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Harter Kampf gegen zweierlei Parasiten

Korruption und Vetternwirtschaft in der Politik sind in Kenia so alltäglich wie die Aquatorsonne. Diese Erkenntnis war es, welche die Hauptgeldgeberländer des ostafrikanischen Landes kürzlich dazu bewog, die milliardenschwere Entwicklungshilfe drastisch zu kürzen. Weitgehend unbekannt ist aber die Tatsache, daß Bestechlichkeit und Unterschlagung auch den wissenschaftlichen und gesundheitspolitischen Fortschritt in dem Entwicklungsland behindern.

Robert Dransfield und Robert Brightwell sind zwei Forscher, die mit ihrer Kritik wahrlich kein Blatt vor den Mund nehmen. Die Briten, die in eigener Initiative versuchen, ihre Version der biologischen Schädlingsbekämpfung zu verbreiten, sind sich der möglichen Folgen ihres Tuns durchaus bewußt: Die Palette der bisher durchlebten Schikanen reicht von Behördenwillkür und Verleumdung bis hin zu kaum verhohlenen Drohungen gegen die Insektenforscher. „Wir müssen damit rechnen, nicht mehr in dieses Land zurückkehren zu dürfen, in dem wir seit fast zehn Jahren arbeiten, aber der Weg an die Öffentlichkeit ist unsere letzte Chance“, so Dransfield.

Kaum zu fassen, daß der Versuch, die Tsetsefliege mit alternativen Mitteln zu bekämpfen, zu solchen Konsequenzen führen würde. Nicht etwa kolonialistisches Gehabe oder mangelnder Erfolg ist es, der Brightwell und Dransfield zum Verhängnis wurde – das Gegenteil ist der Fall. In enger Zusammenarbeit mit mehreren Massaidörfern an der kenianisch-tansanischen Grenze haben sie die verheerende Rinderschlafkrankheit in der Region Nguruman praktisch ausgerottet – und das fast zum Nulltarif.

Hauptvorwurf der „beiden Bobs“, wie die dickköpfigen Forscher von ihren Kollegen genannt werden: Staatliche Stellen verhindern – nicht nur in Kenia, sondern in den meisten Ländern Schwarzafrikas – die Umsetzung erfolgreicher Methoden in die Praxis. Doch welche Logik sollte hinter solch einem Vorgehen stecken?

Brightwell muß etwas weiter ausholen, um seine Anklage zu erläutern: „Die meisten Forschungslabors werden hier mit dem Geld der westlichen Industrieländer finanziert, leider jedoch ohne ausreichende Kontrolle der Ausgaben. Das führt dazu, daß ein Großteil der Mittel in dunklen Kanälen versickert. Es werden hohe Gehälter gezahlt für eine Unzahl von Menschen, die für die eigentliche Forschung überhaupt nicht gebraucht werden – eine völlig sinnlose Art der Arbeitsbeschaffung.“

Die Summen, um die es in diesem Spiel geht, sind beträchtlich: Auf etwa 350 Millionen Mark jährlich beläuft sich die Rechnung für die Erforschung und Bekämpfung der Tsetsefliege. Kein Wunder also, daß der Hunger auf ein Stück vom Kuchen groß ist – besonders in Ländern wie Kenia, wo der durchschnittliche Monatsverdienst rund 60 Mark beträgt.

Dransfield weiß von einem besonders drastischen Erlebnis in Uganda zu berichten: „Wir hatten unsere Methode in einem Pilotprojekt erfolgreich demonstriert. Naiv wie wir waren, glaubten wir, jetzt zum großflächigen Einsatz in der Praxis übergehen zu können.“ An dem Institut, mit dem die Wissenschaftler damals zusammenarbeiteten, wollte man aber kein Geld bereitstellen, obwohl es sich um einen vergleichsweise lächerlichen Betrag handelte.

„Als ich den Direktor zur Rede stellte, hat er mir auf den Kopf zugesagt, er habe keine Lust, seinen gutbezahlten Job und die damit verbundenen Privilegien zu verlieren. Dieser elende Parasit hatte nicht das geringste Interesse am Unglück seiner Landsleute. Das ganze Institut diente nur dazu, Entwicklungshilfegelder abzukassieren“, ereifert sich Dransfield.

Ein Drittel aller afrikanischen Rinder – und das sind immerhin 147 Millionen Tiere – sind von der Schlafkrankheit (Nagana) bedroht. Alleine die Fleischproduktion erleidet nach Schätzungen Verluste von jährlich acht Milliarden Mark. Hinzu kommen die reduzierte Milchleistung und der Ausfall der Tiere beim Pflügen in der Landwirtschaft.

Mikroskopisch kleine, einzellige Parasiten – die Trypanosomen – lassen die Tiere abmagern und reduzieren so die Erträge an Milch und Fleisch. Im weiteren Verlauf der Krankheit erblinden die Tiere und gehen qualvoll zugrunde. Zwar gibt es mittlerweile Medikamente, die der Krankheit vorbeugen oder den Infektionsverlauf abschwächen können. Der relativ hohe Preis und die schnelle Entwicklung von Resistenzen durch die Trypanosomen lassen diese Methode der Schädlingsbekämpfung jedoch wenig aussichtsreich erscheinen.

Nicht der Parasit selbst, sondern dessen Überträger, die weiblichen Tsetsefliegen, sind daher seit bald 100 Jahren Hauptangriffsziel für ganze Heerscharen von Wissenschaftlern gewesen, die Afrika von der Geißel der Schlafkrankheit befreien wollten.

Seit 1895, als der britische Armeearzt David Bruce die schmerzhaft stechenden Fliegen als Überträger dingfest machte, gab es eine Reihe von Versuchen, die Blutsauger auszurotten. Wildtiere, von Antilopen über Zebras und Büffel bis zu Löwen und anderen Raubtieren, wurden massenweise abgeschossen, als man herausfand, daß diese Säuger ebenfalls Trypanosomen in ihrem Blut beherbergten. Als diese Methode keinen Erfolg zeitigte, versuchte man um 1920, durch Brandrodungen die Brutstätten der Tsetsefliegen zu vernichten.

Heute wie vor hundert Jahren aber sind noch immer rund zehn Millionen Quadratkilometer Afrikas – das entspricht der Fläche Kanadas – von den grünschillernden Insekten besetzt und damit für die Viehzucht weitgehend unbrauchbar. Kaum war das Insektengift DDT entwickelt, wurde es auch schon an den verhaßten Tsetses erprobt. Die Tiere reagieren zwar extrem empfindlich auf das Insektizid, aber von einigen Achtungserfolgen in Südafrika, Simbabwe und Nigeria abgesehen scheiterte auch dieser Anlauf.

Die „beiden Bobs“ aber sind davon überzeugt, endlich eine wirksame Waffe im Kampf gegen die Blutsauger entwickelt zu haben: In aufwendigen Versuchen hatten britische Forscher nämlich schon Mitte der achtziger Jahre herausgefunden, daß die Quälgeister im wahrsten Sinne des Wortes auf Aceton, Kohlendioxid und den Alkohol 1-Okten-3-ol „fliegen“. Mikrosensoren in den Antennen der Tiere und sogar ein Windkanal am Tsetse-Forschungslabor in Bristol kamen zum Einsatz, um den optimalen Lockstoff für verschiedene Tsetsearten zu ermitteln.

Aber warum teure Substanzen verwenden, wenn die Allerweltschemikalie Aceton vermischt mit dem Urin der Kühe aus den Massaidörfern den gleichen Zweck erfüllt? Als Lockstoff bildet das Gemisch den Köder für die von Dransfield und Brightwell entwickelten einfachen Fallen. Angelockt von der Aussicht auf einen blutigen Festschmaus, entdecken die Tsetses dabei aus etwa hundert Metern Entfernung zunächst ein großes blaues Tuch, das fleißig umschwirrt wird. Ein kleineres, schwarzes Tuch wird von den Fliegen als Einladung zum Platznehmen interpretiert.

Aufbau einer Falle für Tsetsefliegen im Bezirk Nguruman (Kenia). Die Insekten werden mit einer Mischung aus Aceton und Kuhurin angelockt, krabbeln dem Licht folgend in eine Plastiktüte, und werden dort von der Tropensonne getötet.

