Wissenschaftler der amerikanischen Chiron Corporation haben einen Impfstoff gegen das Hepatitis C Virus entwickelt, der an Schimpansen erfolgreich erprobt wurde. Den Tieren waren mutmaßliche Hüllproteine des Erregers mindestens drei Mal intramuskulär verabreicht worden. Der Impfstoff wurde mit Hilfe eines rekombinanten Vaccinia-Virus in menschlichen Zellkulturen gewonnen.
Fünf von sieben geimpften Schimpansen zeigten auch 33 Wochen nach der Injektion mit HCV weder eine Infektion, noch waren Leberschäden nachweisbar. Bei zwei weiteren Tieren – sie hatten nur geringe Mengen von Antikörpern gegen die Impfeiweiße gebildet – schlug die Infektion zwar an, nahm aber nur einen abgeschwächten Verlauf. Vier ungeschützte Kontrolltiere entwickelten dagegen eine akute Hepatitis mit einem chronischen Infektionsverlauf, berichtet die Arbeitsgruppe um Dr. Michael Houghton in den Proceedings of the National Academy of Sciences (Band 91, S.1294). Dieses Ergebnis sei „eine starke Ermutigung und Anlaß für Optimismus, eine effektive Kontrolle von HCV-Infektionen erreichen zu können“, schreiben die Wissenschaftler.
Die weltweite Prävalenz des Virus wird auf 0,4 bis 2 Prozent geschätzt. Die meist persistenten Infektionen führen in etwa der Hälfte aller Fälle zu einer chronischen Hepatitis und bei jedem Zehnten zur Leberzirrhose. Ein beträchtlicher Anteil dieser Patienten entwickelt wiederum ein primäres hepatozelluläres Karzinom. Durch die Entwicklung verschiedener Teste gegen zirkulierende HCV-Antikörper konnte das Infektionsrisiko durch Blut- und Blutprodukte zwar deutlich reduziert werden – eine Leistung für die Houghton und der am Center for Disease Control in Atlanta tätige Daniel Bradley mit dem Robert-Koch-Preis 1993 ausgezeichnet wurden.
Wesentlich häufiger als auf dem Blutweg wird HCV jedoch durch Kontakte im sozialen Umfeld übertragen, wie Studien mit Sexualpartnern und Haushaltsmitgliedern von Patienten, aber auch mit medizinischem Personal ergeben haben. Epidemiologische Untersuchungen in den USA haben außerdem gezeigt, daß sich für 40 Prozent aller Infizierten keinerlei Risikofaktoren ausmachen ließen. „Die Entwicklung eines Impfstoffes gegen HCV ist zur Verhinderung von Ansteckungen daher äußerst wünschenswert“, so Houghton.
Nachdem es der gleichen Arbeitsgruppe vor fünf Jahren gelungen war, das Erbmaterial des Erregers zu charakterisieren, wurde kürzlich ein Teil davon auf einen Vaccinia-Virus übertragen. Da HCV bisher elektronenmikroskopisch nicht dargestellt werden konnte, ist die Funktion der auf dem Genabschnitt kodierten Eiweiße (C, E1 und E2) nicht eindeutig geklärt. Die Forscher gehen jedoch davon aus, daß es sich bei C um einen Bestandteil des Viruskapsids handelt, während E1 und E2 wichtige Komponenten der Hülle des Erregers darstellen. Für die Versuche wurden die Glykoproteine E1 und E2 in einer Dosierung von jeweils 3 bis 40 µg pro Impfung benutzt. E1 und E2 entstammen menschlichen Zellkulturen (HeLa), die mit dem rekombinanten Vacciniavirus infiziert wurden und daraufhin die viralen Eiweiße in größeren Mengen produzierten. Zuvor hatte man diese Proteine in Hefe- und Insektenzellen erzeugt, ohne jedoch in Impfversuchen einen Schutz zu erreichen.
Trotz der ermutigenden Resultate verweist Houghton darauf, daß die Versuchstiere nur wenige Wochen nach der letzten Impfung mit HCV infiziert wurden. Außerdem sind gegenwärtig sechs verschiedene Genotypen des Erregers bekannt, die sich in der Zusammensetzung der mutmaßlichen Hüllproteine um bis zu 50 Prozent unterscheiden. Dies bedeutet, daß für einen allgemeinen Impfschutz eine multivalente Vakzine nötig sein könnte.
(erschienen in der Ärzte-Zeitung am 1.3.1994)
Quelle: Choo QL, Kuo G, Ralston R, et al. Vaccination of chimpanzees against infection by the hepatitis C virus. Proc Natl Acad Sci U S A. 1994;91(4):1294-1298 (freie Version) doi:10.1073/pnas.91.4.1294