Während in Deutschland noch heftig darüber gestritten wird, ob gentechnisch veränderte Nutzpflanzen unter freiem Himmel angebaut werden dürfen, erfreuen sich die Produkte der grünen Gentechnik weltweit zunehmender Akzeptanz. Mehr als 800 Genehmigungen wurden seit 1985 allein in den OECD-Staaten für Freilandversuche erteilt. Auch viele Schwellenländer setzen die Gentechnik mittlerweile in der Pflanzenzucht ein; nicht zuletzt erhoffen sie sich davon einen Beitrag zur Ernährung ihrer wachsenden Bevölkerung.

Die Liste der freigesetzten Gewächse reicht heute schon von Alfalfa und Apfelbäumen über Kohl und Kartoffeln, Papayas und Petunien bis zur Zuckerrübe. Mindestens 26 Arten von Kulturpflanzen wurden bisher gentechnisch verändert. Die Ziele der Züchter und Chemiekonzerne, die sich an dieser Art von Forschung beteiligen, sind dabei ebenso vielfältig wie die Probleme der weltweiten Landwirtschaft.

Spitzenreiter der Entwicklung sind die Vereinigten Staaten und Kanada, wo jeweils über 300 Freilandversuche genehmigt wurden. Schlagzeilen machte in jüngster Zeit die Firma Calgene, die unter dem Namen „Flavr savr“ eine Tomate mit verlängerter Haltbarkeit entwickelte. Der „Geschmacksretter“ der kalifornischen Molekularbiologen stieß jedoch beim Verbraucher auf wenig Gegenliebe; die Markteinführung wurde zunächst verschoben.

Erfolgreicher war die Firma Monsanto aus dem Bundesstaat Missouri mit ihren Versuchen, Baumwollpflanzen vor verschiedenen Schmetterlingsraupen zu schützen. Per Gentransfer übertrugen die Wissenschaftler die Fähigkeit, ein insektentötendes Eiweiß herzustellen, vom Bacillus thuringiensis auf die Baumwolle.

Der „Genuß“ der Blätter wird für die gefräßigen Raupen des Eulenfalters so zur Henkersmahlzeit. Nach dem gleichen Prinzip wehren transgene Kartoffeln ihren ganz speziellen Freßfeind ab, den Kartoffelkäfer. Für andere Insekten ist das Bacillus-Toxin ebenso ungefährlich wie für den Menschen. Der Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmitteln ließe sich mit dieser Methode deutlich reduzieren und gilt deshalb in Forscherkreisen als umweltfreundliche Alternative.

Umstritten ist dagegen der Nutzen Herbizid-resistenter Pflanzen. Neben Baumwolle ist man hier auch bei Tomaten, Sojabohnen, Raps und Mais schon weit fortgeschritten. Durch die Übertragung von Erbanlagen, die aus natürlich vorkommenden Bakterien stammen, trotzen diese Pflanzen verschiedenen Breitbandherbiziden, die sämtlichen Wild- und Unkräutern den Garaus machen.

Bei Monsanto und Calgene, aber auch bei Hoechst, Du Pont und der belgischen Firma Plant Genetic Systems wird argumentiert, der Gesamtverbrauch an so nannten Pflanzenschutzmitteln würde beim Einsatz Herbizid-resistenter Pflanzen zurückgehen. Unter dem Strich, so heißt es, würden mehrere Herbizide mit jeweils begrenztem Wirkungsspektrum durch ein einziges Breitbandherbizid ersetzt. Zudem seien Substanzen wie „Roundup“ (Monsanto) und „Basta“ (Hoechst) umweltverträglicher als heutige Herbizide, weil sie im Boden schnell zu ungefährlichen Verbindungen zerfallen.

Dem widersprechen praktisch sämtliche Umweltverbände, von Greenpeace über das Freiburger Öko-Institut bis zum Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland. Sie erwarten einen deutlichen Mehrverbrauch an Unkrautvernichtungsmitteln und halten die neue Technik für eine bloße Rationalisierungsmaßnahme. Zur Hungerbekämpfung in der Dritten Welt könne der Einsatz Herbizid-resistenter Pflanzen ebenfalls keinen nennenswerten Beitrag leisten.

Auch wenn einzelne Anwendungen weiter umstritten sind, kann die Sicherheitsbilanz der grünen Gentechnik sich durchaus sehen Jassen. Über Zwischenfälle, bei denen Mensch oder Umwelt zu Schaden kamen, ist bisher nichts bekannt. Befürchtungen, wonach transgene Pflanzen sich unkontrolliert ausbreiten oder die Existenz einheimischer Wildpflanzen gefährden könnten, haben sich ebenfalls nicht bewahrheitet.

„Die Wissenschaft ist sich einig darüber, daß die Risiken der Gentechnik denen herkömmlicher Zuchtmethoden vergleichbar sind“, bilanzierten deshalb die Veranstalter des 2. Internationalen Symposiums zur Sicherheit genmodifizierter Organismen, das letztes Jahr in Gosslar stattfand. In den USA wird sogar geprüft, ob die Genehmigungsverfahren für Freilandexperimente teilweise durch eine schriftliche Anmeldung ersetzt werden können.

Innerhalb Europas erstreckt sich das Spektrum transgener Pflanzen von Raps und Kartoffeln, die als Quelle hochwertiger nachwachsender Rohstoffe dienen sollen, bis zu gelben, violetten und cremefarbenen Chrysanthemen der Varietät „Moneymaker“. In der Statistik führt Frankreich mit bisher 77 genehmigten Freisetzungen, gefolgt von Belgien (62), Großbritannien (45) und den Niederlanden (22).

Die flächenmäßig größten Freisetzungen genmanipulierter Organismen aber fanden bisher in der Volksrepublik China statt, wie Professor Zhang-Liang Chen, Pflanzengenetiker an der Universität Peking, seinen staunenden Kollegen in Gosslar berichtete.

Im Reich der Mitte hielt man sich dabei nicht lange mit Überlegungen zum Risikopotential der neuen Technik auf. Genehmigungsverfahren oder einschlägige Gesetze gibt es bisher nicht. Die ohnehin schon positive Haltung der chinesischen Behörden gegenüber der Gentechnik wurde noch verstärkt, seit beim Aufbau von Reis und Sojabohnen Ertragssteigerungen zwischen 5 % und 10 % erzielt wurden.

Erreicht wurde dies auf Versuchsflächen von über einer Million Hektar durch genmanipulierte Bakterien der Gattung Rhizobium. Die Mikroben, die auch als „Knöllchenbildner“ bekannt sind, können Luftstickstoff zu Ammonium reduzieren. Sie liefern der Pflanze dadurch einen lebenswichtigen Nährstoff und ersetzen teuren Kunstdünger.

Allerdings funktionierte die Symbiose zwischen natürlich vorkommenden Bakterien und Pflanzen bisher fast ausschließlich bei Gewächsen aus der Familie der Leguminosen wie Luzerne, Klee, Bohnen und Erbsen.

Englische und australische Arbeitsgruppen mühten sich bisher vergebens, die Rhizobien auch zur „Zusammenarbeit“ mit Reis, Raps und Weizen zu bewegen. Sollten die Chinesen tatsächlich beim Reis erfolgreich gewesen sein, käme dies einer wissenschaftlichen Sensation gleich. Langfristig könnten dann eine Milliarde Menschen, die weltweit ihre Reisfelder bewirtschaften, von der grünen Gentechnik profitieren.

(erschienen in den „VDI-Nachrichten am 2. April 1993)