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Hepatitis C: Die lange Suche nach dem Virus

Während der „Aids-Skandal“ in der vorigen Woche seinen vorläufigen Höhepunkt erreichte, wurden in Bonn zwei Männer geehrt, die sich abseits der großen Schlagzeilen um die Sicherheit von Blutpräparaten verdient gemacht haben. Daniel Bradley und Michael Houghton gelang es in zwei Jahrzehnten hartnäckiger Detektivarbeit, das Hepatitis C-Virus aufzuspüren – einen Erreger, der ebenso wie das Immunschwächevirus HIV durch Blut und Blutprodukte übertragen werden kann. Für ihre Arbeiten erhielten die beiden Biochemiker jetzt zusammen mit dem Deutschen Hans-Georg Rammensee den mit 100000 Mark dotierten Robert-Koch-Preis, eine der höchsten wissenschaftlichen Auszeichnungen der Bundesrepublik Deutschland.

Das Hepatitis C-Virus (HCV) ruft bei der Mehrzahl der Infizierten eine langwierige Leberentzündung hervor. Bei jedem Zehnten entwickelt sich eine Zirrhose – eine Krankheit bei der Leberzellen zerstört und die Funktion des Organs gefährdet werden. In einigen wenigen Prozent der Fälle kommt es 15 bis 25 Jahre nach der Infektion sogar zum Leberkrebs.

Diesem Risiko standen Ärzte und Patienten bis vor kurzem noch relativ hilflos gegenüber: Zwar wurden Schutzmaßnahmen und Impfungen gegen das ebenfalls auf dem Blutwege übertragene Hepatitis B-Virus, und das vergleichsweise harmlose, über Fäkalien verbreitete Hepatitis A-Virus schon in den 1970er Jahren entwickelt. Trotzdem kam es auch weiterhin nach Bluttransfusionen zu Hepatitiserkrankungen. Vier Fünftel dieser, per Ausschlußdiagnose als „Nicht-A-Nicht-B-Hepatitis“ (NANBH) benannten Infektionen gingen, wie man heute weiß, auf das Konto von HCV.

In Deutschland ging die Zahl der dem Bundesgesundheitsamt gemeldeten Fälle von 7396 im Jahre 1980 auf 851 im Jahr 1990 drastisch zurück. Einen Beitrag zu diesen Erfolg bildete dabei die immer strengere Auswahl der Blutspender während der sich ausbreitenden Aids-Epidemie. Ein Bluttest, mit dem man die an HCV Erkrankten direkt hätte nachweisen können, stand aber nicht zur Verfügung. Einerseits wurden deshalb viele Infizierte übersehen, andererseits wurden willige Spender unnötigerweise zurückgewiesen.

Die NANBH war zwar als schwerwiegendes Gesundheitsproblem erkannt worden, die Fahndung nach dem Erreger erwies sich jedoch als ebenso frustrierend wie die Suche nach der sprichwörtlichen Nadel im Heuhaufen. Bis zum heutigen Tag ist es auch mit den modernsten Elektronenmikroskopen nicht gelungen, das Virus sichtbar zu machen.

Für Bradley begann die Suche 1977, als wieder einmal eine Lieferserie des hochkonzentrierten Blutgerinnungsfaktor VIII aus dem Verkehr gezogen werden mußte. Zwei Bluterpatienten hatten sich mit NANBH infiziert, was früh genug festgestellt wurde, um den noch nicht verbrauchten Teil der Charge dem Zentrum für Krankheitskontrolle (CDC) im amerikanischen Atlanta zur Verfügung zu stellen. Dort erhielt Bradley den Auftrag, den geheimnisvollen Erreger aus dem Material zu isolieren und dessen Eigenschaften zu ermitteln.

Zwar gelang es, mehrere Schimpansen zu infizieren und krankhafte Veränderungen der Leber festzustellen, ansonsten tappte man aber weiter im Dunkeln. Immerhin konnte man zeigen, daß Blutplasma seine infektiösen Eigenschaften verlor, wenn es mit Chloroform behandelt wurde. Da Chloroform die fetthaltigen Hüllen anderer Viren aufzulösen vermag, schloß Bradley auf ein sehr kleines, umhülltes Virus.

