Der erste klinische Ver­such zum direkten Gentransfer wurde erfolgreich abgeschlossen. Wie Gary Nabel und seine Mitarbeiter vom Medizinischen Zentrum der Universität Michigan in der jüngsten Ausgabe der Fachzeitschrift PNAS berichten, konnte das „therapeutische Potential“ und die Sicherheit der Methode an fünf Patienten bestätigt werden, die unter einem malignen Melanom des Stadiums IV litten.

Im Rahmen der klinischen Phase-I-Studie injizierten die Forscher eine Mischung aus Liposomen und nackter Erbsubstanz jeweils sechs Mal direkt in die Tumoren. Die Konzentration der eingesetzten DNA übertraf dabei diejenige in den vorausgegangenen Tierversuchen um den Faktor sechs. Es handelte sich dabei um Gensequenzen, welche für das Transplantationsantigen HLA-B7 codieren. HLA-B7, das bei den Probanden zuvor nicht nachweisbar war, wurde daraufhin von bis zu zehn Prozent der Tumorzellen in der Nähe der Einstichstelle synthetisiert.

Anschließend habe man starke Hin­weise auf eine verstärkte Reaktivität zytotoxischer T-Zellen gegen das frem­de Antigen gefunden, berichtete Nabel. Eine Immunantwort gegen die Fremd-DNA wurde dagegen nicht beobachtet. „Alle Patienten tolerierten die Behand­lung gut; akute Komplikationen gab es nicht.“

In einem Fall wurde nach kutaner Injektion eine vollständige Regression nicht nur des behandelten Knotens er­zielt, sondern auch entfernter Metasta­sen, darunter ein drei Zentimeter durchmessendes Geschwür der Lunge. Vorausgegangene chirurgische Maßnahmen waren bei diesem Patienten ebenso wirkungslos geblieben wie Strahlen- und Chemotherapie, die Gabe von Interferon sowie eine Immunthe­rapie mit BCG und Interleukin 2.

Auf einem Symposium des Verbundes Klinisch-Biomedizinische Forschung hatte Nabel kürzlich in Heidelberg eingeräumt, daß die direkte Injektion nackter DNA in den Tumor „wenig elegant“ erscheinen möge. „Aber wenn man Gene an einen bestimmten Ort im Körper des Patienten haben will, sollte man sie einfach dort platzieren. Liposomen bilden dabei eine wichtige und möglicherweise sicherere Alternative gegenüber den gebräuchlichen viralen Vektoren.“

(Original-Manuskript für einen Artikel in der Ärzte-Zeitung vom 2. Dezember 1993. Eine Publikumsversion wurde gesendet im Deutschlandfunk am 1. Dezember 1993.)

Quelle: Nabel GJ, Nabel EG, Yang ZY, Fox BA, Plautz GE, Gao X, Huang L, Shu S, Gordon D, Chang AE. Direct gene transfer with DNA-liposome complexes in melanoma: expression, biologic activity, and lack of toxicity in humans. Proc Natl Acad Sci U S A. 1993 Dec 1;90(23):11307-11. doi: 10.1073/pnas.90.23.11307.