Nachdem ich die Redakteursstelle bei der WELT aufgegeben hatte, folgten meine ersten Jahre als Freier Journalist für Medizin & Wissenschaft. Häufig habe ich dann ein Thema mehreren Regionalzeitungen gleichzeitig angeboten, was vor dem Internet bei nicht überlappenden Verbreitungsgebieten der Print-Ausgaben problemlos möglich war. Manchmal wurde auch noch eine Fachversion erstellt, beispielsweise für das Deutsche Ärzteblatt oder die Ärzte-Zeitung, oder die Infos wurden als Teil eines größeren Artikels einem Magazin angeboten. Ein Beispiel ist dieser Text, den ich hier in 3 Versionen poste:

(Süddeutsche Zeitung, 26. August 1993, gekürzt in der Stuttgarter Zeitung am 28. August)

Eine neue Strategie gegen die schmerzhaften Gelenkkrankheiten Rheuma und Arthrose wollen Wissenschaftler in Düsseldorf und Pittsburgh gemeinsam erproben. Fast jeder zweite Bundesbürger über 65 leidet unter den Beschwerden, denen mit Medikamenten oftmals nicht beizukommen ist. Bei den gebräuchlichen Arzneien, die in Pillenform aufgenommen oder mit einer Spritze in die Blutbahn injiziert werden, kommt es außerdem häufig zu Nebenwirkungen, die dann ebenfalls mit Medikamenten gelindert werden müßen.

Durch einen Gentransfer in die Zellen der Gelenkinnenhäute gelang es den Molekularbiologen im Tierversuch an Kaninchen, das Problem an der Wurzel zu packen. Dabei wurden zunächst mit einer Arthroskopie Zellen aus dem erkrankten Gelenk entfernt. Anschließend schleußten die Forscher im Labor mit Hilfe von Fettkörperchen (Liposomen) das IRAP-Gen in die Zellen ein. Dadurch erhielten die kranken Zellen die Fähigkeit, ein Eiweiß herzustellen – das Interleukin-Rezeptor-Antagonist-Protein – welches das Hormon Interleukin 1 blockiert und dadurch der Rheumaentstehung entgegenwirkt.

Nachdem die genmanipuierten Zellen wieder in die Gelenke der Tiere zurücktransplantiert wurden, produzierten die Tiere das schützende Eiweiß bis zu sechs Wochen lang. Sowohl die für Rheuma typische Entzündung als auch die anschließende Zerstörung des Knorpels wurden dadurch verhindert. Hauptziel der Wissenschaftler ist es jetzt, die Wirksamkeit der transferierten Gene möglichst lange zu erhalten. Allzu häufige Eingriffe an den späteren Patienten mit den dazugehörigen Injektionen veränderter Zellen in die Gelenke wären nicht nur schmerzhaft und unpraktisch, sie könnten auch selbst zu neuen Entzündungen führen.

Die Drei-Mann-Firma Orthogen will als Träger des Projekts das Prinzip unter Leitung von Peter Wehling zur Anwendungsreife weiterentwickeln. Unterstützt wird Wehling dabei vom Minsterium für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie des Landes Nordrhein-Westfalen, das insgesamt 1,25 Millionen Mark bereitstellt. Wehling, der etwa zwei Millionen Mark Kapital aufgebracht hat, hofft darauf, in „zwei bis drei Jahren“ die ersten menschlichen Patienten behandeln zu können. Das Konzept sieht vor, daß Gelenkhautinnenzellen dann jeweils von Spezialisten vor Ort entnommen und anschließend per Spezialtransport nach Düsseldorf gebracht werden, wo der Gentransfer stattfinden soll. Die genmanipulierten Zellen würden dann – so Wehlings Vision – zurückgeflogen und den Patienten während einer ambulanten Behandlung verabreicht.

