Zum Hauptinhalt springen

Fundstücke: Das war der April 2011

Alle zu viele Fundstücke gab es im April nicht zu vermelden, und ohnehin erregt mich diesmal ein ganz anderes Thema: Zum 25. Jahrestag des Reaktorunfalls von Tschernobyl und vor dem Hintergrund der Unglücks in Fukushima kursieren jede Menge Zahlen über die Folgen. So kann sich jeder heraussuchen, was zur eigenen Meinung passt. Die dpa nennt zum Beispiel in einem ziemlich widersprüchlichen Artikel zwischen 10000 und 100000 Tote als Folge des GAU in Tschernobyl.  Wenige Tage zuvor haben jedoch Experten in der Medizinischen Fachzeitschrift New England Journal of Medicine eine ganz andere Rechnung aufgemacht. Mir sträuben sich jedenfalls die Haare, wenn die menschenverachtenden und hilflosen Rettungsversuche in der ehemaligen Sowjetunion gleichgesetzt werden mit dem Verhalten der japanischen Regierung.

Eine allzu einfache Antwort die schwierige Frage, woher die Energie denn kommen soll (aus meinem Fotoalbum 1977)

Als einer, der bereits in den 1970er Jahren gegen die Atomkraft demonstriert hat erlaube ich mir den Hinweis, dass 1. keiner die Anzahl der Todesopfer als Folge der globalen Erwärmung (sprich: Auto fahren, in Urlaub fliegen, am Kamin sitzen und anderer täglicher Aktivitäten) auch nur abschätzen kann und dass 2. alle ca. 28000 Toten in Japan Folgen des Erdbebens und des Tsunamis waren und dass 3. dort (bislang) noch kein einziger Mensch wegen der erhöhten Radioaktivität gestorben ist und lediglich zwei Arbeiter bei Reparaturversuchen nachweislich erkrankt sind.

Was ich damit sagen will? Mich nerven all die Klugsch……, die glauben, sie hätten eine risikolose Patentlösung, um unsere Energieversorgung sicher zu stellen. Kohle, Öl und auch Gas verschmutzen die Umwelt und treiben die globale Erwärmung an. Wasserkraft bedeutet Staudämme. Und von denen sind schon so viele gebrochen, dass die Zahl der Toten die Opfer der Kernkraft bei weitem übertrifft. Trotzdem ruft bei uns keiner nach einer Ethikkommission zur Wasserkraft. Dass Sonnenlicht und Wind kostenlos sind stimmt natürlich – nur richten die sich nicht nach unserem Strombedarf. Und die Behauptung Solarstrom und Windstrom seien kostenlos, risikolos und ohne Nachteile scheint mir ebenso dumm wie der Diskussionsbeitrag: „Der Strom kommt aus der Steckdose .“

Genug davon. Schließlich wollte ich doch noch ein paar weitere Dinge erwähnen, die zumindest aus wissenschaftlicher Sicht im April bemerkenswert waren:

  • Zeig mir Deine Darmbakterien und ich sage Dir, wer Du bist? Ziemlich überraschend kommt die Entdeckung, dass alle Menschen sich anhand ihrer Darmflora in nur drei Gruppen einteilen lassen. Diese drei so genannten Enterotypen werden jeweils von unterschiedlichen Bakteriengruppen geprägt: Bacteroides, Prevotella oder Ruminococcus. Offenbar wirken sich diese Typen sowohl auf die Vitaminversorgung aus, als auch auf das Körpergewicht. Hier geht es direkt zur Studie, auf deutsch gibt es auch eine Pressemitteilung des Europäischen Laboratoriums für Molekularbiologie (EMBL) in Heidelberg.
  • Schwedische Studie zum Herzinfarkt: Neue Richtlinien befolgt – 30-Tage-Sterblichkeit halbiert.
  • Tai Chi bessert Lebensqualität, aber nicht Überlebenschancen bei anhaltender Herzschwäche (engl. Pressemitteilung). Und Yoga verringerte in einer Studie die Häufigkeit von Herzrhytmusstörungen – genauer von vorübergehendem Vorhofflimmern (Pressemitteilung dazu).
  • Und nochmal Herzinfarkt: Die Infusion von Stammzellen aus dem Knochenmark von Patienten in das Infarktgefäß, nachdem diese einen Stent zur Aufdehnung der Koronararterien erhalten hatten, brachte keinen zusätzlichen Nutzen, berichten Fachleute auf der 77. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie in Mannheim (knappe Pressemitteilung).

Tai Chi dämpft Schmerzen bei Kniegelenks-Arthrose

Ältere Patienten, die unter einem vorzeitigen Verschleiß des Kniegelenks leiden, können ihre Schmerzen offenbar durch regelmäßige Tai Chi-Übungen vermindern. Wie der Mediziner Dr. Chenchen Wang und dessen Kollegen von der Tufts University School of Medicine in der Fachzeitschrift Arthritis Care and Research berichten, hat man die Wirksamkeit des chinesischen Volkssports bei 40 übergewichtigen Senioren erfolgreich getestet. Die durchschnittlich 65 Jahre alten Versuchsteilnehmer wurden per Los in zwei Gruppen aufgeteilt, von denen die eine zwei mal wöchentlich für eine Stunde Tai Chi-Unterricht erhielt, während die andere Gruppe über ihre Krankheit – die Kniegelenksarthrose – informiert wurde und zusätzlich 20-minütige Dehnungsübungen absolvierte.

