Amerikanische Wissenschaftler haben aus einer tropischen marinen Algenart eine Verbindung isoliert, deren biologische Wirkung auf Krebszellen derjenigen von Taxol ähnelt. „Curacin A“, so der Name der Substanz, findet sich in öligen Extrakten der Algenspecies Lyngbya majuscula, die nahe der Insel Curacao vor der Küste Venezuelas gesammelt wurden.
Curacin A sei ein außerordentlich potentes Agens, vergleichbar den besten Vinca-Alkaloiden, die derzeit in der Chemotherapie zum Einsatz kommen, sagte William Gerwick, Professor für Pharmazie an der Oregon State University. „Die Aktivität ist phänomenal; eine Verdünnung von eins zu einer Milliarde genügt, um Zellen abzutöten.“
Den Laborergebnissen, die in einer der kommenden Ausgaben des Journal of Organic Chemistry veröffentlicht werden, sollen noch in diesem Monat erste Versuche mit Mäusen folgen. Dabei soll die Aktivität von Curacin A gegen Brust- und Darmkrebs ermittelt werden. Das Nationale Krebsinstitut der USA (National Cancer Institute) unterstützt die Arbeiten an der bereits zum Patent angemeldeten Substanz mit einer Million Dollar. Neben einer zytostatischen Aktivität ähnlich der von Colchicin besitzt Curacin A auch anti-inflammatorische und immunsuppresive Eigenschaften.
Die Bildung von Curacin A durch die haarförmige Alge hängt offensichtlich von noch nicht näher verstandenen Umwelteinflüßen ab. Denn obwohl Lyngbya majuscula auch vor Hawaii und Okinawa gefunden wird, fehlt den dort isolierten Algen der vielversprechende Inhaltstoff. Und auch vor Curacao wurden die Wissenschaftler nur bei einem Bruchteil der Proben fündig. Gerwick hofft daher, die Algen langfristig entweder in Aquakultur zu züchten oder Curacin A synthetisch herzustellen.
(erschienen in der Ärzte-Zeitung am 2.3.1994 und in einer Publikumsversion in der Süddeutschen Zeitung am 3.3.1994)
Quelle: Pressestelle der Oregon State University