(VDI-Nachrichten, 27. August 1993)

Rheuma und Arthrose könnten in zwei bis drei Jahren durch eine Gentherapie behandelt werden, so die Hoffnung von Peter Wehling, Leiter der Düsseldorfer Firma Orthogen. In Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern der Universität Pittsburgh soll in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt ein Verfahren entwickelt werden, bei dem bundesweit kranke Zellen aus den Gelenken der Patienten entnommen und anschließend in einem zentralen Labor korrigiert werden. Nach dem Rücktransport sollen die genmanipulierten Gelenkhautinnenzellen den Rheumakranken dann während einer ambulanten Behandlung wieder verabreicht werden.

Nach Angaben von Wehling leidet in Deutschland fast jeder zweite Rentner an den oft sehr schmerzhaften Gelenkkrankheiten Rheuma und Arthrose. Im Extremfall müßten täglich bis zu acht verschiedene Medikamente eingenommen werden.

Gegenüber den bisherigen Medikamenten hätte das gentechnische Verfahren den Vorteil, daß schützende Wirkstoffe direkt im Gelenkspalt produziert würden, statt den gesamten Organismus zu überschwemmen. Im Gegensatz zu herkömmlichen Arzneien, die in Pillenform oder als Spritze verabreicht werden, seien daher bei dem neuen Verfahren Nebenwirkungen nicht zu erwarten, erklärte der Begründer der Technologie, Professor Chris Evans von der Universität Pittsburgh.

Bisher wurde der Gentransfer in die betroffenen Zellen der Gelenkinnenhäute jedoch lediglich an Kaninchen erprobt. Dazu schlossen die Forscher ein Therapiegen in kugelförmige Fettkörperchen, (Liposomen) ein, die nach Kontakt mit der Zellmembran ihre Fracht in das Zellinnere entlassen. Die Zellen nutzten daraufhin bis zu sechs Wochen lang den molekularen Bauplan zur Herstellung eines Eiweißes, des Interleukin-Rezeptor-Antagonist-Proteins (IRAP). IRAP wiederum blockierte das Hormon Interleukin-1, welches bei der Rheumaentstehung eine entscheidende Rolle spielt.

Die Rechnung der Wissenschaftler ging auf; die für Rheuma und Arthrose typischen Entzündungen und Knorpelzerstörungen im Gelenk konnten bei den Tieren verhindert werden. Obwohl die Wirkungsdauer vor einer Anwendung des Verfahrens am Menschen noch wesentlich verlängert werden müßte, fördert das Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie des Landes Nordrhein-Westfalen das Projekt mit rund 1,25 Millionen Mark. Damit wolle man ein Standortsignal setzen für die Bio- und Gentechnologie und zur besseren Akzeptanz beitragen, erklärte Staatssekretär Hartmut Krebs: „Dies ist auch ein Stück PR zur Ermutigung von Wissenschaftlern in unserem Land.“

(unveröffentlichte Version für Deutsches Ärzteblatt vom 30. August 1993)

Eine Gentherapie gegen Rheuma und Arthrose soll in Zusammenarbeit zwischen der Universität Pittsburgh und der Düsseldorfer Firma Orthogen entwickelt werden. Das Vorhaben wird vom Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie des Landes Nordrhein-Westfalen mit 1,25 Millionen Mark gefördert. „Dies ist auch ein Stück PR zur Ermutigung von Wissenschaftlern in unserem Land“, sagte Staatsekretär Hartmut Krebs vor Journalisten in Düsseldorf.

Der Transfer von Genen mit antiarthritischen Eigenschaften in Gelenkhautinnenzellen wurde bisher allerdings lediglich bei Kaninchen erprobt. Dort gelang es der Arbeitsgruppe von Professor Chris Evans an der University of Pittsburgh School of Medicine durch Blockade des Rezeptors für Interleukin-1, Entzündungen und Zerstörung des Knorpels im Gelenk zu verhindern.

