Der erste Schritt ist getan: Deutsche Wissenschaftler haben eine Nervenzelle und einen Transistor miteinander verbunden. Die Nervenzelle als biologische Einheit erzeugt einen äußerst schwachen Stromimpuls, der an das elektronische Bauteil weitergeleitet und dort tausendfach verstärkt wird. Während die Ulmer Forscher ausgehend von der „biologisch-technischen Synapse“ langfristig an die Entwicklung neuer Sensoren denken, ist die Fantasie mancher Zeitgenossen den technischen Möglichkeiten bereits weit vorausgeeilt.

Sie träumen davon, die Fähigkeiten von Mensch und Maschine zu vereinen und so die biologisch gesetzten Grenzen des eigenen Daseins zu überwinden. Zeuge dieser Träume ist eine Fülle von mehr oder weniger gut gemachten Büchern und Kinofilmen, vom Science-Fiction-Klassiker „2001 – Odyssee im Weltraum“ mit dem eigensinnigen Bordcomputer HAL 9000 bis hin zum Kampf zwischen guten und bösen Androiden in der Hollywood-Produktion Terminator II.

Noch aus der Zeit des kalten Krieges stammt der Vorschlag, Raketen mit Taubenhirnen auszustatten. Wenn es irgendwie gelänge, die Zellen eines Tieres „umzuprogrammieren“, könnte man eine intelligente Waffe schaffen, die dann fähig sein sollte, ihr Ziel selbstständig aufzuspüren. Natürlich, so argumentierte man, wären solche Geschosse auch in der Lage, Freund von Feind zu unterscheiden und lohnende Ziele ausfindig zu machen.

Ob derartige Ausgeburten der Ingenieurskunst jemals Realität werden, steht in den Sternen. Cruise-Missiles jedenfalls weichen heutzutage auch ohne Taubenhirn nur wenige Meter von ihrem Ziel ab, und die ehemals aufsehenerregende Idee wurde zu den Akten gelegt. Dennoch ist die Leistungsbilanz moderner Computer im Vergleich zum Tierreich eher ernüchternd. Die Rechenkraft eines Schneckenhirns beispielsweise wird heute gerade von den neuesten Bürocomputern bewältigt. Die schnellsten Supercomputer können es immerhin schon mit einem Mäusegehirn aufnehmen, sind allerdings selten unter zehn Millionen Mark zu haben.

Doch obwohl diese Wunderwerke (die Supercomputer) schon gut 100 Milliarden Informationseinheiten (Bit) pro Sekunde verarbeiten können, bleibt es doch in aller Regel bei der stumpfsinnigen Rechenarbeit. Noch immer sind alle „gewöhnlichen“ Computer bewegungsunfähig. Nur wenige Roboter können heute bereits zwei Treppenstufen überwinden, ohne auf die Nase zu fallen.

Diese Prototypen wie der 220 Kilogramm schwere „Asshy“ im Shibaura Institut für Technologie, Tokyo, sind hingegen zu sehr damit beschäftigt, die Balance zu halten, als daß man sie auch noch mit Rechenaufgaben belästigen könnte. Mit seiner stattlichen Größe von 210 Zentimetern vermag Asshy zwar durchaus zu beeindrucken, Gehversuche sind aber auch nach über zwanzig Jahren Forschung noch mit einem großen Risiko behaftet, wie Asshys geistiger Vater, Akira Sato bereitwillig einräumt.

Eine Ausnahme bilden lediglich die insektenähnlichen Roboter, die am Massachusetts Institute of Technology von Rodney Brooks entwickelt werden. Das bisher erfolgreichste Modell, der sechsbeinige „Genghis“ hat etwa die Größe eines Schuhkartons und schafft es immerhin seine Bewegungen zu koordinieren. Was fehlt ist allerdings nach immer ein Roboter – ob in Menschengestalt oder nicht – der die Fähigkeit zur freien Bewegung kombiniert mit einer akzeptablen Rechenleistung.

Doch wäre es nicht wunderbar, wenn man einer Maschine auch Entscheidungen zumuten könnte, die ein gewisses Urteilsvermögen voraussetzen? Wenn diese Maschinen in der Lage wären, Probleme selbsttätig zu erkennen und zu lösen? Wäre dies nicht ein weiterer Schritt hin zu ein Gesellschaft, in der die Menschen nur noch das tun, was ihnen zusagt?

In diese Richtung bewegen sich die Vorstellungen von Hans Moravec, Direktor des Labors für mobile Roboter an der amerikanischen Carnegie Mellon Universität. Er eröffnet sein unter Wissenschaftlern heiß diskutiertes, Buch „Mind Children“ mit den Worten: „Ich glaube, daß Roboter mit menschlicher Intelligenz in fünfzig Jahren weit verbreitet sei werden.“

Über die Frage, ob derartige Maschinen jemals ein „Bewußtsein“ entwickeln können, gehen die Ansichten ebenfalls stark auseinander. Moravec ist der Meinung, daß alles was dafür gebraucht wird, ein Modell der Außenwelt sei, das komplex genug ist um die Konsequenzen verschiedener Entscheidungen durchzuspielen. Er glaubt, dass der Zeitpunkt schon abzusehen ist, an dem jede wichtige körperliche oder geistige Funktion des Menschen ein künstliches Pendant haben wird. „In spätestens fünfzig Jahren haben wir den intelligenten Roboter, eine Maschine die denken und handeln wird wie ein Mensch.“

(erschienen in „DIE WELT“ am 13. November 1991)