Die typischen Veränderungen in den infizierten Zellen verglich der Amerikaner dann sorgfältig mit dem Krankheitsbild bei zahlreichen anderen Virusinfektionen. Er fand Parallelen zu bestimmten Pflanzen-, Insekten- und Tierviren, die alle eines gemeinsam hatten: Das Erbmaterial bestand aus Ribonukleinsäure (RNS). Ein Großteil der bekannten Virusfamilien, die stattdessen Desoxyribonukleinsäure (DNS) benutzen, wurde deshalb von der weiteren Suche ausgenommen. Schließlich fand Bradley heraus, daß der oder die Erreger der NANBH ein eher kleines Virus sein mußte: Selbst Filter, deren Poren kleiner als ein Zehntausendstel Millimeter war, konnten sie noch passieren.

Die Arbeitsgruppe um Bradley versuchte dann, im Blut infizierter Menschen und Schimpansen Antikörper gegen den großen Unbekannten zu finden. 40000 Versuchsreihen später war klar, daß viel zu wenige Virusbestandteile im Blut waren, um die „Spürhunde“ des Immunsystems in ausreichender Menge zu binden und damit sichtbar zu machen. „Man kann aus Steinen kein Blut pressen“, sagte Bradley jetzt in Bonn mit Rückblick auf die zahlreichen Fehlschläge und Enttäuschungen.

Schließlich setzte er in seinem Labor in Atlanta alles daran, zellfreie Blutflüssigkeit (Plasma) mit möglichst vielen „infektiösen Einheiten“ zu gewinnen. Dahinter stand die Idee, einzelne Abschnitte des Erbmaterials „blind“ zu isolieren und durch molekularbiologische Verfahren zu vermehren. Den Schimpansen „Don“ und „Rodney“ wurde deshalb während ihrer Krankheitsschübe bis zu 11 Jahre lang immer wieder Plasma abgenommen und auf Infektiosität getestet. Die gesammelten Fraktionen höchster Aktivität enthielten schließlich eine Million infektiöser Einheiten je Milliliter.

Um aus den gut drei Litern Flüssigkeit das Erbmaterial des Erregers herauszufischen, bedurfte es der Zusammenarbeit mit einem Spezialisten: Bei der im kalifornischen Emeryville ansässigen Chiron Corporation machte sich der gebürtige Brite Michael Houghton an die Aufgabe, die von seinen immer wieder gescheiterten Kollegen als reine Zeitverschwendung abqualifiziert wurde.

Nach fünf ergebnislosen Jahren verfiel man auf den Trick, alle Nukleinsäuren aus einem Teil des wertvollen Plasmas durch Zentrifugation zu konzentrieren und diese Erbinformationen in sogenannte Expressionsvektoren einzuschleusen. Expressionsvektoren sind gentechnisch hergestellte „Sklavenmoleküle“ aus DNS, deren Aufgabe darin besteht, die in fremden Nukleinsäuren verschlüsselten Botschaften lesbar zu machen.

Verpackt in Expressionsvektoren wurden die Bruchstücke genetischen Materials in Bakterien eingeschleust, welche dann die Übersetzung in zahllose Eiweiße besorgten. Mit Antikörpern aus dem Blut eines NANBH-Patienten gelang es schließlich, unter einer Million Bakterienkolonien eine einzige Kolonie herauszufischen. Sie produzierte relativ große Mengen von einem Eiweiß des gesuchten Parasiten und enthielt folglich zumindest ein Bruchstück von dessen Erbanlagen.

Die fehlenden Teile konnten dann mit Standardmethoden der molekularen Biologie schnell gefunden und zusammengesetzt werden. Man hatte mit der neu entwickelten „Schrotschuß-Technik“ einen unsichtbaren Erreger identifiziert, über dessen Eigenschaften man vorher nur spekulieren konnte. Das Verfahren eignet sich auch zum Aufspüren anderer, noch unbekannter Krankheitserreger.

Aus den viralen Eiweißen, die jetzt in großer Menge hergestellt werden konnten, entwickelte die Firma Chiron einen Bluttest, der 1989 auf den Markt kam. Durch Anwendung dieses Test bei der Auswahl von Blutspendern habe man die Häufigkeit der Posttransfusionshepatitis weltweit um 90 Prozent senken können, verkündete Houghton in Bonn.

Einen perfekten Schutz vor HCV gibt es zwar immer noch nicht, der größte Teil der Infektionen wird aber inzwischen vermieden, wie Gregor Caspari vom Institut für Medizinische Virologie der Justus-Liebig-Universität in Gießen bestätigte. Mittlerweile ist auch die zweite Generation von Bluttests im Einsatz. Eine großangelegte Untersuchung an 200000 deutschen Blutspendern belegt, daß die unvermeidlichen Lücken weiter geschlossen wurden.

Ein anderes Problem rückt jetzt in den Mittelpunkt des Interesses: HCV ist nämlich auch für viele Leberleiden verantwortlich, die nicht durch Blut oder Blutprodukte übertragen werden – es sind also noch nicht alle Übertragungswege bekannt. Weltweit dürfte HCV eine der wichtigsten Ursachen von Leberkrebs sein, mutmaßte Hoechst-Vorstandschef Wolfgang Hilger in seiner Laudatio bei der Preis-Verleihung. Für Bradley und Houghton ist die Arbeit deshalb noch lange nicht zu Ende: Sie haben inzwischen mit der Entwicklung eines Impfstoffes gegen den noch immer unsichtbaren Erreger begonnen.

(erschienen in der Süddeutschen Zeitung am 2. Dezember 1993)

Polymerase-Kettenreaktion: Eine Idee für 300 Millionen

Selten hat eine Technik der Wissenschaft so schnell auf die Sprünge geholfen wie im Falle der Polymerasekettenreaktion . Die zündende Idee, welche es ermöglichte, Erbinformationen gezielt und praktisch nach Belieben zu vermehren, kam dem Amerikaner Dr. Kary Mullis auf der Fahrt ins Wochenende an einem lauen Maienabend im Jahr 1983. Nun erhielt er dafür den Robert-Koch-Preis.

Schon 1985 hatte Mullis seine Idee in die Praxis umgesetzt. Im letzten Jahr zahlte Hoffmann-La Roche dann die Rekordsumme von 300 Millionen Dollar für „alle Rechte und Patente, für alle bekannten und noch unbekannten Anwendungen“ der Polymerasekettenreaktion (PCR) an Mullis‘ ehemaligen Arbeitgeber, die kalifornische Cetus Corporation.

Die Investition wird sich rentieren, denn der PCR erschließen sich ständig neue Märkte. Von der Archäologie über die Diagnose von Erbschäden und Krankheitserregern bis zur Überwachung im Umweltschutz reichen die Anwendungen.

Auch anläßlich der Verleihung des diesjährigen Robert-Koch-Preises am 2. November in Bonn machte Mullis klar, daß das Potential der PCR noch lange nicht ausgereizt ist. Weil sich mit Hilfe der Technik, die dem zelleigenen Kopiermechanismus für DNA ähnelt, einzelne Abschnitte des Erbguts nach Belieben vermehren lassen, können Krankheitserreger auch dort nachgewiesen werden, wo serologische Methoden versagen.

Bei der Untersuchung HIV-positiver Säuglinge von HIV-positiven Müttern etwa reicht ein Antikörper-Test allein nicht aus, um zu überprüfen, ob das Kind infiziert ist oder nicht. Die PCR dagegen kann das Virus direkt nachweisen und liefert eine frühzeitige Antwort. Die Nachweisgrenze liegt etwa bei einer infizierten Zelle unter 100 000.

Der HIV-Nachweis durch die Polymerasekettenreaktion ist aber kein Einzelfall. So gelang es, bakterielle Krankheitserreger wie Bordetella pertussis, Legionella pneumophila, Heliobacter pylori, Mycobakterien und Chlamydien in asymptomatischen Trägern aufzuspüren. Auch Viren wie Hepatitis B und C, Papilloma- und Herpesviren, einzellige Erreger wie Toxoplasma gondii, Pneumocystis carinii und Entamoeba histolytica oder Pilzinfektionen durch Candida albicans und Cryptococcus neoformans wurden schon mit Hilfe der PCR entdeckt.

In naher Zukunft werden standardisierte Kits erwartet, welche die Nachweiszeiten gegenüber den gebräuchlichen Zellkulturmethoden um ein Vielfaches verkürzen sollen. In der forensischen Medizin steht der PCR ebenfalls eine große Zukunft bevor: Am Tatort verbliebene Haare, Blutspuren oder Spermien dienen in den USA immer häufiger als Beweismittel in Gerichtsverfahren. Bestimmte Teilabschnitte der DNA, die über Jahre hinweg intakt bleiben kann, werden dafür vervielfältigt und mit der DNA der Verdächtigen verglichen.

