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„AIDS-Impfstoff noch vor dem Jahr 2000“

Kurz vor der 8. Internationalen AIDS-Konferenz konnte ich in Paris am ehrwürdigen Institut Pasteur mit Luc Montagnier sprechen, der das Virus neun Jahre zuvor entdeckt hatte. Es ging um die Sicherheit der Bluttransfusionen und das Sexualverhalten junger Menschen, um die Hoffnung auf einen Impfstoff und die Rolle der Politik, aber auch um den Streit mit dem Amerikaner Robert Gallo und millionenschweren Verwertungsrechte…

Als Sie 1983 das Aids-Virus entdeckten, waren weltweit „nur“ 2500 Infektionen registriert. Nach den jüngsten Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO sind es jetzt bereits 13 Millionen, für das Jahr 2000 werden gar 38 Millionen HIV-Infizierte erwartet, davon 18 Millionen, bei denen die Krankheit ausgebrochen ist. Das würde bedeuten, daß jeder 200. Mensch betroffen wäre. Angesichts dieser Zahlen fragen viele, wer für diese Entwicklung verantwortlich ist. Handelt es sich bei der weltweiten AIDS-Epidemie nur um eine Laune der Natur? Oder haben die Wissenschaft, die Politiker, die Gesellschaft versagt?

Montagnier: Ich denke, daß in der Wissenschaft nichts schiefgelaufen ist. Obwohl der Fortschritt auf diesem Gebiet rasant ist, sind wir jedoch immer noch nicht schnell genug, um mit der Entwicklung der Seuche in der Dritten Welt Schritt zu halten.

Die Zahlen sind natürlich sehr alarmierend. Es muß aber auch gesagt werden, daß sie fast ausschließlich auf die heterosexuelle Übertragung in einigen Entwicklungsländern zurückzuführen sind. In den letzten fünf Jahren haben sich in Asien, vor allem in Indien und Thailand, neue Brennpunkte der Epidemie gebildet, ebenso in Südamerika. Das erklärt die erschreckend hohen Zahlen.

Ist denn die Wissenschaft völlig machtlos?

Montagnier: Unser Problem ist, daß wir mit der Geschwindigkeit der Epidemie in diesen Gebieten einfach nicht Schritt halten können. Es gibt wenig, was wir daran ändern können. Es stimmt zwar, daß die Forschung in den ersten drei Jahren nach der Isolierung des Aids-Virus sehr schnell vorangekommen ist – der Erreger wurde charakterisiert, seine Gene untersucht; wir haben einen Bluttest entwickelt und mit der Substanz AZT die ersten Therapieversuche gemacht. Jetzt sind wir auf der Suche nach einem Impfstoff.

Allerdings war es von Anfang an klar, daß die Entwicklung einer Vakzine schwierig sein würde. Der Grund dafür liegt darin, daß gegen diese Gruppe von Viren noch nie ein Impfstoff entwickelt worden ist. Außerdem mußten wir schon sehr früh erkennen, daß es viele verschiedene Varianten des Virus gibt.

Aber man liest doch immer wieder von Impfstoffen, die in Labors entwickelt werden.

Montagnier: Wir haben hier einige sehr wichtige Fortschritte gemacht. Mehrere Schimpansen, die wir mit HIV-1 infiziert haben, konnten bis zu einem gewissen Grade geschützt werden. Wir haben erstmals gezeigt, daß mit einem Impfstoff, der aus einem Eiweiß aus der Hülle des Virus besteht, Erfolge zu erzielen sind.

Einen hundertprozentigen Schutz des Menschen würde man damit aber noch nicht erreichen?

Montagnier: Nein.

Nun meinen einige Forscher, daß HIV nicht alleine für den Ausbruch der tödlichen Immunschwäche verantwortlich sei. Auch Sie reden von „Kofaktoren“, die dabei eine Rolle spielen könnten.

Montagnier: Ja, sie werden von uns auch „verstärkende Faktoren“ genannt. Wenn es sie wirklich gibt und sie bei vielen HIV-Infektionen eine Rolle spielen, dann müssen wir auch über die Produktion von Impfstoffen gegen die Kofaktoren nachdenken. Es wäre faszinierend, wenn sich dadurch eine Heilung oder gar Vorbeugung von Aids erreichen ließe.

Sie denken dabei an Mykoplasmen?

Montagnier: Ja, diese Bakterien, die oft unbemerkt in menschlichen Zellen leben, könnten ein Kofaktor sein. Aber auch Pneumocystis carinii, ein Bakterium, das Lungenentzündungen verursacht und bei Aids-Kranken häufig zum Tode führt.

Was weiß man darüber, wie HIV das Immunsystem schädigt?

Montagnier: Hier haben wir im letzten Jahr die wichtigsten Fortschritte gemacht. Wir arbeiten an einem Phänomen, das Apoptose genannt wird – der programmierte Zelltod. Es gelang uns zu zeigen, daß bei Infizierten viele weiße Blutzellen darauf programmiert sind, früher zu sterben, als es normalerweise der Fall ist. Wenn bestimmte Eiweiße aus der Hülle des Virus an diese Zellen binden, wird wahrscheinlich ein Signal erzeugt, daß die Zellen vorprogrammiert.

