Eine Studie in der Fachzeitschrift JAMA Network Open kommt anhand der Auswertung von Patientendaten zu dem Schluss, dass die Zahl der Operationen zur Umwandlung bzw. Angleichung des Geschlechts in den USA sich in den Jahren 2016 bis 2019 annähernd verdreifacht hat.

Nach Darstellung der Autoren um Jason D. Wright von der Abteilung für Geburtshilfe und Gynäkologie der Columbia University in New York könnte diese Entwicklung damit zu tun haben, dass die Hürden für eine operative Geschlechtsumwandlung in den USA in den vergangenen Jahren gesenkt wurden. Insbesondere wurden in vielen Bundesstaaten die Krankenversicherungen verpflichtet, die Kosten zumindest teilweise zu übernehmen.

Ob gesellschaftliche Entwicklungen im Sinne einer größeren Akzeptanz bzw. Sichtbarkeit von Transgender-Personen ebenfalls zu diesem Trend beigetragen haben, wurde nicht untersucht. Die Zahlen im Einzelnen:

Insgesamt 48019 Patienten haben sich zwischen 2016 und 2020 einer operativen Geschlechtsangleichung (engl. Abk. GAS) unterzogen. Mehr als die Hälfte waren zwischen 19 und 30 Jahre alt. Bei 3678 Patienten (7,7 %) lag das Alter zwischen 12 und 18 Jahren – es gab also einen erheblichen Anteil an Minderjährigen.

Mit 56,6 % betrafen die häufigsten Eingriffe die Brüste bzw. den Brustkorb, gefolgt von einer Rekonstruktion der Geschlechtsorgane (35,1%), sowie Operationen des Gesichts und kosmetischer Art (13,9 %).

Tatsache ist, dass die Zahl der „geschlechtsangleichenden“ Operationen sich auch in Deutschland im vergangenen Jahrzehnt mehr als verdoppelt hat. Laut dem KI-basierten Auskunftsdienst Bard von Google waren es 2012 noch 1189 Operationen und im Vorjahr (2022) bereits 2598. Zwei Drittel davon entfielen auf Trans-Frauen, und die Mehrheit der Eingriffe wurde in der Altersgruppe 20 bis 35 Jahre durchgeführt.

Die Versicherungsfrage dürfte in Deutschland kaum eine Rolle gespielt haben. In der Zwischenzeit haben Forscher jedoch mindestens ein halbes Dutzend Studien vorgelegt, wonach geschlechtsangleichende Operationen die Lebensqualität und Zufriedenheit erwachsener Patienten verbessern und die „Geschlechtsdysphorie“ verringern können. Letztere ist definiert als Unbehagen, Frustration oder Stress aufgrund einer Diskrepanz zwischen dem empfundenen Geschlecht und dem Geschlecht, das einer Person bei der Geburt zugewiesen wurde.

Es gibt also gute Gründe für die zunehmende Zahl von Operationen, aber die Veränderungen in den USA sind auch im Vergleich zur recht schnellen Entwicklung in Deutschland extrem. Es scheint einen regelrechten Stau gegeben zu haben, der sich nun möglicherweise langsam auflöst. Die lässt sich daraus schließen, dass sich die Zahl der Prozeduren laut der aktuellen Studie von 4552 im Jahr 2016 auf 13011 Eingriffe im Jahr 2019 mehr als verdreifacht hat. Im Folgejahr 2020 stabilisierte sie sich bei 12818 Operationen. Dies könnte aber auch – so spekulieren die Wissenschaftler – damit zu tun haben, dass zu diesem Zeitpunkt die grassierende Corona-Pandemie viele Operationen verhindert hat.

Auf jeden Fall, so schreiben die Forscher am Ende ihres aus eigenen Mitteln finanzierten Artikels, „legen diese Befunde nahe, dass es einen größeren Bedarf an Klinikern geben wird, die das Wissen im Umgang mit Transgender-Personen und die erforderliche Expertise für geschlechtsangleichende  Operationen haben“.

Quelle:

Wright JD, Chen L, Suzuki Y, Matsuo K, Hershman DL. National Estimates of Gender-Affirming Surgery in the US. JAMA Netw Open. 2023;6(8):e2330348. doi:10.1001/jamanetworkopen.2023.30348.