Dann nimmt das Schicksal seinen Lauf: Die arglosen Tiere folgen den von oben in die Falle eintreffenden Lichtstrahlen durch einen engen Durchlaß in eine Plastiktüte hinein und werden dort von der Tropensonne regelrecht gegrillt. Insektizide kommen nicht zum Einsatz, die Fallen selbst werden in den Massaidörfern, den Enkangs, gebastelt und von den Eingeborenen in regelmäßigen Abständen gewartet. Bei einer Dichte von einer Falle pro Quadratkilometer, so fanden die Forscher in Zusammenarbeit mit Feldmanager Joel Larinkoi heraus, reduziert sich die Zahl der Tsetses monatlich um die Hälfte.

Fünf Jahre nach dem Start des Nguruman-Projektes ist der Erfolg der idealistischen Fliegenfänger nicht mehr wegzudiskutieren: Die Zahl der Blutsauger sank auf ein Hundertstel, in manchen Gebieten des 300 Quadratkilometer großen Areals überlebte nur eine von 10000. Seit sechs Monaten blieben die Rinder der Massai von der gefürchteten Seuche verschont.

Was fehlt, ist einzig und allein eine weitere Finanzspritze, um das Projekt gänzlich auf eigene Füße zu stellen. Vom Geldstrom wohlmeinender Entwicklungshelfer weitgehend abgeschlossen, wollen die Massai die benötigten Mittel jetzt aus eigener Kraft erwirtschaften. Geplant ist, Touristen in die abgeschiedene Einöde zu locken, die ein echtes Interesse an der Kultur und Lebensweise der Eingeborenen haben und die sich aus erster Hand über das reiche Tier- und Pflanzenleben der Region unterrichten lassen wollen.

(leicht redigierte Fassung eines am 9. März 1992 in „DIE WELT“ erschienenen Artikels)

Hintergrund / Was wurde daraus? Ermöglicht wurde dieser Bericht durch die  Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), die mich einlud, mehrere Institute meiner Wahl zu besuchen, und die dafür auch die Kosten übernommen hat (siehe dazu auch den Artikel über ICRISAT in Indien). Dank der FAO kam ich auch nach Kenia und lernte dort vieles über die dortigen Projekte. Mein Ausflug an die tansanische Grenze mit den beiden Bob´s war nicht geplant, sondern kam auf private Vermittlung am Rande einer Party zustande. Der Dame, die das eingefädelt hat, bleibe ich zutiefst verbunden, werde ihren Namen aber verschweigen, weil auch nach so langer Zeit Sanktionen nicht auszuschließen sind.

Wenige Jahre nach meinem Artikel erschien in der Fachzeitschrift „Agriculture and Human Values“ eine differenzierte Analyse zum Nguruman-Projekt. Sie zeigt exemplarisch und ohne zu werten, welch wichtige Rolle bei derartigen Projekten die Interessenskonflikte der Beteiligten spielen können.

Heute ist die Schlafkrankheit besser unter Kontrolle als zum Zeitpunkt meines Artikels, und Fallen wie die hier vorgestellten spielen dabei eine wichtige Rolle. Exakte Zahlen habe ich allerdings auch bei der FAO nicht gefunden. Trotz gewaltiger Kampagnen, unter anderem mit Hilfe der Sterile-Insekten-Technik, ist die Ausrottung ein Traum geblieben.

Fingerabdruck im weißen Gold

Was unterscheidet einen Elefantenstoßzahn, der von einem gewilderten Tier stammt, von legal gewonnenem Elfenbein? Äußerlich ist da sicher kein Unterschied festzustellen, und in den nächsten zwei Jahren ist diese Frage ohnehin nicht akut, da jeglicher Handel mit dem „weißen Gold“ verboten ist. Dann aber könnte es enorm wichtig werden, zum Beispiel ostafrikanisches von südafrikanischem Elfenbein zu unterscheiden.

Elefantenbulle im Masai Mara Nationalpark, Kenia 1991

Elefantenbulle im Masai Mara Nationalpark, Kenia 1991

Denn die Mitgliedsländer der Konvention über den internationalen Handel mit bedrohten Arten (Cites) haben sich bei dem im Oktober in Genf geschlossenen Abkommen ein Hintertürchen offen gehalten. 1991 soll, vor allem auf Wunsch des Hauptimportlandes Japan und des Exportlandes Südafrika, neu über das Moratorium verhandelt werden. Ein begrenzter Handel mit Elfenbein wäre dann wieder denkbar.