Beim Kontakt mit bestimmten körperfremden Stoffen, die von Bakterien oder Mykoplasmen kommen können, wird die Selbstzerstörung der weißen Blutzellen in Gang gesetzt – das Immunsystem bricht zusammen. Dies und andere Befunde deuten darauf hin, daß Aids auch eine Autoimmunkomponente hat.

Die fehlgeleitete körpereigene Abwehr schädigt sich also selbst. Aids ist demnach anders als „gewöhnliche“ Viruskrankheiten?

Montagnier: Ja, und diese Erkenntnis ist von großer Bedeutung bei der Behandlung der Patienten. Das bedeutet nämlich, daß es nicht genügt, das Virus zu bekämpfen. Wenn Aids eine Autoimmunkrankheit ist, könnte es passieren, daß man das Virus erfolgreich bekämpft, und das Immunsystem wird trotzdem völlig zerstört. Diese neuen Vorstellungen sind sehr wichtig; und als einer der Pioniere auf diesem Gebiet bin ich froh, daß andere Forscher mittlerweile zum gleichen Ergebnis kommen.

Es gab eine Phase, in der die Aids-Forschung nur auf der Virologie basierte; mittlerweile betreibt man mehr Immunologie als Virologie; und das ist gut so, denn Aids ist beides: eine Viruskrankheit und eine Autoimmunkrankheit.

Wie wird man denn in Zukunft bei der Behandlung von Aids-Patienten verfahren?

Montagnier: Neben der Bekämpfung des Virus, der Kofaktoren und der Stärkung des Immunsystems durch die Gabe von Antikörpern gibt es noch eine weitere Überlegung: Man hofft, eine Technik einzusetzen, die in ähnlicher Form schon heute von dem Amerikaner Steve Rosenberg im Kampf gegen verschiedene Krebsformen erprobt wird.

Dazu müßte man Immunzellen des Patienten vermehren, indem man sie aus dem Blut herausfiltert und anschließend im Labor mit Wachstumsfaktoren stimuliert. Wir wissen, daß zytotoxische Lymphozyten – das sind weiße Blutzellen – solche Körperzellen angreifen, die das Virus in sich tragen. Diese Zellen könnte man zu Beginn einer Infektion isolieren, sie einfrieren und zu einem späteren Zeitpunkt, um ein Vielfaches vermehrt, wieder in die Blutbahn des Patienten spritzen.

Welche Rolle spielt denn bei diesen Überlegungen die Gentherapie?

Montagnier: Für die Zukunft wäre es denkbar, Lymphozyten durch eine Genmanipulation vor einer Infektion mit HIV zu schützen. Auf diese Weise könnte man die Immunzellen vielleicht auch vor der Zerstörung durch das fehlgeleitete Abwehrsystem des Körpers bewahren.

Die Anwendung der Gentechnik, die für solche Eingriffe notwendig wäre, ist in Deutschland stark umstritten. Ihre Befürworter dagegen behaupten, ohne Gentechnik sei es undenkbar, jemals einen Impfstoff gegen Aids zu entwickeln. Wenn Sie nun versuchen sollten, Ihre Arbeit nur mit den Methoden der Biochemie und der „klassischen“ Mikrobiologie fortzuführen, welche Auswirkungen hätte das?

Montagnier: Im Falle eines Impfstoffes ist es zutreffend, daß dieser letztlich auf der Molekularbiologie des Virus aufbaut. Ein Aids-Impfstoff wird wahrscheinlich auf der Analyse des Erbguts beruhen und auf „gentechnisch“ hergestellten Eiweißen. Es ist klar, daß die Gentechnik hilfreich war und für die Gewinnung eines Impfstoffes unentbehrlich ist.

Wann wird ein Impfstoff zur Verfügung stehen?

Montagnier: Ich zögere; hier ein Datum zu nennen, weil das sehr schwer vorherzusagen ist. Wenn ich mir aber anschaue, welche Fortschritte wir in den letzten zwei Jahren gemacht haben, dann halte ich es für vernünftig zu denken, daß wir noch vor dem Jahr 2000 einen Impfstoff haben werden. Das bedeutet allerdings nicht, daß diese Vakzine bis dahin weltweit eingesetzt werden wird.

Die Entdeckerrechte von HIV waren jahrelang umstritten. Robert Gallo vom Nationalen Gesundheitsinstitut der USA hat ebenso wie Sie den Anspruch erhoben, HIV als erster entdeckt zu haben. Mittlerweile scheint klar, daß Sie und Ihre Kollegen vor zehn Jahren das Virus als erste isolierten. Das Virus, mit dem Gallo den Bluttest mitentwickelte, stammt eindeutig aus Ihrem Labor.

Montagnier: Ich glaube, vom wissenschaftlichen Standpunkt gibt es heute darüber keine Zweifel mehr. Eine andere Frage ist es allerdings – und das ist ein amerikanisches Problem-, ob Gallo wirklich eine „versehentliche Verseuchung“ in seinem Labor hatte. Er behauptet das. Oder haben sie die Namen auf den Proben absichtlich vertauscht? Diese Frage ist noch offen, derzeit laufen mehrere Untersuchungen. Es scheint klar, daß Gallo und seine Mitarbeiter im Laufe der Zeit widersprüchliche Angaben gemacht haben. Einmal sagten sie, daß es ihnen nicht gelang, unser Virus, das wir ihnen geschickt hatten, zu vermehren. Sie behaupteten, es wäre nutzlos in ihrem Kühlschrank gestanden. Jetzt ist offensichtlich, daß sie es doch häufig benutzt haben. Warum haben sie das verschwiegen?

