Große Übereinstimmung herrschte unter den Vertretern zahlreicher Fachrichtungen auf dem 18. Interdisziplinären Forum der Bundesärztekammer „Fortschritt und Fortbildung in der Medizin“: Eine aktive Sterbehilfe wurde bei einem Rundtischgespräch zum Thema Sterbebegleitung in Praxis und Klinik einhellig abgelehnt. „Die Mitwirkung des Arztes bei der Selbsttötung ist unärztlich“, heißt es dazu in einem Thesenpapier.
Dr. Ingeborg Jonen-Thielemann berichtete aus ihrer zehnjährigen palliativen Erfahrung am Mildred-Scheel-Haus, daß keiner der Patienten dort um aktive Sterbehilfe gebeten habe. „Kein Krebskranker wollte sterben, wenn der Schmerz eingestellt und er als Mensch liebevoll angenommen wurde.“
In dem Thesenpapier der Expertenrunde wird erklärt, es gehöre zu den Pflichten des Arztes, dem Todkranken oder Sterbenden so beizustehen, daß er in Würde zu sterben vermag. Eine Sterbebegleitung ohne Arzt sei „undenkbar“.
Wilhelm Berges, Chefarzt der Internistischen Abteilung des Aachener Luisenhospitals, sprach sich gegen einen „vordergründigen Aktionismus“ bei tödlich verlaufenden Krankheiten aus. „Es gehört zu den besonderen und großen Aufgaben des Arztes, diese Situation rechtzeitig zu erkennen, sie dem Patienten zu vermitteln und dann eine unnötige Diagnostik und Therapie zu unterlassen.“
Auch für eine adäquate Schmerztherapie und Symptomkontrolle ist der behandelnde Arzt verantwortlich. Die analgetische Behandlung muß laut Berges regelmäßig, ausreichend und antizipierend erfolgen. Es sei ein absoluter Fehler, dabei „nach Bedarf“ zu verfahren.
Fehler werden aber auch bei der medizinischen Aufklärung von Angehörigen gemacht. Schwester Miriam Bramer vom Hospiz für palliative Therapie in Köln plädierte dafür, falsche Vorstellungen der Betroffenen zu korrigieren, weil sie zum einen die Patienten belasten und zum anderen dazu führen können, daß Angehörige eine Beendigung des Leidens fordern.
Zu den hohen Anforderungen an den eigenen Berufsstand gesellte sich in der Diskussion die Erkenntnis, daß für die professionellen Helfer selbst kaum Möglichkeiten zur Verfügung stehen, die Erfahrungen im Umgang mit dem Tod zu verarbeiten. Diese Probleme müßten deshalb bei der Aus- und Weiterbildung stärker als bisher berücksichtigt werden, sagte der Direktor der Chirurgischen Universitätsklinik Köln, Heinz Pichlmaier.
(erschienen in der Ärzte-Zeitung am 14.1.1994)