Eine allgemeine Massenprophylaxe mit jodiertem Speisesalz und eventuell auch Futtermittelzusätzen wäre das beste Mittel, um in Deutschland der Kropfbildung vorzubeugen, so die Meinung führender Endokrinologen auf dem 18. Interdisziplinären Forum „Fortschritt und Fortbildung in der Medizin“ der Bundesärztekammer. Weil diese Forderung jedoch nicht erfüllt wird, entstehen hierzulande jährliche Kosten von etwa zwei Milliarden Mark für die Diagnose und Therapie von Schilddrüsenkrankheiten.
Neben der Einsparung dieser Summe könnten auch die Lebensqualität und Gesundheit der Deutschen insgesamt angehoben werden, sagte Walter Teller, Ärztlicher Direktor der Universitäts-Kinder-Klinik Ulm. „Schließlich könnte man auch mit einer Steigerung der Intelligenz rechnen, da erwiesenermaßen Jodmangel zur Herabsetzung der geistigen Leistungsfähigkeit führt.“
Die Wirksamkeit einer allgemeinen Prophylaxe im Vergleich zum Freiwilligkeitsprinzip beschrieb am Beispiel der ehemaligen DDR Wieland Meng. Wie der Leiter der Endokrinologischen Abteilung der Universitätsklinik Greifswald erläuterte, führte dort das endemische Auftreten der Struma zu gesetzlichen Maßnahmen, die ab 1983 schrittweise eingeführt wurden. Neben der Anreicherung des Haushaltssalzes mit Jod verfütterte man auch jodhaltige Mineralstoffmischungen an Nutztiere. Die Konzentration des Elementes in Milch und Fleisch stieg daraufhin um das Zwei bis Fünffache.
Innerhalb weniger Jahre wurde das, durch geologische Verhältnisse bedingte, Nord-Süd-Gefälle bei der Jodversorgung ausgeglichen. Kongenitale Kröpfe verschwanden fast vollständig und auch die Strumahäufigkeit bei Kindern, Jugendlichen und Schwangeren war rückläufig. Gemittelte Labordaten zum Jodgehalt im Urin zeigten 1988 eine Verdoppelung der Werte gegenüber den Jahren 1978 bis 1981. Erwartungsgemäß traten Hyperthyreosen zunächst häufiger auf. Weng schätzt den Zuwachs auf das Zwei- bis Dreifache, doch sei dies kein Argument gegen eine Strumaprophylaxe, weil es sich dabei nur um eine Vorverlagerung präexistenter Erkrankungen gehandelt habe. „Der Gipfel wurde 1989 überschritten und das Hyperthyreoseaufkommen näherte sich wieder den Ausganswerten.“
Mit dem Mauerfall im gleichen Jahr ging allerdings der Verbrauch von Jodsalz im Haushalt auf 20 Prozent zurück, die Jod-Zufütterung von Nutztieren brach ebenfalls zusammen. Die per Jodurie ermittelten Werte entsprechen heute wieder denen zu Beginn der achtziger Jahre.
(erschienen in der Ärzte-Zeitung am 18.1.1994)