Es geht bei dieser Auseinandersetzung ja nicht nur um Ruhm und Ehre, sondern auch um viel Geld. Schließlich beruht der Bluttest für HIV ebenfalls auf dem Virus, das Sie isoliert haben. Das Pasteur-Institut hat jetzt von den Amerikanern die Rückerstattung von 20 Millionen Dollar gefordert. Worum geht es bei diesem Streit?

Montagnier: Ich denke, mittlerweile ist es wissenschaftlich erwiesen, daß alle Bluttests für HIV-1, die weltweit vorgenommen werden, das gleiche Virus benutzen. Wir haben ihm unterschiedliche Namen gegeben, aber es handelt sich um das gleiche Virus, und Gallo hat dies auch anerkannt. Nun wird noch diskutiert, welchen Beitrag beide Labors für die Entwicklung des Bluttests geleistet haben. Ich denke noch immer, daß auch Gallos Labor einen Anteil hat. Es besteht aber kein Zweifel daran, daß es sich dabei mehr um die Erweiterung und Bestätigung unserer Arbeit gehandelt hat und weniger um eine eigene Entwicklung.

Auf dieser Grundlage denke ich, daß Gallo und seine Kollegen noch immer das Recht haben, am wissenschaftlichen Ruhm ebenso teilzuhaben wie an den Patentrechten für den Bluttest. Umstritten ist aber weiterhin die Verteilung der Tantiemen. Da feststeht, daß die amerkanischen Firmen das Virus aus dem Pasteur-Institut nutzen, glauben wir Anspruch zu haben auf einen höheren Anteil. Gegenwärtig bekommt die amerikanische Gesundheitsbehörde NIH die eine Hälfte der Einnahmen, das Pasteur-Institut die andere Hälfte. Ich glaube, wir sollten mehr bekommen. Das wird jetzt diskutiert, aber ich bin daran eigentlich nicht beteiligt.

Das Pasteur-Institut hat seine Patentansprüche aber lange vor dem NIH angemeldet, auch in den USA. Trotzdem bekamen zuerst die Amerikaner die Patentrechte zugesprochen, erst 1987 haben Sie dann den Kompromiß ausgehandelt. Warum haben Sie sich damals überhaupt darauf eingelassen?

Montagnier: Wir hätten mit einem Gerichtsverfahren von drei bis fünf Jahren Dauer rechnen müssen, bei dem wir viel Geld für die Rechtsanwälte hätten ausgeben müssen, ohne einen Pfennig Geld zu sehen. Der Kompromiß erlaubte es uns, wenigstens einen Anteil des Geldes sofort zu bekommen.

Für Ihr Institut bedeuten die Tantiemen aber eine wichtige Einnahmequelle.

Montagnier: Noch nicht. Erst im vergangenen Jahr hatten wir hier die ersten Gewinne, und es war nicht besonders viel Geld. Davor haben die Anwaltsgebühren alles aufgebraucht. Es stimmt aber, daß die Aids-Forschung dem Pasteur-Institut ordentlichen Profit gebracht hat, weil zu den Tantiemen ja noch die Lizenzgebühren kommen. Wie Sie wissen, haben wir beide Typen des Aids-Virus zuerst gefunden, HIV-1 und HIV-2. Viele Firmen, die Bluttests verkaufen, nutzen dabei Bestandteile beider Viren, und sie bezahlen dabei unser Institut für die Nutzung von HIV-2.

Welche Rolle spielte denn die Politik bei der Ausbreitung der Seuche? Trotz wiederholter Warnungen der Wissenschaftler wurden HIV-verseuchte Blutproben benutzt, nicht nur in den USA, sondern auch in Frankreich. Tausende haben sich deshalb infiziert, viele sind bereits gestorben. Wer ist schuld an dieser Tragödie?

Montagnier: Ursprünglich, im Jahre 1984/85, wurde die Ernsthaftigkeit der Lage unterschätzt. In Frankreich gab es 1983 nur eine Handvoll Menschen, denen das Problem überhaupt bewußt war, die saßen im Gesundheitsministerium. Zu diesem Zeitpunkt war uns Wissenschaftlern nicht wirklich klar, was es bedeutete, mit dem Virus infiziert zu sein. Der menschliche Körper bildet ja zunächst Antikörper gegen HIV, und einige Leute sagten uns: „Wenn jemand Antikörper hat, dann ist er vor der Krankheit geschützt.“ Zum damaligen Zeitpunkt war das schwer zu beantworten, denn bei vielen Viruskrankheiten ist das der Fall – wenn Sie Antikörper haben, sind Sie ein Leben lang geschützt. Als wir dann anhand der Antikörper nachwiesen, daß bereits jeder zweite Bluter mit dem Virus infiziert war, hieß es: „Natürlich haben sie Antikörper, darum sind sie auch geschützt.“ Man machte sich also zum einen keine großen Sorgen, auf der anderen Seite befürchtete man wohl eine Panik und eine Ausgrenzung der HIV-Infizierten, wenn wir Alarm schlagen würden. Also haben die Öffentlichkeit, die Medien und die Politiker den Ernst der Lage unterschätzt.

