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Gefahr beim Gassi gehen

Gassi gehen kann die Gesundheit fördern. Bei schwächeren alten Damen mit großen Hunden erhöht sich aber das Risiko für Stürze und Knochenbrüche

Hunde, die plötzlich an der Leine zerren, sind besonders für schwächere Seniorinnen ein ernst zunehmendes Frakturrisiko. Eine Hochrechnung aus US-amerikanischen Notaufnahmen kommt zu dem Ergebnis, dass dies zuletzt etwa 4400 Mal pro Jahr passiert ist, und sie zeigt, dass die Häufigkeit solcher Unfälle zunimmt.

Die Vermutung, dass insbesondere ältere Menschen beim Gassi gehen ein erhöhtes Sturzrisiko haben könnten, wenn ihre Hunde plötzlich an der Leine ziehen, hatte ein Medizinstudent: Kevin Pirruccio von der Universität von Pennsylvania. Zusammen mit dem Orthopäden Jaimo Ahn und dem Forschungsassistenten Yeo Myoung Yoon durchsuchte Pirrucio deshalb eine Datenbank, die zum Schutz von Konsumenten eingerichtet wurde, und die in 100 Notaufnahmen der USA Verletzungen nach Produkten und Aktivitäten erfasst.

Die Forscher fanden für den Zeitraum von 2004 bis 2017 exakt 697 Einträge zu Knochenbrüchen, die sich Herrchen und Frauchen beim Spazierengehen mit ihren angeleinten Hunden zugezogen hatten. Hochgerechnet auf die gesamten USA entspräche dies 32624 Knochenbrüchen. Die Opfer waren zu fast 80 Prozent Frauen, und knapp 30 % der Verletzten mussten zur Behandlung in ein Krankenhaus eingewiesen werden.

Mehr als die Hälfte alle Brüche entfielen auf die Arme, 17 Prozent jedoch waren Hüftfrakturen, die bei älteren Menschen als besonders gefährlich gelten. Außerdem stellten die Forscher fest, dass die Zahl der Brüche pro Jahr sich im Studienzeitraum fast verdreifacht hatte.

Allerdings haben Hunde auch einen positiven Effekt auf die Gesundheit, der das Sturzrisiko übertrifft, wenn man die Gesamtheit betrachtet. So ergab eine Studieim Wissenschaftsmagazin Nature, die 2017 veröffentlicht wurde, dass Hundehalter durchschnittlich länger leben als die Allgemeinbevölkerung. Um den positiven Effekt der durch Hunde vermittelten Bewegung nicht zu gefährden, raten Pirrucio und seine Kollegen deshalb den älteren Damen zur Anschaffung kleinerer Hunderassen oder zu einem Gehorsamkeitstraining in der Hundeschule.

Training reduziert Sturzgefahr bei Älteren

Ältere Menschen, die mindestens ein Jahr lang zwei bis drei Mal wöchentlich trainieren, erleiden weniger Stürze und Sturzverletzungen. Dies berichten Dr. Philipe de Souto Barreto von der Universitätsklinik Toulouse und seine Kollegen in der Fachzeitschrift JAMA Internal Medicine.

Die Wissenschaftler haben allerdings keine eigene Untersuchung gemacht, sondern die Ergebnisse anderer Leute in einer sogenannten Meta-Analyse zusammengefasst.

In fünf verschiedenen Literaturdatenbanken suchten sie nach Studien mit Menschen ab 60 Jahren, die mindestens ein Jahr lang trainiert hatten, und bei denen man die Zahl der Stürze, Verletzungen, Brüche, Klinikeinweisungen und die Sterblichkeit mit einer Kontrollgruppe ohne solch ein Training verglichen hatte.

Die Ergebnisse von insgesamt 40 solcher Studien wurden bislang veröffentlicht. Sie hatten zusammen 21868 Teilnehmer (zwei Drittel davon Frauen), die im Durchschnitt 73 Jahre alt waren. Typischerweise waren diese Senioren drei Mal pro Woche für jeweils etwa 50 Minuten ins Training gegangen und hatten dort mit mittlerer Intensität Aerobic, Balance- und Kraftübungen gemacht.

Heraus kam, dass Senioren, die trainierten, ein zwölf Prozent niedrigeres Risiko hatten, zu stürzen. Stürze mit Verletzungen waren sogar um mehr als ein Viertel seltener (26 Prozent), und das Risiko für einen Knochenbruch schien um 16 Prozent kleiner. Hinweise auf schädliche Effekte des Trainings gab es keine. Damit wurde auch die Befürchtung entkräftet, dass der Sport bei den Senioren zu mehr Klinikeinweisungen oder gar Todesfällen führen könnte – etwa weil sie einen Herzinfarkt erleiden.

Besonders überraschend ist das Ergebnis nicht, denn andere Studien hatten zuvor schon gezeigt, dass weniger lange Fitnessprogramme die Sturzrate bei Senioren senken können. Neu ist jedoch die Erkenntnis, dass die längerfristigen Übungen auch für Menschen mit Herzerkrankungen und Nervenkrankheiten sinnvoll sein können.

Die Forscher selbst sprechen von einer „bescheidenen“ Verringerung des Sturzrisikos. Um dies zu erreichen sollten Senioren demnach zwei bis drei Mal pro Woche für jeweils 50 Minuten trainieren. Ein absoluter Schutz ist das allerdings nicht. In einem Kommentar zur Studie rechnen die US-Ärzte Ryan R. Kraemer und C. Seth Landefeld vor, dass für jeweils eine vermiedene Sturzverletzung 27 Senioren mindestens ein Jahr trainieren müssten. Und zur Verhinderung eines Bruches müssten sogar 100 Alte ein Jahr lang Sport treiben. Trotzdem sind Kraemer und Landefeld sich in ihrer Empfehlung an die Kollegen einig: „Ärzte sollten sportliches Training mittlerer Intensität in einer Häufigkeit von zwei bis drei Mal pro Woche verschreiben.“

Quellen: