis und van der Merwe ist ein überprüfbares Herkunftszertifikat für Elfenbein ein wichtiges Instrument, um das Überleben freilebender Dickhäuter zu gewährleisten. Die Kosten dafür würden sich auf rund 500 Mark pro Stoßzahn belaufen. Doch manche Experten bezweifeln den Sinn einer solchen Maßnahme. Richard Leakey, Direktor von Kenias Tierschutzministerium, setzt auf das totale Handelsverbot: „Seit dem Inkrafttreten des Importstopps in den USA und Europa hat Elfenbein in Kenia keinen Wert mehr.“ Dies und verstärkte Maßnahmen gegen Wilderer hätten dazu geführt, dass innerhalb des letzten halben Jahres keine Elefanten mehr in den kenianischen Nationalparks getötet wurden.

(erschienen in der WELT vom 13. Januar 1990)