Wir waren zu wenige Forscher und Mediziner, und wir waren zu schwach, um unseren Standpunkt zu den Bluttransfusionen durchzusetzen. Heute ist es natürlich leicht zu sagen, daß jede Übertragung von HIV mit Blutkonserven oder Blutprodukten unterbunden werden muß. Vielleicht hätten wir stärker sein müssen. Aber Aids war damals auch ein politisches Problem, denn zu diesem Zeitpunkt war Aids eine Krankheit der Homosexuellen und der Fixer.

Ist der Vorwurf, daß die öffentliche Reaktion verzögert wurde, weil Aids eine „Schwulenkrankheit“ war, gerechtfertigt?

Montagnier: Ja, das war ganz sicher so.

Wie groß ist die Gefahr, sich heute noch bei einer Bluttransfusion mit HIV zu infizieren?

Montagnier: Es gibt immer noch einige Länder, etwa in Afrika, in denen Blutkonserven nicht sicher sind. Die Gefahr ist bekannt, trotzdem werden weiter wissentlich Transfusionen mit verseuchtem Blut vorgenommen. In den westlichen Industrieländern ist das mittlerweile völlig ausgeschlossen.

Bluttests messen die Antwort des Körpers auf die Infektion. Mit einer neuen Technik, der Polymerasekettenreaktion (PCR), ließe sich HIV direkt und möglicherweise früher nachweisen. Warum benutzt man nicht die bessere Technik?

Montagnier: Die PCR ist sehr teuer, sie kann nur von spezialisierten Labors durchgeführt werden, und sie ist manchmal zu empfindlich, so daß Menschen, die gar nicht infiziert sind, trotzdem als „Falsch-Positive“ identifiziert werden. Die Technik hat noch andere Nachteile, daher glaube ich nicht, daß PCR die beste Lösung ist.

Man sollte weiterhin das Blut auf Antikörper testen, die Spender aber zusätzlich einer detaillierten Befragung unterziehen, in der ermittelt wird, ob sie in den drei Monaten vor der Blutspende möglicherweise Kontakt mit HIV-infizierten Personen hatten. Als weitere Vorsichtsmaßnahme sollte man Bluttransfusionen auf die dringendsten Fälle beschränken.

Um das nochmals zu sagen: Das Risiko, bei einer Bluttransfusion mit dem Aids-Virus infiziert zu werden, ist gering. Es ist nicht gleich Null, aber es ist klein.

Sie haben kürzlich erklärt, daß nach Aids möglicherweise weitere, verheerende Krankheiten kommen werden. Brauchen wir ein Frühwarnsystem, um für die nächste Epidemie besser gewappnet zu sein?

Montagnier: Ich denke, Europa braucht solch eine Institution. Im Moment gibt es das noch nicht, nur einige Kontrollzentren auf nationaler Ebene. Wir sollten aber eine gemeinsame Einrichtung haben, welche Entstehung und Entwicklung von Krankheiten in ganz Europa ständig überwacht. Das kann ein zentrales Institut sein oder ein Netzwerk von Einzelzentren. Das ist wie mit dem Wetter oder der Flugüberwachung.

Könnte solch ein Netzwerk den Ausbruch weiterer Epidemien verhindern?

Montagnier: Nicht nur das. Man könnte auch Infektionen untersuchen, die im Gefolge der Aids-Epidemie auf uns zukommen. Die Tuberkulose beispielsweise kehrt im Gefolge von Aids zurück.

Wie steht es um die Finanzierung der Aids-Forschung? Die meisten Wissenschaftler beklagen zwar, daß nicht genug Geld zur Verfügung gestellt wird, es gibt aber auch einige Kritiker.

Montagnier: Nein, ich glaube nicht, daß zu viel Geld für die Aids-Forschung ausgegeben wird. Man muß bedenken, daß unsere Ergebnisse auch der Bekämpfung anderer Krankheiten zugutekommen, auch des Krebses. Auch für die Bekämpfung von Immun- und Autoimmunkrankheiten sind unsere Resultate wichtig. Ich bin daher strikt gegen eine Kürzung der Forschungsgelder. Im Gegenteil, wir brauchen in Zukunft mehr Geld, um die Entwicklung der Krankheit bei den Infizierten zu verfolgen.

Möglicherweise gibt es eine AIDS-Lobby – sagen wir lieber ein Establishment -, die eine sehr konservative Art der Forschung betreibt. Es bekommt nur für gewöhnliche Projekte Geld. Ich bin ein Gegner dieser Praxis, man sollte lieber mehr Geld für viele riskante Ideen ausgeben. Dafür sind wir aber auf Spenden angewiesen. Das ist ein Problem, denn in Frankreich kommen auf diese Weise jährlich gerade 20 Millionen Franc zusammen. Im Verhältnis zu den 700 Millionen Franc für die Krebsforschung ist das gar nichts. Der Grund: Die Leute denken bei Aids immer noch an eine Krankheit Homosexueller. Das müssen wir ändern, und darum bemühen wir uns.

Noch vor wenigen Jahren hatten die Menschen große Angst, sich mit HIV zu infizieren. Jetzt hat das nachgelassen, in Deutschland wird die Bedrohung kaum mehr ernst genommen.

Montagnier: Wir müssen mehr Geld für Aufklärungskampagnen ausgeben, und zwar kontinuierlich. Dadurch läßt sich die Ausbreitung der Seuche zwar nicht vollständig stoppen, aber wir können einige Leben retten; vielleicht die Leben von jungen Menschen. Sie fühlen sich nicht bedroht, aber sie sind es.

Sexuelle Freizügigkeit ist bei jeder Art von Geschlechtskrankheit ein Risikofaktor. Wir wissen, daß Geschlechtskrankheiten bei Jungen und Mädchen sehr häufig sind. Natürlich spielt die Erziehung eine große Rolle, wenn es darum geht, das Sexualverhalten zu ändern. Das ist eine langwierige Anstrengung, aber die Sitten verändern sich eben nicht so schnell.

Für junge Leute ist es natürlich, Sex mit mehreren Partnern zu haben. Es ist nicht in, abstinent zu leben, Jungfrau zu bleiben oder nur einen Partner zu haben. Diese Einstellung müssen wir ändern, aber das wird einige Zeit dauern.

Es scheint, daß die Menschen zu Lebzeiten von Louis Pasteur mehr über Hygiene wußten als heute.

Montagnier: Ja, es herrscht ein falsches Gefühl der Sicherheit. Grundprinzipien der Hygiene gehen heute verloren. Selbst in manchen Kliniken Osteuropas werden elementare Regeln verletzt, manche Leute benutzen dort noch nicht einmal sterilisierte Spritzen. Wir müssen die Menschen wieder zu mehr Hygiene erziehen, auch auf sexueller Ebene.

(erschienen in „DIE WELT“ am 24. Juli 1992)

Was wurde daraus? Bekanntlich gibt es auch im Jahr 2020 noch keinen Impfstoff gegen das AIDS-Virus HIV. Ganz offensichtlich sind nicht alle Krankheitserreger gleich gut zu bekämpfen, und im Rückblick hatten die Skeptiker recht, die darauf hingewiesen haben, dass ein Virus, welches das Immunsystem befällt, eine besondere Herausforderung sein würde. Dennoch gab es in den Jahrzehnten nach der Entdeckung des Virus atemberaubende Fortschritte bei der Therapie, sodass die Krankheit inzwischen mit einer Reihe von Medikamenten in Schach gehalten werden kann – und zwar auch zu bezahlbaren Preisen in vielen Entwicklungsländern. Dass Montagnier neuerdings „umstrittene Positionen“ vertritt, wie die Wikipedia anmerkt, hat er mit einigen weiteren Nobelpreisträgern gemeinsam. Vielleicht ist das ja eine der Nebenwirkungen bei hochintelligenten Menschen, die neue Ideen entwickeln, um schwierige Probleme zu lösen 😉

Die Spürhunde des Immunsystems

Warum gibt es trotz jahrzehntelanger Forschung immer noch nicht die „Pille gegen den Krebs“, jene „magischen Kugeln“, von denen zur Jahrhundertwende einer der Väter der Immunologie, Paul Ehrlich, träumte? Tumoren, so meinte er, wurden Strukturen aufweisen, die bei gesunden Zellen nicht vorkommen. Das Immunsystem würde diese „tumorspezifischen“ Strukturen (Antigene) erkennen und die meisten kranken Zellen vernichten.

Nach den tumorspezifischen Antigenen suchen die Wissenschaftler noch heute. Als wichtigstes Werkzeug dient ihnen dabei eine besondere Klasse von Biomolekülen, die der Organismus zur Abwehr fremder Substanzen herstellt, die Antikörper. Diese Y-förmigen Eiweißmoleküle werden von den B-Zellen des Immunsystems gebildet. Man schätzt, dass sie zwischen einer und hundert Millionen verschiedene Antikörper produzieren. Jeder dieser Antikörper erkennt nur eines von unzähligen möglichen Antigenen.

Georges Köhler entwickelte 1974 ein Verfahren, mit dem sich einzelne Antikörper beliebig vermehren ließen. Heute ermöglichen diese „monoklonalen“ Antikörper (mAKs) eine rasche Identifizierung von Mikroorganismen und helfen bei der Diagnose vieler Krankheiten. Auch für die Erkennung und Behandlung von Krebserkrankungen erhofften sich die Forscher Fortschritte von den mAKs. Doch der Optimismus war voreilig – diese Bilanz zog jetzt Prof. Sabine von Kleist (Freiburger Institut für Immunbiologie) auf der 62. Titisee-Konferenz des Boehringer Ingelheim Fonds.

