Äußerst kritisch beurteilen deutsche Herzchirurgen den Versuch des neuen Nachrichtenmagazins „Focus“, eine Rangliste der 500 besten Ärzte Deutschlands zu erstellen. „Der Schluß, daß ein Chirurg, der 3000 Operationen im Jahr durchführt, besser ist als sein Kollege mit jährlich 700 Operationen, ist nicht gestattet“, sagte Professor Dr. Peter Satter, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie auf deren 22. Jahrestagung in Bonn. Dieser Aussage schloß sich Professor Dr. Rainer Körfer, Direktor am Herzzentrum Nordrhein-Westfalen in Bad Oeynhausen, an. Körfer war von „Focus“ zum zweitbesten Herzchirurgen Deutschlands gekürt worden.

Allenfalls könne man davon ausgehen, daß mindestens 200 Eingriffe nötig seien, um die erforderliche Routine aufrecht zu erhalten. Untersuchungen über die Sterblichkeit nach Bypass-Operationen hatten in den USA eine Streubreite von 1,5 bis 7,5 Prozent sowie eine direkte Beziehung zwischen der Zahl der Eingriffe und der Sterblichkeit ergeben. Unter 150 Operationen pro Jahr stieg die Mortalität signifikant an.

„Solche Mini-Operationen sind in der Bundesrepublik aufgrund der Krankenhausbedarfsplanung nicht möglich, und wir hoffen, daß es so bleibt“, sagte Satter. Trotz der Gründung einer Bundesarbeitsgemeinschaft für Qualitätssicherung in der Herzchirurgie vor über zwei Jahren konnten die Vertreter des Ärztestandes keine eigenen Daten vorlegen. Im vergangenen Jahr hatten sich 31 von 57 erfaßten Kliniken an der Erhebung beteiligt und 13.603 Datensätze übermittelt.

Man sei, so Satter, noch damit beschäftigt, qualitätsbezogene Merkmale zu finden und zu definieren. Für den Vizepräsidenten der DGTHG, Professor Dr. Fritz Hehrlein, steht dennoch fest, daß „die deutsche Herzchirurgie in allen Punkten so gut und einigen Punkten besser ist als die in den USA.“

Die aktuellen Leistungszahlen der deutschen Herzchirurgie präsentierte Professor Dr. Peter Kalmar: „Die gute Nachricht lautet: Die Zahl der Herzoperationen hat im Jahr 1992 erneut zugenommen“, sagte der diesjährige Tagungsleiter. An 57 Zentren fanden 59.159 Eingriffe statt, davon 48.953 mit der Herz-Lungen-Maschine. Im Verhältnis zu 1991 sei dies ein Zuwachs um fast 8000 Herzoperationen insgesamt; Herz-Lungen-Maschinen seien 6000 mal häufiger eingesetzt worden als im Vorjahr. Keine Veränderung habe es dagegen bei der Zahl der Patienten auf der Warteliste gegeben, die nun schon im dritten Jahr bei fast 13.000 liege.

Zwischen Anmeldung und Operation vergingen im Schnitt drei Monate. Knapp die Hälfte der Patienten müsse nicht länger als zwei Monate warten, eine Frist, die laut Kalmar im Wesentlichen durch die Operationsvorbereitungen bedingt ist. Dies sei in den meisten Fällen medizinisch vertretbar.

Der Direktor der THG-Klinik am Hamburger Universitäts-Krankenhaus Eppendorf sieht jedoch ein Problem in dem Ost-West-Gefälle innerhalb Deutschlands. Während in den alten Bundesländern 680 Operationen pro Jahr und eine Million Einwohner durchgeführt wurden, waren es im Osten nur 338. Ursache sei der gravierende Mangel an herzchirurgischen Zentren in den neuen Ländern. Auch in Baden-Württemberg und Bayern fänden relativ wenige Eingriffe statt, hier liege das jedoch am Pflegenotstand.

(erschienen in der Ärzte-Zeitung am 4. März 1993)