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Fundstücke: Das war der Februar 2011

Mir hat´s Spaß gemacht, zahlreiche bemerkenswerte Studien und neue Erkenntnisse hinein zu stopfen in einen einzigen Beitrag, die Fundstücke des Monats Januar 2011. Die Rubrik wird deshalb fortgesetzt, wenn auch nur mit einer ziemlich kurzen „Notausgabe“ für den zurück liegenden Februar. Sorry Leute, es war einfach zu viel los in meinem Laden.

  • Scharfe Sicht mit elektronischer Brille? Zahlreiche Probleme, die Brillenschlangen wie ich derzeit noch mit ihren Spekuliereisen haben, könnten bald der Vergangenheit angehören, verkündet die New York Times in dem Artikel „Have You Charged Your Eyeglasses Today?“. Die neuen Nasenfahrräder Namens emPower sollen etwa 800 bis 1000 Dollar kosten, im Frühjahr auf dem US-Markt eingeführt werden und dann im Rest des Landes. Was die Teile so besonders macht sind eingebaute Flüssigkristalle, die per Fingerdruck auf den Bügel der Brille scharf gestellt werden. Der unscharfe Übergangsbereich, der Alterweitsichtige wie mich selbst mit Gleitsichtgläsern immer wieder ins Stolpern bringt, könnte damit der Vergangenheit angehören, verspricht der Hersteller Pixeloptics. Außerdem wären die selbstregulierenden Teile praktisch, weil man die Brille nicht ständig auf und wieder absetzen muss. Neben dem Preis, der mehr als doppelt so hoch ist wie der für eine hochwertige Gleitsichtbrille, haben die neuen Teile aber noch mindestens einen weiteren Nachteil: Sie müssen wie ein Handy immer wieder aufgeladen werden, damit die Regelung der eingebauten Elektronik funktioniert.
  • Mehr Gentechnik auf dem Acker: Weltweit 148 Millionen Hektar Fläche sind mit gentechnisch veränderten Pflanzen bebaut, meldet der International Service for the Acquisition of Agri-biotech Applications (IAAA) in einer Pressemitteilung. Das sei ein Zuwachs um 10 Prozent gegenüber dem Vorjahr, berichtet die Organisation, die durch die  Förderung der Biotechnologie Hunger und Armut bekämpfen will (und die als Geldgeber unter anderem die Firmen Monsanto und Bayer nennt). 15,4 Millionen Bauern weltweit nutzen demnach die in Deutschland und der EU umstrittene Technik, über 90 Prozent davon seien Kleinbauern und zählten „zu den ärmsten Menschen der Welt“. Hauptanbaugebiete sind die USA, gefolgt von Brasilien, Argentinien, Indien, Kanada und China. Die beliebtesten „Gen-Pflanzen“ sind Soja, Mais, Baumwolle und Raps.
  • Einfacher Weg zu besserem Gedächtnis: Selten hat jemand einen Artikel so schön eingeleitet, wie die Kollegin Paula Span bei der New York Times. „… memory improved, in older adults by means of a low-tech, low-cost intervention with very few unpleasant side effects: regular walking.“ Sie bezieht sich dabei auf eine Forschungsarbeit, die in den Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlicht wurde. 120 Erwachsene im sechsten Jahrzehnt ihres Lebens waren dabei nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen eingeteilt worden. Die einen liefen drei Mal die Woche mindestens 40 Minuten im Kreis herum, die anderen bekamen weniger schweisstreibende Dehnübungen wie zum Beispiel Joga. Binnen eines Jahres vergrößerte sich eine für das Gedächtnis essentielle Hirnregion (der Hippocampus) in der ersten Gruppe um durchschnittlich zwei Prozent, in der zweiten Gruppe nahm das Volumen des Hippocampus im Mittel um 1,4 Prozent ab. Beide Gruppen verbesserten sich in einem Test für das räumliche Gedächtnis und das Orientierungsvermögen, doch waren diese Verbesserungen bei den Fußgänger eindeutig größer als bei den Joga-Praktikanten (Originalpublikation hier).
  • Meditation verändert das Gehirn, zeigt wieder einmal eine Studie. Die betroffenen Regionen seien beteiligt an Lern- und Gedächtnisprozessen und an der Steuerung von Gefühlen und der Selbstwahrnehmung, berichten Britta Hölzel (derzeit Harvard Medical School) und ihre Kollegen. Im Health-Blog der New York Times fand man das interessant genug, um eine ganze Geschichte daran aufzuhängen.

Transzendentale Meditation gegen den Herztod?

Mit Skepsis habe ich eine Pressemeldung zur Kenntnis genommen, wonach Herzpatienten durch Anwendung der Transzendentalen Meditation® ihr Risiko nahezu halbiert hätten, Infarkte oder Schlaganfälle zu erleiden und an ihrer Krankheit zu sterben. Dies sei das Ergebnis einer Studie, die auf der weltgrößten Konferenz von Herzspezialisten in Chicago vorgestellt wurde, erfahre ich vom Büro für Öffentlichkeitsarbeit des Medical College Wisconsin. Demnach waren 201 Afro-Amerikaner mit verengten Herzkranzgefäßen im Rahmen einer Studie nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen aufgeteilt worden. Die eine Gruppe dieser besonders Infarkt-gefährdeten Menschen hatte die üblichen Arzneien gegen Gefäßverkalkung und Bluthochdruck bekommen und war in Vorträgen auf Vorbeugemaßnahmen wie Sport und eine gesunde Ernährung hingewiesen worden. Die andere Gruppe bekam ebenfalls Medikamente, statt der Vorträge meditierte man hier jedoch zwei mal täglich 15 bis 20 Minuten gemäß der Anleitung eines „Experten“.

„Über fünf Jahre hinweg hatten die Patienten, die zusätzlich zur Standardbehandlung die Transzendentale Meditation praktizierten, um 47 % weniger Herzinfarkte, Schlaganfälle und Todesfälle“, entnehme ich der Pressemitteilung. Sowohl der Studienleiter Robert Schneider, als auch dessen Kollege Theodore Kotchen verweisen darauf, dass Blutdruck-senkende Arzneien in großen Studien die Infarktrate lediglich um ein Viertel reduziert haben, und selbst die viel gepriesene Medikamentenklasse der Statine die Herzsterblichkeit „nur“ um 30 bis 40 Prozent zu senken vermag.

„Insgesamt hat sich die Transzendentale Meditation (TM) als ebenso mächtig erwiesen, wie jede Art von neuen Herzmedikamenten auf dem Markt“, behauptet Schneider. Die von der Amerikanischen Herzgesellschaft (AHA) veröffentlichte Kurzzusammenfassung der Studie (der „Abstract“) verrät mir allerdings, dass man gemäß den Regeln der Statistik gerade eben so schließen durfte, dass die TM wirksamer war als die Arzneien. Wer es genauer wissen mag: Der so genannte p-Wert mit dem man die Irrtumswahrscheinlichkeit mißt, betrug 0,048. Ist er größer als 0,050 gilt eine Hypothese als nicht bestätigt. Aussagekräftiger sind da schon die absoluten Zahlen der Infarkte, Schlaganfälle und Todesfälle. Mit der Standardbehandlung gab es 31 solcher „Ereignisse“, in der TM-Gruppe waren es 20.

Beeindruckender scheint auf den ersten Blick die im Lauf der Untersuchung nachgewiesene Senkung des oberen Blutdruckwertes um durchschnittlich 5,1 (p=0,012). Mit anderen „Entspannungstechniken“ wie Yoga und Tai Chi, Spaziergängen und sogar durch Beten wurden allerdings in anderen Studien ähnlich starke Blutdrucksenkungen beobachtet. Selbst wenn sich in unabhängigen großen Untersuchungen die „Halbierung“ der Herzsterblichkeit durch TM bei Schwarzen bestätigen ließe, muss dies noch lange nicht gelten für Menschen mit weißer (oder gelber) Hautfarbe. Bekannt ist nämlich, dass gerade die Afro-Amerikaner innerhalb der USA die ethnische Gruppe mit dem höchsten Infarktrisiko bilden – und es ist logisch, dass diese auch am stärksten von einer Blutdrucksenkung profitieren.

Klarer Interessenskonflikt

Geschäftstüchtiger Yogi: Der 2008 verstorbene Maharishi (via Wikipedia)

Geschäftstüchtiger Yogi: Der 2008 verstorbene Maharishi (via Wikipedia)

Es gibt weitere Gründe, skeptisch zu sein. Studienleiter Robert Schneider ist nämlich Direktor des Instituts für Naturmedizin und Prävention an der Maharishi Universität für Management in Fairfield, Iowa. Diese Einrichtung ist nach eigener Darstellung „keine gewöhnliche Universität“ und wurde von dem 2008 verstorbenen Maharishi Magesh Yogi gegründet. Maharishi wiederum ist ein indischer Guru, der sich von seinem Lehrer Guru Dev die Transzendentale Meditation abgeschaut, sie im Westen bekannt und dort zu einer religiösen Bewegung ausgebaut hat.  Populär wurde die TM in den 1960er Jahren, als die Beatles und andere Berühmtheiten zu meditieren begannen. Den Begriff  „Transzendentale Meditation“ hat Maharishi sich markenrechtlich schützen lassen, was bedeutet, dass nur die Anhänger seiner Bewegung sie unterrichten dürfen. Auf bis zu fünf Millarden Euro wird das Vermögen der Organisation geschätzt, die heute als „Globales Land des Weltfriedens“ auftritt. Wer die „TM“ lernen will zahlt dafür in Deutschland 2322 Euro.

Und die Moral von der Geschicht? Wer glaubt, die Schweinegrippe sei eine Verschwörung der Pharmaindustrie oder Antidepressiva für gefährliche Wohlfühldrogen hält, der sollte auch  Sensationsmeldungen aus dem Bereich der Alternativmedizin mit einer gehörigen Portion Skepsis begegnen. Und wer seinen Blutdruck senken will, kann beim Spazieren gehen jede Menge Geld sparen.

Quellen: