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Schutz vor Hepatitis A

Ein Impfstoff gegen das Hepatitis-A-Virus wird in Kürze auch in der Bundesrepublik erhältlich sein. Nach Angaben der Herstellerfirma wird damit erstmals ein langanhaltender Schutz vor dieser infektiösen Variante der Leberentzündung möglich. Von besonderem Interesse dürfte der neue Impfstoff für die drei Millionen Tropenreisenden sein, die Deutschland alljährlich mit Reiseziel Afrika oder Asien verlassen.

Denn obwohl das Hepatitis-A-Virus (HAV) weltweit verbreitet ist, besteht doch ein deutliches Nord-Süd-Gefälle. Während hierzulande nur etwa jeder zwanzigste Jugendliche Kontakt mit dem Virus hatte, haben in den Tropen und Subtropen 90 Prozent aller Zehnjährigen bereits eine Infektion durchgemacht.

Die Bedeutung dieser Zahlen erläuterte Dr. Thomas Weinke vom Institut für Mikrobiologie der FU Berlin anläßlich eines Symposiums der Firma SmithKline Beecham im französischen Roquebrune. Obwohl die Anzahl der Hepatitis-A-Infektionen in der Bundesrepublik seit Jahren rückläufig ist (1989 wurden noch 5007 Fälle gemeldet), dürfe die Krankheit nicht unterschätzt werden.

Denn nur diejenigen sind vor der Erkrankung geschützt, die bereits eine Infektion hinter sich haben. Das hat die nur scheinbar paradoxe Folge, daß Einwohner von Ländern mit hohem Hygienestandard bei Reisen in die Tropen besonders gefährdet sind.

Verseuchtes Wasser, das mit menschlichen Fäkalien kontaminiert wurde, kann die Viruspartikel enthalten. Mit einem Durchmesser von etwa 30 Milliardstel Millimetern können sie nur durch aufwendige Filteranlagen beseitigt werden, die aber auch in Hotels der gehobenen Kategorie häufig nicht vorhanden sind. Weitere Infektionsquellen sind Eiswürfel oder auch Obst, Gemüse und Salate sowie nicht ausreichend gekochte Meeresfrüchte.

Etwa jeder tausendste Reisende in ein Entwicklungsland bringt nach Weinkes Angaben eine Hepatitis-A-Infektion mit nach Hause. Rucksack- und Abenteuerreisende haben dabei naturgemäß das größte Risiko. Was folgt, ist eine bis zu zwölf Wochen anhaltende Krankheit, die mit Arbeitsunfähigkeit und oft längerem Klinikaufenthalt einhergeht.

Fieber, Schwindelgefühl, Müdigkeit und Erbrechen sind die äußeren Anzeichen, ein Gewichtsverlust von fünf Kilogramm nicht selten. Dann erst setzt die Verfärbung der Haut ein, der die „infektiöse Gelbsucht“ ihren Namen verdankt.

Mit dem neuen Impfstoff stehen Urlaubern und Geschäftsreisenden jetzt zwei Möglichkeiten zur Verfügung, sich vor dem Hepatitis-A-Virus zu schützen: Bisher üblich war die „passive Impfung“, bei der kurz vor dem Abflug etwa fünf Milliliter Flüssigkeit in den Allerwertesten gespritzt werden. Die darin enthaltenen Antikörper stammen aus dem Blut von Tausenden von Spendern und sind nicht nur gegen das Hepatitis-A-Virus selbst gerichtet, sondern auch gegen eine Vielzahl anderer Krankheitserreger. Die Abwehrkraft soll dadurch insgesamt heraufgesetzt werden. Nachteil der circa 50 Mark teuren passiven Impfung ist die relativ große Flüssigkeitsmenge, die zu Schmerzen im Gesäß führen kann; auch hält die Wirkung nur etwa drei Monate vor, dann hat der Köper das fremde Eiweiß weitgehend abgebaut.

Der neue Impfstoff enthält dagegen Bestandteile abgetöteter Viren, die seit kurzem in ausreichender Menge aus Zellkulturen gewonnen werden können. Hier muß dreimal mit jeweils einem Milliliter geimpft werden. Zum Preis von voraussichtlich 180 Mark erhält man dafür einen zehn Jahre währenden Schutz.