In den vor Wilderern gut geschützten Nationalparks Südafrikas ebenso wie in Botswana und Simbabwe vermehren sich die Dickhäuter nämlich rapide. An feste Standorte gezwungen, können die Herden nicht mehr ihren traditionellen Wanderwegen folgen und fressen sich selbst die Nahrung weg. Um ökologischen Katastrophen vorzubeugen, halten die Ranger die Zahl der Tiere durch kontrollierten Abschuss einigermaßen konstant.

Genetische Verfahren können die Herkunft von Elfenbein aufdecken

Die dabei gewonnenen Stoßzähne bilden eine wichtige Einnahmequelle für Botswana und Simbabwe. Aber auch Südafrika will auf diese Gelder nicht verzichten. Wissenschaftler verschiedener Fachrichtungen scheinen nun einen Ausweg aus diesem Dilemma gefunden zu haben. So gelang es dem Biologen Nick Georgiadis, Elfenbein zu unterscheiden, das aus den benachbarten Ländern Kenia und Tansania stammte. Georgiadis verglich dazu die „genetischen Fingerabdrücke“ der toten Elefanten.

Bei dieser Methode werden Muster in der Erbsubstanz der Tiere sichtbar gemacht, die den computerlesbaren schwarzweißen Strichcodes auf Lebensmittelpackungen ähnlich sehen. Jedes Tier hat zwar sein eigenes Muster, die Muster verwandter Tiere aber sind sich untereinander ähnlich. Die Forscher haben damit einen Schlüssel in der Hand, mit dem sich die Herkunft einzelner Stoßzähne nachweisen lässt.

Doch damit nicht genug: John C. Patton von der Washington-Universität in St. Louis glaubt, anhand des untersuchten Erbmaterials auch die Stoßzähne weiblicher Tiere von denen ihrer männlichen Artgenossen unterscheiden zu können. Dies wäre für die Tierschützer besonders wertvoll, weil sich damit Rückschlüsse auf die Zusammensetzung der Herden und das Verhalten der Wilderer ziehen lassen.

Einen ganz anderen Weg, um die Herkunft des weißen Goldes zu bestimmen, hat Nikolaas van der Merwe (Harvard·Universität) gefunden. Mit einer physikalisch-chemischen Methode, der Massenspektroskopie, untersucht der Archäologieprofessor die Zusammensetzung verschiedener Elemente, die sich als Folge der Nahrungsaufnahme im Körper der Elefanten ablagern.

So gibt es unterschiedlich schwere Formen (Isotope) des Kohlenstoffs, des Stickstoffs, des Strontiums und vieler anderer Elemente. Aus der Verteilung der Strontiumisotope im Boden kann das geologische Alter des Untergrundes abgelesen werden; die Mischung der verschieden schweren Stickstoffatome ist abhängig von der Menge des Niederschlags in einer Region. Schließlich enthalten Gräser verhältnismäßig mehr „schweren“ Kohlenstoff als Büsche und Bäume, da die Photosynthese auf unterschiedlichen Pfaden verläuft.

Mit der Nahrung übertragen sich die charakteristischen Isotopengemische einer Landschaft auch auf die dort lebenden Elefanten. Jede von 27 bisher untersuchten Regionen hinterließ so ein charakteristisches Muster, wie van der Merwe herausfand. Damit müsste es möglich sein, auch die Herkunft von bereits bearbeiteten Stoßzähnen festzustellen, was mit dem genetischen Fingerabdruck nicht zu leisten wäre.

Für Georgiadis und van der Merwe ist ein überprüfbares Herkunftszertifikat für Elfenbein ein wichtiges Instrument, um das Überleben freilebender Dickhäuter zu gewährleisten. Die Kosten dafür würden sich auf rund 500 Mark pro Stoßzahn belaufen. Doch manche Experten bezweifeln den Sinn einer solchen Maßnahme. Richard Leakey, Direktor von Kenias Tierschutzministerium, setzt auf das totale Handelsverbot: „Seit dem Inkrafttreten des Importstopps in den USA und Europa hat Elfenbein in Kenia keinen Wert mehr.“ Dies und verstärkte Maßnahmen gegen Wilderer hätten dazu geführt, dass innerhalb des letzten halben Jahres keine Elefanten mehr in den kenianischen Nationalparks getötet wurden.

(erschienen in der WELT vom 13. Januar 1990)