Nach zwölf Wochen stellten die Wissenschaftler anhand einer speziellen Schmerzskala (WOMAC) fest, dass die Schmerzen bei den Tai Chi-Praktikern wesentlich stärker abgenommen hatten, als bei der Vergleichsgruppe. Außerdem förderten die Tai Chi-Übungen sowohl die Fitness als auch das Selbstvertrauen stärker als die spezielle Krankheitsberatung, und in der Tai Chi-Gruppe traten zudem Depressionen seltener auf.

Tai Chi-Übungen im Smog von Shanghai (Foto: Jgremillot via Wikipedia)

Tai Chi-Übungen im Smog von Shanghai (Foto: Jgremillot via Wikipedia)

Der ursprünglich als Kampfkunst entwickelte chinesische Volkssport Tai Chi (auch T ai-Chi-Ch´uan oder chinesisches Schattenboxen genannt) besteht aus extrem langsamen, fließenden Bewegungen, die mit großer Konzentration ausgeführt werden. Die Übungen sollen angeblich nicht nur die Gesundheit fördern, sondern auch die Entwicklung der Persönlichkeit, sagen Anhänger des Tai Chi. Wissenschaftlich untersucht wurde die Methode jedoch erst in den vergangenen Jahren. Dabei sank in mehreren Studien der Blutdruck der Teilnehmer, andere fanden eine verbesserte Balance und in einer weiteren Untersuchung führte das Tai Chi zu mehr Fingerspitzengefühl.

„Tai Chi ist eine Methode für Geist und Körper, die als Behandlung für Ältere mit Kniegelenksarthrose geeignet ist“, folgerte Wang aus seiner Studie. Die körperlichen Übungen stünden im Einklang mit aktuellen Empfehlungen zur Behandlung des krankhaften Gelenkverschleißes. Wie manche andere Forscher ist auch Wang davon überzeugt, dass die geistigen Übungen und Meditationen des Tai Chi die negativen Auswirkungen der Schmerzen auf die Patienten vermindern, indem sie die Psyche stabilisieren und die Zufriedenheit mit dem Leben erhöhen. „Unsere Beobachtungen unterstreichen die Notwendigkeit, die biologischen Wirkungen des Tai Chi näher zu untersuchen, damit mehr Menschen davon profitieren können“, so Wang.

Quelle:

  • Wang C et al. Tai Chi Is Effective in Treating Knee Osteoarthritis: A Randomized Controlled Trial. Arthritis Care and Research. Online, 29. Oktober 2009. DOI:10.1002/art.24832

Weitere Informationen:

Mehr Gefühl Dank Tai Chi?

Anhänger der traditionellen chinesischen Bewegungsübungen des Tai Chi haben – insbesondere im Alter – ein besseres Fingerspitzengefühl als Menschen, die sich auf andere Weise fit halten. Zu diesem überraschenden Ergebnis kommt eine Untersuchung, die Wissenschaftlerinnen des Osher Research Institutes der Harvard Medical School in Boston durchgeführt haben.

Zwar weiß man schon seit Jahren, dass beispielsweise Blinde, Pianisten oder Geiger, die ihre Fingerspitzen durch tägliche Übungen schulen, ein größeres Feingefühl haben als Normalbürger. Die Übungen des Tai Chi aber verlaufen berührungslos. Bei den fließenden Bewegungsformen und Positionen wie „Wolkenhände“, „am Webstuhl arbeiten“ oder „der weiße Kranich breitet seine Schwingen aus“ hatten die 14 Studienteilnehmer lediglich die geistige Aufmerksamkeit auf ihre Arme und Hände einschließlich der Fingerspitzen gerichtet.

Alle Probanden hatten mindestens zwei Jahre lang drei Mal pro Woche geübt. Dann wurden sie gebeten, mit dem Zeigefinger zu ertasten, ob mehrere eng benachbarte Rillen längs oder quer verliefen. Im Durchschnitt gelang dies den Tai Chi-Praktikern noch bei einem Rillenabstand von 1,38 Millimetern. Eine Vergleichsgruppe gleich alter Erwachsener benötigte zur Lösung dieser Aufgabe jedoch im Mittel einen Abstand von 1,83 Millimetern zwischen den Rillen. Besonders ausgeprägt war die Überlegenheit der älteren Tai Chi-Anhänger, die noch Unterschiede von 1,5 Millimeter ertasteten – wogegen ältere Menschen aus der Vergleichsgruppe 2,35 Millimeter benötigten.