Herstellung monoklonaler Antikörper am Nationalen Krebsforschungsinstitut der USA (NCI)

Einig waren sich die Forscher darin, dass mAKs zwar keine Wunder vollbringen können, dennoch aber schon heute in der Diagnose von Krebs eine wichtige Rolle spielen. „Ich glaube nicht, dass die Krebserkennung mit monoklonalen Antikörpern zur Routinetechnik wird, vielmehr wird dies immer nur eine zusätzliche diagnostische Maßnahme sein“, so dämpft Frau von Kleist die Hoffnungen. Denn obwohl es viele sogenannte Tumor-Marker gibt, Moleküle also, die auf Krebszellen gehäuft auftreten, blieb die Suche nach Molekülen, die ausschließlich auf Tumoren zu finden sind, beim Menschen bisher erfolglos. Die Hoffnung, mit mAKs alle Krebserkrankungen nachweisen zu können, bleibt daher Illusion.

Für Lungen-, Brust- und Leberkrebs etwa liegt die „Trefferquote“ zwischen 60 und 90 Prozent. Die meisten Tumoren werden heute durch Röntgenverfahren und mit Hilfe der Computertomographie entdeckt. Antikörper kommen besonders dann zum Einsatz, wenn Verdacht auf eine Krebserkrankung besteht, diese jedoch mit herkömmlichen Verfahren nicht nachgewiesen werden kann.

Auch bei Patienten, denen bereits ein Tumor entfernt wurde, sind mAKs zur Kontrolle wichtig. Sie können nämlich neu auftretende Geschwülste bereits in sehr frühem Stadium erkennen. Diese Information erleichtert es dem Arzt dann, seine Behandlung so abzustimmen, dass maximale Heilungschancen mit möglichst geringen Nebenwirkungen verbunden sind.

Um das Wiederfinden der Antikörper überhaupt zu ermöglichen, werden sie chemisch mit radioaktiven Substanzen oder mit Farbstoffen „gekoppelt“. Einmal in die Blutbahn des Patienten gelangt, suchen sie sich wie Spürhunde ihr Ziel und „beißen“ sich daran fest. Die Strahlung, die beim radioaktiven Zerfall entsteht, ermöglicht es dann, die Position zuvor unsichtbarer Krebszellen zu ermitteln. Die farbigen Antikörper dagegen verraten sich erst bei der mikroskopischen Betrachtung von Gewebeproben durch ein intensives grünes oder rotes Leuchten.

Schon bald nach der Aufklärung der komplizierten Regeln, nach denen diese Moleküle aus mehreren Eiweißketten zusammengesetzt werden, versuchten einige Forscher, die Eigenschaften der Antikörper gezielt zu verändern. So ist etwa die „Lebenserwartung“ eines Antikörpers von einem Baustein abhängig, der als „Konstante Region“ bezeichnet wird und etwa dem Stamm des Ypsilon entspricht. Jim Primus nutzt diese Erkenntnis, um Antikörper mit maßgeschneiderter Lebensdauer zu produzieren. Kurzlebige mAKs für die Tumorerkennung, langlebige für die gezielte Zerstörung von entarteten Zellen sind das Ziel dieser Arbeit.

Dazu bringt Primus jeweils eines von mehreren möglichen Genen für die Konstante Region in seine Zellen. An Mäusen erprobt Primus derzeit Antikörper, die nur aus einer, statt aus vier Eiweißketten bestehen. Diese Kunstprodukte sollten besser verträglich sein und wegen ihrer reduzierten Größe schneller in den Tumor eindringen können.

Langfristig sollen Antikörper nicht nur beim Nachweis, sondern auch bei der Zerstörung von Tumorzellen zum Einsatz kommen. Dabei werden die Antikörper mit einem „Sprengsatz“ versehen. Dazu koppelt man starke Gifte an die mAKs, die dann direkt am Tumor ihre tödliche Wirkung entfalten. Auch stark radioaktive Substanzen werden benutzt. Beim Zerfall dieser Stoffe werden die gebundenen Zellen mit energiereicher Strahlung bombardiert und – im Idealfall – abgetötet. In Tierversuchen wurden mit dieser Behandlungsform schon erste Erfolge erzielt, die Anwendung am Menschen aber macht nur langsame Fortschritte.

Jean-Piere Mach vom Biochemischen Institut der Universität Lausanne warnt vor allzu hohen Erwartungen. Der Mediziner war einer der ersten, der radioaktiv markierte Antikörper am Patienten erprobte. Das Problem besteht darin, das Zerstörungspotential der „vergifteten“ Eiweißstoffe auf die Tumorzellen zu begrenzen. Hier schließt sich der Kreis: Auch die mAKs sind nicht spezifisch genug; sie binden an gesunde Zellen und strahlen auf ihrem Weg durch die Blutbahn. In der Regel wird dabei das blutbildende Knochenmark derart in Mitleidenschaft gezogen, dass eine Transplantation erforderlich ist.

Obwohl Mach eine enorme Strahlungsdosis (2000 bis 3000 rad) auf die Krebszellen zu richten vermag, können Heilungserfolge nur bei einem kleinen Teil der Patienten erzielt werden. Gelänge es, durch verbesserte Antikörper die Belastung für gesundes Gewebe konstant zu halten und die Dosis für die Krebszellen nochmals zu verdoppeln, ließen sich deutlich bessere Resultate erzielen.

Vielleicht aber sind die mAKs gar nicht das Ei des Kolumbus. Mit einer „aktiven Immuntherapie“ will Volker Schirrmacher vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg die Killerzellen (zytotoxische T-Lymphozyten) des menschlichen Körpers aktivieren. Diese besonders schlagkräftigen Zellen sind ohne fremde Hilfe nicht in der Lage, Tumorzellen zu erkennen.

