Sommer 1989: Das Biologie-Diplom hatte ich in der Tasche, doch mein Ziel war es, Wissenschaftsjournalist zu werden. Die WELT war damals die erste Tageszeitung, mit einer täglichen Seite für Wissenschaft, Medizin- und Umweltthemen. Was für ein Glück, in diesem Ressort ein Praktikum zu bekommen! Ich habe viel gelernt bei Dr. Dieter Thierbach, Dr. Ludwig Kürten und Dr. Vera Zylka. Nach vier Wochen wurde das Praktikum verlängert, und verlängert, und verlängert. Bald darauf machte mir der damalige Chefredakteur Manfred Schell ein Angebot, das ich nicht ablehnen konnte. Aber der Reihe nach. Hier erst noch eine Auswahl von Texten aus dem ersten halben Jahr bei der WELT:

 

Patentverbot in der EG für Tiere und Pflanzen?
(WELT vom 14. Juni 1989)

A1989-002 Patentverbot in der EG für Tiere und Pflanzen -TitelIn den USA gibt es sie schon, nun erreicht das Diskussion auch Deutschland: Darf man gentechnisch veränderte Organismen patentieren? Noch besteht hier ein generelles Verbot der Patentierung von Pflanzensorten und Tierrassen. Die anstehende „Vereinheitlichung“ der Gesetze im Rahmen des Europäischen Patentübereinkommens könnte jedoch eine industriefreundliche Anpassung erzwingen, lerne ich auf einer Veranstaltung der Wissenschaftspressekonferenz in Bonn.

 

 

 

 

 

Tübinger Wissenschaftler entwickeln neuen Impfstoff gegen Hepatitis A
(WELT vom 23. Juni 1989)

A1989-004 Impfstoff gegen Hepatitis A - Schon im nächsten Jahr marktreifGut, dass wir in der Hauptzeile ein Fragezeichen gesetzt haben: „Schon im nächsten Jahr marktreif?“ Denn leider wurde es nichts, mit dem Impfstoff aus Tübingen: Statt dessen kam er von der US-amerikanischen Firma Merck und erreichte den Markt erst 1995. Immerhin wurde er mit der gleichen Methode produziert, wie hier beschrieben.

 

Wie eine Prise Salz dem Kropf vorbeugt
(WELT vom 27. Juni 1989)

 

ÜA1989-005 Wie eine Prise Jod dem Kropf vorbeugtberflüssig wie ein Kropf sind Erkrankungen der Schilddrüse, die durch eine mangelnde Versorgung der Bevölkerung mit Jodsalz entstehen. Diese Botschaft von Wissenschaftlern führte 1989 zu einer neuen „Verordnung über jodiertes Speisesalz“, die den Zusatz dieses Stoffes erleichterte. Die Maßnahme war zumindest teilweise erfolgreich, denn die Jodversorgung der deutschen Bevölkerung ist von damals durchschnittlich 70 – 80 Mikrogramm auf etwa 110 – 120 Mikrogramm gestiegen, und liegt nun im mittleren unteren Bereich der von der Weltgesundheitsorganisation geforderten Zufuhr.

 

 

 

Malaria – Mit einem Cocktail gegen die Verwandlungskünstler
(WELT vom 28. Juni 1989)

 

Mit übergroßeA1989-006 Malaria - Mit einem Cocktail gegen die Verwandlungskünstlerm Optimismus gingen Forscher vor bald 50 Jahren daran, einen Impfstoff gegen die Tropenkrankheit Malaria zu entwickeln. Was daran so schwer ist, versuche ich hier mit einem Erklärstück zu beantworten. Übrigens: Im Sommer 2015 empfahl die Europäische Arzneibehörde EMA die Zulassung des ersten Impfstoffes. Er ist für Babys und Kleinkinder gedacht und verleiht (immer noch) keinen vollständigen Schutz. Dennoch wird „Mosquirix“ vermutlich dazu beitragen, die Zahl von jährlich 600000 Malariatoten weiter zu senken.

 

 

 

Alzheimer – Das Bild rundet sich immer mehr ab
(WELT vom 1. Juli 1989)

 

Nach Alzheimer für Webvier Wochen Praktikum mein erster „Aufmacher“ für die Wissenschaftsseite. Freundlich unterstützt von Prof. Konrad Beyreuther, der glücklicherweise mit seiner Arbeitsgruppe während meiner Diplomarbeit auf dem Flur gegenüber forschte. Immer wieder hat mich das Thema Alzheimer seitdem beschäftigt. Faszinierend und frustrierend zugleich ist dabei, wie viel die Wissenschaftler schon über diese Krankheit herausgefunden haben, wie viele kluge Ideen man schon erprobt hat, um das Leiden zu bremsen – und wie wenig dabei nach nunmehr 30 Jahren für die Patienten herausgekommen ist.

 

„Cosmic Space“ und „Ecstacy“ – Bunte Pillen, die töten können
(WELT vom 14. Juli 1989)

A1989-011 Cosmic Space und Ecstasy - Bunte Pillen die töten könnenBericht von einer Pressekonferenz in Frankfurt mit Rauschgiftexperten und dem damaligen Innenminister Wolfgang Schäuble. Den fast 500 Toten im ersten Halbjahr durch die harten Drogen stelle ich die 30000 Opfer des legalen Suchtmittels Alkohol gegenüber.

 

Singapurs Bohrer fühlen deutschen Ärzten auf den Zahn
(WELT vom 15. August 1989)

A1989-014 Singapurs Boher fühlen deutschen Ärzten auf den ZahnEine clevere Idee hatten zwei deutsche Geschäftsleute, nachdem die Krankenkassen die Erstattung für Zahnersatz zusammengestrichen hatten: Wir bringen die Patienten nach Singapur und weil die dort viel billiger, aber genauso gut behandelt werden, sparen die Leute trotz Flug noch genug Geld, um anschließend Urlaub im benachbarten Malaysia zu machen. Und ich Glückspilz durfte mir vor Ort anschauen, wie das funktionieren soll…

 

 

 

weitere Texte aus der Praktikantenzeit:

Schlamperei im Labor bringt Forscher in Verruf
(WELT vom 16. August 1989)

Auf der Anklagebank saß nicht nur der Mordverdächtige Jose Castro, sondern am Ende auch das Verfahren des „DNA-Fingerprinting“, mit dem man Castros Schuld beweisen wollte. Die Methode sollte „eigentlich“ die Identität eines Menschen zweifelsfrei festlegen können, doch hatten die Angestellten der Firma Lifecodes offenbar unsauber gearbeitet…

Viele Tüftler erfinden je nach Saison
(WELT vom 18. August 1989)

Besuch im Forschungsministerium bei Dr. Heinz Riesenhuber. Dort erklären mehrere Experten, wie man Ideen zu Geld macht. Es geht um Patente, die Vertreibung von Weinbergschnecken und natürlich das Perpetuum mobile.

Schnappschüsse per Laserblitz
(WELT vom 19. August 1989)

Eine Reaktion, von der alles Leben auf der Erde abhängt war Gegenstand meines zweiten Aufmachers für die Wissenschaftsseite: Die Photosynthese. Im Vorjahr hatten Hartmut Michel, Johann Deisenhofer und Robert Huber den Nobelpreis für Chemie erhalten, weil sie in dem Purpurbakterium Rhodopseudomonas die räumliche Anordnung einiger 10000 Atome zueinander im photosynthetischen Reaktionszentrum bestimmt hatten. Hier berichte ich nun über die Fortführung dieser Arbeiten aus dem Labor von Professor Werner Mäntele am Institut für Biophysik und Strahlenbiologie.

Forschung betreibt vor allem die deutsche Industrie
(WELT vom 21. August 1989)

Eine sehr aufwändige Recherche musste ich unternehmen, um eine einfache Frage zu beantworten: Wie viel wird in Deutschland jährlich für die Krebsforschung ausgegeben? Meine Hoffnung, im Forschungsministerium eine einfache Antwort auf diese Frage zu bekommen, wurde enttäuscht, sodass ich die Puzzlesteine selbst zusammen tragen müsste. Vielleicht, denke ich mir, ist eine fehlende Statistik auch eine Art, um zu verschleiern, dass in den USA die Pro-Kopf-Ausgaben für die Krebsforschung doppelt und dreifach so hoch sind, wie in Deutschland und Europa?

Signale aus dem Weltraum leisten Hilfe bei der Landvermessung
(WELT vom 25. August 1989)

Einer meiner eher seltenen Ausflüge in die Welt der Technik: Zu einer Zeit, als GPS-Navigation noch ein Fremdwort war, nutzten Ingenieure und Wissenschaftler bereits Signale der Navstar-Satelliten für Positionsbestimmungen bis auf einen Zentimeter genau.

Die Ausrottung bleibt ein Traum
(WELT vom 26. August 1989)

Als zweite Seuche nach den Pocken sollte die Kinderlähmung ausgerottet werden, so der Plan der Weltgesundheitsorganisation aus dem Jahr 1976. Das für 1990 angepeilte Ziel wurde verfehlt – und übriges bis zum heutigen Tag nicht erreicht, weil Kriege und Fanatiker die Impfkampagnen behindert haben.

