Das Gen, welches für die häufigste angeborene Stoffwechselkrankheit verantwortlich ist, wurde jetzt von amerikanischen und kanadischen Forschern lokalisiert. Von der Mukoviszidose (oder Zystische Fibrose, ZF) ist in der Bundesrepublik etwa jedes zweitausendste Neugeborene betroffen. Die meisten Patienten sterben noch vor dem Erreichen des 30. Lebensjahres. Die Betroffenen leiden unter einem stark verdickten Schleim, besonders in den Lungen, der sie für Infektionen überaus anfällig macht. Die daraus resultierende Zerstörung des Lungengewebes ist es, die dann meist zum Tode führt.

Die Entdeckung des ZF-Gens kann die Diagnose der Krankheit – auch vor der Geburt – entscheidend verbessern. Dies könnte die Anzahl an Neuerkrankungen deutlich verringern. Etwa jeder zwanzigste ist Träger eines defekten Mukoviszidose-Gens, ohne selbst an der Krankheit zu leiden. Die gemeinsamen Kinder zweier Träger jedoch sind in einem Viertel aller Fälle betroffen. Die Anzahl der ZF-Patienten wird in der Bundesrepublik auf etwa 2500 bis 4000 geschätzt. Dazu kommen pro Jahr etwa 300 bis 600 Neuerkrankungen, wie Dr. Doris Staab von der Universitätskinderklinik in Bonn mitteilte.

Die Arbeiten, die von Tsui Lap-Chee (Toronto Hospital für kranke Kinder) und Francis Collins (Howard Hughes Medical Institute an der Universität Michigan) geleitet wurden, sind der sprichwörtlichen Suche nach der Nadel im Heuhaufen durchaus vergleichbar. Obwohl es sich bei dem gefundenen „molekularen Bauplan“ um ein recht großes Gen handelt, bildet es nur etwa ein zwölftausendstel des gesamten menschlichen Erbgutes. 250000 Bausteine bilden das gesamte ZF-Gen. 24 kürzere Abschnitte müssen zunächst von der zellulären Maschinerie in der richtigen Reihenfolge zusammengesetzt werden, bevor die Eiweißfabriken der Zelle, die Ribosomen, nach dieser Anleitung den korrespondierenden Eiweißstoff herstellen können. Wie sich bei näherer Untersuchung des CF-Gens herausstellte, fehlen bei 70 Prozent der Mukoviszidosepatienten ganze drei der Viertelmillion Bausteine. Die Arbeit der Wissenschaftler wurde zusätzlich dadurch erschwert, dass über das Eiweißprodukt (Protein), welches nach diesem Bauplan angefertigt wird, bis dato nur Spekulationen kursierten.

Seit 30 Jahren versteht man es, die Sprache der Gene in die Sprache der Eiweiße zu übersetzen. Man weiß daher, dass den drei fehlenden Bausteinen im Erbmaterial (der DNA) ein fehlender Baustein im resultierenden Protein entsprechen muss. Darüber hinaus erlauben es die Gesetzmäßigkeiten, die sich bei der Vielzahl derartiger Vergleiche ergeben haben, Aussagen über die Eigenschaften dieses Eiweißstoffes zu machen.

Demnach steckt das ZF-Protein in der Zellhülle und bildet einen Kanal, durch den Chloridionen aus dem Zellinneren heraustransportiert werden. Offensichtlich lässt sich das defekte Protein nicht mehr regulieren, weil eine wichtige Region des Proteins, an der normalerweise Adenosintriphosphat (ATP) gebunden wird, zerstört wird. ATP stellt die Energie für viele zelluläre Funktionen zur Verfügung. Diese Erkenntnisse begründen die Hoffnung, jetzt gezielt Medikamente gegen die grausame Krankheit entwickeln zu können.

Vom Gen zum defekten Protein: So entsteht das CF-Eiweiß (von Kuebi = Armin Kübelbeck [CC BY-SA 3.0] via Wikimedia Commons)

Vom Gen zum defekten Protein: So entsteht das CF-Eiweiß (von Kuebi = Armin Kübelbeck [CC BY-SA 3.0] via Wikimedia Commons)

Die Suche nach dem ZF-Gen war von einem starken Konkurrenzdenken angetrieben worden, häufig kam es zu Streitigkeiten zwischen den Forscherteams, die sich an diesem Wettlauf beteiligt hatten. Abgesehen davon, dass die Sieger in diesem Wettstreit mit einer großzügigen finanziellen Unterstützung weiterer Forschungsvorhaben rechnen können, sind große Profite aus der Vermarktung der gewonnen Erkenntnisse zu erwarten: Es eröffnet sich jetzt die Möglichkeit, Reihenuntersuchungen durchzuführen, mit denen die Träger defekter ZF-Gene identifiziert werden könnten. Die Kosten hierfür würden sich jährlich auf mehrere hundert Millionen Mark belaufen.

(erschienen in der WELT am 11. September 1989)

Wa59-info@2xs ist daraus geworden? Inzwischen kennt man fast 2000 (!) Mutationen, die eine Mukoviszidose verursachen können. Es gibt es die ersten spezifischen Medikamente und die Lebenserwartung der Patienten ist weiter angestiegen. Ein Test für Neugeborene, der in vielen Ländern bereits Standard ist, wird in Deutschland aber nur bei 15 Prozent aller Babies angewandt. Auch deshalb werden mehr als 40 Prozent aller Betroffenen im ersten Lebensjahr noch nicht erkannt.