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Asthma – Wege zur Vorbeugung

Vom Sport über die Hundehaltung bis zum „Genuss“ von Rohmilch reicht die Liste der Maßnahmen, die dem Asthma vorbeugen oder Beschwerden bei bereits Erkrankten lindern sollen. Dies zeigen mehrere Studien, die Arbeitsgruppen aus Deutschland, Schweden und Kanada in den vergangenen Monaten veröffentlicht haben.

Ein Grund für die Suche nach Präventionsmöglichkeiten dürfte sein, dass die Häufigkeit des Leidens in den vergangenen Jahrzehnten ständig zugenommen hat – besonders in den 1980er und 1990er Jahren. In manchen Regionen der Welt sind bis zu 30 Prozent der Bevölkerung davon betroffen. Epidemiologen beobachten deshalb Menschen mit unterschiedlichen Lebensumständen und vergleichen dann die Häufigkeit, mit der die verschiedenen Gruppen später im Leben an Asthma erkranken.

„Nur 30 Minuten am Tag: Regelmäßige Übungen erleichtern Asthma-Symptome“, vermeldeten beispielsweise Forscher der Concordia Universität in Montreal und deren Kollegen. Sie haben dazu 643 Asthma-Patienten untersucht und nach Zusammenhängen zwischen der Aktivität und der Schwere der Symptome gesucht. Tatsächlich hatten diejenigen, die sich mindestens 30 Minuten am Tag zu Fuß oder auf dem Fahrrad bewegten, eindeutig weniger Atemprobleme als ihre unsportlichen Leidensgenossen. Sogar ein halbe Stunde Yoga am Tag vermochte die Symptome zu lindern.

Wie der Studienleiter Professor Simon Bacon erläutert, besteht ein Teil des Problems darin, dass Asthmatikern meist vom Sport abgeraten wird, aus Sorge, dies könne Kurzatmigkeit und Atemnot hervorrufen. Die Angst vor den so genannten Bronchospasmen sei zwar nicht völlig unbegründet, dem könne man jedoch durch die Einnahme seiner Medikamente vor dem Sport und durch langsames Abkühlen danach vorbeugen, sagt Bacon. „Auch wenn Sie Asthma haben ist das keine Entschuldigung dafür, sich nicht sportlich zu betätigen.“

Eine andere Spur haben Forscher der Universität von Uppsala in Schweden verfolgt: Sie nutzten die umfangreichen Datenbanken ihres Landes, in denen sowohl medizinische als auch soziale Informationen für alle Einwohner gespeichert sind. Die Studienkoordinatorin Tove Fall vom Department of Medical Sciences and the Science for Life Laboratory konnte dadurch bei mehr als einer Million Kindern überprüfen, ob sie an Asthma erkrankt waren, und ob sie mit oder ohne Hunde in ihren Familien aufgewachsen waren. Das Ergebnis war, dass Kinder, die mit Hunden aufwuchsen um etwa 15 Prozent seltener an Asthma erkrankten.

Wie sie überhaupt auf die Idee gekommen ist, begründete Fall folgendermaßen: „Frühere Studien haben gezeigt, dass sich das Asthmarisiko für Kinder in etwa halbiert, wenn sie auf einem Bauernhof aufwachsen. Wir wollten sehen, ob dieses Verhältnis auch auf Kinder zutrifft, die in ihrem Zuhause mit Hunden aufwachsen.“ Weil die Forscher Zugang zu solch einer großen und detailreichen Datenbank hatten, konnten sie auch ausschließen, dass Faktoren wie Asthmaerkrankungen der Eltern, der sozioökonomische Status oder der Wohnort das Ergebnis verfälschten. Aus der Studie folgt allerdings nicht, dass alle Kinder mit Hunden aufwachsen sollten. Im Gegenteil sollten Kinder, die bereits an einer Katzen- oder Hundeallergie leiden, diese Tiere vermeiden.