Singapur – Facelift für Chinatown
(WELT vom 8. September 1989)

„Wenn Du schon ´mal dort bist: Schreib doch gleich noch ´was für unsere Reiseseite!“ Der Aufforderung der netten Kollegin konnte ich mich nicht verwehren und so kam es zu meinem ersten Reisebericht. „Danke“, sage ich nochmal im Rückblick, und zwar nicht nur, weil ich damals als Praktikant nach Zeilen bezahlt wurde…

Mukoviszidose – Die Folge von drei fehlenden Bausteinen
(WELT vom 11. September 1989)

Die Gentechnik macht´s möglich: US-Forscher finden das Gen, dessen Mutationen die Zystische Fibrose verursacht. Gleichzeitig eröffnen sie damit die Chance auf Reihenuntersuchungen, und sie nähren die Hoffnung auf neue Medikamente.

Immuntherapie – Schützenhilfe durch körpereigene Kräfte
(WELT vom 23. September 1989)

Krebserkrankungen sind auch eine Folge des Versagens des menschlichen Immunsystems. Aufgrund dieser Hypothese entwickeln Forscher wie Volker Schirrmacher neue Strategien gegen entartete Zellen. Hier berichte ich erstmals über einen Hoffnungsschimmer bei der „Krebsimpfung“, die heute endlich Einzug in die Praxis hält.

Schweden – Medikamente für alle Welt
(WELT vom 3. Oktober 1989)

Eine Beilage über Schweden war für mich der Anlass, die Pharmaindustrie des Landes vorzustellen. Im Vergleich zu „echten“ Wissenschaftsartikeln“ empfand ich das Zusammenschreiben der wichtigsten Daten damals als ziemlich einfach.

Technologiepark Heidelberg: Aus Forschern werden Unternehmer
(WELT vom 6. Oktober 1989)

Schon wieder ein Artikel über Wirtschaft. Es ging um die Ausgründung von Unternehmen aus Forschungseinrichtungen und die Förderung neuer High-Tech-Firmen in Heidelberg. Ein Heimspiel für mich, da ich als Student an der dortigen Uni mit den extrakurrikulären die Aktivitäten vieler Profs bereits vertraut war…

Harald Varmus und Michael Bishop gewinnen Nobelpreis für Medizin 1989
(WELT vom 10. Oktober 1989)

Nur selten stehen Wissenschaftsjournalisten so unter Zeitdruck, wie am Tag der Nobelpreisvergabe: Das Preiskommittee wartet schon mal mit der Ansage bis in den frühen Nachmittag – Andruck für die erste Auflage war um 17:00. Nur gut, dass ich als gelernter Molekularbiologe mit der Arbeit der beiden Preisträger gut vertraut war  🙂

Umweltschutz mit Bußgeldern und Plastik-Verbot
(WELT vom 12. Oktober 1989)

Recherche vor Ort in Nürnberg: Es geht um Müllvermeidung und Abfallwirtschaft als Alternative zum Wegschmeißen. Ein bisschen gemüffelt hat es zwar, aber dafür war der Termin mit dem Umweltbeauftragten umso lehrreicher.

Wenn Bodendenkmäler Tiefgaragen weichen
(WELT vom 26. Oktober 1989)

Ein kleiner Ausflug in die Archäologie und den Denkmalschutz.

Ein Computer in der bunten Plastikkarte
(WELT vom 16. November 1989)

Ein Chip mit 8-Bit-Rechner, 128 Byte Arbeitsspeicher und 5000 Byte Datenspeicher – das galt in meiner Praktikantenzeit schon als Hi-Tech.

Auch Fax-Geräte werden jetzt mobil
(WELT vom 16. November 1989)

Noch ein Rückblick auf die Anfänge des Informationszeitalters: „Die neuen Geräte können eine ganze DIN-A4-Seite mit Text, Tabellen und Diagrammen in weniger als 30 Sekunden übermitteln“. Und das für nur 3500 Mark 😉

Mit Computeraugen auf Entdeckerreise im Gehirn
(WELT vom 21. November 1989)

Eine Technik, die 1989 noch im Versuchsstadium war, ist heute Standard: Die Darstellung von Organen und Tumoren mittels Computertomografie und ray-tracing.

Verbreitung von Alzheimer
(WELT vom 2. Dezember 1989)

Jeder Zehnte über 65, jeder Zweite über 85 – auch nach fast 30 Jahren hat diese Schätzung noch Bestand.