Ursprünglich hatte man versucht, Synovialzellen durch die Injektion von rekombinanten Retroviren direkt im Gelenk zu transduzieren. Dies scheiterte daran, daß Retroviren nur sich teilende Zellen infizieren können, die Gelenkhautinnenzellen aber lediglich eine sehr geringe mitotische Aktivität aufweisen. Dagegen war man beim Gentransfer in vitro erfolgreich: In Liposomen verpackte Kopien des IRAP-Gens wurden in Synovialzellen eingeschleust, die zuvor dem Gelenk entnommen worden waren. Nach Retransplantation produzierten die Zellen bis zu sechs Wochen lang das Interleukin-Rezeptor-Antagonist-Protein (IRAP).

Nebenwirkungen erwartet Evans von der neuen Methode nicht, da die eingeschleusten Gene im Gegensatz zu gebräuchlichen Medikamenten ihre Wirkung nur im Gelenkspalt entfalten würden. Da Evans beim Gentransfer auf den Einsatz von Retroviren verzichtet, schließt er eine Gefährdung der Patienten aus. „Bisher ist noch kein Empfänger fremder Gene als Folge solch einer Behandlung erkrankt.“

Innerhalb von „zwei bis drei Jahren“ soll das Verfahren jetzt zur klinischen Anwendung gebracht werden, sagte Orthogen-Geschäftsführer Peter Wehling. Wichtigstes Ziel der Wissenschaftler ist es dabei, die Dauer der Genexpression erheblich zu steigern. Der Orthopäde stellt sich dabei vor, daß lokal durch Arthoskopie gewonnene Synovialzellen nach Düsseldorf geflogen und dort im Speziallabor mit antiarthritischen Genen versehen werden. Anschließend – so Wehlings Vision – werden die Zellen in einer ambulanten Behandlung den Patienten vor Ort reimplantiert. Auch einen Preis kann der habilitierte Neuroimmunologe schon heute nennen: „Zwischen 10000 und 40000 Mark“ soll ein einzelner Gentransfer kosten.

Heftig kritisiert wurde Wehling unterdessen vom Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie, Professor Joachim R. Kalden:  „Das so darzustellen, ist gefährlich, unkritisch und falsch“, sagte Kalden gegenüber dem Ärtzeblatt.

Eine amerikanische Studie zur Inhibition von IL-1 habe bei weitem nicht den Erfolg gebracht, den man sich hätte vorstellen können, erklärte der Neuroimmunologe. Dagegen habe man mit der Hemmung von TNF- durch monoklonale Antikörper sowohl im Tierversuch als auch am Patienten sehr gute Erfolge erzielt.

„Ich meine, daß man in der Diskussion über die Hierarchie der Zytokine, die für die Perpetuation der Inflammation bei der chronischen Polyarthritis verantwortlich sind, noch ganz am Anfang steht. Es sieht so als, als ob IL-1 ein Kandidat sei, möglicherweise aber nicht der entscheidende. Jetzt schon Pressekonferenzen über eine Gentherapie bei der chronischen Polyarthritis zu entwickeln, halte ich für sehr gewagt.“

Quelle: Pressekonferenz und Telefonat, keine Fachpublikation.

Was wurde daraus? Nach dieser Ankündigung machte Prof. Wehling noch mehrfach Schlagzeilen, unter anderem im Jahr 2009 mit einem „Ersten Hinweis auf klinische Erfolge der Gentherapie„. Etabliert ist das Verfahren allerdings bis heute nicht. Bei der Firma Orthogen, die laut der Webseite Bionity.com inzwischen 25 Mitarbeiter hat, zielt man nun offenbar weniger hoch und bewirbt stattdessen mit Orthokin(R) „ein Medizinprodukt zur Herstellung Autologen Conditionierten Serums, das entzündungshemmende Zytokinantagonisten und Wachstumsfaktoren enthält“. Außerdem arbeitet man an einer „neuartigen Stammzelltechnologie zur Knorpelregeneration aus nicht-embryonalen Stammzellen“, die jedoch keine eigene Erfindung darstellt, sondern „exklusiv von Harvard lizensiert“ wurde.