Schwedens Arzneimittelhersteller haben Weltruf. Die Arzneimittelexporte lagen 1988 bei 1,8 Milliarden Mark, die Zuwachsrate gegenüber 1987 erreichte 23 Prozent. Zusammen mit der Biotechnologie gehören pharmazeutische Präparate damit zu den expansivsten Teilgebieten innerhalb der Chemiebranche. Die Gewinne werden bemerkenswerterweise zum größten Teil außerhalb Schwedens erwirtschaftet. Vor allem die Bundesrepublik bildet hier einen wichtigen Markt und ist gleichzeitig Sitz verschiedener Tochterunternehmen der Schweden.
Eine Belegschaft von fast 7000 Angestellten macht die Astra AB mit ihren Tochtergesellschaften Draco und Hässle zum größten Pharmakonzern Skandinaviens. Die Gesamteinnahmen im abgelaufenen Geschäftsjahr betrugen über zwei Milliarden Mark. Dabei setzt die Astra offensichtlich stark auf Forschung und Entwicklung neuer Produkte. Jeder vierte Mitarbeiter ist auf diesem Sektor tätig, die Kosten hierfür beliefen sich 1988 auf rund 400 Millionen Mark.
Medikamente zur Behandlung von Herz- und Kreislaufkrankheiten (Seloken®) und gegen Atemwegserkrankungen sowie Lokalbetäubungsmittel (Xylocain®, Scandicain®) machen den größten Teil der Einkünfte des Konzerns aus, die zu 82 Prozent von außerhalb Schwedens stammen. Hauptabnehmer ist die Bundesrepublik Deutschland, gefolgt von Schweden, Japan und den USA.
Die in Uppsala beheimatete Pharmacia steht, was Umsatz und Zahl der Mitarbeiter angeht, nach der Astra an zweiter Stelle. 5700 Angestellte erwirtschafteten im vergangenen Jahr einen Umsatz von 1,2 Milliarden Mark; der Forschungsetat betrug über 300 Millionen. Hauptanteilseigner ist der Volvo-Konzern, der 29 Prozent der Aktien hält und zu 46 Prozent stimmberechtigt ist.
Nach dem Erwerb der Firmen Leo, Ferrosan und LKD im Jahr 1986 hat das Unternehmen jetzt eine Produktpalette, die von Therapeutika über ophthalmologische und diagnostische Erzeugnisse bis zur Biotechnologie reicht. In diesen Sektor fallen auch die Aufreinigung von Eiweißstoffen und Zellkultursysteme.
Eine Tochtergesellschaft der Staatsholding Procordia ist die Kabi Vitrum AB. Die Kabi gehört zu den führenden Unternehmen bei der Infusionstherapie und der klinischen Ernährung. Medikamente. die injiziert werden, bilden ebenfalls einen wichtigen Sektor der Firma. Mit rund 3600 Angestellten wurde 1988 ein Verkaufserlös von umgerechnet über einer Milliarde Mark erzielt. Rund 150 Millionen flossen in die Erforschung und Entwicklung neuer Produkte.
Kabi vertreibt mehrere Substanzen zur Auflösung von Blutgerinnseln und zur Hemmung der Blutgerinnung. Hierher gehört der aus Bakterien gewonnene Eiweißstoff Streptokinase ebenso wie der komplexe Zucker Heparin. Bahnbrechend war die weltweit erstmalige Produktion eines menschlichen Wachstumshormons mit Hilfe der Gentechnik. Zuvor musste das Hormon aus den Hirnanhangdrüsen Verstorbener Spender gewonnen werden, wobei es in seltenen Fällen zu tödlich verlaufenen Viruserkrankungen kam. Durch die Fusion mit der 700 Mann starken Pharmazeutikfirma Pfrimmer in Erlangen avancierte der schwedische Pharmariese auch in der Bundesrepublik in den Kreis der wichtigsten Unternehmen auf dem Krankenhaussektor.
(erschienen in der WELT am 3. Oktober 1989)