Auch eine deutsche Arbeitsgruppe hat sich an der Suche nach möglichen Schutzfaktoren gegen das Asthma beteiligt. Erika von Mutius, Leiterin der Asthma- und Allergieambulanz am Dr. von Haunerschen Kinderspital der Ludwigs-Maximilians-Universität in München entdeckte dabei, dass Kinder, die Rohmilch trinken seltener erkranken als solche, die mit „normaler“, industriell bearbeiteter, Milch aufwachsen. Etwa 1000 Mütter hatten für die Studie namens „Pasture“ notiert, was ihre Kinder bis zum sechsten Lebensjahr gegessen und getrunken hatten, und an welchen Krankheiten sie litten. Die Forscher vermuten, dass der Schutzeffekt zumindest teilweise mit dem höheren Fettanteil der Rohmilch und den darin enthaltenen Omega-3-Fettsäuren erklärt werden kann. Je intensiver die Milch nämlich bearbeitet wird, umso mehr zersetzen sich diese Säuren.  Trotzdem empfehlen die Wissenschaftler nicht, den Kindern Rohmilch zu geben, weil sie Keime enthalten kann, die Infektionskrankheiten verursachen könnten.

Originalarbeiten:

Bacon SL, Lemiere C, Moullec G, Ninot G, Pepin V, Lavoie KL. Association between patterns of leisure time physical activity and asthma control in adult patients. BMJ Open Respir Res. 2015 Jul 24;2(1):e000083.

Fall T, Lundholm C, Örtqvist AK, Fall K, Fang F, Hedhammar Å, Kämpe O, Ingelsson E, Almqvist C. Early Exposure to Dogs and Farm Animals and the Risk of Childhood Asthma. JAMA Pediatr. 2015 Nov;169(11):e153219.

Brick T, Schober Y, Böcking C, Pekkanen J, Genuneit J, Loss G, Dalphin JC, Riedler J, Lauener R, Nockher WA, Renz H, Vaarala O, Braun-Fahrländer C, von Mutius E, Ege MJ, Pfefferle PI; PASTURE study group. ω-3 fatty acids contribute to the asthma-protective effect of unprocessed cow’s milk. J Allergy Clin Immunol. 2016 Jun;137(6):1699-1706.e13.

(veröffentlicht auf Simmformation.de am 10. August 2016)

Debatte über Tamoxifen-Studie

Über die Notwendigkeit einer deutschen Präventionsstudie zum Einsatz des Antiöstrogens Tamoxifen bei Frauen mit erhöhtem Brustkrebsrisiko konnte auf einem Symposium der Dr. Mildred Scheel Stiftung keine Einigkeit erzielt werden. Entsprechende Studien laufen bereits in den Vereinigten Staaten, Australien, Italien und – nach einer fünfjährigen Diskussion – in Großbritannien.

Für das 9. Treffen der Stiftung waren über 90 Krebsforscher aus elf Ländern zusammengekommen, um ihre Erfahrungen zur Entstehung und Behandlung hormonabhängiger Tumoren auszutauschen. „Ein ganz wesentlicher Schwerpunkt“, so Prof. Dr. Walter Jonat, „war die Nutzen/Risiko-Analyse für solch eine Studie.“

In Deutschland muß statistisch gesehen jede zehnte Frau damit rechnen, an Brustkrebs zu erkranken, das entspricht jährlich über 30000 Fällen, erläuterte der Leitende Oberarzt der Universitäts-Frauenklinik Hamburg. Für etwa 15 bis 25 Prozent der weiblichen Bevölkerung ist dieses Risiko mehr oder weniger stark erhöht, etwa dann, wenn die Menarche noch vor dem zwölften Lebensjahr eintrat, bei Kinderlosigkeit, einem Lebensalter von über sechzig Jahren oder bei einer genetischen Prädisposition.

Eine vorbeugende Behandlung dieser Frauen mit Antiöstrogenen erscheine sinnvoll, weil etwa die Hälfte aller Brustkrebserkrankungen hormonell regulierbar seien, sagte der Leitende Oberarzt der Universitäts-Frauenklinik Heidelberg, Prof. Dr. Manfred Kaufmann. Als positive Nebenwirkung würden kardiovaskuläre Erkrankungen signifikant – nämlich um 20 Prozent – reduziert; außerdem lasse sich das Osteoporose-Risiko eventuell verringern. „Andererseits könnte es sein, daß sich die Rate an induziertem Gebärmutterkrebs unter der Behandlung erhöht.“

