Auf der Suche nach dem „Urahnen“ des menschlichen Aids-Virus HIV-I hat eine Münchner Forschergruppe das bislang urtümlichste Immunschwächevirus aufgespürt. Lutz Gürtler, Josef Eberle und Albrecht von Brunn vom Max-von-Pettenkofer-Institut der Universität berichteten über ihren aufsehenerregenden Fund auf der 9. Internationalen Aids-Konferenz, die kürzlich in Berlin stattfand.

Das Virus, dem die Biologen den Namen MVP 5180 gaben, wurde aus den weißen Blutzellen einer aidskranken Frau aus Kamerun isoliert, die im vergangenen Jahr an der Immunschwäche starb. Eine Untersuchung bei 261 Einwohnern des westafrikanischen Landes, die mit HIV-1 infiziert waren, ergab, daß MVP 5180 bei jedem zwölften Patienten nachzuweisen war. In Deutschland blieb die Suche nach dem neuen Virustyp dagegen bislang ebenso erfolglos wie in den afrikanischen Staaten Elfenbeinküste und Malawi.

Bei einer genauen Analyse des Erbguts stellte das Team um Lutz Gürtler fest, daß MVP 5180 sich von allen bisher bekannten menschlichen HIV-1-Typen deutlich unterscheidet. Sogar das aus Schimpansen isolierte Immunschwächevirus SIV scheint näher mit dem „gewöhnlichen“ HIV-1 verwandt zu sein als der Stamm, den die Münchner in Händen haben.

Spekulationen darüber, ob MVP 5180 das langgesuchte Verbindungsglied zu dem zweiten bekannten menschlichen Aidsvirus (HIV-2) darstellt, halten die Münchner allerdings für verfrüht. Glücklicherweise kann MVP 5180 mit den gebräuchlichen Bluttests nachgewiesen werden, die Sicherheit von Transfusionen ist demnach gewährleistet.

(erschienen in der Süddeutschen Zeitung am 24. Juni 1993.)

Originalarbeit: Gürtler LG, Hauser PH, Eberle J, von Brunn A, Knapp S, Zekeng L, Tsague JM, Kaptue L. A new subtype of human immunodeficiency virus type 1 (MVP-5180) from Cameroon. J Virol. 1994 Mar;68(3):1581-5. doi: 10.1128/JVI.68.3.1581-1585.1994.