In Großbritannien wird das Verfahren inzwischen regelmäßig bei Vaterschaftsklagen und Einwanderungsverfahren eingesetzt, denn verwandtschaftliche Beziehungen können ebenfalls nachgewiesen werden. Auch nach Flugzeugabstürzen könnte sich die PCR als die Methode der Wahl zur Identifikation der Leichname erweisen. Viele Opfer von Mördern, Kriegsverbrechern und totalitären Machthabern müßten nicht länger unerkannt bleiben.

„Die beispiellose Sensitivität der PCR hat allerdings auch ihre Schattenseiten“, beklagte Mullis, der als Sachverständiger mehrfach Gerichtsprozessen beiwohnte.

Zum einen muß sichergestellt sein, daß die Analyse in einem fachlich kompetenten Labor vorgenommen wird, weil sonst möglicherweise das Erbmaterial des Laboranten und nicht das des Täters zum Vergleich herangezogen wird. Außerdem sei es generell problematisch, eine Methode als Beweismittel zuzulassen, deren Grundlagen weder Angeklagter noch Kläger, weder Richter noch Jury verstünden.

In der Archäologie und der Paläontologie bietet die PCR die faszinierende Möglichkeit, uraltes Erbmaterial zu untersuchen, das sich zum Beispiel aus Mumien oder tiefgefrorenen Mammutresten, aus fossilen Knochen oder Überbleibseln ausgestorbener Tierarten gewinnen läßt, die in Museen aufbewahrt werden. Kürzlich wurden sogar erste Meldungen bekannt, wonach es gelungen ist, DNA aus vierzig Millionen Jahre alten Insekten zu untersuchen, die in Bernstein eingeschlossen waren.

In naher Zukunft könnte DNA als weltweiter Herkunftsnachweis für Produkte aller Art zum Einsatz kommen. Man will sich dabei die Tatsache zunutze machen, daß jegliche Information – ähnlich wie beim Morse-Code – durch die Reihenfolge der vier verschiedenen DNA-Bausteine darstellbar wäre. An einem standardisierten Codierungssystem wird bereits gearbeitet.

Ein bestimmter, synthetisch hergestellter DNA-Abschnitt könnte dann mit PCR vervielfältigt und – in extremer Verdünnung – zum Beispiel in das Öl von Supertankern gegeben werden. Die Verursacher von Verschmutzungen ließen sich endlich zweifelsfrei nachweisen, denn auf der DNA wäre – nach Vervielfältigung mit der Polymerasekettenreaktion – für jedermann nachzulesen, aus welchem Tanker das Öl stammt.

(erschienen in der Pharmazeutischen Zeitung am 26. November 1992)

Was wurde daraus? Im Jahr darauf erhielt Mullis den Nobelpreis für Chemie, und bis auf den Herkunftsnachweis per DNA-Markierung ist die PCR bei allen genannten Anwendungen im Einsatz. Auch die Wikipedia bescheinigt ihr, eine der wichtigsten Methoden der Molekularbiologie zu sein. Mullis, der für seine 300-Million-Idee von seinem Arbeitgeber lediglich $ 10.000 bekommen hatte, starb 2019 mit 74 Jahren an den Folgen einer Lungenentzündung. Zuvor hatte er seinen Ruf als Exzentriker noch unterstrichen, indem er den Zusammenhang zwischen dem Immunschwächevirus HIV und der Entstehung von AIDS bestritt, den Konsens zum Klimawandel ablehnte und über angebliche Begegnungen mit Außerirdischen berichtete…

Fleißig arbeiten und wissenschaftlich denken

Der Robert-Koch-Preis, einer der höchsten deutschen Wissenschaftspreise, wurde gestern in Bonn verliehen. Preisträger der mit 100.000 Mark dotierten Auszeichnung sind der Belgier Walter Fiers und der Japaner Tadatsugu Taniguchi. Die Robert-Koch-Medaille in Gold für das Lebenswerk eines Forschers erhielt Professor Werner Schäfer, „einer der großen Pioniere der Virusforschung in Deutschland“, wie der Laudatio zu entnehmen war.

