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Palliativmedizin wird Pflichtfach

Angehende Ärzte müssen künftig nachweisen, dass sie während ihrer Ausbildung auch gelernt haben, wie man schwerstkranke und sterbende Menschen versorgt. Die neue Regelung, die von Bundestag und Bundestag noch in den letzten Sitzungen vor der Sommerpause beschlossen wurde, sei jetzt in Kraft getreten, teilte der Deutsche Hospiz- und PalliativVerband e.V. (DHPV) mit. Der DHPV hatte sich im Vorfeld für das neue Gesetz stark gemacht und erläuterte in einer Pressemitteilung die Folgen für Medizinstudenten. Diese müssen nunmehr zu Beginn des praktischen Jahres im August 2013 oder bei der Meldung zum zweiten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung ab Oktober 2014 einen Leistungsnachweis in der Palliativmedizin vorlegen.

„Damit wir ein weiterer Grundstein für eine umfassende und kompetente medizinische Versorgung schwerstkranker und sterbender Menschen gelegt“, sagte die Vorsitzende des DHPV Dr. Birgit Weihrauch. „Kenntnisse in der Palliativmedizin sind für alle Ärztinen und Ärzte von größter Wichtigkeit, denn die Versorgung Schwerstkranker und Sterbender gehört mit zu den Hauptaufgaben der ärztlichen Tätigkeit“, so Weihrauch weiter.

Lehrstühle für Palliativmedizin gibt es bereits in Aachen, Bonn, Göttingen, Köln und München – weitere sollen geschaffen werden.

Tipp:

Ärzte gegen aktive Sterbehilfe

Große Übereinstimmung herrschte unter den Vertretern zahlreicher Fachrichtungen auf dem 18. Interdisziplinären Forum der Bundesärztekammer „Fortschritt und Fortbildung in der Medizin“: Eine aktive Sterbehilfe wurde bei einem Rundtischgespräch zum Thema Sterbebegleitung in Praxis und Klinik einhellig abgelehnt.  „Die Mitwirkung des Arztes bei der Selbsttötung ist unärztlich“, heißt es dazu in einem Thesenpapier.

Dr. Ingeborg Jonen-Thielemann berichtete aus ihrer zehnjährigen palliativen Erfahrung am Mildred-Scheel-Haus, daß keiner der Patienten dort um aktive Sterbehilfe gebeten habe. „Kein Krebskranker wollte sterben, wenn der Schmerz eingestellt und er als Mensch liebevoll angenommen wurde.“

In dem Thesenpapier der Expertenrunde wird erklärt, es gehöre zu den Pflichten des Arztes, dem Todkranken oder Sterbenden so beizustehen, daß er in Würde zu sterben vermag. Eine Sterbebegleitung ohne Arzt sei „undenkbar“.

Wilhelm Berges, Chefarzt der Internistischen Abteilung des Aachener Luisenhospitals, sprach sich gegen einen „vordergründigen Aktionismus“ bei tödlich verlaufenden Krankheiten aus. „Es gehört zu den besonderen und großen Aufgaben des Arztes, diese Situation rechtzeitig zu erkennen, sie dem Patienten zu vermitteln und dann eine unnötige Diagnostik und Therapie zu unterlassen.“

Auch für eine adäquate Schmerztherapie und Symptomkontrolle ist der behandelnde Arzt verantwortlich. Die analgetische Behandlung muß laut Berges regelmäßig, ausreichend und antizipierend erfolgen. Es sei ein absoluter Fehler, dabei „nach Bedarf“ zu verfahren.

Fehler werden aber auch bei der medizinischen Aufklärung von Angehörigen gemacht. Schwester Miriam Bramer vom Hospiz für palliative Therapie in Köln plädierte dafür, falsche Vorstellungen der Betroffenen zu korrigieren, weil sie zum einen die Patienten belasten und zum anderen dazu führen können, daß Angehörige eine Beendigung des Leidens fordern.

Zu den hohen Anforderungen an den eigenen Berufsstand gesellte sich in der Diskussion die Erkenntnis, daß für die professionellen Helfer selbst kaum Möglichkeiten zur Verfügung stehen, die Erfahrungen im Umgang mit dem Tod zu verarbeiten. Diese Probleme müßten deshalb bei der Aus- und Weiterbildung stärker als bisher berücksichtigt werden, sagte der Direktor der Chirurgischen Universitätsklinik Köln, Heinz Pichlmaier.

(erschienen in der Ärzte-Zeitung am 14.1.1994)