Schirrmacher entfernte bei Mäusen operativ einen Tumor, der bereits begonnen hatte, lebensbedrohliche Tochtergeschwüre zu bilden. Dann infizierte er die so gewonnenen Krebszellen im Reagenzglas mit einem für Menschen ungefährlichen Virus. Die infizierten Tumorzellen wurden schließlich bestrahlt, um sie an einer weiteren Vermehrung zu hindern, und den Mäusen als Impfstoff verabreicht. In verschiedenen Versuchsreihen überlebten zwischen 50 und 80 Prozent der so behandelten Tiere; Mäuse, denen nur der primäre Tumor entfernt worden war, starben dagegen allesamt an dessen aggressiv wuchernden Tochtergeschwüren.

„Wir glauben, dass wir die Tumorzellen ausgelöscht haben und nicht nur deren Wachstum verlangsamen konnten“, kommentiert der Immunologe. Doch was war passiert? Schirrmacher vermutet, dass die geheilten Mäuse ihr Leben den Viren verdanken. Offenbar wurden Tumorantigene in Kombination mit Virusbestandteilen so präsentiert, dass die Killerzellen die fremden Strukturen erkennen konnten. Zusätzlich könnten die Viren zur Produktion von Signalmolekülen wie Interferon und Interleukin geführt haben und somit ein ganzes Spektrum von verschiedenen Immunzellen aktiviert haben.

Mittlerweile wurde diese Art der Krebstherapie bereits an den ersten Patienten erprobt. Die Hinweise darauf, dass das Immunsystem auf diese Art der Impfung reagiert, sind deutlich, schwere Nebenwirkungen waren nicht zu beobachten. Noch ist aber nicht genug Zeit verstrichen, um auch einen möglichen Heilungserfolg der aktiven Immuntherapie zu beurteilen.

Mittlerweile wurde diese Art der Krebstherapie bereits an den ersten Patienten erprobt. Die Hinweise darauf, daß das Immunsystem auf diese Art der Impfung reagiert sind deutlich, schwere Nebenwirkungen waren nicht zu beobachten. Noch ist nicht genug Zeit verstrichen, um auch einen möglichen Heilungserfolg der aktiven Immuntherapie zu beurteilen.

„Krebs ist zu schwer“, soll Ehrlich resigniert haben, nachdem jahrelange Versuche gescheitert waren, einen Impfstoff zu entwickeln. Auch wenn die „Pille gegen den Krebs“ ein Wunschtraum bleiben wird: die Erfolge der letzten Jahre nähren die Hoffnung, den Altvater der Immunologie doch noch zu widerlegen.

(leicht gekürzt erschienen in der WELT am 9. Juni 1990. Letzte Aktualisierung am 12. März 2017)

Was ist daraus geworden? Der Besuch meiner ersten Titisee-Konferenz im Jahr 1990 hat mich damals fasziniert – auch wenn die Stimmung angesichts nur langsamer Fortschritte eher gedämpft war. Viele der dort versammelten Wissenschaftler sollten später bedeutende Beiträge im Kampf gegen den Krebs leisten. Der Eingangs erwähnte Georges Köhler hatte für seine Methode zur Zucht monoklonaler Antikörper im Jahr bereits im Jahr 1984 den Medizin-Nobelpreis bekommen und verstarb 1995 an einer Lungenentzündung. Sein Vermächtnis besteht aus einer gewaltigen Zahl von monoklonalen Antikörpern, die heute sowohl bei der Diagnose, als auch bei der Therapie vieler Krebsarten zum Einsatz kommen.

Malaria – Mit einem Cocktail gegen die Verwandlungskünstler

Plasmodien, die einzelligen Erreger der Malaria, haben eine Vielzahl von Mechanismen entwickelt, mit denen sie der Immunabwehr des Menschen immer wieder entkommen.

Die Parasiten verstecken sich im menschlichen Organismus innerhalb von Zellen. Als „Sporozoiten“, die mit der Speichelflüssigkeit der weiblichen Anophelesmücke in die Blutbahn gelangen, erreichen sie innerhalb von nur 30 Minuten die Leber. Jeder einzelne Sporozoit, der hier eindringt, produziert bis zu 40000 Nachkommen, „Merozoiten“ genannt, die dann ausschwärmen und binnen zehn Minuten die ersten roten Blutkörperchen (Erythrozyten) befallen.

Malaria-Zyklus - Wikipedia

Komplizierter Zyklus: So vermehren sich Plasmodien, die Erreger der Malaria. (Von Chb, Wikipedia)

 

Die Nachkommen dieser Blutstadien befallen dann in regelrechten Angriffswellen immer neue Erythrozyten und lösen damit die Fieberschübe aus, die mit der Malaria einhergehen. Innerhalb einer Woche vollendet sich der fatale Kreislauf, wenn – bei einem erneuten Stich – geschlechtliche Formen des Parasiten in die Mücke gelangen, um dort den Lebenszyklus abzuschließen.

Dem Immunsystem bleibt also wenig Zeit, seine Abwehrwaffen zu mobilisieren. Außerdem deutet vieles darauf hin, dass die Plasmodien gelernt haben, nur solche Oberflächenstrukturen zu präsentieren, die sich die körpereigene Abwehr nicht „merken“ kann. Die Zellen des Immunsystems erkennen nicht die kompletten Eiweiße, wie sie auf der Hülle des Parasiten vorkommen, sondern immer nur kurze Bereiche (Epitope).

Ein Großteil der Forschung konzentriert sich heute darauf, diejenigen Epitope zu finden, die das Immunsystem optimal stimulieren. Dazu werden die Eiweißstrukturen auf den Parasiten durchgemustert und in einzelne Bruchstücke zerlegt. Computervorhersagen sollen dabei helfen, besonders markante (immunogene) Epitope zu finden. Diese können dann im Labor nachgebaut oder mit gentechnischen Mitteln vervielfältigt werden.

Obwohl die B-Zellen des Immunsystems bei der Infektion Antikörper in großen Mengen produzieren, ist der betroffene Mensch dennoch nicht geschützt. Durch Anregung der T-Zellen hoffen viele Wissenschaftler, die noch ungenutzten Kräfte der menschlichen Immunabwehr wecken zu können. T-Zellen zerfallen in mehrere Untergruppen, von denen z. B. die ‚Killerzellen in der Lage sind, von Erregern infizierte Zellen zu zerstören. Ihren Einsatzbefehl hierfür bekommen sie von den T-Helferzellen.

Die Helferzellen können die Bruchstücke des Parasiten aber nicht alleine erkennen. Fresszellen (Makrophagen) fallen über die Parasiten her, kurz danach tauchen die Bruchstücke (Antigene) der Eindringlinge wieder an deren Oberfläche auf. Die Bruchstücke hängen dabei an einer Eiweißstruktur, die von den Experten kurz MHC-Antigene genannt wird. Die Kombination aus MHC-Antigen und fremdem Antigen dient schließlich als Signal für die Helferzellen, die Fresszellen zu aktivieren.

Erschwert wird die Suche der Wissenschaftler nach den „besten“ Epitopen dadurch, dass es vermutlich Hunderte verschiedener MHC-Moleküle gibt. Sie kennzeichnen körpereigenes Gewebe und sind auch für die Abstoßungsreaktionen nach Transplantationen verantwortlich. Es gilt also, Epitope zu finden, die mit möglichst vielen MHC-Antigenen eine Bindung eingehen können.

Ein zusätzliches Problem besteht darin, dass die Sporozoiten auf dem Weg in die Leber einen Teil ihrer Hülle abwerfen. Antikörper, die an diese Hülle binden, können dem Parasiten daher nichts anhaben. Die Merozoiten, die die Leber verlassen, erscheinen sogar in völlig neuer Verkleidung. Ein Impfstoff wird also aus einem „Cocktail“ bestehen und eine Vielzahl von Epitopen enthalten müssen, die für die verschiedenen Entwicklungsstufen des Parasiten charakteristisch sind.

Man wird sich dabei bemühen, vor allem solche Oberflächenstrukturen anzugreifen, die für die Plasmodien lebenswichtig sind. Infrage kämen etwa Bruchstücke der Eiweiße, mit denen die Erreger an Leberzellen und rote Blutkörperchen binden.

Hier taucht ein weiteres Problem für die Forscher auf: Zwischen den vielen verschiedenen Malariastämmen, die in den betroffenen Ländern vorkommen, existieren wiederum Unterschiede in den Oberflächen-Proteinen. Ein Impfstoff müsste aber gegen Erreger-Stämme auf der ganzen Welt wirksam sein.

(erschienen in der WELT am 28 Juni 1989)

59-info@2xWas daraus geworden ist: Die Vorstellung eines Impfstoffes, der so wie bei vielen Kinderkrankheiten mit einer Spritze 100-prozentigen Schutz verleiht, hat sich bei der Malaria als reines Wunschdenken erwiesen. Schon auf der Wissenschaftspressekonferenz in Bonn, die diesem Bericht zugrunde lag, waren durchaus kritische Töne zu hören, etwa von Professor Hanns Seitz, damals Direktor am Institut für Medizinische Parasitologie der Universität Bonn. „Mehr als ein Jahrzehnt intensiver Forsschung lassen erkennen, dass die Immunologen sich mit ihren Prognosen verschätzt haben, und dass ihre Voraussagen zu optimistisch waren“, sagte Seitz damals meiner Kollegin Dr. Vera Zylka.

Es gibt aber auch gute Nachrichten: Die Zahl der Toten ist von jährlich ca. drei Millionen auf etwa 600000 gesunken, seit die Weltgesundheitsorganisation und Stiftungen wie die Bill & Melinda Gates Foundation begonnen haben, den Erreger mit Insektiziden und Moskitonetzen in Schach zu halten. Und im Juli 2015 hat die Europäishe Arzneimittelbehörde dann die Zulassung eines Impfstoffes empfohlen, der für Babys in Risikogebieten gedacht ist und der in Studien zwischen 27 und 48 Prozent der Erkrankungen verhindern konnte, wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet. Folgt die EU-Kommission der behördlichen Empfehlung, wäre „Mosquirix“ der erste zugelassene Malaria-Impfstoff überhaupt.