Die Aussage, daß der klinische Nutzen ganz sicher überwiege, sei derzeit nicht möglich, bilanzierte Jonat. Kaufmann folgerte dagegen nach „gewinnbringender, kontroverser Diskussion“: „Ich hoffe und würde mir wünschen, daß solch eine Untersuchung auch bald in Deutschland anläuft.“ Die Kosten würden bei einer Laufzeit von fünf Jahren und 5000 Probandinnen je nach Zahl der erhobenen Parameter zwischen vier und 18 Millionen Mark liegen. Für die deutsche Krebshilfe erklärte deren Vorstandsvorsitzender Dr. Helmut Geiger, daß der Wille, solch ein Projekt zu fördern, „prinzipiell vorhanden“ sei.

Im Gegensatz zur präventiven Gabe von Tamoxifen ist der postoperative Nutzen des Hormonblockers beim Brustkrebs unumstritten. Jonat schätzt, daß mit dieser Indikation weltweit etwa 200000 Frauen pro Jahr behandelt werden. Unter ihnen würden 10000 bis 20000 dank Tamoxifen vor einem Rückfall bewahrt. „Vor zehn bis zwanzig Jahren wären diese Frauen noch gestorben“, sagte der Gynäkologe.

(geschrieben für das Deutsche Ärzteblatt, Erscheinungsdatum unbekannt.)

Kommentar: Das Sterben geht weiter

Das alljährliche Aids-Spektakel geht zu Ende, das Sterben geht weiter. Auf der 9. Internationalen Aids-Konferenz in Berlin wurden, wie auch schon bei den acht vorangegangenen Treffen, zahlreiche Maßnahmen vorgestellt, mit denen sich die Seuche ohne Zweifel eindämmen ließe. Die wichtigste Forderung: Geld. Geld für Aufklärungsmaßnahmen würde nach einer Schätzung der Weltgesundheitsorganisation die Zahl der Neuinfektionen halbieren. Etwa zehn Millionen Menschen könnten dadurch bis zur Jahrtausendwende vor der Infektion mit dem tödlichen Virus bewahrt werden.

Rund zehn Millionen Menschenleben hängen also davon ab, ob die Völker der Welt bereit sind, jährlich etwa vier Milliarden Mark zur Verfügung zu stellen. Die Agrarsubventionen der EG belaufen sich auf das Zehnfache dieses Betrags, um nur ein Beispiel von vielen zu nennen. Durch eine systematische und breitgefächerte Aids-Prävention könnte weltweit unendlich viel Leid vermieden werden, und das, zum Unterschied von Eingriffen in Krisengebieten und Bürgerkriegsherden, ohne das Risiko, daß dabei auch nur ein Tropfen Blut vergossen wird. Zukünftige Generationen werden uns daran messen, ob wir imstande und bereit sind, diese einmalige Chance zu erkennen und zu nutzen.

(meine Gedanken zum Umgang der Politik mit der AIDS-Krise durfte ich am 11. Juni 1993 in der Stuttgarter Zeitung äußern)

AIDS-Prävention mit Methadon

(Beitrag vom 10. Juni 1993 zu den Conference-News auf dem 9. Internationalen AIDS-Kongress in Berlin)

Another success story on the use of Methadone for the treatment of injection drug users was presented by Dr. Jörg Gölz from Berlin on Tuesday. „Good social rehabilitation“ was achieved in 63 percent of 647 persons after a two-year treatment period, Golz reported. No change was seen in 13 percent, while one out of 12 patients died of AIDS or other diseases, from suicide, or in the course of an accident.

The surprise finding of the study was that none of the 329 HIV-negative IV drug users that received treatment in Berlin contracted HIV during the course of the study. Statistical data on HIV-negative intravenous drug users in Germany had suggested that more than ten percent of them should seroconvert within a two-year period if left untreated. „Methadone treatment is an appropriate method for Aids-prevention,“ Gölz concluded.

The study also confirmed the finding that intravenous drug users already infected with HIV show a rise in CD4 cells, especially when substitution starts at a CD4 count of greater than 350. In view of these findings, substitution should no longer be considered a second line of therapy in Germany, Gölz demanded.