Alljährlich ehrt die Robert-Koch-Stiftung mit der Preisvergabe Wissenschaftler, die sich besondere Verdienste bei der Erforschung von Infektions- und anderen Volkskrankheiten erworben haben. Diese Anforderung trifft auf den 79jährigen Schäfer sicherlich in besonderem Maße zu. Professor Rudolf Rott, Direktor des Instituts für Virologie der Universität Gießen, lobte den gebürtigen Westfalen: „Bei ihm haben wir gelernt, nicht nur fleißig und sauber zu arbeiten, sondern auch naturwissenschaftlich zu denken.“

Einer von vielen Influenza-Viren: Der Erreger der Schweine-Grippe unter dem Elektronenmikroskop (Photo: C. S. Goldsmith and A. Balish, CDC / Public domain)

Ausgehend vom Hühnerpestvirus und anderen Vertretern aus der Gruppe der Myxoviren wandte sich Schäfer bald auch den Krankheitserregern beim Menschen zu. Am Tübinger Max-Planck-Institut für Virusforschung fand er heraus, daß seine Geflügelviren nahe verwandt waren mit den Partikeln, welche die Volksseuchen Influenza, Mumps und Masern hervorrufen. Die Influenza oder echte Grippe war bis zur Einführung weltweiter Impfkampagnen eine der großen Geißeln der Menschheit; alleine bei der Epidemie der Jahre 1918 und 1919 starben über 20 Millionen.

Schäfer war es, der aus seinen Untersuchungen die – richtige – Vermutung ableitete, daß bestimmte Geflügelviren ein unerschöpfliches Reservoir für die Entstehung immer neuer Influenzavarianten sein könnten. Auch die Überlegung, daß sich ein vollständiger Impfschutz erreichen ließe, wenn man dem menschlichen Immunsystem bestimmte Eiweiße von der Oberfläche der Viren präsentieren würde, erwies sich im Nachhinein als richtig.

Anfang der sechziger Jahre begann sich der gelernte Tierarzt dann mit Retroviren zu beschäftigen, zu denen auch das damals noch unerkannte Aidsvirus HIV gehört. Für diese Gruppe von Krankheitserregern entwickelte Schäfer ein Strukturmodell, das heute allgemein anerkannt ist. „Häufig stehen allerdings Schäfer und Mitarbeiter nicht mehr als Quellenangabe unter diesen Modellen“, monierte der Preisträger.

Bahnbrechende Erfolge bei der Erforschung von tierischen Viren hat auch Walter Fiers von der Universität Gent vorzuweisen. Er entschlüsselte 1978 als erster die komplette Erbinformation eines Tumorvirus. SV 40, so der Name des Erregers, kann bei Hamstern bösartige Geschwüre verursachen. Auch das dafür verantwortliche Gen konnte Fiers isolieren. Dieser Triumph führte dann unmittelbar zur Entdeckung eines menschlichen Gens – p 53 -, das eine genau entgegengesetzte Wirkung hat. Das p 53 ist ein sogenanntes Suppressorgen; eine von vielen Erbanlagen, deren Beschädigung zur Krebsentstehung führen kann.

Ende der siebziger Jahre wandte sich Fiers ebenso wie der japanische Preisträger Taniguchi der Erforschung von Botenstoffen zu, die innerhalb eines Organismus bereits in kleinsten Mengen die Entwicklung von Geweben und Zellen beeinflussen können. Während Fiers die Interferone untersuchte, von denen man sich anfangs große Hoffnungen für eine Krebstherapie gemacht hatte, erforschte Taniguchi die Wirkung einer anderen Stoffklasse, der Interleukine.

Besonders Interleukin-2, so weiß man heute, wirkt auf mehrere verschiedene Typen von Immunzellen. Für detaillierte Untersuchungen stand aber zunächst nicht genug an diesem Eiweiß zur Verfügung. Das änderte sich erst, als Taniguchi das Gen, also den molekularen Bauplan, für Interleukin-2 isolierte und mit Hilfe von bakteriellen Zellen in größeren Mengen herstellen konnte. Aus dem Zusammenspiel mit anderen Botenstoffen, so hofft der Japaner, könnten sich bald schon neue Ansätze zur Krebstherapie ergeben.

(erschienen in „DIE WELT“ am 5. November 1991)