Über ein Drittel aller vom Arzt verschriebenen Medikamente werden nicht eingenommen. Von den ausbleibenden Heilerfolgen einer ärztlichen Behandlung ganz abgesehen, beläuft sich allein der wirtschaftliche Schaden in den alten Bundesländern nach einer Schätzung auf fünf bis sieben Milliarden Mark.

Einige Leitlinien für das ärztliche Verhalten, mit denen dieses Problem der „Non-compliance“ abgemildert werden kann, präsentierte Privatdozent Dr. Uwe Gieler, Oberarzt des Zentrums für Haut- und Geschlechtskrankheiten der Philipps-Universität in Marburg, jetzt auf einem vielbeachteten Vortrag anläßlich der Tagung „Fortschritte der Allergologie, Immunologie und Dermatologie“ in Davos.

Prinzipiell gehe es darum, so Gieler, sich mit dem Patienten gegen die Krankheit zusammenzuschließen, der Arzt dürfe nicht gegen die Krankheit operieren, ohne den Patienten zu berücksichtigen. So zeigte eine Studie bei jugendlichen Patienten, daß in der Behandlung der Alopecia areata die Compliance umso besser ist, je mehr der Patient davon überzeugt ist, daß er selbst den Verlauf der Krankheit beeinflussen kann. „Wenn er das als Zufall oder Schicksal ansieht, dann sind die therapeutischen Möglichkeiten natürlich schlecht. Man muß in diesem Fall erst an dem Krankheitskonzept arbeiten, bevor man zu einer gezielten topischen oder gar systemischen Therapie kommen kann.“

In mehreren Studien wurde eine direkte Korrelation zwischen der Compliance und dem Bildungsgrad des Patienten festgestellt. Bei Dermatosen fand man auch einen Zusammenhang mit der Intensität und der Ausbildung der Dermatose. Der Vorstellung, daß der behandelnde Arzt schon abschätzen könne, inwieweit sich der Patient an die Anweisungen hält, widersprach Gieler.

Auf Seiten des Arztes oder Apothekers gibt es nach Gielers Ansicht eine ganze Reihe von Maßnahmen, um die Compliance zu verbessern. Dem Verhalten des Arztes kommt in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung zu. Kann er sich optimal auf den Patienten einstellen, wirkt sympathisch und motiviert, so wird sich dies in der Regel auch auf die Einstellung des Kranken niederschlagen. „Faktoren, die mit dem Verhalten des Patienten zu tun haben, müßen wir ebenfalls kennen. Natürlich gibt es Patienten, die hypochondrisch veranlagt sind, und deshalb nur schwer für die Therapie zu gewinnen. Es gibt solche, die große Ängste haben etwa vor einer Cortisonanwendung, oder diejenigen, die eine sehr passive Einstellung gegenüber der eigenen Gesundheit haben.“

Besonders wichtig, und auch vom Arzt zu beeinflussen sind diejenigen Faktoren, die mit der Art und dem Inhalt der ärztlichen Instruktionen zu tun haben. Kurioserweise glauben einige Ärzte manchmal selbst nicht, daß ihre Instruktionen auch befolgt werden. „Wir müßen natürlich auch selbst daran glauben, daß die verordneten Therapien anschlagen und nur die Behandlungsschemata anwenden, von denen wir auch wirklich überzeugt sind. Auf der anderen Seite dürfen die Erwartungen auch nicht zu hoch werden, wir müßen die Erfolgschancen realistisch einschätzen.“

Die Instruktionen selbst seien häufig unverständlich. „Fachausdrücke wie ‚prognostische Faktoren‘ oder ‚ubiquitäre Allergene‘ können die meisten Patienten einfach nicht verstehen obwohl sie in den ’normalen‘ Sprachgebrauch des Arztes Eingang gefunden haben.“ Zu häufig läßt man sich nach Gielers Meinung auch dazu verführen, ein Zuviel an Informationen zu geben und den Patienten damit zu überladen. „Besser wenig kleine Informationen gezielt, als alles auf einmal“ rät der Dermatologe. Falsch sei es auch, unpräzise Informationen zu liefern, etwa dem Patienten zu raten, er solle ein Präparat solange einnehmen, wie er es selbst für nötig halte. Vermieden werden sollte der erhobene Zeigefinger („wenn Sie kein Cortison nehmen, brauchen Sie gar nicht wiederzukommen“) ebenso wie eine Verletzung des Selbstwertgefühls („andere Patienten haben es auch geschafft“).

Auch die Fähigkeit des Arztes, dem Patienten zuzuhören sei manchmal unterentwickelt, kritisierte Gieler. „Es ist nicht hilfreich, den Patienten mit schriftlichen Informationen vollzustopfen. Die schriftliche Information sollte ein Hilfsmittel sein, die nach der Sprechstunde nochmals konsultiert werden kann.“

Zusammenfassend betonte Gieler, daß eine Vielzahl von Studien erwiesen hätten, daß in punkto Compliance noch sehr viel Raum für Verbesserung sei. „Grundregeln sind: Einfache, klare Anweisungen, sympathisches Verhalten, der Versuch auf den Patienten einzugehen und das Umfeld der Erkrankung zu verstehen. Man sollte im Gespräch ein klares Ziel definieren und bei flankierenden Maßnahmen gegebenenfalls auch Bezugspersonen einzuschalten. Wenn diese Punkte ausreichend berücksichtigt werden, kann die Compliance des Patienten sicherlich deutlich verbessert werden.“

(offenbar unveröffentlichter Artikel von der Tagung „Fortschritte der Allergologie, Immunologie und Dermatologie“ in Davos, September 1991. Besucht für die Pharmazeutische Zeitung.)