Dies seien „neue und wichtige Ergebnisse“ sagten die Studienleiterinnen Catherine Kerr und Jessica Shaw anläßlich der Jahrestagung der amerikanischen Society for Neuroscience im kalifornischen San Diego. Tai Chi schütze womöglich vor dem altersbedingten Nachlassen des Tastsinns, spekulierten sie. Mit der Untersuchung sehen Kerr und Shaw auch ihre Hypothese bekräftigt, dass die anhaltende geistige Konzentration auf bestimmte Körperteile beim Tai Chi die Wahrnehmungsfähigkeit in ähnlicher Weise verbessern kann wie beispielsweise das Üben der Blindenschrift. „Die Trainingseffekte des Tai Chi führen wahrscheinlich zu Veränderungen an den Sinnesnerven und im Gehirn der Übenden“, vermutet Kerr. Solche Veränderungen müssten in weiteren Studien nachgewiesen werden, forderten die Wissenschaftlerinnen. Außerdem sollten größere Untersuchungen zum Nutzen von Tai Chi bei Senioren durchgeführt werden, denn diese könnten bedeutsam sein, um die Folgen des Alterns zu mildern.

Quelle:

Weitere Informationen:

  • Bei Wikipedia findet man nähere Erläuterungen sowohl zum Tai Chi als auch zu einer ähnlichen Form chinesischer Meditations- und Bewegungsübungen, dem Qigong (=Chigong).

Blutdruck senken ohne Pillen

„Sie können mir glauben, daß wir von unseren eigenen Ergebnissen überrascht waren”, bekannte Deborah Young. Ursprünglich hatte die Professorin an der Johns Hopkins University School of Medicine im amerikanischen Baltimore nur prüfen wollen, ob leichte gymnastische Übungen den Blutdruck bei älteren Menschen senken können. Doch beim Vergleich der chinesischen Entspannungstechnik Tai Chi mit einem Fitness-Programm mittlerer Intensität erwiesen sich beide Methoden als gleichermaßen wirksam.

Wie Young vergangene Woche auf einer Fachkonferenz in Santa Fe berichtete, hatten 62 größtenteils weiblich Senioren über 60 Jahren an der Untersuchung teilgenommen. Mit Werten zwischen 130 und 159 Millimeter Quecksilber (mmHg) für den systolischen (oberen) Blutdruck lagen die Versuchsteilnehmer anfänglich knapp unterhalb des kritischen Bereiches. Während nun die eine Hälfte der Senioren ein zwölfwöchiges Bewegungsprogramm mit strammen Spaziergängen und leichten Aerobic-Übungen absolvierte, lernte die zweite Gruppe Tai Chi: Ausgehend von mehreren, festgeschriebenen Grundpositionen werden bei diesem chinesischen „Volkssport“ fließende, rhythmische Bewegungen ausgeführt, die zu verschiedenen Abbildern führen wie etwa „der Storch zeigt seine Flügel”.

Schon nach sechs Wochen verzeichneten die Ärzte in beiden Gruppen eine Blutdrucksenkung. Nach zwölf Wochen waren die Werte in der Tai Chi-Gruppe um durchschnittlich sieben mmHg verringert, in der Fitness-Gruppe waren es acht mmHg.

„Es könnte sein, daß es bei älteren Menschen genügt, einfach aufzustehen und einige langsame Bewegungen auszuführen, um den Blutdruck zu senken”, folgerte Young. Gleichzeitig warnte die Ärztin jedoch davor, die Wanderschuhe an den Nagel zu hängen und durch Tai Chi zu ersetzen. „Unsere Untersuchung muß erst noch mit einer größeren Anzahl von Menschen bestätigt werden. Der gesundheitliche Nutzen strammer Spaziergänge ist eindeutig nachgewiesen; für Tai Chi fehlt es uns noch an Daten.”

Fast zeitgleich mit Young haben US-Forscher die Ergebnisse der sogenannten TONE-Studie vorgestellt, die ebenfalls belegt, daß eine Blutdrucksenkung bei leicht erhöhten Werten in vielen Fällen ohne Medikamente möglich ist. Im Journal of the American Medical Association berichten Studienleiter Paul Whelton, Dekan der Tulane University School of Public Health and Tropical Medicine in New Orleans und dessen Kollegen, daß ein „verringerter (Natrium)-Salzkonsum und Gewichtsreduktion eine mögliche, effektive und sichere Therapie des Bluthochdrucks bei älteren Personen ist.”

Mit 30 Monaten Dauer und 975 Teilnehmern zwischen 60 und 80 Jahren ist die von den US-Gesundheitsinstituten (NIH)  finanzierte TONE-Studie die bislang größte ihrer Art. Obwohl die Studienteilnehmer nur leicht erhöhte Blutdruckwerte hatten, erhielten anfänglich alle auf anraten ihrer Ärzte Medikamente. Eine viermonatige Schulung durch Ernährungs- und Bewegungsberater half den Probanden beim Abnehmen und bei der Umstellung der Ernährung auf salzarme Kost. Immerhin jeder dritte Teilnehmer konnte zum Studienende auf Arzneimittel verzichten. „Das zeigt, daß Verhaltensänderungen bei der Behandlung des Bluthochdrucks eine wichtige Rolle spielen”, kommentierte Richard Hodes, Direktor des amerikanischen Altersinstituts NIA (National Institute on Aging).

Quellen: