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Bei Kinderwunsch an Jod und Folsäure denken

Der Markt für Nahrungsergänzungsmittel und -zusätze ist groß, zumeist nutzen diese Präparate aber nur den Herstellern. Diesen Standpunkt, den ich über Jahrzehnte in zahlreichen Studien bestätigt fand, vertritt auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Berlin. In einer aktuellen Pressemitteilung heißt es wörtlich: „Für gesunde Menschen in Deutschland, die sich ausgewogen und vielfältig ernähren, sind Nahrungsergänzungsmittel meist überflüssig.“

Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel und solch eine Ausnahme sind Schwangere und Frauen, die einen Kinderwunsch hegen. Ihnen wird von wissenschaftlichen Fachgesellschaften wie der Deutschen Gesellschaft für Ernährung eine zusätzliche Einnahme von Präparaten mit Jod und dem Vitamin Folat (die synthetische Form heißt „Folsäure“) empfohlen. „Informationen über die Bedeutung dieser lebenswichtigen Mikronährstoffe für die Gesundheit von Mutter und (ungeborenem) Kind sollten daher ein wesentlicher Bestandteil der ärztlichen Beratung von Frauen mit Kinderwunsch sowie in Schwangerschaft und Stillzeit sein“, heißt es in der Pressemitteilung.

Um Ärzten die Beratung zu erleichtern hat man beim BfR ein Merkblatt neu aufgelegt. Es hat 8 Seiten, kann im pdf-Format kostenlos heruntergeladen werden, und ist verständlich genug, um auch für die betroffenen Frauen lesbar zu sein.

Obwohl bereits 1989 eine Änderung der Verordnung über jodiertes Speisesalz eingeführt wurde, ist Jodmangel in Deutschland noch immer weit verbreitet. Die Wissenschaftler verweisen auf eine aktuelle Erhebung des Robert Koch-Instituts, wonach etwa 30 Prozent der untersuchten Erwachsenen und 44 Prozent der Kinder und Jugendlichen „ein Risiko für eine unzureichende Jodaufnahme hätten“.

Besonders wichtig ist das Spurenelement für die körperliche und geistige Entwicklung des Kindes – und zwar schon im Mutterleib. Daher wird in Deutschland für Schwangere und Stillende – nach vorheriger ärztlicher Rücksprache – die Einnahme von Präparaten mit 100 (bis 150) Mikrogramm Jod pro Tag empfohlen.

Ohne ausreichende Folatversorgung besteht die Gefahr, dass Kinder mit einem sogenannten Neuralrohrdefekt geboren werden. Dabei entwickeln sich Teil des Gehirns nicht richtig oder der Rückenmarkskanal bleibt offen („offener Rücken“). Bis zu 1000 Föten jährlich werden in Deutschland mit derartigen Defekten geboren, die meisten versterben in kurzer Zeit. Die Empfehlung dagegen lautet, mindestens vier Wochen vor Beginn und in den ersten drei Monaten einer Schwangerschaft täglich 400 Mikrogramm Folsäure in Tablettenform zu ergänzen. Eine Alternative wäre es, z.B. Salz generell mit Folsäure anzureichern, wie es in den USA seit 1996 gemacht wird. Im Gegensatz zu Europa, wo man sich mit derartigen Maßnahmen schwertut, ist die Zahl der Neuralrohrdefekte in den USA seitdem deutlich zurückgegangen.

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Wie eine Prise Salz dem Kropf vorbeugt

Am Wochenende trat eine veränderte Vorschrift über den Jodgehalt von Speisesalz in Kraft. Die Erlaubnis, Jodsalz auch in industriell gefertigten Lebensmitteln und in der Gemeinschaftsverpflegung einzusetzen, schafft die Grundlage, den Kropf nun auch in der Bundesrepublik wirkungsvoll zu bekämpfen.

Endlich sind Vorschläge des Arbeitskreises Jodmangel berücksichtigt worden: Die Änderung der Verordnung über jodiertes Speisesalz schafft jetzt die Voraussetzungen, den Anteil des lebenswichtigen Spurenstoffes Jod in der Nahrung zu erhöhen. Aufgrund dieser Maßnahme erwarten die Mediziner, dass der hohe Anteil an Jodmangelkrankheiten – Vergrößerung und Funktionsstörungen der Schilddrüse – langfristig zurückgedrängt werden kann.

Obwohl die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Aufnahme von täglich mindestens 150 Mikrogramm (millionstel Gramm) Jod empfiehlt, liegt die durchschnittliche Menge, die Erwachsene im Bundesgebiet zu sich nehmen nur bei etwa 70-80 Mikrogramm am Tag. Die Folge dieser Unterversorgung wird im europäischen Vergleich sichtbar: Die Bundesrepublik weißt unter ihren Nachbarländern die bei weitem höchste Kropfbildungsrate auf.

Sechs bis acht Millionen Menschen leiden hierzulande an dieser krankhaften Vergrößerung der Schilddrüse. 80000 Operation pro Jahr als direkte Folge des Jodmangels bilden im internationalen Vergleich die einsame Spitze, wie Professor Peter Scriba vom Arbeitskreis Jodmangel gestern in Bonn mitteilte. Die Kosten in Höhe von fast einer Milliarde Mark, die jährlich durch Diagnose und Behandlung der jodbedingten Mangelkrankheiten entstehen, wären allein durch die Beseitigung des Joddefizits in der Bevölkerung zu vermeiden.

Durch die neue „Verordnung über jodiertes Speisesalz“ des Bundesministeriums für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit (BMJFFG) wird nun die Voraussetzung geschaffen, diesen Nährstoffmangel auf breiter Basis zu beheben. Der Einsatz von Jod bei der industriellen Herstellung von Lebensmitteln und in der Gemeinschaftsverpflegung – zum Beispiel Kantinen, Bundeswehr, Altersheime – war bisher nicht erlaubt. Hierzulande hatte man die Verwendung von Jodsalz immer sehr restriktiv gehandhabt: War jodiertes Kochsalz im Nachbarland Schweiz die Regel, so wurde es in der Bundesrepublik nur in Ausnahmefallen benutzt.

Vor acht Jahren ermöglichte der Gesetzgeber dann Jodkonzentrationen von 20 Milligramm pro Kilogramm Kochsalz. Die freiwillige Verwendung des Speisesalzes mit Jodzusatz im privaten Haushalt brachte jedoch nicht den gewünschten Effekt.

Da die Verwendung von Jodsalz die betreffenden Lebensmittel automatisch unter die Diätverordnung fallen ließ, waren mit der industriellen Herstellung und der Verwendung in Großküchen besondere Auflagen verbunden. Das Jodsalz wurde deswegen bei der Produktion von Lebensmitteln und Fertiggerichten praktisch nicht verwendet. Der Anteil an gewerblich vorgefertigten Lebensmitteln und Fertiggerichten liegt aber bei etwa 80 Prozent der Gesamtnahrungsaufnahme – der Verbrauch an jodiertem Speisesalz im Privathaushalt ist dagegen nur „ein Tropfen auf den heißen Stein“.

Der Arbeitskreis Jodmangel, der sich aus Medizinern, Ernährungswissenschaftlern und Lebensmittelchemikern zusammensetzt, erhofft sich nun einen Rückgang der Kropfhäufigkeit auf unter drei Prozent. Wie der Sprecher der Vereinigung, Professor Dieter Hötzel betonte, sei ein gesundheitliches Risiko durch die Jodsalzprophylaxe nicht zu erwarten, da mit den neuen Maßnahmen nur ein Mangel an einem Spurenelement ausgeglichen wird, das uns die Natur nicht in ausreichenden Mengen bereitstellt.

(erschienen in der WELT am 27. Juni 1989)

Was ist daraus geworden? Offe59-info@2xnbar hat die neue Verordnung ihren Zweck erfüllt. Die Jodversorgung der deutschen Bevölkerung ist von damals durchschnittlich 70 – 80 Mikrogramm auf etwa 110 – 120 Mikrogramm im Jahr 2003 gestiegen, schätzt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung. Damit liegt man nun im mittleren unteren Bereich der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) geforderten Zufuhr. Auch der Arbeitskreis Jodmangel bestätigt, dass Deutschland kein Jodmangelgebiet mehr ist. Dennoch sei die Versorgung nicht optimal, auch weil viele Herzpatienten ermahnt werden, ihre Salzzufuhr zu drosseln. Das neue Motto des Arbeitskreises lautet deshalb: „Wenn Salz, dann Jodsalz“.