Der Abstand zwischen dem ersten und dem dritten, „Schuß“‘ muß aber mindestens sechs Monate betragen. Das neue Produkt dürfte daher vor allem für Geschäftsreisende von Interesse sein, die sich häufiger in den Tropen aufhalten.

(Erschienen in „DIE WELT“ im September(?) 1992. Das Symposium in Roquebrun wurde besucht auf Einladung der Firma SmithKline Beecham)

Fünf Viren, die auf die Leber schlagen

Durch Viren verursachte Leberentzündungen (Hepatitis) haben weltweit jährlich über 500000 Todesfälle zur Folge, so schätzen, Experten. Mit den Waffen der modernen Biologie kämpft die Wissenschaft gegen mindestens vier verschiedene Erreger. Die Namen der Erreger (wie Hepatitis A, B oder C-Virus) suggerieren eine enge Verwandtschaft, doch einzige Gemeinsamkeit ist das betroffene Organ, die Leber.

Das Hepatitis A Virus (HAV) ist dabei noch vergleichsweise harmlos. Die winzigen Partikel tragen als Erbsubstanz ein kurzes, fadenförmiges Stück Ribonukleinsäure (RNA), verpackt in eine Eiweißhülle. Infektionen mit HAV sind meist auf verseuchte Nahrungsmittel zurückzuführen. Im letzten Jahr gelang es Prof. Bertram Flehmig vom Hygieneinstitut der Universität Tübingen und seinen Mitarbeitern, einen Impfstoff gegen diese „infektiöse“ Variante der Hepatitis herzustellen (siehe Bericht vom 23. Juni 1989). Die Vakzine, die aus abgetöteten Viren besteht, sollte in wenigen Jahren allgemein verfügbar sein. Allerdings dürfte der relativ hohe Preis die Anwendung auf Touristen beschränken, die in tropische Länder reisen.

Das Hepatitis B Virus (HBV) führt auf noch ungeklärte Weise zu 85 bis 90 Prozent aller Leberkrebsfälle in der Welt und fordert jährlich über eine halbe Million Opfer. Diese Karzinome sind regional sehr unterschiedlich verteilt: In den USA, Europa und Australien gibt es nur einen bis drei Fälle je 100000 Einwohner und Jahr; in Südostasien und weiten Teilen Afrikas sind es zwischen zehn und 150.

Bei einer HBV-Infektion – die Übertragung erfolgt über den Blutweg oder beim Sexualkontakt – vermehrt sich das Virus in der Leber. 95 Prozent dieser Infektionen werden vom Immunsystem gestoppt, diese Personen sind dann gegen weitere Angriffe gefeit. Bei fünf Prozent aber bleibt die Infektion ein Leben lang erhalten. Die meisten Betroffenen erleiden dennoch keinen Leberschaden. In wenigen Fällen aber kommt es zu einer chronischen Leberentzündung.

Der Krebs entwickelt sich meist in einem bereits vorgeschädigten Organ. Durch Experimente an Nagetieren konnte man zeigen, dass die Krankheit offenbar in zwei Schritten verläuft: Während der chronischen Hepatitis teilen sich die Leberzellen schneller als gewöhnlich, um abgestorbene Zellen zu ersetzen. Dabei kommt es zum Einbau viraler DNA in das menschliche Erbgut.

Diese Methode der „Integration“ hat HBV mit dem Aids-Erreger HIV gemein. Da der Einbau ungeregelt und in zufälliger Weise erfolgt, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die in der menschlichen DNA gespeicherte Information für die Zelle unleserlich wird. Wenn so Zellteilung und Zellwachstum außer Kontrolle geraten, kann 25 bis 30 Jahre nach der Infektion ein Krebs entstehen.

Bei der Therapie der B-Hepatitis kommt es vor allem darauf an, das Virus an der Vermehrung zu hindern und die virale DNA zu beseitigen. Erfolgreichstes Medikament ist dabei das Alpha-Interferon. Es darf aber nur von erfahrenen Ärzten nach sorgfältiger Abwägung gegeben werden, weil es schwere Nebenwirkungen hat.

Viruserkrankungen lassen sich im Prinzip durch vorbeugende Impfungen verhindern. Für die Hepatitis B war man bis vor kurzem auf Blutplasma von Erkrankten angewiesen, da sich das Virus nicht in Zellkulturen vermehren ließ. Diese Vakzine konnte den Bedarf aber nicht decken und war außerdem nur mit einem hohen Produktionsaufwand zu gewinnen.

Schließlich besteht bei der Verwendung von Blutprodukten immer die Gefahr einer Ansteckung mit schwer nachweisbaren Krankheitserregern. Vor drei Jahren wurde dann erstmals ein gentechnisch hergestellter Impfstoff gegen HBV zugelassen. Bei dem neuen Verfahren werden Bruchstücke des Virus in Hefezellen produziert, die dann nach dreimaliger Impfung vor einer Infektion schützen.

Die Zahl der Träger des Hepatitis B Virus wird global auf rund 300 Millionen geschätzt. Vermutlich ist HBV nach dem Rauchen die häufigste Krebsursache. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat es sich daher zum Ziel gesetzt, diese Krankheit bis zum Jahr 2010 weltweit auszurotten.

Allerdings steht der immer noch hohe Preis der Vakzine Massenimpfungen entgegen. Kosten von über 100 Mark pro Impfung mögen hierzulande akzeptabel sein, für die Entwicklungsländer ist schon ein Dollar zu viel. Die Aussichten der WHO Kampagne auf Erfolg erscheinen daher begrenzt, solange es nicht gelingt, die Zahl der nötigen Impfungen und die Kosten drastisch zu reduzieren.

Mindestens zwei weitere Viren können bei der Hepatitis eine Rolle spielen. Früher als „Nicht-A-Nicht-B-Hepatitis- Erreger“ zusammengefasst, hat man in den letzten Jahren einiges über diese Parasiten dazugelernt. Das Hepatitis C Virus (HCV) ist für die meisten Fälle von Leberentzündung nach Bluttransfusionen verantwortlich. Bislang müssen noch etwa vier bis fünf Prozent der Blutempfänger mit einer Gelbsucht rechnen. Ein neu entwickelter Test, der den Ärzten hierzulande in diesem Jahr zur Verfügung stehen wird, soll die Infektionsgefahr nochmals auf ein Fünftel reduzieren. Eine Interferon-Behandlung zeigt bei ungefähr der Hälfte der Patienten Erfolg.

Das andere „Nicht-A-Nicht-B-Virus“, auch als „E“ bezeichnet, hat den gleichen Übertragungsweg wie HAV. Das E-Agens befällt vor allem jüngere Menschen in Mexiko, Indien, Teilen Afrikas und Südostasiens. Diese Form der Hepatitis hat in der Regel eine gute Prognose, kann aber in der Schwangerschaft mit dem Tod enden. Eine Therapie existiert für dieses Virus bisher nicht.

Ein Sonderling schließlich ist das Hepatitis Delta Virus, HDV. Normalerweise tritt HDV in Kombination mit HBV auf, wobei sich die Hepatitis durch die Anwesenheit von HDV erheblich verschlimmert. Delta hat große Ähnlichkeit mit Krankheitserregern, die als Viroide bezeichnet werden und ausschließlich in Pflanzen vorkommen.

Nach John Germ von der Georgetown- Universität im US-Distrikt Washington stellt HDV den bisher einzigen Vertreter einer völlig neuen Klasse von Erregern dar. Für die Übertragung, nicht aber für die Vermehrung ist HDV auf die Hilfe von HBV angewiesen. Man schätzt, dass etwa 15 Millionen Menschen das Delta-Virus in sich tragen.

(erschienen in der WELT am 20. Januar 1990)

Was ist seitdem passiert? Enorme Fortschritte gab es bei der Bekämpfung fast aller Formen der Virus-Hepatitis. Es gibt Impfstoffe gegen A und B, sogar als Kombination in einer Spritze. Als echter Durchbruch gilt auch die Entwicklung von gut verträglichen und hoch wirksamen Arzneien gegen Hepatitis C. Die Tabletten wirken in kurzer Zeit und erreichen Heilungsraten von mehr als 90 Prozent. 

(letzte Aktualisierung 27. Februar 2017)