The report will receive particular attention in the light of 150,000 injection drug users in Germany. Only 1000 or 0,7 percent of them are treated successfully at the 3000 places available for long-term-therapy in the country. The overwhelming majority – 147,000 out of 150,000 – go untreated.

AIDS: Kein Heilmittel in Sicht

Mit jährlich 2,5 Milliarden Dollar könnte man bis zur Jahrtausendwende 10 Millionen Menschen vor der Ansteckung mit dem Aidsvirus bewahren. Umgerechnet auf die Weltbevölkerung entspricht dieser Betrag einer Büchse Cola pro Person oder einem Zwanzigstel der Kosten des Golfkriegs. Mit dieser Rechnung verblüffte Dr. Michael Merson die rund 15000 Teilnehmer des 9. Internationalen Aids-Kongresses in Berlin.

Merson, der bei der Weltgesundheitsorganisation WHO für die Bekämpfung der Immunschwäche zuständig ist, bezeichnete die weltweiten Anstrengungen zur Eindämmung der Seuche angesichts dieser Zahlen als „ungenügend und unrealistisch“. Betroffen von der Seuche sind vor allem Entwicklungsländer, wo derzeit vier von fünf Fällen registriert werden. Von den 14 Millionen Infizierten leben über acht Millionen in Afrika.

Schon zu Beginn der Veranstaltung zeichnete sich ab, daß in den nächsten Jahren weder ein Impfstoff noch ein heilendes Medikament zur Verfügung stehen wird. Das einzige weltweit zugelassene Arzneimittel AZT kann nur das Fortschreiten der Krankheit verlangsamen, so das Resultat einer Untersuchung an mehreren tausend Infizierten- und Aidskranken. Die lange Zeit akzeptierte Meinung, AZT könne auch die Zeit zwischen der Infektion und dem Ausbruch der Krankheit verlängern, scheint sich nicht zu bestätigen.

Zwar sind auch andere Medikamente in der Erprobung, die extrem hohen Kosten von mehreren zehntausend Mark jährlich sind allerdings für die Länder der Dritten Welt unerschwinglich. Rund fünfhundert Millionen Mark jährlich müssen deutsche Versicherungsunternehmen allein für die Versorgung der rund zweitausend Menschen aufbringen, die pro Jahr in der Bundesrepublik an Aids erkranken. Würde man nur die Hälfte dieser Summe in zusätzliche Aufklärungsmaßnahmen investieren, ließe sich die Zahl der Neuinfektionen auf die Hälfte reduzieren, meint Professor Meinrad Koch vom Aids-Zentrum des Bundesgesundheitsamts. Trotzdem hält der Mediziner die in Deutschland getroffenen gesundheitspolitischen Maßnahmen für erfolgreich. „Die Kurve hat sich abgeflacht, von 80 Millionen Einwohnern infizieren sich jährlich höchstens 4000″, sagt Koch. Auf eine Million Einwohner kommen in Deutschland 114 Infizierte. In Spanien, Frankreich und der Schweiz sind es dagegen über 400.

Ausschlaggebend für diesen Erfolg war Kochs Meinung zufolge die flächendeckende Einrichtung von Beratungsstellen, in denen Bluttests kostenlos und ohne Namensnennung angeboten werden. Drei von zehn Deutschen haben sich bisher mindestens einmal testen lassen. „Ich bin persönlich sehr stolz- auf diesen Erfolg“, kommentierte der Mediziner.

Bekannte Aidsforscher haben beim Kongreß ihre Abhängigkeit von der Pharma-Industrie beklagt und angeregt, bei der Bekämpfung der Immunschwächekrankheit neue Wege einzuschlagen. Robert Gallo, Mitentdecker des HIV-Virus (* dachte man damals, war aber erschwindelt), warf den Arzneimittel-Konzernen vor, die Prioritäten nur nach ihren finanziellen Interessen zu setzen. „Wir können nicht warten, bis sich eine Pharma-Firma für unsere Forschungen interessiert“, sagte Gallo. Andere Experten pflichteten ihm bei. Als größte Hoffnung für die Zukunft bezeichneten sie jüngste Experimente mit Impfstoffen und die Gentherapie.

(erschienen in der Stuttgarter Zeitung am 9. Juni 1993)